(19)
(11) EP 1 077 097 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.02.2001  Patentblatt  2001/08

(21) Anmeldenummer: 00116659.4

(22) Anmeldetag:  02.08.2000
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B22C 1/00, B22C 9/10
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 18.08.1999 DE 19939062

(71) Anmelder:
  • DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.
    53175 Bonn (DE)
  • TITAN-ALUMINIUM-FEINGUSS GmbH
    59909 Bestwig (DE)

(72) Erfinder:
  • Ratke, Lorenz
    53757 St. Augustin (DE)
  • Nicolai, Hans-Peter, Titan-Aluminium-Feinguss GmbH
    59909 Bestwig (DE)

(74) Vertreter: Jönsson, Hans-Peter, Dr. et al
Patentanwälte, von Kreisling Selting Werner, Deichmannhaus am Dom
50667 Köln
50667 Köln (DE)

   


(54) Verwendung von Kunststoff/Kohlenstoff-Aerogelen als Kernwerkstoff


(57) Gegenstand der Erfindung ist die Verwendung von Kunststoff/Kohlenstoff-Aerogelen als Kernwerkstoff.
Verwendung von hochporösen, offenporigen Kunststoff- und/oder Kohlenstoffaerogelen, erhältlich durch Sol-Gel-Polymerisation von organischen Kunststoffmaterialien als Kernwerkstoff für den Formguss.


Beschreibung


[0001] Gegenstand der Erfindung ist die Verwendung von Kunststoff/Kohlenstoff-Aerogelen als Kernwerkstoff im Formguss.

[0002] Gießen in keramischen Formschalen und Formen aus gebundenen Sanden sind Standardgusstechniken, um Präzisionsteile aus verschiedensten Legierungen, insbesondere von Aluminium, Magnesium, Titan oder Graugusslegierungen herzustellen. Die Formen werden in der Regel über das Wachsausschmelzverfahren hergestellt; d. h. ein Wachskörper des zu gießenden Teils wird mit einem Silica-Sol benetzt, in mehreren Schritten besandet, getrocknet und anschließend wird die Formschale gebrannt, wobei das Wachs in einem Autoklaven ausgeschmolzen wird oder verbrennt. Mittels moderner Gussverfahren ist es möglich, konturgerecht und endformnah zu gießen (J.Sprunk, W. Blank, W. Grossmann, E. Hauschild, H. Rieksmeier, H.G. Rosselnbruch; Feinguß für alle Industriebereiche, 2. Auflage, Zentrale für Gussverwendung, Düsseldorf 1987; K.A. Krekeler, Feingießen, in: Handbuch der Fertigungstechnik Bd. 1., Herausgeber: G. Speer, Hanser Verlag, München 1981).

[0003] Hohlräume innerhalb der Gussform müssen mittels eines Kernes stabil vorgeformt werden. Solche Kerne werden in der Regel wegen der dort herrschenden hohen thermischen und mechanischen Belastung aus kunststoffgebundenen keramischen Pulvern hergestellt. Nachteil der heute üblichen Verfahren zur Kernherstellung ist, dass die Entfernung der Kerne aus dem Gussstück nur mit extrem hohen Aufwand möglich ist (z.B. Verbrennung im Autoklaven), die Verteilung der Sande im Kern inhomogen ist, Risskeime existieren, die unter anderem zum Bruch unter thermisch-mechanischer Belastung führen können.

[0004] Aerogele sind hochporöse, offenporige oxidische Festkörper, die in der Regel über Sol-Gel-Verfahren aus Metallalkoxiden durch Polymerisation, Polykondensation zu Gelen und anschließender überkritischer Trocknung gewonnen werden. Seit einigen Jahren ist es gelungen, auch Kunststoffe über Sol-Gel-Verfahren zu gelieren und durch überkritische Trocknung in einen hochporösen organischen Festkörper umzuwandeln (siehe beispielsweise DE 195 23 382 A1, DE 694 09 161 T2 und US-A-5,086,085). Pyrolyse solcher Kunststoffaerogele unter Schutzgas oder im Vakuum bei Temperaturen oberhalb 1000 °C wandelt diese in Kohlenstoffaerogele um. Wie die oxidischen Aerogele haben Kunststoff- und Kohlenstoffaerogele extrem geringe effektive Wärmeleitfähigkeiten (Größenordnung einige mW/K/m) und sind erheblich leichter. Die physikalischen und mechanischen Eigenschaften von Kunststoff- und Kohlenstoffaerogelen sind in der Literatur dokumentiert (R.W. Pekala, C.T. Alviso, F.M. Kong, S.S. Hulsey; J. Non-Cryst. Solids 145 (1992) 90; R.W. Pekala, C.T. Alviso, Mat. Res. Soc. Symp. Proc. 270 (1992) 3; R. Petricevic, G. Reichenauer, V. Bock, A. Emmerling, J. Fricke; J.Non-Cryst.Solids (1998)). Sie lassen sich durch die Ausgangsstoffe, ihr Gemisch und das Herstellungsverfahren in weiten Grenzen variieren.

[0005] Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung Kerne, die quasiadiabatisch sind, deren spezifisches Gewicht eingestellt werden kann, die extrem glatte Oberflächen haben (Rauhigkeit im Bereich von einem Mikrometer), nicht-reaktiv mit Al-, Mg- und Ti-Legierungen sind und vor allem sich durch einen einfachen Wasserhochdruckstrahl oder geeignete, das Aerogel benetzende und zersetzende Fluide entfernen lassen, zur Verfügung zu stellen.

[0006] Die vorgenannte Aufgabe wird in einer ersten Ausführungsform gelöst durch die Verwendung von hochporösen, offenporigen Kunststoff- und/oder Kohlenstoffaerogelen, erhältlich durch Sol-Gel-Polymerisation von organischen Kunststoffmaterialien als Kernwerkstoff für den Formguss.

[0007] Kerne beliebiger Form lassen sich herstellen, da die Ausgangslösung in eine entsprechende Negativform eingebracht und geliert wird (als Material für diese Formen eignet sich insbesondere PTFE). Zudem kann durch fachmännische Einstellung der Zusammensetzung und Gelierbedingungen der Übergang Sol zum festen Gel so verzögert werden, dass eine hochviskose, fließfähige Masse entsteht, die in jede Form eingebracht werden kann. Es ist zudem möglich, keramische Pulver und Fasern dem Sol hinzuzufügen, wenn dies aufgrund der zu erwartenden mechanischen Belastung notwendig erscheint.

[0008] Die erfindungsgemäß hergestellten Aerogele eignen sich insbesondere als Kerne zur Ausbildung von Hohlräumen beim Gießen von Aluminiumlegierungen (wobei die Gussform praktisch nicht aufgeheizt werden muss, da keine Wärmeableitung durch sie selbst erfolgt). Dies erhöht die Wirtschaftlichkeit, da Energiekosten gesenkt werden können. Magnesium- und Titanlegierungen reagieren mit Kohlenstoff ebenfalls nicht, so dass sich diese Kohlenstoffaerogele auch für diese Legierungen unter Schutzgas oder Vakuum als Kern anbieten.

[0009] Ein besonderer Vorteil der Aerogele besteht darin, dass die Sol-Gel-Bildung bei Raumtemperatur abgeschlossen werden kann. Eine überkritische Trocknung, wie bei den rein anorganischen Gelen ist nicht erforderlich. Dennoch ist es möglich, die Porengröße im Mikrometerbereich einzustellen. Bei Trocknung im überkritischen Temperaturbereich sind darüber hinaus auch Porengrößen im Nanometerbereich möglich.

[0010] Die Aerogele können darüber hinaus auch anorganische oder organische Füllstoffmaterialien, insbesondere Fasermaterialien enthalten. Hierunter werden im wesentlichen bei Erstarrungsbedingungen inerte stabile Materialien verstanden. Anorganische Füllstoffmaterialien beliebiger Korngröße sind beispielsweise ausgewählt aus Aluminiumoxid, Titandioxid, Zirkonoxid und Quarz und deren Gemische, die jeweils in einer Menge von 5 bis 30 Vol.-%., insbesondere bis 60 Vol.-% eingesetzt werden können.

[0011] In gleicher Weise ist es aber auch möglich, organische Füllstoffe, beispielsweise thermoplastische oder duroplastische Kunststoffpartikel, beispielsweise Polystyrol einzusetzen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass bei der Pyrolyse der Kunststoffgele diese Materialien mit ausgeschmolzen oder verbrannt werden. Mit Hilfe solcher Materialien ist jedoch eine Kontrolle der Schrumpfung während der Pyrolyse möglich.

[0012] Besonders bevorzugt im Sinne der vorliegenden Erfindung werden Kunststoffaerogele auf der Basis Resorcin/Formaldehyd eingesetzt, die bei geeigneter Zusammensetzung und geeignetem Gehalt an baischem Katalysator bei Temperaturen zwischen 20 und 50 °C ohne überkritisches Trocknen in ein mikrostrukturiertes Kunststoffaerogel überführt werden können. Durch Auswahl der Zusammensetzung ist die Gelierungsreaktion so einstellbar, dass beispielsweise zunächst eine hochviskose Flüssigkeit entsteht, die mit der Zeit/Temperatur fester wird.

[0013] Somit besteht eine weitere Ausführungsform der vorliegenden Erfindung in der Verwendung von hochporösen, offenporigen Kunststoff- und/oder Kohlenstoffaerogelen, wobei man

a) eine Negativform eines Kerns mit einem Kunststoffsol geelgneter Zusammensetzung und einem geeigneten Katalysator füllt,

b) das Sol in ein Gel überführt,

c) das erstarrte Gel in an sich bekannter Weise in üblichen Wachsmodellen des Fein und Formgusses einsetzt und

d) das Gel entfernt.



[0014] Die erfindungsgemäß eingesetzten Kerne eignen sich besonders zum Einsatz in Wachsausschmelzverfahren.

[0015] Die gewünschten Formen werden nach üblichen Techniken mit den Kernen und der Schmelze gefüllt und die Schmelze erstarrt. Bei den üblichen Gußtechniken, erfolgt die Warmeableitung über die Formschale oder den Formsand.

[0016] Die so gewonnenen Kerne werden nach üblichen Techniken in üblichen Wachsmodellen eingesetzt. Im Gegensatz zu den nach dem heutigen Stand der Technik gebräuchlichen Kernwerkstoffen erfolgt keine Wärmeaufnahme durch die Aerogelkerne, da deren effektive Wärmeleitfähigkeit typischerweise nur wenige mW/Km beträgt. Thermische Belastungen und damit thermische Spannungen treten im Kernkörper nicht auf. Die Aerogelkerne lassen sich durch Pyrolyse oder Wasserhochdruckstrahl, aber auch durch benetzende Fluide wie Silikonöl, die das Aerogel fluidisieren, aus dem Gussstück leicht entfernen.

[0017] Abhängig von der Zusammensetzung der Ausgangslösung, der Gelierungstemperatur und der Dichte des entstehenden porösen Körpers lassen sich Kerne für Gussformen herstellen, sowohl als Kunststoff- wie auch als Kohlenstoffaerogel, die auf einer Mikrometerskala oberflächlich glatt sind und konturscharf abbilden. Erfindungsgemäß benötigt die Herstellung von Formen bis zum Kunststoffaerogel maximal 24 Stunden. Die Pyrolyse unter Luftabschluss erfolgt in kurzen Zeiten (die von der Dicke der Form bestimmt wird; bei einer 1 cm Kern beträgt die Zeit beispielsweise 24 Stunden). Die Schrumpfung erfolgt in den beiden Prozessschritten immer isotrop und beträgt nur wenige Prozent (die Schrumpfung lässt sich durch die geeignete Wahl der Zusammensetzung des Sols beeinflussen, ebenso durch die Trocknungsbedingungen) und ist somit beherrschbar.

Ausführungsbeispiel:



[0018] 

1. Herstellung der Aerogellösung:
22 g Resorcinol + 20 ml Formaldehydlösung (37 %ig) + 0,013 g Na2CO3 + 82 ml H2O und Rühren bei Raumtemperatur

2. Mischen der Aerogellösung mit Formsand:
Beispiel: 10 cm3 Alodur® - Sand mit einer Korngröße von 0,0633 µm bis 0,125 µm nimmt 45 ml Lösung auf. Der Sand wird unter Rühren der Aerogellösung zugefügt.

3. Befüllung der Kernform:
Befüllung der Kernform unter Rüttel- und Klopfverdichtung

4. Trocknen:
Trocknen der verschlossenen Form 24 Stunden bei 40 °C im Trockenschrank

5. Endformung

6. Endtrocknen bei Raumtemperatur

7. Einbau des aerogelgebundenen Sandkernes in eine Standardgussform




Ansprüche

1. Verwendung von hochporösen, offenporigen Kunststoff- und/oder Kohlenstoffaerogelen, erhältlich durch Sol-Gel-Polymerisation von organischen Kunststoffmaterialien als Kernwerkstoff für den Formguss.
 
2. Verwendung nach Anspruch 1, enthaltend anorganische oder organische Füllstoffmaterialien, insbesondere in Pulver- oder in Faserform.
 
3. Verwendung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die anorganischen Füllstoffmaterialien ausgewählt sind aus Aluminiumoxid, Titandioxid, Zinkonoxid und Quarz und deren Gemische, insbesondere in einer Menge von 5 bis 60 Vol.-%.
 
4. Verwendung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Füllstoffe ausgewählt sind aus thermoplastischen oder duroplastischen Kunststoffpartikeln, insbesondere Polystyrol.
 
5. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, umfassend ein Resorcin/Formaldehyd-Sol-Gel und einen basischen Polymerisationskatalysator, insbesondere Ammoniumhydroxid und/oder Natriumcarbonat.
 
6. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, wobei man

a) eine Negativform eines Kerns mit einem Kunststoffsol geeigneter Zusammensetzung und einem geeigneten Katalysator füllt,

b) das Sol in ein Gel überführt,

c) das erstarrte Gel in an sich bekannter Weise in üblichen Wachsmodellen des Fein und Formgusses einsetzt und

d) das Gel entfernt.


 
7. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei man das Gel durch Wasserhochdruckstrahl entfernt.
 
8. Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, wobei man das Gel durch Pyrolyse bei einer Temperatur von wenigstens 1000 °C im Verlauf von 24 Stunden entfernt.
 





Recherchenbericht