[0001] Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf eine Bohrvorrichtung mit einem Schneidrad,
wie sie im Oberbegriff des unabhängigen Patentanspruchs 1 definiert ist.
[0002] Zum Abbauen von Bodenmaterial in zu bohrenden Tunnels werden heutzutage oft Bohrvorrichtungen
mit einem im wesentlichen hohlzylindrischen Schild und einem davor angeordneten, sich
während des Bohrens drehenden Schneidrad verwendet. Mittels Vortriebspressen werden
das Schild und das Schneidrad nach vorne gestossen. Beim mechanischen Tunnelvortrieb
in Lockergestein wird das Material an der Ortsbrust mittels Abbauwerkzeugen, z.B.
Schälmessern, abgebaut, die an der Stirnseite des Schneidrads angebracht sind. Dabei
wird das Material durch die Stirnseite, die Oberkante und die beiden Flanken der Schälmesser
abgespant. Durch die Drehbewegung des Schneidrads wird das kohäsive Bodenmaterial
abgeschält und in Form von Schollen in eine sich hinter dem Schneidrad befindliche
Abbaukammer befördert.
[0003] Beim Schälvorgang kommt das bodenmechanische Prinzip der Überwindung der Scherfestigkeit
des Bodens in Anwendung, welche als Schubspannung mit den Kenngrössen Reibungswinkel
und Kohäsion definiert ist. Das Schälmesser erzeugt durch seine das Bodenmaterial
berührenden Stellen im Zusammenspiel mit dem Anpressdruck und der Schneidradbewegung
eine Schub-Scherspannnung, die über der des Bodens liegt, wodurch es nach Überschreiten
des Grenzzustands im Boden zum Versagen der Bodenmatrix kommt. Die erforderliche Gesamtschubspannung,
die ein Mass für die maschinentechnische Leistung sowie den baustoffspezifischen Verschleiss
darstellt, ergibt sich aus der Summe der Schubspannungen an allen den Boden berührenden
Stellen des Schälmessers.
[0004] Im Zwischenraum zweier benachbarter Schälmesser kann das Bodenmaterial erfahrungsgemäss
nicht gänzlich von dem dafür vorgesehenen Schälmesser der Zwischenspur abgebaut werden,
wodurch es zu dem typischen Erscheinungsbild von konzentrischen Kreisen an der Ortsbrust
kommen kann, die aus nicht abgebautem kohäsivem Bodenmaterial bestehen.
[0005] In der DE-C-42 06 831 ist eine derartige Bohrvorrichtung beschrieben, bei der mittels
Schaumeinspritzrohren in den Bereich zwischen Schneidrad und Ortsbrust und in die
Abbaukammer ein Schaum eingespritzt wird, der einerseits eine Verringerung des Reibungswiderstands
zwischen dem Schneidrad und der Ortsbrust bewirkt und anderseits eine Stauung des
abgebauten Materials in der Abbaukammer und eine Zusetzung der letzteren verunmöglichen
soll. Diese Schaumeinspritzung verhindert aber die Bildung von konzentrischen Kreisen
an der Ortsbrust im allgemeinen nicht.
[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ausgehend von dem oben beschriebenen Stand
der Technik eine Bohrvorrichtung und ein Verfahren zum Abbauen von Material mittels
einer solchen Bohrvorrichtung zu schaffen, die eine Reduktion der erforderlichen Gesamtleistung
zum Abbau des Bodenmaterials sowie eine Verminderung der Verschleisserscheinungen
an den Abbauwerkzeugen zur Folge haben.
[0007] Diese Aufgabe wird durch die erfindungsgemässe Vorrichtung und das erfindungsgemässe
Verfahren gelöst, wie sie in den unabhängigen Patentansprüchen 1 und 8 definiert sind.
Bevorzugte Ausführungsvarianten ergeben sich aus den abhängigen Patentansprüchen.
[0008] Das Wesen der Erfindung besteht darin, dass bei einer Bohrvorrichtung mit einem Schneidrad,
das eine während des Bohrbetriebs der Ortsbrust des abzubauenden Materials zugewandte
Stirnseite aufweist, an der eine Vielzahl von Abbauwerkzeugen angeordnet ist, zwischen
den Abbauwerkzeugen Hochdruckdüsen angeordnet sind, die während des Bohrbetriebs jeweils
einen Flüssigkeitsstrahl mit Hochdruck auf die Ortsbrust richten.
[0009] Die Hochdruck-Flüssigkeitsstrahlen schneiden das kohäsive Bodenmaterial an der Ortsbrust
im Zwischenraum zweier Abbauwerkzeuge hydromechanisch vor, wodurch der Materialabbau
optimiert wird. Durch das Aufbrechen des Bodens mittels der scharfen Flüssigkeitsstrahlen
wird die erforderliche Schubspannung zum Lösen des anstehenden Bodenmaterials an den
Flanken der Abbauwerkzeuge stark reduziert, unter anderem auch dadurch, dass durch
die eingebrachte Flüssigkeit ein zusätzlicher Schmiereffekt auftritt. Das hydromechanische
Vorschneiden des Bodenmaterials bewirkt zudem auch eine Reduzierung der Schubspannungen
an der Stirn- und Unterseite der in Zwischenspuren nachfolgenden Abbauwerkzeuge, falls
solche vorhanden sind.
[0010] Im folgenden werden die erfindungsgemässe Bohrvorrichtung und das erfindungsgemässe
Verfahren zum Abbauen von Material unter Bezugnahme auf die beigefügten Zeichnungen
anhand zweier Ausführungsbeispiels detaillierter beschrieben. Es zeigen:
- Fig. 1 -
- einen Vertikalschnitt durch den Bohrkopf eines ersten Ausführungsbeispiels der erfindungsgemässen
Bohrvorrichtung;
- Fig. 2 -
- den Bohrkopf von Fig. 1 in einer Ansicht von vorne;
- Fig. 3 -
- eine Ansicht von vorne eines Teils eines Schneidradarms mit darauf angeordneten Schälmessern
und Hochdruckdüsen gemäss einem zweiten Ausführungsbeispiel der erfindungsgemässen
Bohrvorrichtung;
- Fig. 4 -
- einen Schnitt gemäss der Linie I-I in Fig. 3 durch den Schneidradarm mit Schälmessern
und Hochdruckdüsen während des Bohrbetriebs; und
- Fig. 5 -
- eine Seitenansicht des Schneidradarmteils mit Schälmessern und Hochdruckdüsen von
Fig. 3 während des Bohrbetriebs.
Figuren 1 und 2
[0011] Das dargestellte erste Ausführungsbeispiel eines Bohrkopfs einer erfindungsgemässen
Bohrvorrichtung weist einen im wesentlichen hohlzylindrischen Schild 5 und ein davor
angeordnetes, sich während des Bohrens drehendes Schneidrad 1 auf. Das Schneidrad
1 wird von einem Schneidradantrieb 2 mit einem Gehäuse 21 und einer hohlzylindrischen
Antriebswelle 22 angetrieben und umfasst eine Schneidradfrontplatte 12, vier sich
radial erstreckende Schneidradarme 11 und vier sich radial erstreckende Schneidradarme
111. Die Anzahl der Schneidradarme ist selbstverständlich nicht erfindungswesentlich
und kann je nach Projekt verschieden sein. An der Stirnseite des Schneidrads 1 sind
jeweils zwei radiale Reihen Schälmesser 14 als Abbauwerkzeuge an den Schneidradarmen
11, 111 angebracht, so dass beim Drehen des Schneidrads 1 in beiden Richtungen Material
abgebaut wird. Die Schälmesser 14 der Schneidradarme 11 und die Schälmesser 14 der
Schneidradarme 111 sind zueinander radial versetzt, so dass ein Schälmesser eines
Schneidradarms 11, 111 während des Bohrbetriebs in der Spur zwischen zwei Schälmessern
14 des benachbarten Schneidradarms 11, 111 umläuft.
[0012] Beidseits neben den Schneidradarmen 11, 111 sind Materialeinläufe 13, 130 angeordnet,
d.h. Ladeöffnungen, durch die abgebautes Material in eine hinter dem Schneidrad 1
vorhandene Abbaukammer 8 gelangt. Zur Entfernung des in die Abbaukammer 8 gelangenden
Materials ist eine Schneckenfördereinrichtung 4 vorhanden, die das Material aus der
Abbaukammer 8 nach hinten in Richtung einer Startbaugrube zum Weitertransport zur
Startbaugrube mit z.B. einem Förderband oder Schutterwagen fördert. Zur Ermöglichung
von Wartungsarbeiten ist hinter der Abbaukammer 8 eine Personenschleuse 80 vorgesehen,
die den Zutritt zur Abbaukammer 8 gewährleistet.
[0013] Der Vortrieb des Bohrkopfs erfolgt mittels Vortriebspressen 6, die am Schild 5 ansetzen.
Mittels eines Erektors 70 werden laufend neue Ringsegmente 7, sogenannte Tübbinge,
an die bereits gebildete Tunnelröhre angesetzt, so dass diese nach vorne wächst.
[0014] Insoweit unterscheidet sich die erfindungsgemässe Bohrvorrichtung nicht wesentlich
von ähnlichen Bohrvorrichtungen des Standes der Technik, und was die Details der erwähnten
Vorrichtungsteile und die sonst noch vorhandenen, aber nicht gezeichneten Teile der
Bohrvorrichtung betrifft, wird auf diesen verwiesen.
[0015] Was bei der erfindungsgemässen Bohrvorrichtung als Neuheit hinzukommt, sind Hochdruckdüsen
15, die jeweils zwischen den beiden Reihen von Schälmessern 14 an den Schneidradarmen
11, 111 angeordnet sind. Über weite Strecken ist jeweils vier Schälmessern 14 eine
Hochdruckdüse 15 zugeordnet. Die Hochdruckdüsen 15 richten während des Bohrbetriebs
jeweils einen Flüssigkeitsstrahl mit Hochdruck gegen die Ortsbrust des abzubauenden
Materials. Die Alimentierung der Hochdruckdüsen 15 mit Flüssigkeit erfolgt über eine
Drehdurchführung 3, deren sich nicht drehendes Gehäuse 31 fest mit dem Gehäuse 21
des Schneidradantriebs 2 verbunden ist. Durch ein an der Antriebswelle 22 des Schneidradantriebs
2 angekopppeltes und sich somit mit dieser mitdrehendes Innenrohr 32 und durch die
Schneidradfrontplatte 12 und die Schneidradarme 11, 111 hindurch wird den Hochdruckdüsen
15 Flüssigkeit zugeführt. Als Hochdruckdüsen 15 werden handelsübliche Düsen verwendet,
die einen Flüssigkeitsstrahldruck von mindestens 100 bar, vorzugsweise mehr als 250
bar, erzeugen können.
[0016] Mindestens einige der Hochdruckdüsen 15 werden vorzugsweise in den Zwischenräumen
zwischen den sich beim Drehen des Schneidrads 1 ergebenden Kreisbahnen radial beabstandeter
Schälmesser 14 angeordnet. Diese Hochdruckdüsen 15 schneiden dann während des Bohrbetriebs
das Material in der Zwischenspur zwischen zwei Schälmessern 14 vor und erleichtern
so nicht nur den Materialabbau dieser beiden Schälmesser 14, sondern auch des nachfolgenden
Schälmessers 14 der Zwischenspur, insbesondere da durch die eingebrachte Flüssigkeit
noch ein zusätzlicher Schmiereffekt auftritt.
[0017] Die von den Hochdruckdüsen 15 vorzugsweise senkrecht auf die Ortsbrust 9 gerichtete
Flüssigkeit ist beispielsweise Wasser oder Bentonit, kann aber auch ein Schaum sein,
wie er z.B. in der DE-C-42 06 831 beschrieben ist.
[0018] Für die gesamte weitere Beschreibung gilt folgende Festlegung. Sind in einer Figur
zum Zweck zeichnerischer Eindeutigkeit Bezugszeichen enthalten, aber im unmittelbar
zugehörigen Beschreibungstext nicht erläutert, oder umgekehrt, so wird auf deren Erwähnung
in vorangehenden Figurenbeschreibungen Bezug genommen.
Figuren 3 bis 5
[0019] Dieses zweite Ausführungsbeispiel unterscheidet sich vom ersten dadurch, dass jeweils
zwei Schälmessern 14 eine Hochdruckdüse 15 zugeordnet ist. Jede Hochdruckdüse 15 ist
etwa in der Mitte zwischen vier Schälmessern 14 angeordnet. Die Hochdruckdüsen 15
und die Schälmesser 14 sind in den Schneidradarmen 11, 111 verankert, wobei hier nur
ein Schneidradarm 11 dargestellt ist. Die Schälmesser 14 haben einen rechteckigen
Grundriss, senkrechte Flanken 141, 142 und sind nach aussen zum abzubauenden Material
hin keilartig ausgebildet, so dass während des Bohrbetriebs durch das Drehen des Schneidrads
1 mit den Schälmessern 14 Material von der Ortsbrust 9 abgespalten wird.
[0020] Die Hochdruckdüsen 15 richten auf die abzubauende Ortsbrust 9 jeweils einen senkrechten,
zu den Flanken 141, 142 der Schälmesser 14 parallelen Flüssigkeitsstrahl 150, der
das Bodenmaterial hydromechanisch aufbricht und vorschneidet, so dass die Abbauwirkung
der Schälmesser 14 unterstützt wird.
[0021] Zu den vorbeschriebenen Bohrvorrichtungen und Materialabbauverfahren sind weitere
Variationen realisierbar. Hier ausdrücklich erwähnt seien noch:
- Die Flüssigkeitsstrahlen 150 der Hochdruckdüsen 15 müssen nicht unbedingt senkrecht
auf die Ortsbrust 9 gerichtet sein. Denkbar sind auch schräg auf die Ortsbrust 9 auftreffende
Flüssigkeitsstrahlen 150, beispielsweise wenn Schälmesser 14 mit schrägen Flanken
141, 142 verwendet werden.
- Die Anzahl und Anordnung der Hochdruckdüsen 15 und Schälmesser 14 kann in mannigfaltiger
Weise variieren.
1. Bohrvorrichtung mit einem Schneidrad (1), das eine während des Bohrbetriebs der Ortsbrust
(9) des abzubauenden Materials zugewandte Stirnseite aufweist, an der eine Vielzahl
von Abbauwerkzeugen (14) angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den
Abbauwerkzeugen (14) Hochdruckdüsen (15) angeordnet sind, die während des Bohrbetriebs
jeweils einen Flüssigkeitsstrahl (150) mit Hochdruck auf die Ortsbrust (9) richten.
2. Bohrvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der mit den Hochdruckdüsen
(15) erzeugbare Flüssigkeitsstrahldruck mindestens 100 bar, vorzugsweise mindestens
250 bar, beträgt.
3. Bohrvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens einige
der Hochdruckdüsen in den Zwischenräumen zwischen den sich beim Drehen des Schneidrads
(1) ergebenden Kreisbahnen radial beabstandeter Abbauwerkzeuge (14) angeordnet sind.
4. Bohrvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die
Hochdruckdüsen (15) so ausgerichtet sind, dass die Flüssigkeitsstrahlen (150) während
des Bohrbetriebs jeweils senkrecht auf die Ortsbrust (9) auftreffen.
5. Bohrvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass an
mehreren sich radial erstreckenden Schneidradarmen (11, 111) jeweils zwei radiale
Reihen der Abbauwerkzeuge (14) angeordnet sind und die Hochdruckdüsen (15) jeweils
zwischen den beiden Reihen angeordnet sind.
6. Bohrvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass eine
Hochdruckdüse (15) jeweils zwischen vier Abbauwerkzeugen (14) angeordnet ist.
7. Bohrvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die
Abbauwerkzeuge Schälmesser (14) sind.
8. Verfahren zum Abbauen von Material mittels einer Bohrvorrichtung nach einem der Ansprüche
1 bis 7, bei dem während des Bohrbetriebs ein Schneidrad (1) gedreht wird, das eine
der Ortsbrust (9) des abzubauenden Materials zugewandte Stirnseite aufweist, an der
eine Vielzahl von Abbauwerkzeugen (14) angeordnet sind, die an der Ortsbrust (9) Material
abbauen, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen den Abbauwerkzeugen (14) angeordnete
Hochdruckdüsen (15) während des Bohrbetriebs jeweils einen Flüssigkeitsstrahl (150)
mit Hochdruck auf die Ortsbrust (9) richten und so das Material vorschneiden.
9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Hochdruckdüsen (15) Flüssigkeit
mit einem Druck von mindestens 100 bar, vorzugsweise mindestens 250 bar, auf die Ortsbrust
(9) richten.
10. Verfahren nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass die von den Hochdruckdüsen
(15) auf die Ortsbrust (9) gerichtete Flüssigkeit Wasser, Bentonit oder ein Schaum
ist.