(19)
(11) EP 1 095 719 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.05.2001  Patentblatt  2001/18

(21) Anmeldenummer: 00122845.1

(22) Anmeldetag:  20.10.2000
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B22C 1/16, C04B 28/26
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 26.10.1999 DE 19951622

(71) Anmelder: VAW aluminium AG
53117 Bonn (DE)

(72) Erfinder:
  • Steinhäuser, Thomas, Prof. Dr.-Ing.
    47574 Goch-Hommersum (DE)

(74) Vertreter: Müller-Wolff, Thomas, Dipl.-Ing. et al
HARWARDT NEUMANN Patent- und Rechtsanwälte, Brandstrasse 10
53721 Siegburg
53721 Siegburg (DE)

   


(54) Bindemittelsystem, Kernsandgemisch und Verfahren zu seiner Herstellung


(57) Ein Bindemittelsystem auf Wasserglasbasis besteht aus einer wässrigen Alkalisilikatlösung der allgemeinen Zusammensetzung: xSiO2 · yM2O · zH2O, wobei für M die Alkalionen Li+, K+ oder Na+ stehen und einer hygroskopischen Base, die im Verhältnis 1 : 4 bis 1 : 6 zugesetzt wird, wobei der Modul Na2O/SiO2 gleich 2,5 bis 3,5 bei einem Feststoffanteil von 20 bis 40 % beträgt und wobei als hygroskopische Base 30 %ige Natronlauge in einer wässrigen Lösung verwendet wird. Erfindungsgemäß enthält die wässrige Alkalisilikatlösung eine Emulsionslösung mit 8 bis 10 % Silikonöl bezogen auf die Bindermenge, wobei das Silikonöl einen Siedenpunkt ≥ 250 ° aufweist. Die Bindermenge für ein Kernsandgemisch beträgt 1,0 bis 2,5 %, bezogen auf die Gesamtmenge an körnigem Feststoff, wobei das Herstellungsverfahren in einer Kernschießmaschine, bestehend aus einem vertikal angeordneten Gehäuse mit einem horizontalen Lufteintritt durchgeführt wird. Das Kernsandgemisch wird über einen Trichter in einen geschlitzten Sandzylinder eingegeben. Die Verbindung zwischen Trichter und Sandzylinder ist während des Einschießens verschlossen. Das im geschlitzten Sandzylinder befindliche Kernsandgemisch wird mit einem Luftdruck von p1 verdichtet und dann bei einem Druck p2 > p1 in die Kernbüchse geschossen.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Bindemittelsystem auf Wasserglasbasis, bestehend aus einer wässrigen Alkalisilikatlösung der allgemeinen Zusammensetzung: xSiO2 · yM2O · zH2O, wobei für M die Alkalionen Li+, K+ oder Na+ stehen und einer hygroskopischen Base, die im Verhältnis 1 : 4 bis 1 : 6 zugesetzt wird, wobei der Modul Na2O/SiO2 gleich 2,5 bis 3,5 bei einem Feststoffanteil von 20 bis 40 % beträgt und wobei als hygroskopische Base 30%ige Natronlauge in einer wässrigen Lösung verwendet wird, sowie ein Kernsandgemisch und ein Verfahren zu seiner Herstellung.

[0002] Der im Bindemittelsystem enthaltende Binder dient zur Herstellung von Kernformlingen für Gießereizwecke. Binder sind Bestandteil eines Formstoffes, der unter bestimmten Voraussetzungen, wie Anfeuchtung bzw. Quellung und Silikatbildung, den Verbund zwischen den einzelnen Sandkörnern herstellt. Neben den reinen Quellbindern und keramischen Bindern werden auch chemische Binder auf Wasserglasbasis oder auf Kunstharzbasis verwendet, die chemisch miteinander reagieren und sich dabei verfestigen.

[0003] Die bekannten Binder sind entweder nicht ausreichend stabil oder zeigen unerwünschte Nebenwirkungen bzw. Abfallprodukte, die die Umwelt gefährden. Als ein günstiger Kompromiß haben sich daher wasserglasgebundene Formstoffe erwiesen, die über eine Dehydratation feste Phasen bilden und dabei verfestigen. Es ist jedoch nicht immer einfach, die Verfestigungsprozesse so zu steuern, daß sie erst in der Kernbüchse eintreten. Insbesondere durch Verwendung moderner Kernformmaschinen besteht die Gefahr einer frühzeitigen Verfestigung des Formsandes. Dadurch werden die geforderten guten Fließeigenschaften des Sandes beim Einströmen in die Kernbüchse nicht erreicht.

[0004] Aus der DE-OS 15 08 634 (Diamond Shamrock Corp.) ist ein Bindemittel für Rohmassen zur Herstellung von selbsthärtenden Gießformen und Gießkernen bekannt. Das Bindemittel besteht aus Natriumsilikat mit einem Molverhältnis Na2O zu SiO2 von 1 : 1, 5 bis 1 : 3 und Kaliumhydroxid, das in Form einer wässrigen Lösung zugegeben wird. Bei der Abbindung wird unter exothermer Reaktion Wasserstoff freigegeben, wobei die Abbindezeit durch die Zugabe von Kaliumhydroxid verkürzt wird. Eine Wärmezufuhr von außen ist nicht vorgesehen, wobei ein weiteres siliziumhaltiges Material, z.B. Ferrosilizium, zugesetzt werden muß, dessen Korngröße jedoch unterhalb von 0,15 mm liegen sollte. Die schnelle Abbindung ist daher nur unter bestimmten, eng limitierten Voraussetzungen und der Anwesenheit mehrerer Komponenten möglich, die genau kontrolliert werden müssen.

[0005] Aus der DD 82 809 (DDR-Patent) wird zur Verbesserung der Verarbeitungsfähigkeit beim Naßgußverfahren von Wasserglas-Bentonit bzw. Wasserglas-Tongemischen 1,0 bis 2,0 % Natronlauge einem Formstoffgemisch zugesetzt. Der Formstoff besteht neben 2,0 bis 5,0 % Natrumsilikat aus 0,5 bis 1,0 % Stärke und 2,0 bis 4,0 % Ton, Rest Quarzsand. Die Formmasse wird dem Modell angelegt, mit Füllsand hinterfüllt und die fertige Grünform chemisch oder thermisch verfestigt. Es handelt sich daher um Grünsandformen, die für eine maschinelle Kernherstellung nicht geeignet sind. Die daraus hergestellten Probekörper werden gehärtet durch Veresterung während einer Trocknung von 1 Stunde bei 200°C und dann einer Druckprobe unterzogen, wobei sich eine maximale Festigkeit von 500 bis 600 N/m2 ergab. Dieser Maximalwert wurde nur mit einem Formstoff erreicht, bei dem die oberflächenaktive Komponente eine Gesamtmenge von 0,1 %, bezogen auf die Gesamtmenge des Materials, nicht überschreitet.

[0006] Aus der DE 29 09 107 ist ein Verfahren bei Herstellung von Körpern aus körnigem und/oder faserhaltigem Material mit Natriumsilikat oder Kaliumsilikat als Bindemittel bekannt, wobei der Mischung des Materials ein oberflächenaktiver Stoff zugesetzt wird. Der oberflächenaktive Stoff kann aus einem Tensid, Silikonöl oder einer Silikonemulsion bestehen und zwar in einer Menge von höchstens 0,1 %, auf die Gewichtsmenge Material berechnet.

[0007] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Bindemittelsystem für die maschinelle Kernherstellung durch Kernschießen/Kernblasen zu entwickeln, das sich leicht im Trockenverfahren (im trockenen, pulverisierten Zustand) verarbeiten läßt und dabei eine verbesserte Fließfähigkeit und verkürzte Abbindezeit aufweist.

[0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die in den Patentansprüchen angegebenen Merkmale gelöst.

[0009] Das neue Bindemittelsystem auf Wasserglasbasis besteht aus einer wässrigen Alkalisilikatlösung der allgemeinen Zusammensetzung: xSiO2 · yM2O · zH2O, wobei für M die Alkalionen Li+, K+ oder Na+ stehen und ist dadurch gekennzeichnet, daß es zusätzlich eine hygroskopische Base enthält. Vorteilhafterweise wird als hygroskopische Base Natronlauge im Verhältnis 1 : 4 bis 1 : 6 eingesetzt. Sofern der Modul Na2O/SiO2 gleich 2,5 bis 3,5 bei einem Feststoffanteil von 20 bis 40 % beträgt, wird unter allen Betriebszuständen verhindert, daß sich der Formsand frühzeitig verfestigt. Als hygroskopische Base wird 30 %ige Natronlauge in einer wässrigen Lösung verwendet. Zur Steuerung der hygroskopischen Eigenschaften wird ein oberflächenaktiver Stoff zugesetzt.

[0010] Sofern dem Bindemittelsystem als oberflächenaktiver Stoff Silikonöl mit einem Siedepunkt ≥ 250° zugesetzt wird, kann die Fließfähigkeit des Formsandes in der Kernschießmaschine wesentlich gesteigert werden. Dem Bindemittelsystem wird eine Emulsionslösung mit 8 bis 10 % Silikonöl bezogen auf die Bindermenge zugesetzt, wobei folgende vorteilhafte Weiterbildungen möglich sind:

a) die Silikon-Emulsionsiösung weist anionische, kationische, nicht-ionogene Eigenschaften auf,

b) in der Emulsionslösung wird ein Emulgator eingesetzt, der die Viskosität des Basisöls erhöht und gleichzeitig die Grenzflächenspannung des Bindemittelsystems herabsetzt. Der Emulgator weist einen hydrophilen und einen lipophilen Molkekülteil auf, der in die Ölphase hineinragt,

c) als Basisöl für die Silikon-Emulsionslösung wird ein Öl eingesetzt, das in dem Bindemittelsystem einen Natriumoleat-Film ausbildet, der in der Grenzfläche des dispersen Systems eine mechanisch stabile Schutzschicht erzeugt.

d) die Silikonöl-Emulsionsiösung weist folgende Struktur auf:

  • die Si-Atome sind mit jeweils zwei CH3-Gruppen verbunden,
  • die Si-Atome sind untereinander über Sauerstoffatome verbunden und bilden eine Kette, wobei die CH3-Gruppen der jeweils benachbarten Si-Atome um die Sauerstoffatome räumlich verschiebbar angeordnet sind.



[0011] Im folgenden wird die Erfindung anhand eines Vergleichsbeispieles näher erläutert. Dabei wird eine Kernschießmaschine gemäß Figur 1 verwendet, die den folgenden Aufbau aufweist:

[0012] Die Kernschießmaschine besteht aus einem vertikal angeordneten Gehäuse A, an das ein horizontaler Lufteintritt B angeflanscht ist. Der Lufteintritt wird über ein großflächiges Lufteintrittsventil 1 gesteuert, wobei ein erhöhter Luftdruck in dem Luftvorratstank 5 ansteht. Beim Öffnen des Lufteintrittsventils 1 gelangt der Luftdruck in den Maschinenraum 10 des Gehäuses A, in dem ein geschlitzter Sandzylinder 6 vertikal angeordnet ist. Der Sandzylinder 6 ist mit einem Sandvorratsbehälter 3 verbunden, der über einen Schieber 4 entleert werden kann.

[0013] Im Fall der Betätigung des Lufteintrittsventils wird Sand aus dem geschlitzten Sandzylinder 6 in den Schießkopf 7 mit Sandaustrittsöffnung befördert und tritt in die Kernbüchse 8 ein, wobei eine Kernsandentlüftung 9a, 9b für die Erzeugung des verdichteten Kernsandes 11 sorgt.

[0014] Zur Beurteilung des Feuchtigkeitsgehalts des Formsandes ist im Luftaustrittsventil 2 eine Feuchtigkeitsmessung integriert. Mit dieser Anordnung wurde festgestellt, daß bei der erfindungsgemäßen Ausbildung des Kernsandes wesentlich höhere Feuchtigkeitsgehalte und damit eine bessere Viskosität und ein besseres Fließvermögen des Formsandes erreicht werden konnte.

[0015] Das erfindungsgemäße Kernsandgemisch enthält eine Bindermenge von 1,0 bis 2,5 % bezogen auf die Gesamtmenge an körnigem Feststoff. Vorzugsweise ist der körnige Feststoff Quarzsand mit einem Körnungsgrad von 0,1 bis 0,3 mm. Die Menge der zugesetzten Natronlauge im Bindemittelsystem beträgt 0,01 bis 0,6 % und das Silikonöl ist darin mit 0,1 bis 0,5 % enthalten. Im folgenden wird eine Druckfestigkeitsuntersuchung mit dem erfindungsgemäßen Bindemittel durchgeführt.

Serie 1, Gattierung:
2,4 % Binder, 0,4 % Emulsion, Rest Quarzsand
Probengewicht 158 g, Probekörper - Normhöhe 50 mm
Nach der Entnahme aus der Kernschießmaschine 2 Minuten Mikrowellentrocknung.
Prüfung nach 30 Minuten bei Raumtemperatur.
Druckfestigkeit: Mittelwert aus 5 Prüfungen 1060 N/cm2

Serie 2, Gattierung:
2,4 % Binder, 0,4 % NaOa, 0,2 % Silikonöl, Rest Quarzsand Probengewicht: 157 g, Prüfkörper - Normhöhe 50 mm
Nach der Entnahme aus der Kernschießmaschine 2 Minuten Mikrowellentrocknung.
Druckfestigkeitsprüfung nach 30 Minuten bei Raumtemperatur. Festigkeitsmittelwert aus 5 Prüfungen: 1164 N/cm2.



[0016] Aus diesem Vergleichsversuch ergibt sich, daß das erfindungsgemäße Bindemittelsystem mit einer üblichen Kernschießmaschine zu hochfesten Formkörpern verarbeitet werden kann. Die Prüfkörper weisen eine ca. 10%ige Verbesserung an der Druckfestigkeit auf, wenn der Prüfmischung 0,2 % Silikonöl zugesetzt wird. Bei einem Einsatz des erfindungsgemäßen Verfahrens gemäß Anspruch 10 würde sich die Druckfestigkeit noch weiter steigern lassen.


Ansprüche

1. Bindemittelsystem auf Wasserglasbasis, bestehend aus einer wässrigen Alkalisilikatlösung der allgemeinen Zusammensetzung:

xSiO2 · yM2O · zH2O, wobei für M die Alkalionen Li+, K+ oder Na+ stehen und einer hygroskopischen Base, die im Verhältnis 1 : 4 bis 1 : 6 zugesetzt wird, wobei der Modul Na2O/SiO2 gleich 2,5 bis 3,5 bei einem Feststoffanteil von 20 bis 40 % beträgt und wobei als hygroskopische Base 30 %ige Natronlauge in einer wässrigen Lösung verwendet wird,
dadurch gekennzeichnet,

daß die wässrige Alkalisilikatlösung eine Emulsionslösung mit 8 bis 10 % Silikonöl bezogen auf die Bindermenge enthält, wobei das Silikonöl einen Siedenpunkt ≥ 250 ° aufweist.


 
2. Bindemittelsystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,

daß die Silikon-Emulsionslösung anionische, kationische, nicht-ionogene Eigenschaften aufweist.


 
3. Bindemittelsystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,

daß die Silikonöl-Emulsionslösung folgende Struktur aufweist:

- die Si-Atome sind mit jeweils zwei CH3-Gruppen verbunden,

- die Si-Atome sind untereinander über Sauerstoffatome verbunden und bilden eine Kette, wobei die CH3-Gruppen der jeweils benachbarten Si-Atome um die Sauerstoffatome räumlich verschiebbar angeordnet sind.


 
4. Kernsandgemisch enthaltend ein Bindemittelsystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,

daß die Bindermenge 1,0 bis 2,5 %, bezogen auf die Gesamtmenge an körnigem Feststoff beträgt.


 
5. Kernsandbindemittelsystem nach dem vorhergehenden Anspruch,
dadurch gekennzeichnet,

daß als körniger Feststoff Quarzsand mit einem Körnungsgrad von 0,1 bis 0,3 mm verwendet wird.


 
6. Kernsandbindemittelsystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,

daß im Bindemittelsystem 0,01 bis 0,6 % Natronlauge enthalten ist.


 
7. Kernsandbindemittelsystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,

daß im Bindemittelsystem 0,1 bis 0,5 % Silikonöl enthalten ist.


 
8. Verfahren zur Herstellung eines Kernsandgemisches enthaltend ein Bindemittelsystem nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,

daß in einer Kernschießmaschine, bestehend aus einem vertikal angeordneten Gehäuse mit einem horizontalen Lufteintritt, das Kernsandgemisch über einen Trichter in einen geschlitzten Sandzylinder eingegeben wird, wobei die Verbindung zwischen Trichter und Sandzylinder während des Einschießens verschlossen ist und

daß das im geschlitzten Sandzylinder befindliche Kernsandgemisch mit einem Luftdruck von p1 verdichtet und dann bei einem Druck p2 > p1 in die Kernbüchse geschossen wird.


 




Zeichnung