[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur hochselektiven, abfallsäurefreien
Herstellung von 3,4-Dichlornitrobenzol unter Ausnutzung der Reaktionswärme.
[0002] 3,4-Dichlornitrobenzol ist ein wichtiges Zwischenprodukt zur Herstellung von Pflanzenschutzmitteln
und Farbstoffen.
[0003] 3,4-Dichlornitrobenzol wird technisch durch isotherme Nitrierung von 1,2-Dichlorbenzol
bei Temperaturen zwischen 40 und 70°C hergestellt (Ullmann's Encyclopedia of Industrial
Chemistry, 5
th Edition, Vol. A17, p. 430, 1991). Dabei fallen große Mengen verunreinigter Abfallsäure
an, die kostenintensiv entsorgt oder aufgearbeitet werden müssen. Nachteilig bei diesen
Verfahren ist, dass eine erhebliche Reaktionswärme sicher abgeführt werden muss, was
zu hohen Anforderungen an die zu realisierende Sicherheitstechnik führt.
[0004] Um den Anfall von Abfallsäure zu vermeiden, sind Verfahren anzustreben, die eine
integrierte Schwefelsäureaufkonzentrierung unter Ausnutzung der Reaktionswärme beinhalten.
Dies bedingt eine Kreislaufsäure, in der sich Nebenprodukte nicht anreichern dürfen.
[0005] Die oben genannten Nachteile lassen sich dadurch umgehen, dass das Nitrierverfahren
adiabatisch durchgeführt wird. Die adiabatische Mononitrierung ist bereits für verschiedene
aromatische Verbindungen beschrieben.
[0006] Adiabatische Nitrierverfahren zeichnen sich dadurch aus, daß die entstehende Reaktionswärme
nicht durch eine aufwendige Kühlung ständig zuverlässig abgeführt werden muss, sondern
bestimmungsgemäß im Reaktionssystem verbleibt. Die oben genannten energetischen und
sicherheitstechnischen Nachteile bei der isothermen Nitrierung von 1,2-Dichlorbenzol
entfallen also.
[0007] Die Reaktionswärme kann zur Erhitzung der Kreislauf-Schwefelsäure und zur Erleichterung
der Aufkonzentrierung der Säure benutzt werden.
[0008] Ein weiterer Vorteil der adiabatischen Reaktionsführung besteht darin, dass die Reaktionsgeschwindigkeit
hoch ist: die Reaktionen sind nach deutlich unter 10 Minuten beendet.
[0009] Überdies ist es möglich, kostengünstige Schwachsäure (HNO
3 ca. 60-65 %ig) einzusetzen.
[0010] In EP 668 263 A1 ist ein Verfahren zur adiabatischen Herstellung von Mononitrotoluolen
beschrieben. Es wird ein Gemisch aus Toluol, Salpetersäure, Schwefelsäure und Wasser
unter adiabatischen Reaktionsbedingungen umgesetzt, wobei die Reaktionskomponenten
intensiv vermischt werden und die Temperatur während der Vermischung zwischen 20 und
110 °C liegt.
[0011] Auch die adiabatische Mononitrierung von 1,2-Dichlorbenzol ist bereits bekannt.
[0012] Ein adiabatisches Nitrierverfahren zur Herstellung von Mononitrohalogenbenzolen wird
in US 4 453 027 beansprucht. Die dort beschriebenen Bedingungen sind für eine sinnvolle
technische Herstellung von 3,4-Dichlornitrobenzol jedoch ungeeignet. Die verwendete
Nitriersäure enthält 11,2 Gew.-% HNO
3, 68,5 Gew.-% H
2SO
4 und 20,3 Gew.-% H
2O. Der hohe Gehalt an HN03 bedingt bei adiabatischer Reaktionsführung eine Temperaturerhöhung
während der Reaktion von ca. 100 °C, sodass die Temperatur am Ende der Reaktion 100
°C deutlich übersteigt, selbst wenn die Vermischung der Reaktionskomponenten beispielsweise
bei einer Temperatur von nur 45 °C erfolgt. Dadurch wird bei der Herstellung von 3,4-Dichlornitrobenzol
aus 1,2-Dichlorbenzol vermehrt das unerwünschte Nebenprodukt 2,3-Dichlomitrobenzol
gebildet.
[0013] EP 675 104 A1 offenbart ein Verfahren zur adiabatischen Mononitrierung von Mononitrohalogenbenzolen,
wobei die Nitrierung von 1,2-Dichlorbenzol explizit genannt ist. Die adiabatische
Nitrierung wird so durchgeführt, dass die Reaktionskomponenten intensiv vermischt
werden, die Temperatur während der Vermischung zwischen 60 und 160 °C liegt und die
Temperatur am Ende der Reaktion 180 °C nicht übersteigt. Nach diesem Verfahren läßt
sich 1,2-Dichlorbenzol zu 3,4-Dichlornitrobenzol umsetzen. Es werden jedoch über 16
Gew.-% (bezogen auf die Gesamtmenge an Dichlornitrobenzolen) des unerwüschten Nebenprodukts
2,3-Dichlornitrobenzol gebildet, das in vielen Fällen kostenintensiv entsorgt oder
nicht kostendeckend verkauft werden muss.
[0014] Es bestand daher Bedarf an einem Verfahren, das die sicherheitstechnischen und ökonomischen
Vorteile bezüglich Einsatzstoffen und Energieausnutzung eines adiabatischen Verfahrens
mit einer hohen Selektivität bezüglich der Bildung von 3,4-Dichlornitrobenzol verbindet.
[0015] Es wurden nun Reaktionsbedingungen gefunden, bei denen sich die widersprechenden
Forderungen einer niedrigen Nebenproduktbildung (2,3-Dichlornitrobenzol und Dinitrodichlorbenzole)
in Verbindung mit einer für die adiabatische Reaktionsführung notwendigen hohen Reaktionsgeschwindigkeit
realisieren lassen
[0016] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von 3,4-Dichlornitrobenzol durch
Umsetzung von 1,2-Dichlorbenzol mit einem HNO
3/H
2SO
4/H
2O-Gemisch unter Bildung im wesentlichen der Dichlornitrobenzole und Reaktionswasser,
gekennzeichnet durch die Schritte
- a)
- Einspeisung von 1,2-Dichlorbenzol, HNO3, H2SO4 und H2O in beliebiger Reihenfolge in einen mit Mischungsorganen ausgestatteten Reaktor,
wobei
- a1)
- die Menge an HNO3 1 bis 5 Gew.-%, die Menge an H2SO4 70 bis 92 Gew.-% und die Menge an H2O den Rest zu 100 Gew.-% beträgt und 100 Gew.-% die Summe von HNO3 + H2SO4 + H2O darstellen,
- a2)
- das H2O als solches, als Verdünnungs-H2O der HNO3, als Verdünnungs-H2O der H2SO4 oder in mehreren der genannten Formen eingesetzt wird, und
- a3)
- das molare Verhältnis von 1,2-Dichlorbenzol zu HNO3 0,9 bis 1,5 beträgt,
- b)
- rasche und intensive Vermischung der Gesamtmenge der Reaktionsteilnehmer, wozu eine
Mischleistung von 1 bis 50 Watt pro Liter des gesamten Reaktionsgemisches, bevorzugt
3 bis 30 W/l, angewandt wird,
- c)
- Durchführung der Umsetzung unter adiabatischen Bedingungen, wobei die Reaktionsteilnehmer
mit solchen Temperaturen eingespeist werden, dass die Vermischung im Bereich von 0
bis 60°C erfolgt und die Temperatur am Ende der Reaktion 100°C nicht übersteigt,
- d)
- Trennung des Reaktionsgemisches nach Durchführung der Reaktion in eine organische
und eine anorganische Phase und
- e)
- destillative Aufarbeitung der weitgehend HNO3-freien anorganischen Phase unter Entfernung von Wasser.
[0017] Das erfindungsgemäße Verfahren kann kontinuierlich oder diskontinuierlich, bevorzugt
kontinuierlich durchgeführt werden.
[0018] Zur kontinuierlichen Durchführung kann beispielsweise so vorgegangen werden: Die
Gesamtmenge der Reaktionsteilnehmer wird mit Hilfe von Mischorganen rasch vermischt
und als Mischung in einen Reaktor eingespeist. Die Mischungszeit bei kontinuierlicher
Durchführung beträgt in der Regel weniger als 3 sek, beispielsweise 1 msek bis 2,99
sek, bevorzugt 1 msek bis 2 sek. Der Reaktor ist gegebenenfalls isoliert, verhindert
weitgehend die Rückvermischung und wird adiabatisch betrieben. Zur weitgehenden Verhinderung
der Rückvermischung ist der Reaktor unterteilt oder besteht aus mehreren Kammern oder
Einheiten; an den Übergängen zwischen den Reaktorteilen wird das Reaktionsgemisch
redispergiert. Das ausreagierte Gemisch läuft ab und wird in einem Trenngefäß getrennt;
die Trennung erfolgt rasch. Die organische Phase wird wie üblich, z.B. durch Wäsche
und Destillation, aufgearbeitet oder sofort einer Zweitnitrierung zugeführt. Im Allgemeinen,
insbesondere bei einem Überschuss an 1,2-Dichlorbenzol, ist die abgetrennte anorganische
Phase praktisch frei von Salpetersäure. Sollte dies, insbesondere bei einem Überschuss
an Salpetersäure, nicht der Fall sein, kann restliche Salpetersäure in einem Nachreaktor
unter Zusatz von weiterem 1,2-Dichlorbenzol im Sinne einer Reaktiv-Extraktion verbraucht
werden. Die von der Salpetersäure weitgehend befreite anorganische Säurephase wird
bevorzugt unter Ausnutzung der aufgenommenen Reaktionswärme und unter vermindertem
Druck einer Flash-Verdampfung zugeführt. Hierbei wird Wasser aus der Säure entfernt
und die Säure dabei in bevorzugter Weise auf die Eingangskonzentration für Schritt
a) gebracht. Durch diese Rückführung der aufgearbeiteten anorganischen Phase (H
2SO
4, H
2O) in den Prozess ergibt sich eine Kreislauffahrweise für die H
2SO
4; es kann sinnvoll sein, einen geringen Teil dieser H
2SO
4 auszuschleusen, um etwaige Verunreinigungen auf einem niedrigen Niveau zu lassen.
Für den Fall, dass die anorganische Phase noch 1,2-Dichlorbenzol, Dichlornitrobenzole
und evtl. organische Nebenprodukte enthält, kann es sinnvoll sein, die anorganische
Phase vor der Flash-Verdampfung zur Entfernung der Organika zu strippen. Das danach
als Flash-Kondensat erhaltene Wasser ist dann von höherer Reinheit, und seine Entsorgung
ist einfacher. Selbstverständlich kann auch das Flash-Kondensat durch Strippen von
Organika befreit werden, wobei analog ein restliches Flash-Kondensat von höherer Reinheit
zurückbleibt. Die bei der Nachreaktion der HNO
3 mit weiterem 1,2-Dichlorbenzol sowie beim Strippen oder bei der Aufkonzentrierung
der weitgehend HNO
3-freien anorganischen Phase anfallenden Organika können dem Prozess an geeigneter
Stelle zugesetzt werden (1,2-Dichlorbenzol, Dichlor(di)nitrobenzol) oder werden ausgeschleust
und entsorgt (Verunreinigungen, Nebenprodukte).
[0019] Die Reaktionsteilnehmer können gemeinsam, jedoch auch einzeln oder als Gemische zweier
oder dreier von ihnen gleichzeitig oder sukzessive dem mit Mischungsorganen ausgestatteten
Reaktor zugeführt werden. Die Vermischung der Einsatzstoffe kann beispielsweise so
stattfinden, dass man 1,2-Dichlorbenzol und Salpetersäure als zwei separate Ströme
gleichzeitig oder sukzessive der aufkonzentrierten, gebrauchten Schwefelsäure zusetzt,
wobei die Salpetersäure durch Wasser und/oder Schwefelsäure und Wasser verdünnt sein
kann. Das 1,2-Dichlorbenzol kann auch mit Wasser und Schwefelsäure vorvermischt und
die resultierende Emulsion mit Salpetersäure, die mit Schwefelsäure und/oder Wasser
vermischt sein kann, weiter rasch und intensiv vermischt werden. Weiterhin kann auch
das 1,2-Dichlorbenzol mit einer Mischsäure aus H
2SO
4, HNO
3 und H
2O intensiv vermischt werden. Noch weitere Varianten der Zuführung der Reaktionsteilnehmer,
ihrer intensive Vermischung und erfindungsgemäßen Weiterbehandlung sind für den Fachmann
leicht erkennbar. Dazu sind die in der Technik bekannten Mischorgane geeignet, z.B.:
1. Statische Mischer, 2. Pumpen, 3. Düsen, 4. Rührer oder Kombinationen hiervon.
[0020] Für das Gelingen der Reaktion ist es von geringerer Bedeutung, in welcher Reihenfolge
und Zusammensetzung die Reaktionsteilnehmer Salpetersäure und 1,2-Dichlorbenzol sowie
Schwefelsäure und Wasser miteinander vermischt werden, solange das Reaktionsgemisch
nach der Gesamtvermischung die erfindungsgemäße Zusammensetzung besitzt und die Vermischung
in der erfindungsgemäßen Intensität stattfindet.
[0021] Der Einspeisung und intensiven Vermischung der Reaktionsteilnehmer folgen bei kontinuierlicher
Durchführung mindestens zwei Dispergierungen. Hierzu sind im Reaktor Lochbleche, Schlitzbleche,
Prallbleche, Rührer oder ähnliche, dem Fachmann für diesen Zweck bekannte Einbauten
bzw. Organe vorhanden.
[0022] Als kontinuierlich betriebene Reaktoren für das erfindungsgemäße Verfahren seien
beispielsweise genannt: Rohrreaktoren mit Einbauten zur Redispergierung, wie Strömungsbrechern,
Umlenkblechen, Statikmischern, Rührern und ähnlichen; stark gerührte Kessel in Kaskadenanordnung;
Schlaufenreaktoren mit Einbauten wie oben; Kombinationen mehrerer der genannten Apparatate;
weitere gleichwirkende Reaktoren, wie Kammerreaktoren mit Rührern in jeder Kammer.
In bevorzugter Weise werden Rohrreaktoren mit Einbauten eingesetzt. Die Einbauten
sind bevorzugt Lochbleche. Alle Einbauten stellen Unterteilungen der Gesamtapparatur
dar, die gleichermaßen der Redispergierung und der weitgehenden Verhinderung der Rückvermischung
dienen.
[0023] Nach dem intensiven Vermischen, nach jeder Dispergierung und nach dem Durchströmen
einer gewissen Teillänge der Reaktors wird ein Koaleszieren der Dispersionströpfchen
beobachtet, was durch Redispergierung rückgängig gemacht wird. Die Zahl der Dispergierungsvorgänge
beträgt erfindungsgemäß 2-50, bevorzugt 3-30, besonders bevorzugt 4-20. Zur Überwindung
der dabei auftretenden Druckverluste wird mit den Reaktionsteilnehmern eine Mischenergie
pro Liter des gesamten Reaktionsgemisches von 1-50 Watt/Liter, bevorzugt 3-30 W/l,
in das Reaktionssystem gegeben.
[0024] Die Vermischung der Reaktionsteilnehmer erfolgt im Bereich von 0 bis 60°C, bevorzugt
10 bis 50°C, besonders bevorzugt 20 bis 40°C. Es werden adiabatische Reaktionsbedingungen
eingehalten. Die Endtemperatur ist abhängig von der Höhe der Mischungstemperatur,
von den Mengenverhältnissen der Reaktionsteilnehmer und vom Umsatz; sie übersteigt
im allgemeinen 100°C nicht, bevorzugt nicht 85°C, besonders bevorzugt nicht 70°C.
[0025] Der Gehalt an zugesetzter Salpetersäure im Reaktionsgemisch zum Zeitpunkt der Vermischung
beträgt, bezogen auf die Summe von Salpetersäure, Schwefelsäure und Wasser, 1 bis
5 Gew.-%, bevorzugt 1 bis 4 Gew.-%, besonders bevorzugt 1,5 bis 3 Gew.-%. Salpetersäure
kann in hochkonzentrierter oder in azeotrop siedender Form, beispielsweise als 60-98
Gew.-%ige HNO
3, bevorzugt aber in Form der etwa 60-65 Gew.-% aufweisenden und billig verfügbaren
"Schwachsäure" eingesetzt werden.
[0026] Der Gehalt an Schwefelsäure im Reaktionsgemisch zum Zeitpunkt der Vermischung beträgt,
bezogen auf die Summe von Salpetersäure, Schwefelsäure und Wasser, 70 bis 92 Gew.-%,
bevorzugt 80 bis 90 Gew.-%, besonders bevorzugt 82 bis 88 Gew.-%.
[0027] Der Rest zu 100 Gew.-% ist H
2O. Dies kann als solches, als Verdünnungs-H
2O der H
2SO
4, als Verdünnungs-H
2O der HNO
3 oder in mehreren der genannten Formen eingesetzt werden. In bevorzugter Form liegt
H
2O als Verdünnungs-H
2O sowohl der H
2SO
4 als auch der HNO
3 vor.
[0028] Das molare Verhältnis von 1,2-Dichlorbenzol zu HNO
3 beträgt allgemein 0,9 bis 1,5. Um die Bildung unerwünschter Dinitrohalogenbenzole
zu minimieren, beträgt das Molverhältnis von Halogenbenzol zu Salpetersäure bevorzugt
1,0 bis 1,5, besonders bevorzugt 1,01 bis 1,3, ganz besonders bevorzugt 1,05 bis 1,2.
[0029] Es werden 1,2-Dichlorbenzol und HNO
3 in das Verfahren eingeführt und Dichlornitrobenzol und H
2O ausgeschleust, während das beschriebene H
2SO
4/H
2O-Gemisch das Reaktionsmedium darstellt. Da bei der technischen Realisierung vorteilhafterweise
verdünnte Salpetersäuren eingesetzt werden, muss zusätzlich zum Reaktionswasser auch
noch Verdünnungs-H
2O der HNO
3 ausgeschleust werden.
[0030] Die bei der Trennung des Reaktionsgemisches anfallende organische Phase kann auf
reines 3,4-Dichlornitrobenzol aufgearbeitet werden oder der Zweitnitrierung zugeführt
werden. Im ersteren Fall wird man, wie oben beschrieben, mindestens molare Mengen
an 1,2-Dichlorbenzol oder einen geringen molaren Überschuss einsetzen, um sowohl die
HNO
3 zu verbrauchen, als auch die Zweitnitrierung zu unterdrücken; ein etwaiger 1,2-Dichlorbenzolüberschuss
wird aus der organischen Phase abdestilliert. Zuvor kann die organische Phase gewaschen
werden, um wasser-, säure- oder alkalilösliche Verunreinigungen abzutrennen, wie anorganische
und organische Säuren und phenolische Verunreinigungen. Die Bildung von Oxidationsprodukten
(Phenolkörper) ist stark unterdrückt. Ebenso ist die Bildung von Dinitrodichlorbenzolen
stark unterdrückt. Diese Dinitrodichlorbenzole stören jedoch dann nicht, wenn ohnehin
eine Zweitnitrierung vorgesehen ist; daher darf in solchen Fällen auch mit einem geringen
1,2-Dichlorbenzolunterschuss gearbeitet werden.
[0031] Als Modell für einen rückvermischungsfreien technischen Reaktor und zur Darstellung
der diskontinuierlichen Durchführung kann im Labor ein Batch-Ansatz in einem stark
gerührten, wärmeisolierten Rührkolben, z.B. in einem sogenannten Sulfierbecher, der
mit Stromstörern versehen ist, dienen. Dabei werden 1,2-Dichlorbenzol, Schwefelsäure
und Wasser z.B. bei 30°C vorgelegt und mit der auf die erfindungsgemäße Einsatztemperatur
erwärmten Salpetersäure, die durch Wasser und/oder Schwefelsäure verdünnt sein kann,
in wenigen Sekunden versetzt. Nach der Dosierung lässt man die Reaktion adiabatisch
ablaufen. Die Endtemperatur wird dabei in ca. 0,5 bis 10 Minuten erreicht. Alternativ
kann auch die Gesamtmenge an HNO
3, H
2SO
4 und H
2O vorgelegt und mit 1,2-Dichlorbenzol versetzt werden; noch weitere Dosiervarianten
sind für den Fachmann leicht erkennbar. Der Inhalt des Reaktionsgefäßes entspricht
dabei im zeitlichen Verlauf einem Volumenteil in der axialen Bewegung durch einen
Rohrreaktor mit Pfropfenströmung. Was im Batch-Ansatz zeitlich nacheinander geschieht,
läuft etwa in einem Rohrreaktor örtlich hintereinander ab.
[0032] Nach Erreichen der Reaktionstemperatur wird der Rührer angehalten. Die Phasen trennen
sich in maximal 10 Minuten. Die Dimensionierung eines kontinuierlichen technischen
Reaktors wird bevorzugt so bemessen, dass das Reaktionsgemisch die Reaktionsendtemperatur
im Reaktor erreicht.
[0033] Die nach der Reaktion auf mindestens dem Niveau der jeweiligen Reaktionsendtemperatur
abgetrennte Säurephase wird in der oben beschriebenen Weise aufkonzentriert, wobei
die oben beschriebene Extraktion bzw. Reaktiv-Extraktion eingeschoben werden kann.
Die so geführte Kreislaufsäure enthält nach dem erfindungsgemäßen Verfahren beispielsweise
weniger als 0,2 Gew.-% Salpetersäure und weniger als 0,5 Gew.-% salpetrige Säure,
sowie gegebenenfalls geringe Mengen an organischen Verunreinigungen.
[0034] Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich dadurch aus , dass das unerwünschte
Nebenprodukt 2,3-Dichlornitrobenzol in wesentlich geringerem Umfang entsteht, als
nach den bekannten Verfahren. Werden die Reaktionspartner bei der adiabatischen Nitrierung
von 1,2-Dichlorbenzol erfindungsgemäß bei 30 °C vermischt, wobei die Menge an eingesetzter
HNO
3 3,0 Gew.-% bezogen auf die Summe von eingesetztem Wasser, Salpetersäure und Schwefelsäure
beträgt, so bilden sich 12,2 Gew.-% (bezogen auf die Summe der gebildeten Dichlormononitrobenzole)
des unerwünschten Nebenprodukts 2,3-Dichlornitrobenzol. Erfolgt die Vermischung der
Reaktionspartner jedoch gemäß Beispiel 2 aus EP 675 104 A1 bei 110 °C, wobei die Menge
an eingesetzter HNO
3 unverändert 3,0 Gew.-% beträgt, so werden 16,3 Gew.-% 2,3-Dichlornitrobenzol gebildet.
Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren werden also fast 25 % weniger unerwünschtes
Nebenprodukt gebildet. Neben der Temperatur der Reaktionspartner bei der Vermischung
ist auch die Menge an eingesetzter HNO
3 für das erfindungsgemäße Verfahren von entscheidender Bedeutung. Mit zunehmendem
Gehalt an HNO
3 in der eingesetzten Mischsäure erhöht sich auch der Temperaturanstieg während der
adiabatischen Nitrierung, was wiederum eine verstärkte Nebenproduktbildung nach sich
zieht. Im vorliegenden Beispiel 2 (1,5 Gew.-% HNO
3) werden 11,5 Gew.-% des unerwünschten 2,3-Dichlornitrobenzol gebildet, im vorliegenden
Beispiel 1 (3,0 Gew.-% HNO
3) 12,2 Gew.-%. Wird eine Mischsäure mit einem Gehalt an HNO
3 über 5 Gew.-% eingesetzt, so bildet sich deutlich mehr unerwünschtes Nebenprodukt.
[0035] Anhand folgender Beispiele wird das erfindungsgemäße Verfahren weiter illustriert.
Diese Beispiele stellen jedoch keine Einschränkung des Erfindungsgedankens dar.
Beispiele
Beispiel 1
[0036] In einer kontinuierlich betriebenen Anlage wurde ein Strom von 188,0 kg H
2SO
4 (87 Gew.-%) pro Stunde mit einem Strom von 9,56 kg HNO
3 (62 Gew.-%) pro Stunde vermischt. Die resultierende Mischsäure enthielt 3,0 Gew.-%
HNO
3. Die Mischsäure wurde mit einem Strom von 15,21 kg 1,2-Dichlorbenzol pro Stunde am
Eingang eines Rohrreaktors vermischt. Die Temperatur zum Zeitpunkt der Vermischung
betrug 30 °C. Das Reaktionsgemisch verließ den Rohrreaktor mit einer Temperatur von
67 °C nach 3 Minuten. Anschließend wurden die organische und die anorganische Phase
des Reaktionsgemischs in einem Phasenscheider voneinander getrennt.
[0037] Es wurde erhalten:
18,60 kg/h Organische Phase
[0038] Zusammensetzung (geeichte GC):
1,2-Dichlorbenzol |
7,9 Gew.-% |
3,4-Dichlornitrobenzol |
80,5 Gew.-% |
2,3-Dichlornitrobenzol |
11,5 Gew.-% |
Dinitrodichlorbenzole |
0,03 Gew.-% |
[0039] Die Säurephase enthielt 0,84 kg/h 3,4-Dichlornitrobenzol und 0,07 kg/h 2,3-Dichlornitrobenzol.
[0040] Damit betrug der Gesamt-Anteil von 2,3-Dichlornitrobenzol bezogen auf die Summe der
gebildeten Dichlormononitrobenzole 12,2 Gew.-%.
Beispiel 2
[0041] In einer kontinuierlich betriebenen Anlage wurde ein Strom von 188,0 kg H
2SO
4 (88 Gew.-%) pro Stunde mit einem Strom von 4,66 kg HNO
3 (62 Gew.-%) pro Stunde vermischt. Die resultierende Mischsäure enthielt 1,5 Gew.-%
HNO
3. Die Mischsäure wurde mit einem Strom von 6,74 kg 1,2-Dichlorbenzol pro Stunde am
Eingang eines Rohrreaktors vermischt. Die Temperatur zum Zeitpunkt der Vermischung
betrug 30 °C. Das Reaktionsgemisch verließ den Rohrreaktor mit einer Temperatur von
48 °C nach 3 Minuten.
[0042] Nach der Phasentrennung wurde erhalten:
7,20 kg/h Organische Phase
[0043] Zusammensetzung (geeichte GC):
1,2-Dichlorbenzol |
3,6 Gew.-% |
3,4-Dichlornitrobenzol |
84,4 Gew.-% |
2,3-Dichlornitrobenzol |
11,9 Gew.-% |
Dinitrodichlorbenzole |
0,08 Gew.-% |
[0044] Die Säurephase enthielt 1,48 kg/h 3,4-Dichlornitrobenzol und 0,13 kg/h 2,3-Dichlornitrobenzol.
[0045] Damit betrug der Gesamt-Anteil von 2,3-Dichlornitrobenzol bezogen auf die Summe der
gebildeten Dichlormononitrobenzole 11,5 Gew.-%.
Beispiel 3
[0046] In einer kontinuierlich betriebenen Anlage wurde ein Strom von 141,0 kg H
2SO
4 (86,6 Gew.-%) pro Stunde mit einem Strom von 5,31 kg HNO
3 (62 Gew.-%) pro Stunde vermischt. Die resultierende Mischsäure enthielt 2,25 Gew.-%
HNO
3. Die Mischsäure wurde mit einem Strom von 8,45 kg 1,2-Dichlorbenzol pro Stunde am
Eingang eines Rohrreaktors vermischt. Die Temperatur zum Zeitpunkt der Vermischung
betrug 30 °C. Das Reaktionsgemisch verließ den Rohrreaktor mit einer Temperatur von
57 °C nach 3 Minuten.
[0047] Nach der Phasentrennung wurde erhalten:
10,04 kg/h Organische Phase
[0048] Zusammensetzung (geeichte GC):
1,2-Dichlorbenzol |
8,4 Gew.-% |
3,4-Dichlornitrobenzol |
80,4 Gew.-% |
2,3-Dichlornitrobenzol |
11,2 Gew.-% |
Dinitrodichlorbenzole |
0,04 Gew.-% |
[0049] Die Säurephase enthielt 0,75 kg/h 3,4-Dichlornitrobenzol und 0,06 kg/h 2,3-Dichlornitrobenzol.
[0050] Damit betrug der Gesamt-Anteil von 2,3-Dichlornitrobenzol bezogen auf die Summe der
gebildeten Dichlormononitrobenzole 11,8 Gew.-%.
Beispiel 4
[0051] In einem wärmeisolierten Sulfierbecher (Ø 100 mm), versehen mit Stromstörern und
zwei auf einer Welle sitzenden Turbinenrührern (Ø 39,9 mm) wurden 667,8 g H
2SO
4 (86,6 %ig) und 32,3 g (0,333 mol) HNO
3 (65 %ig) bei 30 °C unter Rühren vorgelegt (eingebrachte spezifische Rührleistung
22 W/l) und in 3 Sekunden mit 49,0 g (0,333 mol) 1,2-Dichlorbenzol mit einer Temperatur
von 30 °C versetzt, und man ließ ohne Kühlung reagieren. Nach 170 Sekunden hatte das
Reaktionsgemisch die Endtemperatur von 67 °C erreicht und der Rührer wurde angehalten.
Nach Phasentrennung wurden 58,3 g organische Phase erhalten.
1,2-Dichlorbenzol |
1,2 Gew.-% |
3,4- Dichlornitrobenzol |
86,4 Gew.-% |
2,3-Dichlornitrobenzol |
12,3 Gew.-% |
Dinitrodichlorbenzole |
0,03 Gew.-% |
[0052] Aus der Säurephase ließen sich 4,70 g 3,4-Dichlornitrobenzol und 0,49 g 2,3-Dichlornitrobenzol
isolieren.
[0053] Damit betrug der Gesamt-Anteil von 2,3-Dichlornitrobenzol bezogen auf die Summe der
gebildeten Dichlormononitrobenzole 12,2 Gew.-%.
1. Verfahren zur Herstellung von 3,4-Dichlornitrobenzol durch Umsetzung von 1,2-Dichlorbenzol
mit einem HNO
3/H
2SO
4/H
2O-Gemisch unter Bildung im wesentlichen der Dichlornitrobenzole und Reaktionswasser,
gekennzeichnet durch die Schritte
a) Einspeisung von 1,2-Dichlorbenzol, HNO3, H2SO4 und H2O in beliebiger Reihenfolge in einen mit Mischungsorganen ausgestatteten Reaktor,
wobei
a1) die Menge an HNO3 1 bis 5 Gew.-%, die Menge an H2SO4 70 bis 92 Gew.-% und die Menge an H2O den Rest zu 100 Gew.-% beträgt und 100 Gew.-% die Summe von HNO3 + H2SO4 + H20 darstellen,
a2) das H2O als solches, als Verdünnungs-H2O der HNO3, als Verdünnungs-H2O der H2SO4 oder in mehreren der genannten Formen eingesetzt wird, und
a3) das molare Verhältnis von 1,2-Dichlorbenzol zu HNO3 0,9 bis 1,5 beträgt,
b) rasche und intensive Vermischung der Gesamtmenge der Reaktionsteilnehmer, wozu
eine Mischleistung von 1 bis 50 Watt pro Liter des gesamten Reaktionsgemisches, bevorzugt
3 bis 30 W/l, angewandt wird,
c) Durchführung der Umsetzung unter adiabatischen Bedingungen wobei die Reaktionsteilnehmer
mit solchen Temperaturen eingespeist werden, dass die Vermischung im Bereich von 0
bis 60°C erfolgt und die Temperatur am Ende der Reaktion 100°C nicht übersteigt,
d) Trennung des Reaktionsgemisches nach Durchführung der Reaktion in eine organische
und eine anorganische Phase und
e) destillative Aufarbeitung der weitgehend HNO3-freien anorganischen Phase unter Entfernung von Wasser.
2. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Umsetzung kontinuierlich
durchgeführt wird.
3. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass
die Reaktionsteilnehmer vor Eintritt in einen die Rückvermischung weitgehend verhindernden
Reaktor mit Hilfe von Mischorganen innerhalb einer Zeit von weniger als 3 sek. intensiv
gemischt werden.
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass im Schritt e) die infolge
der adiabatischen Reaktionsführung von der anorganischen Phase aufgenommene Reaktionswärme
zur destillativen Ausschleusung von Wasser unter einem Druck von 40 bis 150 mbar,
bevorzugt 40 bis 120 mbar, besonders bevorzugt 50-100 mbar, ausgenutzt wird und bevorzugt
dabei die Konzentration der ablaufenden H2SO4 so eingestellt wird, dass diese ablaufende H2SO4 zum Einsatz in Schritt a) geeignet ist.
5. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Gehalt an zugesetzter
Salpetersäure im Reaktionsgemisch zum Zeitpunkt der Vermischung, bezogen auf die Summe
von Salpetersäure, Schwefelsäure und Wasser, 1 bis 4 Gew.-% beträgt.
6. Verfahren gemäß Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Gehalt an zugesetzter
Salpetersäure im Reaktionsgemisch zum Zeitpunkt der Vermischung, bezogen auf die Summe
von Salpetersäure, Schwefelsäure und Wasser, 1,5 bis 3 Gew.-% beträgt.
7. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Gehalt an Schwefelsäure
im Reaktionsgemisch zum Zeitpunkt der Vermischung, bezogen auf die Summe von Salpetersäure,
Schwefelsäure und Wasser, 80 bis 90 Gew.-% beträgt.
8. Verfahren gemäß Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Gehalt an Schwefelsäure
im Reaktionsgemisch zum Zeitpunkt der Vermischung, bezogen auf die Summe von Salpetersäure,
Schwefelsäure und Wasser, 82 bis 88 Gew.-% beträgt.
9. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Molverhältnis von 1,2-Dichlorbenzol
zu Salpetersäure 1,0 bis 1,5 beträgt.
10. Verfahren gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Vermischung der Reaktionsteilnehmer
bei einer Temperatur von 10 bis 50 °C durchgeführt wird.