[0001] Die Erfindung betrifft ein Fahrbefehlsüberwachungssystem für Triebfahrzeuge, insbesondere
auf eingleisigen Strecken mit Ausweichstellen, wobei das Fahrbefehlsüberwachungssystem
Streckengeräte und Bordgeräte aufweist.
[0002] Weltweit wird eine große Anzahl von Eisenbahnstrecken mit Reisezugverkehr und/oder
Güterverkehr ohne technische Zugfolgesicherung betrieben. Dabei handelt es sich häufig
um eingleisige, nicht elektrifizierte Strecken mit Ausweichstellen. Insbesondere bei
sehr langen Strecken ist eine durchgehende technische Überwachung mit Stellwerkstechnik
nur lückenhaft oder mit sehr großen Kosten zu realisieren. Da die aktuelle Situation
auf einer derartigen Strecke weder dem Triebfahrzeugführer, noch der Zugleitzentrale
bekannt ist, wird dem Triebfahrzeugführer ein sehr hohes Maß an Eigenverantwortung
und Sicherheitsbewusstsein abverlangt. Fehlentscheidungen führen in der Regel dazu,
dass die verbleibende Zeit, einen Unfall zu verhindern, außerordentlich gering ist.
Um dennoch ein hohes Maß an Sicherheit zu garantieren, muss die Zugfrequenz relativ
gering bemessen sein. Das gleichzeitige Einfahren zweier sich kreuzender Züge an einer
Ausweichstelle bei eingleisiger Strecke ist nicht gestattet, da ein sicheres Halten
beider Züge an vorgesehenen Haltepunkten nicht garantiert werden kann.
[0003] Um einen höheren Sicherheitsstandard auf Nebenstrecken zu erreichen, wird häufig
das GPS (Global Positioning System) Erinnerungssystem der Firma Alcatel eingesetzt.
Das GPS Erinnerungssystem warnt den Triebfahrzeugführer optisch und akustisch davor,
einen vorgegebenen Haltepunkt zu überfahren oder zu übersehen. Dazu muss der Triebfahrzeugführer
die Koordinaten des jeweils nächsten Haltepunktes in das Gerät eingeben. Das Gerät
vergleicht daraufhin die mittels der Satellitenortung festgestellte aktuelle Position
mit den eingegebenen Koordinaten. Bei Übereinstimmung wird dem Triebfahrzeugführer
signalisiert, dass demnächst eine Aktion, beispielsweise ein Bremsvorgang erforderlich
ist. Der Triebfahrzeugführer wird quasi an Aktionen erinnert, die im allgemeinen primär
durch herkömmliche Streckensignaltechnik signalisiert werden.
[0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Fahrbefehlsüberwachungssystem der oben
genannten Gattung anzugeben, das sich durch erhöhte Sicherheit hinsichtlich des Haltens
der Züge an vorgesehenen Haltepunkten auszeichnet. Dabei ist eine kostengünstige Lösung
anzustreben, die mit minimaler Streckeninfrastruktur für einen straßenbahnähnlichen
Betrieb auskommt.
[0005] Erfindungsgemäß wird die Aufgabe durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs
1 gelöst. Beim Passieren des Streckengerätes bekommt das Bordgerät die Information,
dass in beispielsweise 300 m ein Haltepunkt ist, an dem das Triebfahrzeug zum Stillstand
gekommen sein muss. Das Streckengerät kann als fix programmierte EURO-Balise ausgebildet
sein. Die an das Bordgerät zu signalisierenden Informationen können ganz verschiedener
Art sein. Neben der Information über einen fahrplanmäßigen Haltepunkt kann es sich
beispielsweise auch um Baustellenwarnung, verbunden mit der Aufforderung, die Geschwindigkeit
zu reduzieren, handeln.
[0006] Gemäß einer in Anspruch 2 gekennzeichneten vorteilhaften Ausführungsform wird bei
der Festelegung des Abstandes des Streckengerätes vor dem Haltepunkt die in diesem
Bereich übliche Streckengeschwindigkeit und gegebenenfalls die Streckenneigüng berücksichtigt.
Auf diese Weise ist sichergestellt, dass der durch die Bremsparabel vorgegebene Bremsweg
ausreicht, um das Triebfahrzeug mit Sicherheit bis zum vorgesehenen Haltepunkt zum
Stillstand zu bringen.
[0007] Eine weitere Erhöhung der Betriebssicherheit ergibt sich durch die Merkmale des Anspruchs
3. Falls der Triebfahrzeugführer den Haltepunkt und die Streckengerät-Bordgerät-Anhalteaufforderung
ignoriert und ungebremst weiterfährt, wird er an diesem Warnpunkt darüber informiert,
dass gleiche eine Zwangsbremsung eingeleitet wird. Der Warnpunkt kann ein virtueller
Punkt in geringer Entfernung vom Montageort des Streckengerätes sein. Da die Geschwindigkeit
an jedem Ort durch die üblichen tachometrischen Messgeräte bekannt ist, kann das Bordgerät
aus einem Vergleich der Geschwindigkeit am Montageort des Streckengerätes und der
Geschwindigkeit am Warnpunkt leicht feststellen, ob die Einleitung des Bremsvorganges
durch den Triebfahrzeugführer korrekt veranlasst worden ist und sich somit eine Zwangsbremsung
erübrigt. Auf diese Weise wird auch das gleichzeitige Einfahren zweier sich kreuzender
Züge ermöglicht, da sichergestellt werden kann, dass der Zug wirklich am vorgesehenen
Haltepunkt steht. Das Triebfahrzeug fährt somit halbautomatisch von Bahnhof zu Bahnhof.
Der Triebfahrzeugdurchsatz kann in Spitzenzeiten um circa 15 % erhöht werden, ohne
dass dazu die Errichtung eines Stellwerkes samt zugehöriger Außenanlagen erforderlich
ist. Lediglich die Streckengeräte oder EURO-Balisen müssen entlang der Strecke montiert
werden, wenn auf ein vorhandenes Bordgerät, zum Beispiel ein ETCS-Bordgerät, zurückgegriffen
werden kann. Da das Bordgerät im allgemeinen auch über eine Kommunikationseinrichtung
zur Kontaktierung einer Leitzentrale verfügt, kann von der Leitzentrale aus zusätzlich
eine Fernkontrolle und unter Umständen auch eine Fernsteuerung des Triebfahrzeuges
erfolgen.
[0008] Nach Anspruch 4 ist vorgesehen, dass bei Stillstand des Triebfahrzeuges die Überwachungsprozedur
automatisch gelöscht wird. Erst bei endgültigem Stillstand am vorgesehenen Haltepunkt
wird damit die Möglichkeit einer Zwangsbremsung in dem betreffenden Streckenabschnitt
endgültig ausgeschlossen. Optional oder zusätzlich könnte für die Beendigung der Überwachungsprozedur
auch eine Ankunftsmeldung durch den Triebfahrzeugführer bei einer Leitzentrale verlangt
werden.
[0009] Gemäß Anspruch 5 ist zusätzlich eine Befehlstaste zur Aufhebung der Zwangsbremsung
vorgesehen. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, durch einen Kreuzungsbahnhof
durchzufahren, ohne eine Zwangsbremsung auszulösen. Dazu kann vorgesehen sein, dass
die Befehlstaste zwischen Warnpunkt und circa 20 m vor dem Haltepunkt betätigt werden
muss.
[0010] Anspruch 6 charakterisiert eine vorteilhafte Weiterbildung des Streckengerätes. Durch
die Anordnung von Streckegerätegruppen außerhalb der Kreuzungsbereiche kann zusätzlich
eine Richtungsidentifikation vorgenommen werden, um eine flexiblere Verkehrsabwicklung
zu ermöglichen.
[0011] Vorzugsweise ist gemäß Anspruch 7 eine einfache Umsetzung des Streckengerätes von
einem Montageort zu einem anderen Montageort vorgesehen. Ein flexibler Einsatz von
Streckengeräten kann zum Beispiels in Baustellenbereichen sinnvoll sein. Durch Bauarbeiten
im Streckenbereich kann die Maximalgeschwindigkeit auf bestimmten Gleisabschnitten
gegenüber dem normalen Fahrbetrieb verringert sein. Beispielsweise muss das Triebfahrzeug
von 120 km/h auf 40 km/h abgebremst werden. Um solche außerplanmäßigen Änderungen
der Streckengeschwindigkeit nicht zu übersehen, kann für den Triebfahrzeugführer eine
zusätzliche Signalisierung sehr hilfreich sein. Falls auch dieses Signal übersehen
wurde, sollte, wie oben beschrieben, automatisch eine Zwangsbremsung eingeleitet werden,
obwohl kein Haltepunkt vorhanden ist.
[0012] Das Fahrbefehlsüberwachungssystem kann gemäß Anspruch 8 durch weitere Komponenten
zur Betriebsführung und Überwachung, insbesondere GPS nebst oben beschriebenem GPS-Erinnerungssystem,
Datenfunk, zentraler Überwachung, Dispositions- und Informationssystem, erweitert
werden.
[0013] Die Erfindung wird nachfolgend anhand figürlich dargestellter Ausführungsbeispiele
näher erläutert. Es zeigen:
- Figur 1
- einen Streckenplan mit Balisen und
- Figur 2
- einen Streckenplan mit Balisen und Zwangsbremsenansteuerung.
[0014] In Figur 1 ist schematisch eine eingleisige Strecke 1 mit Ausweichstellen 2 dargestellt.
Ein Triebfahrzeugführer, der diese Strecke 1/2 befährt, bekommt über Funk von einer
Leitstelle einen Fahrbefehl bis zum nächsten Haltepunkt H1 bis Hc beziehungsweise
Bahnhof. Die gebogenen Pfeile 3.1 bis 3.5 in den Figuren 1 und 2 veranschaulichen
die Fahrbefehle von einem Haltepunkt H1 bis Hc bis zu dem nächsten vorgesehenen Haltepunkt
H1 bis Hc. Vor erreichen des Haltepunktes H1 bis Hc wird durch Passieren eines als
EURO-Balise B1 bis Bc ausgebildeten Streckengerätes eine Überwachungsprozedur aktiviert.
Diese gewährleistet, dass der Triebfahrzeugführer den Haltepunkt H1 bis Hc nicht überfahren
kann. Die EURO-Balise B1 bis Bc ist eine fix programmierte Balise und wird in Abhängigkeit
von Streckengeschwindigkeit und Streckenneigung in einem bestimmten Abstand vor dem
Haltepunkt H1 bis Hc montiert. Beim Passieren der EURO-Balise B1 bis Bc signalisiert
diese an ein Bordgerät 4, Figur 2, des Triebfahrzeuges 5, Figur 2, dass in beispielsweise
300 m ein Haltepunkt H1 bis Hc ist, der nicht überfahren werde darf. Der Triebfahrzeugführer
wird im Normalfall an diesem Haltepunkt H1 bis Hc anhalten und die Überwachungsprozedur
wird durch den Stillstand automatisch gelöscht. Zusätzlich könnte eine Ankunftsmeldung
durch den Triebfahrzeugführer an die Leitzentrale verlangt werden. Nähert sich jedoch
das Triebfahrzeug dem Haltepunkt H1 bis Hc ungebremst, wird der Triebfahrzeugführer
zunächst an einen Warnpunkt W1 bis Wc gewarnt beziehungsweise an die Einleitung des
Bremsvorganges erinnert. Danach erfolgt ab einem Bremseinsatzpunkt P1 bis Pc eine
Zwangsbremsung. Warnpunkt W1 bis Wc und Bremseinsatzpunkt P1 bis Pc werden von dem
Bordgerät 4 in Abhängigkeit von dem Balisensignal ermittelt. Die Feststellung, ob
der Bremsvorgang durch den Triebfahrzeugführer korrekt eingeleitet wurde, ergibt sich
in einfacher Weise aus einem Geschwindigkeitsvergleich an dem Balisenmontageort und
dem Warnpunkt W1 bis Wc. Das Bordgerät 4 führt diesen Vergleich durch und generiert
bei dem Vergleichsergebnis, dass die Geschwindigkeit nicht verringert wurde, einen
Ansteuerbefehl, der auf die Bremsen des Triebfahrzeuges im Sinne einer Zwangsbremsung
wirkt. Das Bordgerät 4 kann dabei ein vorhandenes ETCS-Fahrzeuggerät sein, in welches
die Überwachungsprozedur auf einfache Weise implementiert werden kann.
[0015] Figur 2 unterscheidet sich im Wesentlichen dadurch von Figur 1, dass der Triebfahrzeugführer
von der Leitzentrale am Haltepunkt H1 einen Fahrbefehl 6 bis zum übernächsten Haltepunkt
H3 und nicht bis zum nächsten Haltepunkt H2 erhält. Das Triebfahrzeug 5 muss demzufolge
den Haltepunkt H2 ignorieren, das heißt, der Bremseinsatzpunkt P2 hinter dem Warnpunkt
W2 darf nicht zu einer Zwangsbremsung führen. Dazu ist eine Befehlstaste 7 zur Aufhebung
der Zwangsbremsung 8 vorgesehen. Die Befehlstaste 7 beaufschlagt das Bordgerät 4 derart,
dass das Triebfahrzeug 5 an der EURO-Balise B2 vorbeifährt, ohne dass die EURO-Balise
B2 einen Einfluss auf den weiteren Fahrbetrieb hat.
[0016] Die Erfindung beschränkt sich nicht auf die vorstehend angegebenen Ausführungsbeispiele.
Vielmehr ist eine Anzahl von Varianten denkbar, welche auch bei grundsätzlich anders
gearteter Ausführung von den Merkmalen der Erfindung Gebrauch machen. Insbesondere
ist auch ein autonomer Fahrbetrieb ohne Funkverbindung zu einer Leitzentrale denkbar,
wobei der Triebfahrzeugführer sich dann anhand eines Fahrplanes orientiert, welcher
auch in Form von Streckenaktionen in das Bordgerät 4 einprogrammiert sein kann.
1. Fahrbefehlsüberwachungssystem für Triebfahrzeuge (5), insbesondere auf eingleisigen
Strecken (1) mit Ausweichstellen (2), wobei das Fahrbefehlsüberwachungssystem Streckengeräte
und Bordgeräte aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass in einem bestimmten Abstand vor einem Haltepunkt (H1, H2, H3, Ha, Hb, Hc) ein Streckengerät
montiert ist, das einem Bordgerät des Triebfahrzeuges (5) das Passieren des Montageortes
signalisiert.
2. Fahrbefehlsüberwachungssystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Abstand des Streckengerätes vom Haltepunkt (H1, H2, H3, Ha, Hb, Hc) in Abhängigkeit
von der Streckengeschwindigkeit und der Streckenneigung festgelegt ist.
3. Fahrbefehlsüberwachungssystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Streckengerät und dem Haltepunkt (H1, H2, H3, Ha, Hb, Hc) ein Bremseinsatzpunkt
(P1, P2, P3, Pa, Pb, Pc) zur Einleitung einer Zwangsbremsung beim ungebremsten Passieren
eines vor dem Bremseinsatzpunkt (P1, P2, P3, Pa, Pb, Pc) befindlichen Warnpunktes
(W1, W2, W3, Wa, Wb, Wc) vorgesehen ist.
4. Fahrbefehlsüberwachungssystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass bei Stillstand des Triebfahrzeuges (5) die Überwachungsprozedur automatisch gelöscht
wird.
5. Fahrbefehlsüberwachungssystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Bordgerät eine Befehlstaste (7) zur Aufhebung der Zwangsbremsung aufweist.
6. Fahrbefehlsüberwachungssystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zwei benachbarte, logisch miteinander verbundene Streckengeräte zur Richtungsfeststellung
eines die Streckengeräte passierenden Triebfahrzeuges (5) vorgesehen sind.
7. Fahrbefehlsüberwachungssystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Streckengerät für den bedarfsweisen Einsatz an verschiedenen Montageorten ausgebildet
ist.
8. Fahrbefehlsüberwachungssystem nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zusätzliche Komponenten zur Betriebsführung und Überwachung, insbesondere GPS und
Datenfunk, vorgesehen sind.