[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein neuartig zugerichtetes Leder sowie auf ein Verfahren
zur Zurichtung, um spezielle Eigenschaftsprofile zu erhalten.
[0002] Bei der Gerbung werden die Proteine und das Kollagen der Häute in haltbare Verbindungen
umgewandelt, ohne daß typische Eigenschaften des Leders wie Zähigkeit, Elastizität,
Atmungsaktivität und andere mehr beeinträchtigt werden. Das nach der Gerbung erhaltene
Leder kann noch einer sogenannten Zurichtung unterworfen werden, die darin besteht,
die Lederoberflächen gegen chemische und mechanische Einflüsse weitgehend zu schützen,
eine gleichmäßige Farbe und Glanz über die ganze Lederfläche zu verbreiten sowie besondere
optische wie auch griffliche Eigenschaften des Leders zu erlangen. Allgemein gesprochen
besteht die Zurichtung in einer Steigerung des Gebrauchswertes des Leders. Diese veredelnden
Maßnahmen werden derzeit im Naßverfahren durch Aufsprühen geeigneter Materialien durchgeführt,
was den Nachteil hat, daß das Leder anschließend wieder einem Trocknungsprozess unterworfen
werden muß. Diese Maßnahmen bewirken zwar die zuvor genannten Vorteile des Leders,
mindert aber dessen Atmungsaktivität, die aber gerade als Vorteil des Leders betrachtet
wird.
[0003] Die bisherige Zurichtung des Leders zeigt also, daß das so modifizierte Leder nicht
allen gestellten Forderungen gerecht wird. Zu nennen ist dabei unter anderen noch
die Forderung nach einer besseren UV-Beständigkeit oder einer Verhinderung bzw. Verminderung
des Ausdünsten von Fetten, dem sogenannten Foggingeffekt. Bisher wurde versucht diesen
Effekt zu vermeiden, indem flüchtige Weichmacher durch weniger flüchtige ersetzt wurden.
Infolge der Diffusion des Fettgehaltes der Haut bei großer Wärme wird das Leder spröde,
was eine längere Haltbarkeit ohne eine besonders intensive Pflege unterbindet. Die
der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe besteht darin, ein Leder vorzuschlagen, das
die vorgenannten Nachteile ausschließt, einfach in der Herstellung ist sowie die Einsatzgebiete
und die Standzeit des Leders erhöht.
[0004] Diese Aufgabe ist erfindungsgemäß durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs
1 genannten Merkmale gelöst. Die Oberfläche des Leders und das Kollagengerüst ist
mit einer funktionellen Schutzschicht überzogen, wobei die Poren unverstopft bleiben.
Die Oberfläche des Leders besteht aus einer Schicht von Proteinfasern, während sich
darunter das aus Kollagenfasern bestehende Kollagengerüst befindet, dessen Stege unregelmäßig
kreuz und quer verlaufend Kollagenfasern bilden. Dabei ist das Gerüst über die Breite
des Leders zusammenhängend. Das Leder gemäß der Erfindung zeichnet sich dadurch aus,
daß die an der Oberfläche befindlichen Proteinfasern einzeln von einer Schutzschicht
z. B. aus Silicon oder Polyurethan ummanteln sind, ohne daß eine Verklebung der Fasern
die Atmungsaktivität behindert. Gleiches gilt für die Fasern des Kollagengerüstes,
ohne daß die Poren verklebt werden. Diese Zurichtung erfolgt gemäß der Erfindung plasmatechnisc
bei Atmosphärendruck..
[0005] Es liegt also eine Implantation von geeigneten Materialien, wie z. B. Silicon und/oder
Polyurethan vor, mit der eine Änderung und Neuerwerb von Eigenschaften des gegerbten
Leders bei der Erfindung vorgenommen wird, ohne daß eine spürbare Volumenvergrößerung
des behandelten Leders erfolgt, da die Stärke der Ummantelung im Nanometerbereich
liegt. Die Proteinfasern der Oberfläche sowie die Fasern des Kollagengerüstes erhalten
dabei eine Diffusionssperre.
[0006] Zum Erreichen der Implantation und Beschichtung wird das Leder plasmatechnisch behandelt.
Es hat sich nämlich überraschend gezeigt, daß bei Behandlung des gegerbten Leders
als Substrat mit durch Entladung ionisiertem Gas unter Atmosphärendruck ein Niederschlag
der Matrixpartikel auf der Oberfläche des Leders, also den einzelnen Proteinfasern
sowie eine Ummantelung bzw. Implantierung der Kollagengerüste des Leders erfolgt.
Die Matrixpartikel bestehen dabei vorzugsweise aus Silicon oder Polyurethan. So wie
es verschiedene Funktionen gibt, die vom Leder erwartet werden, so gibt es auch verschiedenartige
funktionale Schichten, es sei denn man kann mit einem Matrixmaterial mehrere Funktionen
gleichzeitig erzeugen. Es wird dann von einer multifunktionalen Schicht gesprochen.
Infrage kommen als Funktionsschichten z. B. SiO
2, TiO
2, PU, Silicon und Indium mit TiO dotiert (in der Fachwelt als ITO bekannt) als UV-Schutz.
Andere Funktionen können sein: Scheuerbeständigkeit, voller Griff, Diffusionssperre
(antifogging), Fleckabweisung, Unempfindlichkeit gegen Feuchtigkeit usw. Die Kunst
der erfindungsgemäßen Zurichtungsart besteht darin, daß auf und in das Leder hauchdünne
Schichten auf- und/oder eingebracht werden, ohne daß die Optik und Natureigenschaften
wie Geschmeidigkeit und Atmungsfähigkeit beeinträchtigt werden. Das Kollagengerüst
stellt sich etwa wie ein Wirrfaservlies dar. Die Faserigkeit ist aber im Gegensatz
zu textilem Faservlies ein zusammenhängedes Fasergerüst. Jede Gerüstfaser wird ummantelt.
Auch können die Partikel implantiert werden. Dabei bleibt das Gerüst aber offen und
wird nicht zugesiegelt.
[0007] Die Zurichtung gemäß der Erfindung bietet den Vorteil, daß diese trocken erfolgt,
anstelle der bekannten Naßbehandlung, mit anschließender Trocknung, und wobei außerdem
was noch wesentlicher ist, eine Beschichtung der Oberfläche sowie eine Ummantelung
des Kollagengerüstes erfolgt, ohne daß die Natureigenschaften des Ledersubstrates
wie Geschmeidigkeit und Atmungsaktivität beeinträchtigt werden, wie es bei den bekannten
Zurichtungsverfahren der Fall ist.
[0008] Das Leder wird gemäß der Erfindung mit einer trockenen Plasmabehandlung zugerichtet
werden. Diese Behandlungsart hat den Vorteil, daß von der Matrix nicht nur die Lederoberfläche,
sondern auch das darunterliegende Kollagengerüst erfaßt wird. Zudem ist dieses Zurichtverfahren
sehr energiesparend. Es wird kein Wasser verbraucht und verunreinigt.
[0009] Zur Implantierung der Matrixpartikel in das Leder ist es erforderlich, daß die Matrixpartikel
eine hohe kinetische Energie besitzen und turbulente Bewegungen in unterschiedlichen
Richtungen ausführen. Dazu ist das Anlegen einer gepulsten Spannung an das Spannungsfeld
eines Plasmareaktors bei Atmosphärendruck erforderlich, wobei die Frequenz der einzelnen
Pulse im Ultraschallbereich und die Spitzenspannung im Kiloelektronenvolbereich (KeV)
liegt. Die Pulse können dabei eine gleiche Polarität aufweisen.
[0010] Das Atmosphärenplasma zeichnet sich dadurch besonders aus, daß die Behandlung unter
Atmosphärendurck erfolgt und der Gasentladungsstrom durch die Verwendung von mehreren
Plasmabrennern von sogenannten Guns erzeugt wird. Das Matrixmaterial wird erfindungsgemäß
dabei als Pulver oder in liquider Form in den Gasstrom eingebracht. Das Matrixmaterial
wird vernebelt, vom Plasmastrom getragen und mit großer Energie auf das Substrat auf-
und eingetragen. Bei den bekannten Verfahren des Atmosphärenplasmas wird mit gasförmigen
(Monomere) und liquiden Matrixmaterialien gearbeitet. Bei dem hier vorliegenden Verfahren
kann auch pulverförmiges Matrixmaterial haftfest um die Fasern und das Gerüst gebracht
werden. Durch die bei dem erfindungsgemäßen Verfahren erhaltenen ausgeprägten Turbulenzen
der Matrixpartikel, die mit hoher Energie in dem Spannungsfeld bewegt werden, hat
es sich nämlich gezeigt, neben dem liquiden auch pulverförmiges Matrixmaterial verwenden
zu können, um die Partikel in die Proteinfasern sowie das Kollagengerüst des Substrates
zu implantieren sowie Fasern und Gerüst zu ummanteln. Im Atmosphärenplasma wird der
Aggregatzustand des hinzugegebenen Matrixmaterials nicht verändert. Gas bleibt Gas
und festes Material bleibt festes Material. Lediglich die Konsistenz wird geändert,
wenn festes Material in Pulverform in den auf das Substrat gerichteten Plasmastrom
einrieselt und dadurch vernebelt wird, ohne seinen Aggregatzustand zu ändern. Zum
Vernebeln ist lediglich eine gewisse Energiezufuhr nötig. Damit ist die Gewähr gegeben,
daß das vernebelte Material seine Eigenschaften behält und die Moleküle als Funktionsträger
unbeschädigt die gesuchten Materialeigenschaften auf das Substrat übertragen. Diese
Eigenschaft ist dann besonders wichtig, wenn mit einer einzigen Matrix dem Substrat
mehrere Eigenschaften verliehen werden sollen.
[0011] Von der Tierhaut werden durch Gerben nur die Retikularschicht der Lederhaut und die
Papillarschicht der Lederhaut zu einem verarbeitbarem Leder zugerichtet. Die Lederhaut
besteht aus einem mehr oder weniger dichten Geflecht aus Kollagenfasern, das möglichst
gleichmäßig ausgebildet sein soll und was auch bei einem guten Leder der Fall ist.
Das Kollagengeflecht wird durch die Plasmabehandlungen mit den Matrixpartikel ummantelt
und sogar zum Teil durchdrungen, ohne daß chemische Eigenschaften des Leders geändert
werden und vor allem die Atmungsaktivität erhalten bleibt. Mit der Anwendung dieser
Behandlung wird ein veredeltes Produkt erzielt, das es bisher in dieser Qualität nicht
gegeben hat.
[0012] Durch die Wahl einerseits des Reaktionsgases und andererseits des Matrixmaterials
können u. a. noch weitere Eigenschaften des Leders erzielt werden, die beispielhaft
genannt werden. Das Leder gemäß der Erfindung ist gegen UV-Bestrahlung sowie gegen
eine Ausdünstung von Fetten beständig, ohne daß die Geschmeidigkeit leidet, da die
Fette innerhalb des Leders verbleiben. Dadurch wird die Verwendung des so behandelten
Leders auch bei hohen Temperaturen zum Beispiel im Sommer im Inneren eines Kraftwagens
möglich, da eine Austrockung vermieden wird. Die Scheuerfestigkeit wird durch die
Ummantelung erhöht und die Reinigung erleichtert. Außerdem ist durch die Veredlung
gemäß Erfindung das Leder universeller einsetzbar und kann vielfach an Stelle von
Kunstleder treten, so daß die Umwelt weniger mit dem bei Herstellung von Kunstleder
entstehenden Ausstoß von Kohlendioxyd belastet wird, denn Kunstleder ist ein Erdölderivat,
bei dessen Herstellung und Entsorgung Kohlendioxyd erzeugt wird. Naturleder ist im
Gegensatz zum Kunstleder ein nachwachsender Rohstoff, der kohlendioxydneutral ist.
[0013] Die Vorprogrammierung verschiedener Substrateigenschaften durch die Wahl geeigneter
Reaktionsgase und Matrixmaterialien ermöglicht auch eine antifunigizide und antibakterielle
Ausrüstung des Leders gemäß der Erfindung, so daß dieses auch in die Medizintechnik
Eingang finden kann. Es liegt auch im Rahmen der Möglichkeiten, das Ledersubstrat
zur Säuberung vor Einleiten des Veredlungsverfahrens einer Aktivierung zu unterziehen,
d. h. das Susbstrat für den oder die Zurichtvorgänge aufnahmefähiger gemacht wird.
[0014] Da sich die Ummantelung der Proteinfasern der einzelnen ein Gerüst bildenden Kollagenfasern
im Nanometerbereich befindet, ist keine spürbare Volumenvergrößerung zu befürchten.
Allgemeinen kann gesagt werden, daß sich die Funktionalität des Leders gemäß der Erfindung
erhöht und damit dessen Gebrauchswert.
1. Gegerbtes Leder aller Art zur Verwendung auf dem gesamten Gebiet der Lederverarbeitung,
dadurch gekennzeichnet,
daß die aus Proteinfasern bestehende Oberfläche des Leders sowie die darunter befindlichen
das Gerüst bildenden Kollagenfasern mit einer die Poren offen lassenden Schutzschicht
ummantelt sind.
2. Verfahren zur Veredlung von gegerbtem Leder aller Art nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Leder als Substrat einer Plasmabehandlung im Reaktor unter Atmosphärendruck ausgesetzt
ist, wobei das Matrixmaterial vernebelt vom Plasmastrom getragen und mit großer Energie
auf das Substrat auf- und eingetragen wird.
3. Verfahren zur Veredlung nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß es mittels eines inerten Reaktionsgases im Reaktor aktiviert und/oder gereinigt wird.
4. Verfahren zur Veredlung nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß im Plasmareaktor Silikon als Matrixmaterial verwendet ist.
5. Verfahren zur Veredlung nach Anspruch 2
dadurch gekennzeichnet,
daß als Matrixmaterial im Reaktor Polyurethan verwendet ist.
6. Verfahren zur Veredlung nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß als Matrixmaterial mit Titanoxyd dotiertes Indium (ITO) verwendet wird.
7. Verfahren nach Anspruch 4, 5 oder 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß das Matrixmaterial als Flüssigkeit in den Gasstrom des Reaktors gegeben wird.
8. Verfahren nach Anspruch 4, 5 oder 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß pulvriges Matrixmaterial dem Gasstrom des Reaktors zugesetzt wird.
9. Verfahren zur Veredlung nach Anspruch 2 in Verbindung mit einem oder mehreren der
vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß dem Spannungsfeld des Reaktors eine gepulste Spannung überlagert ist, wobei die Frequenz
der einzelnen Pulse im Ultraschallbereich und die Spitzenspannung im Kiloelektronenvoltbereich
angesiedelt sind.