[0001] Die Erfindung bezieht sich auf die Herstellung von nichtrostenden Baustählen der
austenitischen Klasse, die in einem breiten Erzeugnis-Sortiment als Stäbe, Drähte,
Rohre, Bleche, Bänder oder Schmiedestücke hergestellt werden.
[0002] Die bestimmungsgemäßen Eigenschaften, wie höhere Dehngrenzen und Zugfestigkeit bei
guten Zähigkeitseigenschaften, nämlich Bruchdehnung und Einschnürung sowie Schlagarbeit
sollen durch thermomechanische Behandlung aus der Umformwärme, ohne weitere Wärmebehandlung,
erreicht werden.
[0003] Aus der Literatur (Autorenkollektiv: Nichtrostende Stähle, Verlag Stahleisen mbH
Düsseldorf, 1989; Jänicke, W., Dahl, W. u.a.: Werkstoffkunde Stahl, Bd. 2, D 13: Nichtrostende
Stähle S. 385- 424,Verlag Stahleisen mbH Düsseldorf; Mittag, H., Skuin, K., Erkel,
K.P.: Stahlberatung, Freiberg 13 (1986) 3 S. 2- 6; DIN EN 10088 T 1 - 3 (1995): Nichtrostende
Stähle) ist seit langem bekannt, daß klassische austenitische Standardstähle neben
ausgezeichneten Zähigkeitseigenschaften nur relativ niedrige Festigkeitseigenschaften
aufweisen.
In den letzten Jahrzehnten wurde versucht, durch Stickstoffzugabe die Festigkeitseigenschaften
anzuheben.
Trotzdem liegen die Festigkeitseigenschaften noch weit unter denen der nichtrostenden
martensitischen oder austenitisch-ferritischen Stähle.
[0004] Wegen ihrer hohen Kaltverfestigungsneigung kann man die Festigkeitseigenschaften
natürlich auch durch Kaltumformen (Ziehen, Kaltwalzen, Recken) nach dem Warmwalzen
und anschließenden Lösungsglühen und Abschrecken erhöhen.
[0005] Diese Eigenschaftsverbesserung wird in großen Umfang angewandt, ist aber mit hohem
Arbeits- und Kostenaufwand verbunden.
[0006] Aufgabe der Erfindung ist es, höherfeste nichtrostende austenitische Stähle herzustellen,
die gegenüber dem klassischen Lieferzustand AS (lösungsgeglüht) eine deutlich erhöhte
Dehngrenze sowie Zugfestigkeit bei guten Zähigkeitseigenschaften aufweisen.
[0007] Eine erfindungsgemäße Lösung dieser Aufgabe ist in Anspruch 1 angegeben. Weitere
Angaben zur Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
[0008] Bei einigen Untersuchungen in der Vergangenheit wurde gefunden, daß beim Warmumformen
austenitischer nichtrostender Stähle in Abhängigkeit von der Umformtemperatur unterschiedliche
Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften auftreten, die technisch aber nicht ausgenutzt
werden, da der klassische Lieferzustand AS (lösungsgeglüht oder abgeschreckt) nach
wie vor Hauptlieferzustand dieser Stahlgruppe ist, vgl. Rohloff, H.: Untersuchungen
über den Einfluß einer "kontrollierten Warmumformung" auf die mechanischen Eigenschaften
von austenitischen Chrom-Nickel-Stählen, Abschlußbericht 6210 - 82 BFI Düsseldorf
1981; Erkel, K.P.: Wärmebehandlung austenitischer CrNi(Mo, Ti)-Stähle aus der Walzhitze
(unveröffentlicht) Q.-Bericht 12/1992 SEW-Freital.
[0009] So fand Rohloff bei Untersuchungen zur "kontrollierten Warmumformung" mittels Warmtorsionsplastometer
- also nicht durch Walz- oder Schmiedeversuche, daß mit sinkender Walzendtemperatur
im Bereich von 900 bis 700°C ein deutlich erhöhte 0,2% Dehngrenze, d.h. ein Anstieg
auf mehr als 400 N/mm
2 möglich war.
Bei 900°C und mehr konnten keine erhöhten Werte gefunden werden, sie lagen in der
Größenordnung lösungsgeglühter Proben.
[0010] Der Erfinder stellte dagegen durch eigene Großzahl-Untersuchung verschiedener Abmessungen
austenitischer Standardstähle bei nicht kontrolliert gewalzten technischen Losen stark
schwankende Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften im Walzzustand fest, wobei insbesondere
die kleineren Querschnitte (≤ 16 mm) die wesentlich erhöhten Festigkeitseigenschaften
R
p0,2 und R
m gegenüber den größeren Querschnitten (16 - 60 mm) aufwiesen. Dabei waren die Zähigkeitseigenschaften
(Bruchdehnungswerte ≥ 30%) geringfügig erniedrigt.
Diese Festigkeitserhöhungen resultieren offenbar aus nur teilweise bzw. nicht rekristallisiertem
Korn, das zudem deutlich feiner als nach Lösungsglühen ist.
[0011] Bei neuen weiterführenden Untersuchungen zum Einfluß der Walzendtemperatur im Bereich
950 bis 700°C auf die mechanischen Eigenschaften im Vergleich zum lösungsgeglühten
Zustand (1050°C/Wasser) wurde nun der deutliche Einfluß der Temperatur auf die
■ Festigkeitseigenschaften (0,2% - 1% Dehngrenze Rp0,2/Rp1,0
und Zugfestigkeit Rm)
sowie die
■ Zähigkeitseigenschaften (Bruchdehnung A5
und Schlagarbeit Av bei +20°C
sowie Schlagarbeit Av bei -40°C)
quantifiziert.
[0012] Weitere Angaben zur verfahrensgemäßen Herstellung höherfester austenitischer Stähle
und ihrer Eigenschaften ergeben sich aus der nachfolgenden ergänzenden Beschreibung
des Verfahrens und der Verfahrensprodukte am Beispiel des austenitischen Standardstahls
1.4301 (X5CrNi18-10) unter Verwendung der drei Darstellungen
- Fig. 1
- Festigkeitseigenschaften (Rp0,2 und Rm) des Stahles 1.4301 (X5CrNi18-10) in Abhängigkeit von der Walztemperatur bzw. Wärmebehandlung
- Fig. 2
- Zähigkeitseigenschaften (A und Z) des Stahles 1.4301 (X5CrNi18-10) in Abhängigkeit
von der Walztemperatur bzw. Wärmebehandlung und
- Fig. 3
- Zähigkeitseigenschaften (Av bei 20°C und -40°C) des Stahles 1.4301 (X5CrNi18-10) in Abhängigkeit von der Walztemperatur
bzw. Wärmebehandlung
[0013] Die Ergebnisse wurden durch thermomechanisches Walzen von 45 mm Durchmesser in 10
Stichen auf 16 mm Durchmesser erzielt, wobei alle Proben auf 1150°C bei 30 Minuten
Haltezeit erwärmt und die Walzendtemperaturen durch unterschiedliche Haltezeiten vor
dem ersten Stich eingestellt wurden.
[0014] Wie aus den Fig. 1 -3 ersichtlich, ist bereits im Bereich 1000 - 900°C ein deutlicher
Anstieg der Festigkeitseigenschaften vorhanden, wobei die Zähigkeitseigenschaften
nur geringfügig abfallen.
So wurden beim Stahl 1.4301 bei einer Walztemperatur von 900°C 0,2% Dehngrenzen von
> 650 N/mm
2 und Zugfestigkeiten von 850 N/mm
2 gefunden, bei einer Bruchdehnung von 30% und Schlagarbeiten A
v20°C von ≥ 200 J und A
v-40°C von ≥ 180 J.
[0015] Bei einer Walzendtemperatur von 950°C erreichte die 0,2% Dehngrenze noch Werte >
500 N/mm
2 bei ebenfalls guten Zähigkeitseigenschaften, was die Normvorschriften für Betonstahl
gemäß DIN ENV 10080, Betonbewehrungsstahl bzw. DIN 488 Betonstahl, Eigenschaften und
Prüfungen erfüllen würde.
[0016] Erste Korrosionsuntersuchungen ergaben gleich gute bzw. geringfügig veränderte Korrosionseigenschaften.
Beim thermomechanischen Walzen muß darauf geachtet werden, daß nur vollaustenitische
Chargen (ohne δ-Ferrit) zum Einsatz kommen, da dieser im Temperaturbereich ≤ 1000°C
in σ - Phase zerfallen kann, was die Korrosionsbeständigkeit und Zähigkeit deutlich
verringern kann.
[0017] Damit lassen sich durch die temperaturkontrollierte Walzung (TMB) des austenitischen
Standardstahles 1.4301 je nach Walzendtemperatur folgende Eigenschaften im Vergleich
zum Standardlieferzustand (AS) nach DIN EN 10088-3 bzw. den Forderungen für Betonstahl
nach DIN EN 10080 erreichen.
|
EN 10088-3 |
EN 10080 |
Ist (TMB) |
Dehngrenze Rp0,2(N/mm2) |
≥ 190 |
≥ 500 |
350 - 900 |
Zugfestigkeit Rm(N/mm2) |
500 - 700 |
> 540 |
700 - 950 |
Bruchdehnung A (%) |
≥ 45 |
≥ 5 |
40 - 20 |
Brucheinschnürung Z (%) |
- |
- |
70 - 60 |
Schlagarbeit RT Av(J) |
≥ 100 |
- |
270 - 170 |
Schlagarbeit -40°C Av(J) |
- |
(≥40*)) |
250 - 150 |
*) nur für 1.4003, 14016 und 1.4462 in allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassung Z30.3-6
(1998) vorgeschrieben. Austenitische Stähle gelten (zumindest im lösungsgeglühten
Zustand) als kaltzäh. |
1. Verfahren zur Herstellung höherfester austenitischer Stähle, insbesondere nichtrostender
austenitischer Stähle bekannter chemischer Zusammensetzung, z.B. nach DIN EN 10088
T 1 - 3, 1995, Nichtrostende Stähle,
mit gegenüber dem klassischen Lieferzustand AS (lösungsgeglüht) deutlich erhöhter
Dehngrenze und Zugfestigkeit bei guten Zähigkeitseigenschaften,
dadurch gekennzeichnet, daß die Stähle bei Umformtemperaturen unter der Lösungsglühtemperatur ( 1000 - 1100°C
) gewalzt oder geschmiedet werden und durch schnelle Abkühlung an Luft und/oder Wasser
ein sehr feines, in der Regel nicht rekristallisiertes Gefüge entsteht.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß die Stähle in Abhängigkeit von der Endtemperatur bei Warmumformung und dem Querschnitt
0,2%-Dehngrenzen von 300 - 800 N/mm2 und Zugfestigkeiten von 600 - 1000 N/mm2 bei Bruchdehnungen von 40 - 20% und Schlagarbeiten von ≥ 150 J bei Raumtemperatur
sowie ≥ 100 J bei tiefen Temperaturen aufweisen.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß die Stähle bevorzugt aus vollaustenitischen Chargen, ohne Anteile von δ-Ferrit, hergestellt
werden und dadurch gleiche oder nur geringfügig veränderte Korrosionsbeständigkeit
aufweisen.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, daß die nach diesem Verfahren hergestellten höherfesten austenitischen Stähle keiner
nachträglichen Wärmebehandlung (Lösungsglühen) unterzogen werden, da dann die bestimmungsgemäßen
Eigenschaften verloren gehen.
5. Verfahren nach Anspruch 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, daß die nach diesem Verfahren hergestellten höherfesten austenitischen Stähle aufgrund
ihrer höheren Festigkeitseigenschaften für den Leichtbau Verwendung finden und Gewicht
und Kosten eingespart werden können.
6. Verfahren nach Anspruch 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, daß die nach diesem Verfahren hergestellten höherfesten austenitischen Stähle aufgrund
ihrer höheren Festigkeitseigenschaften mit Rp0,2 ≥ 500 N/mm2 auch als nichtrostender, austenitischer Betonstahl - hergestellt ohne Kaltumformung
- Anwendung finden.
7. Verfahren nach Anspruch 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, daß die nach diesem Verfahren hergestellten höherfesten austenitischen Stähle aufgrund
ihrer höheren Festigkeitseigenschaften als höherfestes Vormaterial für weitere Kaltumformung
Verwendung finden und dadurch ein Teil der Prozeßschritte u.a. bei der Herstellung
nichtrostender Federn, Schrauben, Muttern etc. eingespart wird.