(19)
(11) EP 1 153 876 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.11.2001  Patentblatt  2001/46

(21) Anmeldenummer: 01110674.7

(22) Anmeldetag:  02.05.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B66C 23/90
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 12.05.2000 DE 10023418

(71) Anmelder: Liebherr-Werk Nenzing GmbH
6710 Nenzing (AT)

(72) Erfinder:
  • Schmid, Josef Kaspar
    6845 Hohenems (AT)

(74) Vertreter: Laufhütte, Dieter, Dr.-Ing. et al
Lorenz-Seidler-Gossel Widenmayerstrasse 23
80538 München
80538 München (DE)

   


(54) Verfahren zur Überlastsicherung eines mobilen Kranes


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Überlastsicherung eines mobilen Kranes, insbesondere eines Raupenkranes, in welchem bauteilebezogene Geometriedaten in einem Speicher abgelegt werden. Entsprechend einem ausgewählten Rüstzustand werden in einem Simulationsrechner die Geometriedaten zu einem physikalischen Simulationsmodell zusammengestellt. Unter Berücksichtigung realer Meßdaten werden die erforderlichen geometrischen Daten, Schwerpunktdaten und Kräfte und daraus die Abschaltwerte berechnet. Der Kran wird bei Erreichen dieser Abschaltwerte abgeschaltet.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Überlastsicherung eines mobilen Kranes. Gesetzliche Bestimmungen fordern für alle mobilen Krane Überlastsicherungen. Entsprechend der für die europäische Gemeinschaft geltenden EN 13000 wird beispielsweise eine Überlastsicherung für mobile Krane gefordert, deren Tragfähigkeit größer als 1.000 Kilogramm oder deren Lastmoment größer als 40.000 Nm ist. Mobile Krane sind beispielsweise Fahrzeugkrane, Hafenmobilkrane, Raupenkrane, etc.

[0002] Es ist bereits bekannt, die für die Überlastsicherung notwendigen Abschaltkurven für alle möglichen Rüstzustände des jeweiligen Mobilkranes vorzuberechnen und im Speicher der Überlastsicherung abzulegen. Die Abschaltkurven werden dabei durch eine Anzahl von Punkten dargestellt, die berechnet wurden. Zwischen diesen Punkten wird im Betrieb interpoliert.

[0003] Da die abgelegten Kurven viel Speicherplatz benötigen, wird zur Einsparung von Speicherplatz häufig auch zwischen verschiedenen Lastkurven interpoliert. Die Kurve, die dabei entsteht, entspricht aber nicht mehr genau den Ergebnissen, die bei einer Berechnung mit den durch die Vorschriften vorgegebenen Berechnungsmethoden erhalten würden. Wird der Kran nun so betrieben, daß im Vergleich zu normgerecht berechneten Abschaltkurven, die entsprechenden Werte überschritten werden, führt dies zu einem relativen Verlust an Sicherheit. Werden die realen Abschaltkurven bei dieser Interpolation unterschritten, wird der Mobilkran dagegen nicht optimal ausgenutzt.

[0004] Für die Berechnung und Anzeige von Lastausladung und beispielsweise Kranhöhe werden meist vorberechnete Geometriedaten für jeden Rüstzustand gespeichert. Hier wird beispielsweise ein kompletter Ausleger vereinfacht durch einen Vektor beschrieben. Mittels dieser für die komplette Zurüstung gespeicherten Daten wird dann mittels der Trigonometrie und den Daten von Positionssensoren die aktuelle Ausladung und andere für den Geräteführer wichtige Informationen berechnet. Von dieser Verfahrensführung versprach man sich, daß möglichst wenig Berechnungen durchgeführt werden müssen.

[0005] Soweit ein Mobilkran nur wenig unterschiedliche Rüstzustände aufweist, ist das bekannte Verfahren, das sich der gespeicherten Kurven bedient, vergleichsweise problemlos anwendbar. Nachteilig ist es hier immerhin, daß am Prüfstand des Mobilkranherstellers das Verhalten des Kranes (Stichwort: Auslegereigengewicht) jeweils für jeden Kran justiert werden muß, da die Bauteilegewichte in der Regel nicht in der Genauigkeit vorliegen, die für die Berechnung der Überlastsicherung notwendig ist.

[0006] Speziell bei Raupenkranen besteht im Unterschied zu anderen Krantypen die Notwendigkeit, eine sehr hohe Anzahl von möglichen Rüstzuständen bereit zu halten. Bei großen Kranen können hier alternativ mehrere 10.000 Rüstzustände erreicht werden. Bei dem Liebherr-Raupenkran LR 1250 ergeben sich mehr als 20.000 Rüstzustände. Aus dieser Vielzahl unterschiedlicher Kombinatinsmöglichkeiten ist es ersichtlich, daß der Speicher für die Lastkurven im Kran relativ groß wird und unter Umständen beim Hinzufügen eines einzigen neuen Rüstkriteriums verdoppelt werden muß.

[0007] Um diesem Problem Herr zu werden, haben einige Hersteller Beschränkungen in der Kombinationsmöglichkeit der Kranbauteile eingeführt. Das führt zu einer nicht gewünschten verminderten Flexibilität des Kranes.

[0008] Wird bei der Ausrüstung des Kranes ein Bauteil geändert, so besteht bei dem bekannten Verfahren der Nachteil, daß alle Lastkurven neu gerechnet werden müssen, was zu einer häufig mehrwöchigen Neuberechnung führt. Dasselbe gilt für den Fall, daß der Kranbetreiber einen Rüstzustand benötigt, der ursprünglich nicht vorgesehen war. Auch bei der Entwicklung von Mobilkranen, d.h. beim Bau von Prototypen, bei dem die Bauteilegewichte im einzelnen noch nicht so genau bekannt sind, ergeben sich Probleme bei den herkömmlichen Berechnungsverfahren.

[0009] Der Erfindung liegt nun die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Überlastsicherung eines mobilen Kranes, insbesondere eines Raupenkranes, zu schaffen, mit dem auch bei einer Vielzahl von möglichen Rüstzuständen die jeweils aktuellen Abschaltwerte schnell und genau ermittelbar sind.

[0010] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Überlastsicherung eines mobilen Kranes nach der Merkmalskombination des Anspruchs 1 gelöst.

[0011] Entgegen dem Stand der Technik werden in dem dem Steuerechner des Kranes zugeordneten Speicher keine Kipplastkurven mehr abgelegt, sonder Geometriedateien mit den physikalischen Eigenschaften der Bauteile des Kranes. Bei entsprechender Auswahl des gewünschten Rüstzustandes in einer Auswahlvorrichtung werden dann die entsprechenden Geometriedaten, die dem Rüstzustand entsprechen, in einem physikalischen Simulationsmodell im Steuerrechner zusammengestellt. Es werden nun die realen Meßdaten von kranseitigen Kraft- und Positionssensoren ermittelt und hieraus werden auf dem Steuerrechner die geometrischen Daten, Schwerpunktsdaten und -kräfte und anschließend die Abschaltwerte ermittelt. Bei Betrieb des Kranes wird dieser dann ggf. bei Erreichen eines Abschaltwertes abgeschaltet.

[0012] Bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den sich an den Hauptanspruch anschließenden Unteransprüchen.

[0013] So werden in einem ersten bevorzugten Ausführungsbeispiel im Speicher die bauteilebezogenen Geometriedaten für jeden Bauteiletyp der Kranbauteile in zugeordneten Geometriedateien abgelegt. Es wird also nicht mehr ein kompletter Ausleger erfaßt, sondern die Daten der Auslegerzwischenstücke und der anderen Bauteiletypen werden in ihnen jeweils zugeordneten Geometriedateien abgelegt. Dabei ist je eine Geometriedatei pro Bauteiletyp erforderlich. In einer entsprechenden Krankonfigurationsdatei ist parallel die Anleitung abgelegt, entsprechend der die Kranbauteile miteinander kombiniert werden können. Hier werden die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Bauteiletypen zu kompletten Auslegern oder Zurüstteilen erfaßt.

[0014] Gemäß einer anderen bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird in der Krankonfigurationsdatei auch eine Vorwahlmöglichkeit für die Berechnung der Abschaltwerte eingegeben. Bei diesen Vorwahlmöglichkeiten handelt es sich beispielsweise um eine Berechnungsvorschrift für zulässige Traglasten gemäß der nationalen Gesetzgebung. So unterscheiden sich die zulässigen Traglasten in den USA beispielsweise von denjenigen in Europa (entsprechend der Norm EN 13000). Aufgrund des erfindungsgemäßen Verfahrens und der Ablage der entsprechenden Berechnungsvorschrift kann das Ergebnis modular durch Zugriff auf die jeweiligen im Speicher abgelegten Daten zusammengesetzt werden. Nach dem Stand der Technik war man noch gezwungen, für jede unterschiedliche Berechnungsvorschrift, d.h. beispielsweise jede unterschiedliche gesetzliche Vorschrift, einen neuen kompletten Satz von Traglastkurven zu berechnen und in dem entsprechenden mobilen Kran abzulegen.

[0015] Vorteilhaft werden die im Steuerrechner berechneten Werte in einer Anzeige einer Anzeigevorrichtung wiedergegeben. Bei dem vorliegenden Verfahren kann in dieser Anzeigevorrichtung dabei nicht nur die zulässige Traglast und die entsprechende Grenzkurve, sondern gleichzeitig quasi als "Abfallprodukt" des Simulationsmodells die Ist-Last, die Ausladung, die Kranhöhe etc. Angezeigt werden.

[0016] Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung besteht darin, daß die Rüstinformationen dem Geräteführer in der Auswahlvorrichtung auf einer Anzeigevorrichtung wiedergegeben werden. Hier kann er sich also auf dem Bildschirm den Kran mit der Zurüstung zusammenstellen wie er auch in der Realität zusammengebaut ist.

[0017] Weitere Einzelheiten und Vorteile der Erfindung werden anhand eines in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiels näher erläutert. Die einzige Figur zeigt ein Blockschema einer Ausführungsvariante der erfindungsgemäßen Überlastsicherung.

[0018] In dem Speicher 10 werden in den Geometriedateien 12 für jeden Bauteiletyp des Kranes, d.h. insbesondere der Bauteiletyp der Zurüstung des Kranes, die Geometriedaten abgelegt. In der Konfigurationsdatei 14 wird dann zum einen die Anleitung über die Art und Weise abgelegt, wie die Kranbauteile miteinander kombiniert werden können. Die Krankonfigurationsdatei 14 enthält im hier dargestellten Ausführungsbeispiel auch Vorwahlmöglichkeiten, die die Berechnung der Abschaltwerte beeinflussen. So kann hier die Berechnungsvorschrift für zulässige Traglasten alternativ für die USA bzw. für Europa eingegeben werden. Bei Auslieferung des entsprechenden Kranes in die USA muß dann nur die entsprechende Berechnungsvorschrift bei der späteren Berechnung abgerufen werden.

[0019] In einer Auswahlvorrichtung 16 werden dann die gewünschten Rüstzustände vom Geräteführer zusammengestellt. Hierzu dient ein hier nicht näher dargestellter Bildschirm, auf dem der Kranführer mit einer entsprechenden Manipulationseinrichtung, die ebenfalls nicht dargestellt ist, den Kran zusammenbauen, wie er der Realität entspricht.

[0020] Nach Beendigen der Eingabe der Rüstinformationen wird im Steuerrechner 18 mit Hilfe der physikalischen Werte, die aus den Geometriedateien 12 zur Verfügung gestellt wird und unter Berücksichtigung der Werte der Konfigurationsdatei 14 ein Simulationsmodell des Kranes im Speicher des Steuerrechners aufgebaut. Über die Sensoren des Kranes 20, beispielsweis Winkelsensoren oder Kraftsensoren, wird dann das Simulationsmodell so online, d.h. in Echtzeit, berechnet, daß es mit der aktuellen physikalischen Wirklichkeit des Kranes übereinstimmt. Damit werden sämtliche Koordinaten und Kräfte und insbesondere die Schwerpunktslagen der Bauteile berechnet. Gleichzeitig werden die Ist-Last, Ausladung, Kranhöhe etc. des Kranes mitberechnet und ausgegeben. Wie bei 22 gezeigt, werden aus den berechneten Daten weiterhin die Abschaltwerte der Überlastsicherung berechnet, entsprechend denen der Kran in sonst an sich bekannter Art und Weise gesteuert wird. Das bedeutet, daß der Kran bei Erreichen eines kritischen Wertes, d.h. eines Abschaltwertes, automatisch abgeschaltet wird. Gleichzeitig können aber auch andere wichtige Daten errechnet werden, wie beispielsweise der aktuelle Bodendruck, es kann auch erfaßt werden, ob ein kritischer Festigkeitswert eines der verwendeten Bauteile durch eine spezifisch aufgenommene Last oder ein vorübergehend auftretendes Lastmoment überschritten würde. Bei Überschreiten eines derartigen Wertes kann durch eine entsprechend vorgesehende Steuerung der Kran automatisch in eine sichere Position zurückgeführt werden.

[0021] Insgesamt sind die Einsatzmöglichkeiten des mobilen Krans wesentlich verbessert und es wird bei der Kipplastberechnung nicht mehr mit interpolierten Werten gearbeitet. Der aktuell berechnete Abschaltwert entspricht zu jederzeit den in den Vorschriften festgelegten Methoden. Gleichzeitig sinkt der Aufwand bei der Änderung der Kranzurüstung beträchtlich, da in den meisten Fällen sich nur die geometrischen Eigenschaften oder das Gewicht der Kranbauteile ändert. Das heißt, daß entsprechend der erfindungsgemäßen Verfahrensweise nur eine Geometriedatei ausgetauscht werden muß und alle Rüstkonfigurationen des Krans, bei dem das geänderte Bauteil eingesetzt werden soll, sofort wieder richtig berechnet werden. Darüber hinaus können aufgrund der erfindunggemäßen Verfahrensführung gleiche Bauteile, die bei verschiedenen Krantypen eingesetzt werden, nur einmal in der Konfigurationsdatei beschrieben werden. Diese Daten können dann auch auf einen anderen Krantypen übernommen werden. Dies kommt häufig bei Raupenkränen vor.


Ansprüche

1. Verfahren zur Überlastsicherung eines mobilen Kranes, insbesondere Raupenkranes, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

- Ablegen von bauteilebezogenen Geometriedaten in einem Speicher (10);

- Auswählen des gewünschten Rüstzustandes in einer Auswahlvorrichtung (16);

- Zusammenstellung eines physikalischen Simulationsmodells aus den ausgewählten Daten in einem Steuerrechner (18);

- Eingabe von realen Meßdaten von kranseitigen Kraft- und Positionssensoren (20);

- Berechnung zunächst der geometrischen Daten, Schwerpunktsdaten und Kräfte und anschließend der Abschaltwerte;

- ggf. Abschalten des Kranes bei Erreichen der Abschaltwerte.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß im Speicher (10) die bauteilebezogenen Geometriedaten für jeden Bauteiltyp der Kranbauteile in zugeordneten Geometriedateien (12) abgelegt werden und daß die Anleitung über die Art und Weise der Kombination der einzelnen Kranbauteile miteinander in einer Krankonfigurationsdatei (14) abgelegt werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß in der Krankonfigurationsdatei (14) Vorwahlmöglichkeiten für die Berechnung der Abschaltwerte eingegeben werden.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die im Steuerrechner (18) berechneten Werte in einer Anzeige einer Anzeigevorrichtung (24) wiedergegeben werden.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Rüstinformationen in der Auswahlvorrichtung (16) auf einer Anzeigevorrichtung wiedergegeben werden.
 




Zeichnung