(19)
(11) EP 1 174 200 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.01.2002  Patentblatt  2002/04

(21) Anmeldenummer: 01117615.3

(22) Anmeldetag:  17.07.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B22D 19/14
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 20.07.2000 DE 10035202

(71) Anmelder: ADAM OPEL AG
65423 Rüsselsheim (DE)

(72) Erfinder:
  • Beck, Wolfgang, Dipl.-Ing.
    55126 Mainz (DE)

   


(54) Giessverfahren und Gusskern für die Verwendung in diesem Verfahren


(57) Es wird ein Gießverfahren unter Verwendung eines Gießkerns aus mineralischen Schaumkugeln beschrieben. Diese sind zu einer Matrix zusammengeklebt, wobei die Spalte zwischen den Kugeln Infiltrationskanäle für die Schmelze bilden.
Der Gießvorgang gliedert sich in eine Andockphase, eine Infiltrationsphase und eine abschließende Druckphase. In der Infiltrationsphase dringt die Schmelze zumindest in den peripheren Bereich des Gießkerns ein und erstarrt dort. Dadurch entsteht eine Makrotragstruktur, die aus der Statik als Gewölbewirkung bekannt ist und den Abbau von Materialspannung im Werkstoff bei Angriff eines von außen wirkenden Lastkollektives auf den Gusskörper begünstigt.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Gießen einer aus Leichtmetall bestehenden Baueinheit mit einem verlorenen Gießkern, der aus einer von Infiltrationskanälen durchzogenen Matrix besteht.

[0002] Mit der Erfindung soll insbesondere ein Bauteil für das Fahrwerk oder dem Antriebsstrang eines Kraftfahrzeuges hergestellt werden. In dieser Anwendung müssen die Bauteile möglichst leicht sein. Dadurch wird nämlich einerseits das Gesamtgewicht des Fahrzeuges reduziert, was sich positiv u. a. auf den Kraftstoffverbrauch auswirkt, und andererseits auch die sogenannte ungefederte Fahrwerksmasse minimiert, was einen positiven Einfluss auf das Fahrverhalten und den Fahrkomfort bewirkt.

[0003] In der DE 195 01 508 C1 wird daher für das Fahrwerk eines Kraftfahrzeuges vorgeschlagen, ein Bauteil mit einem verlorenen Kern aus Aluminium im Aluminiumdruckguss-Verfahren herzustellen, wobei der verlorene Kern aus Aluminiumschaum bestehen soll.

[0004] Aus der DE 196 53 149 A1 ist ein Werkstück bekannt, das aus einem Leichtbau-Werkstoff besteht. In dieser Schrift wird vorgeschlagen, den Kern nicht aus einem Aluminiumschaum zu bilden, sondern aus Schaumkörpern von relativ großer Druckfestigkeit und feinporiger bis grobporiger Struktur, die mittels einer formbestimmenden Verbindung zusammengehalten werden. Die Schaumkörper können z. B. aus einem silikatischen Mineralschaum gebildet werden. Mit der Rezeptur, die in der Schrift angegeben ist, erhält man Schaumkörper mit einer Dichte von ca. 0,3 g/cm3.

[0005] Die vorliegende Erfindung greift diese Überlegung auf. Es soll allerdings eine noch höhere Festigkeit des Werkstückes in Leichtbauweise erzielt werden.

[0006] Es wird daher ein Verfahren zum Gießen einer aus Leichtmetall bestehenden Baueinheit, die einen aus einer Matrix bestehenden verlorenen Kern besitzt, mit den folgenden Phasen vorgeschlagen:

eine Andockphase, in der in den Zwischenraum zwischen dem Kern und einer den Kern umgebenden Schale eine flüssige Schmelze eingebracht wird,

eine Infiltrationsphase, in der bei niedrigem Druck die Schmelze in einem noch flüssigen Zustand in die Infiltrationskanäle der Randzone des Kernes eindringt,

eine Abkühlphase, in der die Schmelze in einen thixotropen Zustand übergeht, und

eine Druckphase, in der die thixotrope Schmelze unter Druck gesetzt wird, um eine Erstarrungsporosität in dem Gusswerkstück zu vermeiden.



[0007] Mit einem solchen Verfahren wird erreicht, dass die Schmelze zumindest in die Randzone des Gießkerns eindringt und der von der erstarrten Schmelze gebildete Gusskörper eine durch den zellularen Aufbau (Matrix) selbsttragende Struktur aufweist. Durch die Erstarrung der Schmelze in der äußeren Peripherie der Matrix des Gießkernes entsteht eine Makrotragstruktur, die aus der Statik als Gewölbewirkung bekannt ist und den Abbau von Materialspannung im Werkstoff bei Angriff eines von außen wirkenden Lastkollektives auf den Gusskörper begünstigt.

[0008] Dies wird insbesondere auch dadurch erreicht, dass die Materialbereiche der Matrix, die die Infiltrationskanäle begrenzen, aus einem leichten, aber dichten Material bestehen, so dass diese Bereiche von der Schmelze nicht durchdrungen werden. Bei dem Material kann es sich z. B. um einen silikatischen Schaum handeln.

[0009] Es hat sich herausgestellt, dass eine solche Matrix eine körperschalldämmende Wirkung mit einer Tilgungseffizienz von bis zu 20 % im Bereich des Frequenzspektrums zwischen 80 und 800 Hz besitzt, so dass durch eine Kettenbildung von Fahrwerks- und Antriebstrangkomponenten und nachfolgenden Karosserie-Strukturkomponenten mit inneren Schaumstrukturen eine hinreichende Dämmwirkung ohne Verwendung von Tilgungsmassen erzielt werden kann.

[0010] Damit die Infiltrationskanäle von der Schmelze gut erreicht werden können, soll deren Raumgröße mindestens drei- bis fünffach größer sein als die Kristallkörper des für die Schmelze verwendeten Leichtmetalls.

[0011] Am einfachsten wird dies erreicht, wenn die Matrix aus einer größeren Anzahl mineralischer Schaumkugeln besteht, die an den Kontaktflächen miteinander verklebt sind, also eine dichte Kugelmatrix bilden. Vorzugsweise liegt der Durchmesser der Kugel zwischen 1 bis 8 mm. Die Verklebung erfolgt mit Hilfe eines geeigneten entgasungsarmen Bindemittels für verlorene Gießkerne.

[0012] Das Befüllen der Infiltrationskanäle des Kerns erfolgt mit einer 100 % flüssigen Schmelze, wobei der Infiltrationsfortschritt durch Überwachung des Druckes und der Temperatur der Schmelze gesteuert wird. Durch die Infiltration und des hierfür notwendigen Zeitraumes wird Wärme in die Matrix und die Umgebung abgegeben, so dass die Schmelze in die thixotrope (halbfeste) Phase übergeht (Abkühlphase). Auch dieser Vorgang wird mit Hilfe von Temperaturfühlern überwacht und gesteuert. An diese Phase schließt sich eine Druckphase an, in der die halberstarrte Schmelze unter Druck gesetzt wird. Auf diese Weise wird vermieden, dass das Gusswerkstück eine zu hohe Erstarrungsporosität erhält.

[0013] Im Folgenden soll an einem Beispiel die Erfindung näher erläutet werden.

[0014] Der Gießkern oder auch Preform genannt besteht aus Mineralschaumkugeln, die im Wesentlichen aus einem Silikat bestehen, dessen Temperaturbeständigkeit mindestens 700 °C beträgt. Diese Kugeln werden mechanisch verdichtet und an den Kontaktstellen mit einem Bindemittel miteinander verklebt. Die Kugeln weisen aufgrund ihrer Zusammensetzung eine Formbeständigkeit bei isostatischen Drücken bis zu 1000 bar auf. Dadurch ist ihre Formbeständigkeit während des gesamten Gießprozesses gewährleistet. Die Zwischenräume der Kugeln bilden zusammenhängende durchgängige Infiltrationskanäle, deren Raumgröße mindestens drei- bis fünfmal größer ist als der Durchmesser der Kristallkörper in der Metallschmelze.

[0015] Diese Preform wird in eine Gießform eingelegt, wobei durch Aufnahme- und Abstandshalter an der Gießform bzw. an der Preform ein Spaltraum entsteht, der in der Andockphase mit dem Werkstoff nämlich Magnesium oder Aluminium ausgefüllt bzw. umgossen wird.

[0016] Die Gießphase gliedert sich in drei Hauptphasen, nämlich der eben erwähnten Andock-, der Infiltrations- und der Druckphase (Thixogießphase). In der Andockphase wird der Spaltraum mit der flüssigen Schmelze praktisch drucklos vorgefüllt, wobei die Schmelze eine Temperatur von ca. 630 °C aufweist.

[0017] In der sich anschließenden Infiltrationsphase hat die Schmelze eine Temperatur von 610 - 620 °C. Sie ist damit weiterhin flüssig und ihr Zustand liegt noch über der Liquiduslinie. Indem von außen Druck auf die Schmelze ausgeübt wird, dringt sie in die äußeren Infiltrationskanäle zwischen den Kugeln ein und füllt auf diese Weise zumindest die äußeren Bereiche der Infiltrationskanäle der Preform. Mittels einer Überwachung des Schmelzevolumens (= Gießkolbenposition), kann dabei die Tiefe der Randzone des Gießkerns, die mit der Schmelze gefüllt werden soll, gesteuert werden. Außerdem sinkt die Temperatur der Schmelze, so dass sie in die thixotrope Phase übergeht, also in einen halbfesten Zustand. Auch dies wird mittels eines Thermometers überwacht, um den Beginn der Druckphase als dynamisches Steuerungsmerkmal einleiten zu können.

[0018] Mit dem Ende der Infiltrations- und Abkühlphase wird der Druck auf den Gießkolben erhöht, so dass der Druck in der thixotropen Schmelze steigt. Dadurch wird die Schmelze verdichtet und die Erstarrungsporosität der Schmelze vermieden. Diese abschließende Phase wird Druckphase oder Verdichtungsphase genannt.

[0019] Sobald der Druck am Ende dieser Phase wieder abgesenkt wird, ist der Gießprozess insgesamt abgeschlossen. Insbesondere durch den letzten Schritt erhält das Gussteil eine sehr gute Konturenschärfe, die der gewünschten Endkontur entspricht, so dass das Werkstück nicht mehr nachbearbeitet werden muss. Lediglich das Angießsystem muss durch eine spanende oder schneidende Bearbeitung entfernt werden.


Ansprüche

1. Verfahren zum Gießen einer aus Leichtmetall bestehenden Baueinheit mit einem verlorenen Gießkern, der aus einer von Infiltrationskanälen durchzogenen Matrix besteht,

mit einer Andockphase, in der in den Zwischenraum zwischen dem Kern und einer den Kern umgebenden Schale die flüssige Schmelze eingebracht wird,

mit einer Infiltrationsphase, in der bei niedrigem Druck die Schmelze im noch flüssigen Zustand in die Infiltrationskanäle der Randzone des Kernes eindringt,

mit einer Abkühlphase, in der die Schmelze in einen thixotropen Zustand übergeht, und

mit einer Druckphase, in der die thixotrope Schmelze unter Druck gesetzt wird, um eine Erstarrungsporosität in dem Gusswerkstück zu vermeiden.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Materialbereiche der Matrix, die die Infiltrationskanäle begrenzen, aus einem leichten, aber dichten Material bestehen, so dass diese Bereiche von der Schmelze nicht durchdrungen werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Raumgröße der Infiltrationskanäle im Kern, mindestens drei- bis fünffach größer ist als der Durchmesser der Kristallkörper des für die Schmelze verwendeten Leichtmetalls.
 
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Matrix aus mineralischen Schaumkugeln besteht, die an den Kontaktflächen miteinander verklebt sind.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Durchmesser der Kugeln zwischen 1 und 8 mm beträgt.
 
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass in der Infiltrationsphase die Temperatur der Schmelze gerade so hoch ist, dass diese zu 100 % flüssig ist.
 
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Gießvorgang insbesondere in der Infiltrationsphase mit einem Druck- und Temperatursensor überwacht wird.
 
8. Gießkern insbesondere für die Verwendung in einem Verfahren nach den vorhergehenden Ansprüchen, dadurch gekennzeichnet, dass der Gießkern eine von Infiltrationskanälen durchzogene Matrix bildet, wobei die Materialbereiche der Matrix, von einem leichten aber dichten Material gebildet sind.
 
9. Gießkern nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass der Gießkern eine Matrix bildet, die aus mineralischen Schaumkugeln besteht, die an den Kontaktflächen miteinander verklebt sind.
 
10. Gießkern nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Spalte zwischen den Schaumkugeln Infiltrationskanäle bilden, deren Raumgröße drei- bis fünffach größer ist als die Kristallkörper des Materials, das für die Schmelze eingesetzt ist.