[0001] Die Erfindung betrifft eine Therapieeinrichtung mit einem Blutdruckmeßgerät und einer
Regeleinrichtung, und insbesondere ein Therapiegerät zur extrakorporalen Blutreinigung.
[0002] Bei verschiedenen Therapien, wie beispielsweise bei der Hämodialyse, ist es erforderlich,
den Blutdruck des Patienten laufend zu überwachen. Hierfür werden Geräte zur unblutigen
(noninvasiven) Blutdruckmessung benutzt, die eine um den Arm des Patienten herumlegbare
Manschette aufweisen, die aufgepumpt und dann unter Druckmessung langsam entlastet
wird. Dabei werden der systolische und der diastolische Blutdruck gemessen. Um eine
quasi-kontinuierliche Blutdruckmessung zu erreichen, müssen Meßvorgänge in Intervallen
von wenigen min. durchgeführt werden. Bei automatischen Blutdruckmeßgeräten pumpt
sich die Manschette selbsttätig auf. Während einer mehrstündigen Therapie sind somit
häufige Wiederholungen des beschriebenen Meßvorganges am Patienten erforderlich.
[0003] Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, eine Therapieeinrichtung mit intervallartiger
Blutdruckmessung derart auszubilden, dass die Zahl der Meßvorgänge reduziert ist.
[0004] Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt erfindungsgemäß mit den Merkmalen des Patentanspruchs
1. Hiernach unterbleibt die Druckmessung an einigen der dafür vorgesehenen Zeitpunkten
und sie wird durch hypothetische Werte ersetzt, die aus einem früheren Blutdruckverlauf
bei einem Therapievorgang desselben Patienten gewonnen wurden.
[0005] Klinische Erfahrungen mit Dialysepatienten haben gezeigt, dass die Blutdruckverläufe
der Patienten während der Dialysebehandlung trotz der intraindividuellen Variabilität
innerhalb patientenspezifischer Streubereiche liegen. Wird nach einem ersten Behandlungsabschnitt
von beispielsweise 45 min. der aktuelle Blutdruckverlauf einem statistischen Vergleich
mit den gespeicherten Verläufen vorangegangener Behandlungen desselben Patienten unterzogen,
so kann ein vorangegangener Behandlungsverlauf als Leitkurve herangezogen werden,
dessen Werte als Ist-Werte des Blutdrucks angenommen werden können. Dadurch kann ein
hoher Anteil der gegenwärtig erforderlichen Blutdruckmessungen entfallen. Der aktuelle
Blutdruckverlauf kann während einer Anfangsphase in kurzen Abständen von beispielsweise
5 min. gemessen und mit gespeicherten Blutdruckverläufen vorangegangener Behandlungen
desselben Patienten verglichen werden. Anhand statistischer Analysen und der relevanten
Behandlungsparameter wird aus einem Datenspeicher der frühere Blutdruckverlauf mit
der größten Ähnlichkeit zum aktuellen Blutdruckverlauf ermittelt und für die laufende
Behandlung als Leitkurve der Blutdruckregelung verwendet.
[0006] Durch die Erfindung werden patientenspezifische Erfahrungen über das Blutdruckverhalten
bei vorangegangenen Therapiebehandlungen aktiv in die Optimierung der aktuellen Behandlung
einbezogen. Durch das Leitkurven-Verfahren können in Abhängigkeit vom Behandlungsablauf
etwa 60 % der bisher erforderlichen Blutdruckmessungen am Patienten entfallen. Das
memory-basierte Verfahren erfordert keinerlei zusätzliche Meßeinrichtungen oder Geräte.
Die erforderliche Rechen- und Speicherkapazität ist gering.
[0007] Vorzugsweise führt die Regeleinrichtung, die u.a. die Blutdruckmessung steuert, die
folgenden Schritte aus:
a) Erstellen und Speichern einer Sammlung der zeitlichen Verläufe des Blutdrucks bei
mehreren Therapievorgängen,
b) Durchführung von aufeinanderfolgenden Blutdruckmessungen während eines Therapievorganges
zum Erhalten eines aktuellen Blutdruckverlaufs,
c) Ermitteln eines Blutdruckverlaufs aus den gespeicherten Verläufen, der mit dem
aktuellen Blutdruckverlauf die größte Ähnlichkeit hat, als Leitkurve,
d) Regelung des Blutdrucks unter Benutzung von Werten der Leitkurve für den Ist-Wert
des Blutdrucks.
[0008] Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass im Anschluss
an die Benutzung von Werten der Leitkurve wieder eine neue Messung des Blutdrucks
erfolgt und der neue Meßwert als Ist-Blutdruck für die Regelung benutzt wird. Nach
der neuen Messung kann eine Überprüfung des bisherigen Blutdruckverlaufs auf Ähnlichkeit
mit den gespeicherten Blutdruckverläufen durchgeführt werden, um ggf. eine neue Leitkurve
auszuwählen. So kann nach jeder Blutdruckmessung die statistische Analyse wiederholt
werden, um für die jeweilige Behandlungsphase die optimale Leitkurve auszuwählen.
[0009] Gemäß einer bevorzugten Weiterbildung der Erfindung ist vorgesehen, dass das Maß
der Ähnlichkeit des bisherigen Blutdruckverlaufs mit einem gespeicherten Blutdruckverlauf
entscheidet, wie groß das Zeitintervall ist, das bis zur nächsten Messung verstreicht.
Für die Ähnlichkeitsmessung können bekannte statistische Methoden herangezogen werden,
wie beispielsweise der Student's t-Test, Mustererkennungsverfahren oder Mittelwertverfahren
oder Kombinationen hiervon. Diese Verfahren liefern jeweils einen Ähnlichkeitswert,
der beispielsweise um so größer ist, je größer die Ähnlichkeit der miteinander verglichenen
Kurven ist. Das Maß der Ähnlichkeit wird erfindungsgemäß ausgenutzt, um die Dauer
des Intervalls zwischen zwei Blutdruckmessungen festzulegen.
[0010] Die Erfindung eignet sich insbesondere für Dialysegeräte und andere Geräte für die
extrakorporale Blutbehandlung, jedoch auch beispielsweise für die Infusionstherapie.
[0011] Im folgenden wird unter Bezugnahme auf die Zeichnungen ein Ausführungsbeispiel der
Erfindung näher erläutert.
[0012] Es zeigen:
- Fig. 1
- eine schematische Darstellung eines Dialysegerätes,
- Fig. 2
- ein Zeitdiagramm der Dialysebehandlung unter Darstellung der Ultrafiltrationsrate
und des Blutdrucks und
- Fig. 3
- ein Fuzzy-Set für die linguistische Variable "relatives Ultrafiltratvolumen UF/GE".
[0013] Die in Fig. 1 dargestellte Dialysemaschine entspricht in ihrem Grundaufbau derjenigen
von EP 0 956 872 A2. Die Dialysemaschine 10 enthält eine Ultrafiltrationsvorrichtung
11 mit einer Primärkammer 12 und einer Sekundärkammer 13, die durch eine Membran 14
voneinander getrennt sind. Die Primärkammer 12 ist Bestandteil eines Blutkreislaufs
15, bei dem Blut, welches über das arterielle System des Patienten entnommen wurde,
in der Ultrafiltrationsvorrichtung 11 gereinigt und anschließend über das venöse System
zum Patienten 16 zurückgeführt wird. In dem Blutkreislauf 15 befindet sich eine Pumpe
17. Diese ist als volumetrische Pumpe ausgebildet, d.h. die Fördermenge dieser Pumpe
entspricht der Antriebsgeschwindigkeit, und ist steuerbar.
[0014] Die Sekundärkammer 13 der Ultrafiltrationsvorrichtung 11 befindet sich in einem Dialysierflüssigkeitsweg
18, in dem Dialysierflüssigkeit gepumpt wird. Die Dialysierflüssigkeit kommt von einem
(nicht dargestellten) Vorratsbehälter, nimmt in der Ultrafiltrationsvorrichtung 11
zusätzliche Substanzen aus dem Blut auf und wird dann zu einem (nicht dargestellten)
Ablauf gepumpt. In dem Dialysierflüssigkeitsweg ist vor und hinter der Sekundärkammer
13 jeweils eine Durchflußkammer 19 bzw. 20 angeordnet, welche die Durchflußrate an
der betreffenden Stelle regelt. Die Durchflußkammer 19 und die Durchflußkammer 20
haben die gleiche Förderrate. Über die volumengesteuerte Ultrafiltrationspumpe 36
wird die gewünschte Ultrafiltrationsmenge UFV in einer festgelegten Ultrafiltrationsrate
UFR abgezogen. Das Zeitintegral über die Ultrafiltrationsrate UFR bildet das Ultrafiltratvolumen
UFV, also dasjenige Flüssigkeitsvolumen, das seit Beginn der Behandlung die Membran
14 passiert hat. Die Regelung der Ultrafiltrationsrate erfolgt durch die Regeleinrichtung
23, die Steuersignale für die Förderrate der Pumpe 36 liefert. Die Förderrate der
Pumpe wird in der Weise eingestellt, dass sich eine gewünschte Ultrafiltrationsrate
ergibt.
[0015] Die Regeleinrichtung 23 empfängt ferner das Blutdrucksignal BP eines Blutdruckmessers
24, der am Körper des Patienten angebracht ist. Der Blutdruckmesser weist eine aufblasbare
Manschette auf, die um den Oberarm des Patienten gelegt ist, und führt in Intervallen
nicht-invasive Blutdruckmessungen aus. Die Steuerung der Intervalle erfolgt über Leitungen
25 durch die Regeleinrichtung 23. Neben dem Blutdruckwert BP können der Regeleinrichtung
auch noch Blutdrucktrendwerte zugeführt werden, wie dies in EP 0 956 872 A2 beschrieben
ist. Die Regeleinrichtung 23 regelt in Abhängigkeit von den ihr zugeführten Eingangsgrößen
die Ultrafiltrationsrate UFR.
[0016] Fig. 2 zeigt in der unteren Hälfte ein Beispiel des zeitlichen Verlaufs der relativen
Ultrafiltrationsrate UFR (in %). Bei einer Dialysebehandlung wird zunächst mit hoher
relativer Ultrafiltrationsrate von 200 % gearbeitet und anschließend wird die Ultrafiltrationsrate
auf einen Minimalwert von etwa 35 % abgesenkt.
[0017] In der oberen Hälfte von Fig. 2 ist der systolische Blutdurck BPsys eines Patienten
während einer Dialysebehandlung eingetragen. Dabei zeigt die gestrichelte Linie den
aktuellen Blutdruckverlauf 33, wie er sich bei kontinuierlicher Blutdruckmessung ergeben
würde.
[0018] In der Regeleinrichtung 23 oder in einem zentralen Computer ist eine Sammlung aus
den zeitlichen Verläufen des Blutdrucks bei früheren Therapievorgängen gespeichert.
[0019] In einer Anfangsphase A1 wird mit dem Blutdruckmeßgerät 24 in Intervallen von 5 min.
der aktuelle Blutdruck gemessen und als Blutdruckverlauf 33 gespeichert. Die Blutdruckregelung
erfolgt ausschließlich in Abhängigkeit von dem aktuellen Blutdruckverlauf 33. Die
Anfangsphase A1 dauert bei dem vorliegenden Ausführungsbeispiel 45 min. lang. Am Ende
der Anfangsphase A1 wird der aktuelle Blutdruckverlauf 33 mit den gespeicherten Blutdruckverläufen
vorangegangener Behandlungen desselben Patienten verglichen. Anhand statistischer
Analysen (Mittelwerte, Standardabweichungen, t-Test oder Bildverarbeitungsmethoden)
wird aus dem Datenspeicher der Blutdruckverlauf mit der größten Ähnlichkeit zum aktuellen
Blutdruckverlauf ermittelt und für die laufende Behandlung als Leitkurve 35 (gepunktet)
benutzt.
[0020] In der sich anschließenden zweiten Phase A2 werden Blutdruckmessungen, die durch
die Striche BPM bezeichnet sind, in Intervallen von 15 min. durchgeführt. In der Phase
B werden die Blutdruckmessungen BPM in Intervallen von 20 min. durchgeführt und in
der Endphase C in Intervallen von 30 min. Die Blutdruckregelung erfolgt jedoch weiterhin
in 5-min.-Intervallen, wobei jeweils zu den Zeitpunkten, in denen keine Messung durchgeführt
wird, die Werte der (gepunkteten) Leitkurve als Ist-Wert des Blutdrucks zu Grunde
gelegt werden und in den Zeitpunkten der Blutdruckmessung BPM die aktuellen Werte
des (gestrichelten) Blutdruckverlaufs 33. Die als Ist-Blutdruck für die Regelung benutzten
Werte ergeben sich aus der durchgezogenen Kurve 37, die den "hypothetischen Blutdruckverlauf"
angibt.
[0021] Aus Fig. 2 ist zu erkennen, dass zu den Zeitpunkten der Blutdruckmessung BPM der
hypothetische Blutdruckverlauf, der für die Regelung maßgeblich ist, den Wert des
aktuellen Blutdrucks 33 (gestrichelte Linie) annimmt, während in den dazwischenliegenden
Zeitpunkten der Wert der (gepunkteten) Leitkurve angenommen wird.
[0022] Wenn der Ist-Wert unter 120 mmHg abfällt, wird die Ultrafiltrationsrate UFR verringert,
so wie dies in Fig. 2 in dem Bereich 40 angegeben ist. Durch Verringerung der Ultrafiltrationsrate
wird dem Patienten weniger Flüssigkeit entzogen und auf diese Weise wird der Verringerung
des Blutdrucks entgegengewirkt.
[0023] Die beschriebene Verfahrensweise gewährleistet, dass die Dynamik der automatischen
Anpassung der Ultrafiltrationsrate UFR und der Dialysatleitfähigkeit weitgehend erhalten
bleibt.
[0024] Die gesamte Behandlungsdauer wird entsprechend der in der Regeleinrichtung verwendeten
Fuzzy-Sets in die Zeitabschnitte A1, A2, B und C unterteilt. Das Fuzzy-Set für die
linguistische Variable "relatives Ultrafiltratvolumen UFV/GE" ist in Fig. 3 dargestellt.
Hier ist längs der Abszisse das relative Ultrafiltratvolumen UFV/GE dargestellt. Hierbei
ist "UFV" das gemessene Ultrafiltratvolumen und "GE" der gewünschte Gesamtentzug.
Längs der Ordinate sind die Zugehörigkeitswerte von 0 bis 1 dargestellt. Für jeden
Wert des aktuellen (relativen) Ultrafiltratvolumens ergibt sich eine vertikale Linie
42, deren Schnittpunkte mit den Zugehörigkeitskurven die jeweiligen Zugehörigkeitswerte
44,46 angeben, die bei der Fuzzy-Regelung verarbeitet werden.
1. Therapieeinrichtung mit einem Blutdruckmeßgerät (24) und einer Regeleinrichtung (23)
zur Steuerung der Zeitpunkte der Blutdruckmessung und zur Regelung des Blutdrucks
in Abhängigkeit von ermittelten Blutdruckwerten, wobei die Blutdruckmessung an einigen
der dafür vorgesehenen Zeitpunkte unterbleibt und durch hypothetische Werte ersetzt
wird, die aus einem früheren Blutdruckverlauf bei einem Therapievorgang gewonnen wurden.
2. Therapieeinrichtung nach Anspruch 1, wobei die Regeleinrichtung (23) die folgenden
Schritte ausführt:
a) Erstellen und Speichern einer Sammlung der zeitlichen Verläufe des Blutdrucks bei
mehreren Therapievorgängen,
b) Durchführung von aufeinanderfolgenden Blutdruckmessungen (BPM) während eines Therapievorganges
zum Erhalten eines aktuellen Blutdruckverlaufs (33),
c) Ermitteln desjenigen Blutdruckverlaufs aus den gespeicherten Verläufen, der mit
dem aktuellen Blutdruckverlauf (33) die größte Ähnlichkeit hat, als Leitkurve (35),
d) Regelung des Blutdrucks unter Benutzung von Werten der Leitkurve (35) für den Ist-Wert
des Blutdrucks.
3. Therapieeinrichtung nach Anspruch 1 oder 2, wobei im Anschluß an den Schritt d) eine
neue Messung des Blutdrucks erfolgt und der neue Meßwert als Ist-Blutdruck für die
Regelung benutzt wird.
4. Therapieeinrichtung nach Anspruch 3, wobei nach der neuen Messung eine neuerliche
Überprüfung des bisherigen Blutdruckverlaufs (33) auf Ähnlichkeit mit den gespeicherten
Blutdruckverläufen erfolgt.
5. Therapieeinrichtung nach einem der Ansprüche 1-4, wobei das Maß der Ähnlichkeit des
bisherigen Blutdruckverlaufs (33) mit einem gespeicherten Blutdruckverlauf entscheidet,
wie groß das Zeitintervall ist, das bis zur nächsten Messung verstreicht.
6. Therapieeinrichtung nach einem der Ansprüche 1-5, wobei bei Unterschreiten eines unteren
Grenzwertes und/oder Überschreiten eines oberen Grenzwertes des Blutdrucks die Benutzung
der Leitkurve blockiert wird.