(19)
(11) EP 1 232 926 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
21.08.2002  Patentblatt  2002/34

(21) Anmeldenummer: 01103405.5

(22) Anmeldetag:  14.02.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B61L 3/12
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(71) Anmelder: Siemens Schweiz AG
8047 Zürich (CH)

(72) Erfinder:
  • Stamm, Bernhard
    8500 Frauenfeld (CH)

(74) Vertreter: Berg, Peter et al
European Patent Attorney, Siemens AG, Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Verfahren zur Zugsicherung


(57) Zur Ablösung von insbesondere nicht bahnverwaltungsübergreifend tauglichen Zugsicherungssystemen wird ein Verfahren zur Zugsicherung vorgeschlagen, bei dem in von der Strecke zu einem Schienenfahrzeug übermittelten Telegramm die Distanz (dl, d2) zweier an einem Streckenpunkt (L1, L2) in einer Gruppe angeordneten Datenübertragungseinheiten (F0, F0; F11, F12; T2, F2) enthalten ist. Aufgrund der festgestellten Empfangszeitpunkte der von den beiden Datenübertragungseinheiten (F0, F0; F11, F12; T2, F2)abgesandten Telegramme wird die aktuelle Geschwindigkeit des Schienenfahrzeuges berechnet und mit der im gleichen Telegramm enthaltenen maximal zulässigen Geschwindigkeit verglichen. Wird eine Ueberschreitung der maximal zulässigen Geschwindigkeit festgestellt, wird ein Warnsignal oder eine Zwangsbremsung ausgelöst. Das Verfahren wird vorzugsweise mit dem System ETCS/Eurobalise realisiert.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Zugsicherung nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.

[0002] Unter Namen wie "SIGNUM", "ZUB 121", "INDUSI" und "TPWS" (Train Protection and Warning System) sind punktförmige Zugbeeinflussungssysteme bekannt, die ortsfeste und auf Fahrzeugen montierte Zugbeeinflussungsgeräte umfassen. Die ortsfesten Geräte sind üblicherweise bei einem Signal oder vor einer Gefahrenstelle angeordnet und übertragen Signalbegriffe und teilweise auch Geschwindigkeitsvorgaben auf eine Lokomotive oder bei schiebender Lokomotive auf einen Steuerwagen. Die Signalbegriffe beinhalten z.B. die Bedeutung "FAHRT", "WARNUNG" oder "HALT" während die Geschwindigkeitsvorgaben meist direkt in m/s oder in km/h eine maximale Geschwindigkeit an der betreffenden Stelle oder für den folgenden Sicherungsabschnitt beinhalten.

[0003] In EP 1069021 A2 ist ein punktförmiges Zugbeeinflussungssystem offenbart, das zusätzlich zu den vorgenannten Signalbegriffen und Geschwindigkeitsvorgaben erlaubt, für Zugsarten, die keine Regelzüge sind, Differenzwerte zu Zielgeschwindigkeiten und allenfalls zu Zielentfernungen zu übermitteln. Dadurch können für unterschiedliche Zugsarten verschiedene Fahrprofile übermittelt werden ohne dass für die Uebermittlung ein hoher Datendurchsatz erforderlich ist.

[0004] Aufgrund der zunehmenden Verkehrsdichte sowie leider auch aufgrund von Unfällen sind Weiterentwicklungen der Zugbeeinflussungssysteme vorgenommen worden. Um insbesondere auch länder- und bahnverwaltungsübergreifende Züge ohne Lokomotivwechsel führen, ist bereits der Auslauf der vorgenannten Systeme vorgesehen. Diese Systeme werden sukzessive durch ein standardisiertes "European Train Control System" - nachfolgend als ETCS bezeichnet - abgelöst. Das ETCS bietet eine gegenüber den alten Systemen wesentlich erhöhte Funktionalität hinsichtlich der Zugbeeinflussung und verbessert die Sicherheit signifikant. Einen Ueberblick über die vorhandenen Zugbeeinflussungssysteme wie auch die Ablösestrategie durch ETCS gibt die Schrift ETR Heft 11/2000 unter dem Titel "Zugbeeinflussungssysteme europäischer Bahnen p. 725 bis 733 von Prof. Dr. Jörn Pachl. Die technische Spezifikation des ETCS ist in den entsprechenden Dokumenten der UNISIG (zum Beispiel UNISIG SRS, SUBSET-026, Version 2.0.0 vom 22.12.1999) enthalten.

[0005] In Grossbritanien wird von Bahnverwaltungen ein Zugssicherungssystem TPWS (Train Protection and Warning System) eingesetzt, bei dem mittels paarweise im Abstand von 0 bis etwa 22 m angeordneter Uebertragungsgeräte im Frequenzbereich von einigen wenigen zehn KHz Signalbegriffe wie "WARNUNG", "GESCHWINDIGKEITSWARNUNG" oder "HALT" auf ein diese Geräte überfahrendes Fahrzeug übermittelt werden können. Das System ist allerdings so ausgelegt, dass ein Zug vor einer Gefahrenstelle nicht sicher angehalten wird. Die Geschwindigkeitsüberwachung erfolgt über eine Zeitmessung zwischen der von zwei Uebertragungsgeräten eines Paares empfangenen Signale. Dies bedeutet, dass einerseits alle Züge auf die gleiche maximale Geschwindigkeit überwacht werden und andererseits, dass über den Abstand dieser Gruppe die Geschwindigkeit bestimmt ist. Aenderungen bedingen somit eine Neumontage auf der Strecke. Eine Umstellung auf das europäische System ETCS erfordert einen so hohen Aufwand, der nicht auf einen Schritt geleistet werden kann.

[0006] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Zugsicherung anzugeben, das einfach installierbar und implementierbar ist, Züge vor einer Gefahrenstelle sicher anzuhalten vermag und in einer späteren Phase leicht auf das System ETCS aufrüstbar ist.

[0007] Diese Aufgabe wird durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Massnahmen gelöst.

[0008] Dadurch dass

A für einen Streckenpunkt (L0, L1, ..) in wenigstens einem der übermittelten Telegramme (TEL) der Abstand der eine Gruppe bildenden Datenübertragungseinheiten (F1, T1) enthalten ist und aufgrund der festgestellten Empfangszeitpunkte von wenigstens zwei Telegrammen in einer Auswerteeinheit (8) die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeuges berechnet wird;

B in wenigstens einem der übermittelten Telegramme (TEL) eine für den betreffenden Streckenpunkt (L0, L1, ..) maximale zulässige Geschwindigkeit enthalten ist;

C die im Verfahrensschritt A berechnete Geschwindigkeit mit der im Verfahrensschritt B übermittelten maximal zulässigen Geschwindigkeit verglichen wird und bei Ueberschreiten der maximal zulässigen Geschwindigkeit ein Warnsignal oder eine Zwangsbremsung ausgelöst wird; kann für individuell gewählte Streckenpunkte eine wirksame Zugsicherung ermöglicht werden und unabhängig von Schlupfeffekten die aktuelle Geschwindigkeit eines Schienenfahrzeuges bestimmt und überwacht werden.



[0009] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in weiteren Ansprüchen angegeben.

[0010] So können sich die folgenden Vorteile zusätzlich ergeben:

i) Dadurch dass
die übermittelten Telegramme von auf dem System European Train Control System ETCS basierenden Datenübertragungseinheiten (F1, T1; F11, F12) ausgesandt und dem System ETCS entsprechenden Balisen-Antennen (6) empfangen werden;
kann für die betreffende Bahnverwaltung das Zugsicherungssystem in einer späteren Phase leicht durch Ergänzung der Dateninhalte auf ein vollständiges ETCS Level 1 System hochgerüstet werden (Patentanspruch 2).

ii) Dadurch dass
im Verfahrensschritt A zusätzlich eine Bremsregel übermittelt wird, die eine zwischen zwei Gruppen vorzunehmende Geschwindigkeitsreduktion beinhaltet und dass
im Verfahrensschritt C zusätzlich verglichen wird, ob die Geschwindigkeitsreduktion tatsächlich vorgenommen wurde und bei festgestellter unzureichend vorgenommener Geschwindigkeitsreduktion ein Warnsignal oder eine Zwangsbremsung ausgelöst wird;
können auch Züge überwacht werden, die die maximal zulässige Geschwindigkeit nicht überschreiten, wo aber anzunehmen ist, dass der Lokomotivführer aufgrund eines Unwohlseins oder einer Absenz nicht mehr richtig auf die an Signalen angezeigten Signalbegriffe reagiert (Patentanspruch 3).

iii) Dadurch dass
im Verfahrensschritt A zusätzlich ein einem längs der Strecke angeordneten Signal entsprechender Signalbegriff übermittelt wird und dass das Auslösen eines Warnsignal oder einer Zwangsbremsung vom übermittelten Signalbegriff abhängig ist;
können differenzierte Signalbegriffe übermittelt werden, die zusätzlich zur Geschwindigkeitskontrolle das Ueberfahren eines Gefahrenpunktes verhindern (Patentanspruch 4).

vi) Dadurch dass
im Verfahrensschritt A zusätzlich wenigstens eine Zugsklasse und eine der Zugsklasse entsprechende maximal zulässige Geschwindigkeit übermittelt werden und dass im Verfahrensschritt C der Vergleich für jene der Zugklasse entsprechende maximal zulässige Geschwindigkeit vorgenommen wird, der das Schienenfahrzeug zugeordnet ist; können verschiedenartige Züge wie z.B. Schnellzüge, Güterzüge, Baudienstzüge, usw. differenziert bezüglich der maximal zulässigen Geschwindigkeit überwacht werden und ermöglichen für die jeweils gültige Zugsart eine minimale Fahrzeit (Patentanspruch 6).



[0011] Die Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnung beispielsweise näher erläutert. Dabei zeigen:
Figur 1
Anordnung und detailliert dargestellte Kopplung von an Streckenpunkten angeordneten Balisengruppen vor einem Hauptsignal;
Figur 2
Anordnung und Kopplung von an Streckenpunkten angeordneten Balisengruppen auf einem Abschnitt Vorsignal - Hauptsignal;
Figur 3
fahrzeugseitige Ausrüstung.


[0012] Figur 1 zeigt die prinzipielle Anordnung von an Streckenpunkten angeordneten Balisengruppen L0, L1, L2 des System ETCS/Eurobalise vor einem Hauptsignal 3. Mit dem Bezugszeichen R ist die Fahrrichtung eines Zuges angegeben. Eine Balisengruppe - nachfolgend kurz Gruppe genannt - beinhaltet wenigstens zwei Balisen. Eine Gruppe kann bis zu acht hintereinander angeordnete Balisen umfassen. Balisen können als stets gleiche Telegramme aussendende Festdatenbalisen oder als steuerbare Transparentbalisen - mit einem Telegramm, dessen Inhalt abhängig von einem Signalbegriff ist - ausgeführt sein. Die wenigstens paarige Anordnung von Balisen in Gruppen ist erforderlich, um bei Ueberfahrt mittels einer festen Kennung in einem Telegramm die Fahrrichtung R des überfahrenden Zuges zu erkennen. Pro Gruppe können bis zu 8 Balisen vorgesehen sein. Die Gruppe L0 gemäss der Fig. 1 umfasst eine Transparentbalise T0 und eine Festdatenbalise F0. In einem weiteren Abstand (nicht massstäblich gezeichnet) vom Hauptsignal 3 ist an zwei weiteren Streckenpunkten L1 und L2 je eine weitere Gruppe mit je zwei Balisen angeordnet. Diese weiteren Abstände bestimmen sich aufgrund der betrieblichen Erfordernisse und können in der Grössenordnung von 50 m .. 2500 m liegen. Die Gruppe L1 beinhaltet zwei Festdatenbalisen F11 und F12, die in einem Abstand d1 auf den Schwellen eines Geleises montiert sind. Die Gruppe L2 besteht wie die Gruppe L0 aus einer Transparentbalise T2 und einer Festdatenbalise F2, die zueinander in einem Abstand d2 montiert sind. Die Abstände d1 und d2 liegen typischerweise in der Grössenordnung 2.5 m .. 6 m. Die Ansteuereinheit 1 beinhaltet einen Adapter 2 - auch Lineside Electronic Unit LEU genannt - der für die Ansteuerung von Transparentbalisen T0 und T2 vorgesehen ist. Die von einem Stellwerk der Ansteuereinheit 1 zugeführten Signalbegriffe - auch Fahrbegriffe genannt - werden einerseits auf das Signal 3 übertragen und andererseits dem Adapter 2 zugeführt und in Telegramme eingetragen, die über die Verbindungsleitungen 10 bzw. 12 den Transparentbalisen T0 bzw. T2 zur Aussendung an eine an einem Fahrzeug befindliche Antenne übertragen werden.

[0013] Die Figur 2 zeigt für die vorgesehene Fahrtrichtung R vor dem Hauptsignal 3 ein Vorsignal 4, dessen Signalbegriffe über einen (nicht dargestellten) Adapter einer Transparentbalise der Gruppe L4 zugeführt werden. Die Gruppen L3 und L2 werden durch je zwei Festdatenbalisen gebildet, während die Gruppen L2 und L0 je eine Festdaten- und eine Transparentbalise enthalten. In der Figur 2 nicht dargestellt sind die Verbindungen von Vorsignal 4 und Hauptsignal 3 zu einem Stellwerk.

[0014] Fig. 3 zeigt die triebzeugseitige Ausrüstung. Ein Triebfahrzeug 5 weist an seiner Unterseite eine Antenne 6 auf, die hier Balisen-Antenne genannt wird. die von der Antenne empfangenen Telegramme werden zur Aufbereitung und einem Uebertragungsmodul BMT (Balise Transmission Module) zugeführt. Die empfangenen Telegramme werden zur weiteren Auswertung eine Auswerteeinheit 8 zugeführt, die mit einer Anzeigeeinheit 9 verbunden ist. Die Anzeigeeinheit 9 dient der Visualisierung von in der Auswerteeinheit 8 ausgewerteten Informationen. Mit L4 ist ein Streckenpunkt bezeichnet, dem eine Gruppe mit einer Festdatenbalise F4 und einer Transparentbalise T4 zugeordnet ist.

[0015] Aufgrund der in den Figuren 1 bis 3 detailliert erläuterten Anordnung wird das erfindungsgemässe Verfahren für folgende drei Fälle erläutert:

A Das Vorsignal 4 zeigt den Signalbegriff "WARNUNG" und das Hauptsignal entsprechend den Signalbegriff "HALT"; der Lokomotivführer reagiert nur teilweise auf die Signalbegriffe und der Zug fährt weiter.

B Das Vorsignal 4 zeigt den Signalbegriff "WARNUNG" und das Hauptsignal entsprechend den Signalbegriff "HALT"; der Lokomotivführer reagiert nicht auf die Signalbegriffe der Zug fährt mit konstanter aber deutlich unterhalb der maximal zugelassenen Geschwindigkeit weiter.

C Das Vorsignal 4 zeigt den Signalbegriff "WARNUNG", der Lokomotivführer reagiert auf diesen Signalbegriff und bei Weiterfahrt wechselt das Hauptsignal auf den Signalbegriff "FAHRT".


Fall A



[0016] Ein Zug mit maximal zulässiger Geschwindigkeit passiere in Fahrrichtung R den Streckenpunkt L4 und empfange von der Transparentbalise der diesem Streckenpunkt L4 zugeordneten Gruppe ein Telegramm mit einem Packet TEL, das eine Datenstruktur gemäss der nachfolgenden Tabelle 1 enthält. Im folgenden werden der Einfachheit halber die Telegramm-Packete kurz meist ebenfalls mit dem Begriff "Telegramm" bezeichnet.

[0017] Die weiteren - teilweise übertragungstechnischen - Angaben wie z.B. jene zur Erkennung der Fahrtrichtung und zur Erkennung der einzelnen Balisen sind in der Datenstruktur gemäss der Tabelle 1 nicht dargestellt. Im Feld REF_BALISE wird die Balise innerhalb der Gruppe angegeben auf welche sich die Referenzdistanz bezieht. Im Feld DIST_BALISE ist die Distanz zur Referenzbalise innerhalb einer Gruppe angegeben.
Tabelle 1
Telegramm TEL
Art Feld Bedeutung
HDR NID_PACKET Identifikation des Telegramm-Packets, 44
HDR Q_DIR Gültigkeitsrichtung der Information
HDR L_PACKET Länge des Telegramm-Packets in Byte.
HDR : :
HDR    
  : :
APP REF_BALISE Referenzbalisen der Gruppe; Bereich 1 .. 8 .
APP DIST_BALISE Distanz zur Referenzbalise in m
APP TPWS_FUNCT Funktion (Signalbegriff).
APP VEL_MAX Maximale Geschwindigkeit (Grundwert falls Zugsart nicht bekannt).
APP BREAK_RULE Bremsregel(Grundwert falls Zugsart nicht bekannt), z.B. 5 km/h.
APP TRAIN_CLASS_CNT Anzahl Zugsarten.
APP VEL_MAX_CLASS_(C NT) Geschwindigkeit der betreffenden Zugsart.
APP BREAK_RULE_CLASS _(CNT) Bremsregel der Zugsart TRAIN_CLASS, z.B. 10 km/h Geschwindigkeitsreduktion.
APP :  
APP TPWS_VERSION Version der Spezifikation (für spätere Erweiterungen)
APP :  


[0018] Bei Ueberfahrt über die Gruppe am Streckenpunkt L4 wird von den beiden eine Gruppe bildenden Balisen je ein Telegramm der vorstehenden Art übertragen, wobei nur eines der Telegramme ein Telegramm-Packet TEL für die entsprechende Fahrtrichtung enthält. Vom Uebertragungsmodul 7 wird die Zeitdifferenz der Zeitpunkte des Empfangs der beiden vorgenannten Telegramme bestimmt, der Auswerteeinheit zugeführt und dort die aktuelle Geschwindigkeit des Zuges berechnet. In der Auswerteeinheit 8 werden die weiteren Felder des empfangenen Telegramm analysiert und eine Warninformation aufgrund des übertragenen Signalbegriffes an das Anzeigegerät 9 zuhanden des Lokomotivführers weitergeleitet. Aufgrund des in der Auswerteeinheit 8 vorgenommen Vergleichs von aktueller und maximal zulässiger Geschwindigkeit erfolgt aufgrund der eingangs genannten Voraussetzung keine weitere Reaktion.

[0019] Der Lokomotivführer leite zunächst eine Bremsung ein und der Zug passiere mit verminderter, noch maximal zulässiger Geschwindigkeit den Streckenpunkt L3 an denen eine Gruppe mit zwei Festdatenbalisen montiert ist. Hier werden wiederum zwei Telegramme TEL der vorstehend definierten Struktur HDR+APP auf das Triebfahrzeug übermittelt, in der nachfolgenden Tabelle 2 sind lediglich Felder aufgeführt die sich von jenen in Tabelle 1 unterscheiden:
Tabelle 2
Telegramm TEL
Art Feld Bedeutung
  : :
APP DIST_BALISE Distanz der beiden Balisen einer Gruppe in m
APP :  
APP VEL_MAX Maximale Geschwindigkeit (Grundwert falls Zugsart nicht bekannt)
APP BREAK_RULE Bremsregel (Grundwert falls Zugsart nicht bekannt); z.B. 10 km/h
APP TRAIN_CLASS_CNT Anzahl Zugsarten
APP VEL_MAX_CLASS_(C NT) Geschwindigkeit der betreffenden Zugsart
APP BREAK_RULE_CLASS _(CNT) Bremsregel der Zugsart TRAIN_CLASS, z.B. 10 km/h Geschwindigkeitsreduktion.
APP :  


[0020] Der aktuelle Signalbegriff gemäss dem Vorsignal 4 oder dem Hauptsignal 3 wird nicht übertragen, da an der Position L3 nur Festdatenbalisen vorhanden sind; dies wird im Feld TPWS_FUNCTION der Auswerteeinheit 8 mitgeteilt. Individuell werden für den Streckenpunkt L3 u.a. die Distanz, sowie die Inhalte zu den Feldern VEL_MAX, BREAK_RULE, TRAIN_CLASS_CNT, VEL_MAX_CLASS, BREAK_RULE_CLASS übertragen. Bei der Montage von Festdatenbalisen sind für den betreffenden Streckenpunkt die Inhalte zu den vorgenannten Feldern fest zu programmieren, dazu kann ein portables Programmiergerät benutzt werden. Auf dem Triebfahrzeug ist der am Streckenpunkt L4 übermittelte Signalbegriff noch gespeichert und dementsprechend werden die in Tabelle 2 enthaltenen Daten von der Auswerteeinheit 8 analysiert: Aus der Distanz der beiden Festdatenbalisen F31, F32 (in Fig. 2 nicht dargestellt) und der Zeit zwischen dem Empfang der beiden Telegramme wird die aktuelle Geschwindigkeit berechnet. Die im Feld VEL_MAX_CLASS enthaltene an der betreffenden Position L3 maximale Geschwindigkeit wird mit der berechneten Geschwindigkeit verglichen und als in Ordnung interpretiert. Auf der Auswerteeinheit ist in der Regel die Zugsart gespeichert und demzufolge kann die für diese Zugsart maximale Geschwindigkeit festgestellt werden. Ist keine Zugsart gespeichert, wird die maximale zulässige Geschwindigkeit dem Feld VEL_MAX entnommen. Bei Ueberschreiten der maximal zulässigen Geschwindigkeit kann eine Zwangsbremsung ausgelöst werden, die durch den Lokomotivführer nicht rückgängig gemacht werden kann. Die vorgenannte Ueberprüfung auf die maximale Geschwindigkeit gemäss dem Inhalt in der Feldern VEL_MAX_CLASS und/oder VEL_MAX ist grundsätzlich an jeder Balisengruppe möglich. Je nach Ausgestaltung des Telegramms können die Felder TRAIN_CLASS_CNT und VEL_MAX_CLASS mehrfach vorkommen, um die maximale Geschwindigkeit für jeweils mehrere Zugsarten übertragen zu können.

[0021] Der Lokomotivführer reduziere nun weiter die Geschwindigkeit und der Zug passiere mit zulässiger Geschwindigkeit den Streckenpunkt L2, an denen eine Gruppe mit einer Transparentbalise und einer Festdatenbalise angeordnet ist. Es wird wiederum ein Telegramm TEL der vorgenannten Art mit dem aktuellen Signalbegriff TPWS_FUNCT gemäss dem am Hauptsignal 3 angezeigten Signalbegriff übermittelt. Wie schon beim Streckenpunkt L3 wird mit dem erfindungsgemässen Verfahren die aktuelle Geschwindigkeit des Zuges berechnet und mit den übertragenen maximalen Geschwindigkeit gemäss dem Inhalt in den Feldern VEL_MAX_CLASS oder VEL_MAX verglichen. Aufgrund der eingangs genannten Prämisse löst dieser Vergleich keine signaltechnische Reaktion durch die auf dem Triebfahrzeug befindliche Auswerteeinheit 5 aus; möglich ist eine Signalisation zuhanden des Lokomotivführers, dass das Balisensystem korrekt arbeite und dass die tatsächliche Geschwindigkeit konform mit der maximal zulässigen Geschwindigkeit ist.

[0022] Es wird angenommen, dass der Zug ab Streckenpunkt L2 mit konstanter Geschwindigkeit weiterfahre, den Streckenpunkt L1 überfahre und von den beiden Transparentbalisen ein Telegramm TEL der Art gemäss Tabelle 2 empfange. An dieser Stelle wird nun durch die Auswerteeinheit 8 festgestellt, dass die maximal zulässige Geschwindigkeit überschritten ist und demzufolge wird eine Zwangsbremsung eingeleitet, die den Zug vor dem hinter dem Hauptsignal befindlichen Gefahrenpunkt zum Stehen bringt. Alternativ wird angenommen, dass der Zug den Streckenpunkt L1 mit zulässiger Geschwindigkeit passiere und weiterfahre. In diesem Fall erfolgt eine Zwangsbremsung des Zuges bei Empfang eines Telegramms gemäss Tabelle 1, das von der Gruppe am Streckenpunkt L0 ausgesandt wird. Im Feld TPWS-FUNCT ist der Signalbegriff "HALT" enthalten, der unmittelbar und unabhängig vom Ergebnis von Geschwindigkeitsprüfungen eine Zwangsbremsung auslöst.

Fall B



[0023] Ein Zug mit einer Geschwindigkeit deutlich unterhalb der maximalen Geschwindigkeit passiere in Fahrrichtung R den Streckenpunkt L4 und empfange von der Transparentbalise der diesem Streckenpunkt L4 zugeordneten Gruppe ein Telegramm TEL gemäss in Tabelle 1 angegebenen Struktur. Aufgrund der berechneten Geschwindigkeit und dem Vergleich mit der aktuellen Geschwindigkeit erfolgt durch die Auswerteeinheit 8 keine weitere Reaktion, lediglich der übermittelte Signalbegriff kann zum Anzeigegerät zuhanden des Lokomotivführers übermittelt werden.

[0024] Der Zug fahre nun mit konstanter Geschwindigkeit weiter und passiere den Streckenpunkt L3. Dabei wird angenommen, dass die berechnete (und tatsächliche) Geschwindigkeit des Zuges auch für den Streckenpunkt L3 unterhalb der maximalen Geschwindigkeit liege. Aufgrund des durch die Gruppe am Streckenpunkt L3 übermittelten Telegramme wird in der Auswerteeinheit 8 keine Ueberschreitung der Geschwindigkeit festgestellt. Im Feld BREAK_RULE ist eine Bremsregel in der Form angegeben, als in diesem Feld eine Geschwindigkeitsreduktion angegeben ist, die von einer Gruppe zur nächsten Gruppe einzuhalten ist, ansonsten eine Zwangsbremsung ausgelöst wird, sofern . Im vorliegenden Fall wird die Bremsregel verletzt, da der Zug sowohl beim L4 als auch bei L3 die gleiche Geschwindigkeit aufweist. Dies hat nun eine durch die Auswerteeinheit 8 ausgelöste Zwangsbremsung zur Folge.

[0025] Diese Prüfung auf das Einhalten erfolgt selbstverständlich auch für die im Fall A geschilderten Vorgänge, im Fall A wurde vorausgesetzt, das die übermittelten Bremsregeln nicht verletzt wurden.

Fall C



[0026] Ein Zug mit maximal zulässiger Geschwindigkeit passiere in Fahrrichtung R den Streckenpunkt L4 und empfange von der Transparentbalise der diesem Streckenpunkt L4 zugeordneten Gruppe ein Telegramm TEL gemäss der Struktur in Tabelle 1. Aufgrund der berechneten Geschwindigkeit und dem Vergleich mit der aktuellen Geschwindigkeit erfolgt durch die Auswerteeinheit 8 keine weitere Reaktion, lediglich der übermittelte Signalbegriff kann zum Anzeigegerät 9 zuhanden des Lokomotivführers übermittelt werden. Der Lokomotivführer leite nun eine Bremsung ein.

[0027] Der Zug passiere nun die Streckenpunkt L3 und L2 je mit maximal zulässiger Geschwindigkeit und unter Einhaltung der im Feld BREAK_RULE angegebenen Bremsregel.

[0028] Unmittelbar nach Passieren des Streckenpunktes L2 wechsle am Hauptsignal 3 der Signalbegriff von "HALT" auf "FAHRT" und die Sichtverhältnisse erlauben dem Lokomotivführer, diesen Wechsel feststellen zu können. Da nun aber noch die Gruppe am Streckenpunkt L1, die lediglich Festdatenbalisen aufweist, zu passieren ist, darf der Lokomotivführer den Zug nicht beschleunigen, sondern er muss die Geschwindigkeit gemäss der Bremsregel auf die am Streckenpunkt L1 zulässige Geschwindigkeit reduzieren und darf erst nach Passieren des Streckenpunktes L1 den Zug wieder beschleunigen.

[0029] Der vorstehend geschilderte Fall ist an und für sich nachteilig. Ein solcher Fall kann durch geeignetes Platzieren und durch eine geeignete Reihenfolge von Gruppen mit nur Festdatenbalisen und Gruppen mit Transparentbalisen eliminiert werden. Die distanzmässige Anordnung der vorgenannten beiden Gruppen bestimmt sich nach Art und Distanz des Gefahrenpunktes hinter dem Hauptsignal 3, den Sichtbarkeitsverhältnissen auf der Strecke und der Topographie des Geländes und der Bremsvermögen der Zugsarten; insbesondere können so auch Steigungen und Gefälle die einen direkten Einfluss auf Bremswege haben berücksichtigt werden.

[0030] Für besonders kritische Strecken kann auch vorgesehen sein, dass sämtliche Gruppen eine Transparentbalise aufweisen, um den vorgenannten Nachteil eliminieren zu können.

[0031] Beim vorstehend geschilderten Verfahren wurde angenommen, dass die Auswerteeinheit 8 in einem Triebfahrzeug angeordnet ist, dass in Fahrrichtung an der Spitze eines Zuges angekoppelt ist. Insbesondere für geschlossene Reisezugskompositionen kann die Auswerteeinheit 8 irgendwo in der Komposition platziert sein, jedoch werden in aller Regel die Balisen-Antennen 6, jeweils in Fahrrichtung betrachtet, am ersten Fahrzeug aktiv geschaltet sein.

[0032] Das erfindungsgemässe Verfahren mit Gruppen von Balisen, ausschliesslich Festdatenbalisen aufweisen, wird besonders dort angewendet, wo kritische Streckenabschnitte zu überwachen sind, beispielsweise vor Kurven, die von allen Zügen nur mit einer Geschwindigkeitsüberwachung befahren werden dürfen. Im Feld TPWS-FUNCT kann hierfür ein besonderer Signalbegriff vorgesehen sein, nämlich "GESCHWINDIGKEITSWARNUNG" der auf dem Fahrzeug unabhängig von einem vorgängig übermittelten und mit einem Signal übereinstimmenden Signalbegriff ausgewertet werden kann.

[0033] Die in Tabelle 1 angegebenen Felder können durch weitere Felder ergänzt werden, um beispielsweise eine Ueberfahrt in für definierte tiefe Geschwindigkeit eines "Halt" zeigenden Hauptsignales für Fahrzeuge des Baudienstes zu ermöglichen. Die verschiedenen Inhalte der in einem Telegramm verschiedenen Felder können bezüglich der Auswertung in der Auswerteeinheit 8 beliebig kombiniert werden und sind in keiner Weise auf das vorstehend beschriebene Ausführungsbeispiel beschränkt.

Liste der verwendeten Bezugszeichen



[0034] 
1
Ansteuereinheit
2
Adapter LEU Lineside Electronic Unit
3
Hauptsignal
4
Vorsignal
5
Triebfahrzeug
6
Balisen-Antenne
7
Uebertragungsmodul BTM (Balise Transmission Module)
8
Auswerteeinheit
9
Anzeigeeinheit
10
Verbindung LEU zur Balisengruppe beim Hauptsignal 3
12
Verbindung LEU zur Balisengruppe am Streckenpunkt L2
L0
Position einer Balisengruppe beim Hauptsignal
L1,
L2, Lx Streckenpunkte, an den Balisengruppen angeordnet sind, wobei x = 1, 2, 3, ..., ..
F0,
Fx Festdatenbalise am Streckenpunkt L0 bzw. Lx;
wobei x = 0, 1, .., .. und eine Transparentbalise am entsprechende Streckenpunkt ebenfalls vorhanden ist.
F11,
F12; Fy1, Fy2 Festdatenbalisen am Streckenpunkt L1 bzw. Ly, wobei y= 0, 1, .., .., wobei nur Festdatenbalisen am Streckenpunkt Ly vorhanden sind.
T0,
Tx Transparentbalise am Streckenpunkt L0 bzw. Lx
d1
Abstand einer Balisengruppe am Streckenpunkt L1
d2
Abstand einer Balisengruppe am Streckenpunkt L2
R
Fahrrichtung eines Zuges



Ansprüche

1. Verfahren zur Zugsicherung mittels Uebermittlung von Telegrammen (TEL) von längs einer Strecke an Streckenpunkten (L0, L1, ..), die mindestens zwei in Gruppen angeordnete Datenübertragungseinheiten (F1, T1; F11, F12) aufweisen, an eine einem Schienenfahrzeug zugeordnete Antenne (6), wobei ein Telegramm (TEL) bei unmittelbarer Überfahrt einer Daten-übertragungseinheit an die Antenne (6) übertragen wird, gekennzeichnet durch die Verfahrensschritte,

A für einen Streckenpunkt (L0, L1, ..) ist in wenigstens einem der übermittelten Telegramme (TEL) der Abstand der eine Gruppe bildenden Datenübertragungseinheiten (F1, T1) enthalten und aufgrund der festgestellten Empfangszeitpunkte von wenigstens zwei Telegrammen wird in einer Auswerteeinheit (8) die Geschwindigkeit des Schienenfahrzeuges berechnet;

B in wenigstens einem der übermittelten Telegramme (TEL) ist eine für den betreffenden Streckenpunkt (L0, L1, ..) maximale zulässige Geschwindigkeit enthalten;

C die im Verfahrensschritt A berechnete Geschwindigkeit wird mit der im Verfahrensschritt B übermittelten maximal zulässigen Geschwindigkeit verglichen und bei Ueberschreiten der maximal zulässigen Geschwindigkeit wird ein Warnsignal oder eine Zwangsbremsung ausgelöst.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die übermittelten Telegramme von auf dem System European Train Control System ETCS basierenden Datenübertragungseinheiten (F1, T1; F11, F12) ausgesandt und dem System ETCS entsprechenden Balisen-Antennen (6) empfangen werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A zusätzlich eine Bremsregel übermittelt wird, die eine zwischen zwei Gruppen vorzunehmende Geschwindigkeitsreduktion beinhaltet und dass im Verfahrensschritt C zusätzlich verglichen wird, ob die Geschwindigkeitsreduktion tatsächlich vorgenommen wurde und bei festgestellter unzureichend vorgenommener Geschwindigkeitsreduktion ein Warnsignal oder eine Zwangsbremsung ausgelöst wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A zusätzlich ein einem längs der Strecke angeordneten Signal entsprechender Signalbegriff übermittelt wird und dass das Auslösen eines Warnsignal oder einer Zwangsbremsung vom übermittelten Signalbegriff abhängig ist.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A an Streckenpunkten (L1, L3) feste Signalbegriffe übermittelt werden, die unabhängig von den an längs der Strecke angeordneten Signalen angezeigten Signalbegriffen sind, und dass die im Verfahrensschritt C vorgesehenen Vergleiche unabhängig von einem vorgängig einem Signal entsprechenden Signalbegriff vorgenommen werden und
dass bei festgestellter unzureichend vorgenommener Geschwindigkeitsreduktion oder bei festgestelltem Ueberschreiten der maximal zulässigen Geschwindigkeit ein Warnsignal oder eine Zwangsbremsung ausgelöst wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A zusätzlich wenigstens eine Zugsklasse und eine der Zugsklasse entsprechende maximal zulässige Geschwindigkeit übermittelt werden und dass im Verfahrensschritt C der Vergleich für jene der Zugklasse entsprechende maximal zulässige Geschwindigkeit vorgenommen wird, der das Schienenfahrzeug zugeordnet ist.
 
7. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt C in jenem Fall, wo dem Schienenfahrzeug keine Zugklasse zugeordnet ist, der Vergleich für die im Verfahrensschritt A übertragene maximal zulässige Geschwindigkeit vorgenommen wird.
 




Zeichnung













Recherchenbericht