(19)
(11) EP 1 239 257 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
11.09.2002  Patentblatt  2002/37

(21) Anmeldenummer: 02002665.4

(22) Anmeldetag:  06.02.2002
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7F41A 21/20, B21C 37/15, C21D 9/12, C22C 38/44, C22C 38/46
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 09.03.2001 DE 10111304

(71) Anmelder:
  • EDELSTAHLWERKE BUDERUS AG
    D-35576 Wetzlar (DE)
  • Rheinmetall W & M GmbH
    29345 Unterlüss (DE)

(72) Erfinder:
  • Grimm, Walter
    35606 Solms (DE)
  • Arrenbrecht, Wolfgang
    41366 Schwalmtal (DE)

(74) Vertreter: Jochem, Bernd , Dipl.-Wirtsch.-Ing et al
Patentanwälte Beyer & Jochem, Klettenbergstrasse 13
60322 Frankfurt/Main
60322 Frankfurt/Main (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung von Rohren für schwere Geschütze


(57) Der Verfahren zur Herstellung von Rohren für schwere Geschütze benutzt einen Vergütungsstahl, bestehend aus 0,20 - 0,50 Gew.% Kohlenstoff, max. 1,0 Gew.% Silizium, max. 1,0 Gew.% Mangan, max. 0,03 % Phosphor, max. 0,03 % Schwefel, max. 0,1 % Aluminium, max. 2 % Chrom, max. 4 % Nickel, max. 1 % Molybdän, max. 0,5 % Vanadin und zum Rest aus Eisen und üblichen Verunreinigungen. Es werden Schmiedestücke aus offen erschmolzenem Blockguss außen vorgedreht. Die dadurch erhaltenen Rohlinge werden zunächst gehärtet und angelassen, anschließend gebohrt und dann fertig bearbeitet.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Kanonen- und Geschützrohren der Kaliber 105 - 120 mm.
Standardwerkstoff für diese Produkte ist der Stahl 35NiCrMoV 12-5, Werkstoff-Nr. 1.6959, beschrieben in der Stahl-Eisen-Liste des Verlags Stahleisen, Düsseldorf und in dem Werkstoff-Leistungsblatt "Rohrstahl für schwere Geschütze" des BWB.
Der Herstellprozess für Kanonenrohr-Rohlinge umfasst dabei die Arbeitsschritte offene Erschmelzung, Abgießen von Rohblöcken in geeigneten Kokillenformaten, Schmieden der Kanonenrohr-Rohlinge auf äußere Grobkontur, Glühen der Schmiedestücke, Vordrehen und Vorbohren der Teile, Hohlvergüten (Härten und Anlassen auf Bestellfestigkeit), Messen des Härteverzugs bzw. Schlags (maximale Geradheitsabweichung von der Längsachse bezogen auf die Lagerstellen an den Rohrenden), mechanisches Richten auf Schlagfreiheit und anschließendes Entspannen ca. 30 °C unterhalb der Anlasstemperatur, Durchführung von Qualitätsprüfungen und Fertigbearbeitung auf Liefermaß der Kanonenrohr-Rohlinge.

[0002] Als qualitatives Problem stellt sich beim herkömmlichen Fertigungsverfahren der Arbeitsschritt Richten auf Schlagfreiheit im Anschluss an die Vergütungsbehandlung dar, weil durch das Richten die Geradheit der Bohrung nicht erreicht wird und plastische Eigenspannungen induziert werden. Zum Einen gelingt es technisch nicht mehr, eine nach dem Richten verkrümmte Bohrung beim nachfolgenden Aufbohren auf Bestellmaß wieder zu begradigen und zum Anderen verbleiben trotz Entspannungsglühung nach dem Richten noch Resteigenspannungen im Material. In der Praxis hat sich gezeigt, dass a) ungerade Bohrungen und Eigenspannungen zum Verzug bei der Fertigbearbeitung der Rohre führen, der nur durch weitere Richtoperationen ausgeglichen werden kann, b) durch Maßfehler infolge des Verzugs während der Bearbeitung Ausschuss entstehen kann und c) die Schussgenauigkeit (Systemfehler) wegen Geradheitsabweichungen in der Bohrung und freiwerdender Eigenspannungen beim Beschuss verschlechtert werden kann.

[0003] Als Ursache für den Härteverzug sind, wie die Untersuchungen im Rahmen der Erfindungstätigkeit gezeigt haben, drei Hauptmechanismen verantwortlich:

1. Asymmetrische Temperaturverteilungen im Rohrrohling können entstehen durch ungleichmäßige Erwärmung, ungleichmäßige Ofentemperaturen oder ungleichmäßige Durchwärmung. Sie können beseitigt werden durch homogene Erwärmung und präzise Temperaturverteilung im Ofenraum - eine Kontrolle kann durch Thermoelemente am Stück erfolgen. Hierzu trägt ggf. auch das Drehen des Rohres während der gesamten Wärmebehandlung bei.

2. Mechanisches Verziehen während der Erwärmung und Austenitisierung auf Härtetemperatur entsteht beim Durchbiegen im Fall horizontaler Erwärmung und bei starrer Aufhängung bei vertikaler Härtung infolge Biegemomentbildung durch Eigengewicht oder Horizontalbewegung beim Härten. Dieser Verzug kann vermieden werden durch hängendes (vertikales) Vergüten der Rohre mit kardanischer Aufhängung, so dass kein Biegemoment in den Rohren am Aufhängende im Fall von horizontaler Bewegung entstehen kann.

3. Asymmetrische Umwandlungsspannungen
Beim Härten der vorgebohrten Rohrrohlinge wird durch Wasser-Beaufschlagung sowohl die äußere Oberfläche wie auch die Bohrung möglichst gleichmäßig abgekühlt. Bei Erreichen der Martensit-Start-Temperatur von ca. 350 °C im Werkstoff beginnt das austenitische Gefüge sich in das martensitische Härtungsgefüge umzuwandeln. Bei verzugsarmer Härtung erfolgt die Umwandlung über den gesamten Umfang gleichmäßig von außen (Oberfläche) nach innen und von innen (Bohrung) nach außen bis sich die Umwandlungsfronten treffen und der gesamte Rohrquerschnitt gehärtet ist. Liegen im Bauteil herstellungsbedingt die Kernseigerungen asymmetrisch vor, so beginnen die von der Bohrung ausgehenden Umwandlungsvorgänge entsprechend den unterschiedlichen lokalen Analysenlagen zwangsläufig zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dies führt zu einer asymmetrischen Verteilung der Umwandlungsspannungen über den Rohrquerschnitt und damit zum Härteverzug.



[0004] In der Praxis der Herstellung von Kanonenrohren hat sich gezeigt, dass zwar der Umwandlungsbeginn an der äußeren Oberfläche.in Umfangsrichtung symmetrisch erfolgt, nicht aber im Bereich der Bohrung. Die Ursache dafür liegt primär in der Asymmetrie der Bohrung bezogen auf die Achse des Rohblockes, bzw. bezogen auf die Erstarrungssymmetrie des Blockes (Bild 1).
Durch nicht vollständig zu vermeidenden ungleichmäßigen Matenalfluss sowie Abmessungstoleranzen (Versatz) beim Schmieden ist eine Exzentrizität der Bohrung, bezogen auf die ehemalige Blockachse, nicht immer zu vermeiden. Damit entstehen auch seigerungsbedingt asymmetrische Analysenkonzentrationen an der Bohrungsoberfläche als Ursache für ungleichmäßige Umwandlungsspannungen im Rohrlnneren und damit Verzug.
Der.Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die genannten Ungenauigkeiten und damit verbundenen Fertigungsschwierigkeiten zu vermeiden, und zur Lösung dieser Aufgabe wird das im Patentanspruch angegebene Verfahren vorgeschlagen. Die Besonderheit ist dabei das Vergüten der Rohr-Rohlinge ohne Bohrung (Vergütetes Vollrohr). Der maximale Verzug der außen vorgedrehten Rohlinge blieb bei diesem Verfahren konstant unter 10 mm. Das vorhandene Aufmaß der vergüteten Rohlinge erlaubt es, anschließend die Bohrung so einzubringen, dass am Ende eine exakte Zentrizität mit Bezug auf die Lagerstellen erreicht wird. Das Einbringen der Bohrung erfolgt auf modernen Tieflochbohrmaschinen und erfordert bei üblichen Festigkeiten von < 1300 N/mm2 keinen wesentlich höheren Aufwand gegenüber den herkömmlichen Arbeitsschritten Vorbohren in geglühtem Zustand (Festigkeit < 1000 N/mm2) und Fertigbohren nach dem Vergüten. Das bisher nach dem Vergüten notwendige mechanische Richten entfällt.
Zur Sicherstellung einer einwandfreien Durchvergütung und ausreichender mechanischer Gütewerte sollte eine sogenannte "fette" Analysenlage entsprechend dem jeweiligen Vergütungsquerschnitt eingestellt werden und durch temperatur- und verformungskontrolliertes Schmieden ein feinkörniges, gleichmäßiges Gefüge eingestellt werden. Die dabei zu erzielenden mechanischen Gütewerte sind gleichwertig zu den Werten einer Hohlvergütung.

[0005] Die Herstellung von Panzerkanonen aus vollvergüteten, ungerichteten Rohren hat gezeigt, dass bei der weiteren Verwendung ein Maximum an Geradheit erreicht wird und die so gefertigten Rohre herkömmlich gerichteten Teilen qualitativ überlegen sind.

[0006] Dies ist in Bild 2 veranschaulicht, wo der Mittelwert des Schlags, d.h. der Abweichung von einer geraden Linie, der im erfindungsgemäßen Verfahren vorgedrehten und vorgebohrten Rohlinge neben den Mittelwerten von nach zwei herkömmlichen Verfahren hergestellten Rohlingen gezeigt ist.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von Rohren für schwere Geschütze im Kaliberbereich 105 mm und größer aus Vergütungsstahl, bestehend
aus 0,20 - 0,50 Gew.% Kohlenstoff,
max. 1,0 Gew.% Silizium,
max. 1,0 Gew.% Mangan,
max. 0,03 % Phosphor
max. 0,03 % Schwefel
max. 0,1 % Aluminium
max. 2 % Chrom
max. 4 % Nickel
max. 1 % Molybdän,
max. 0,5 % Vanadin,
und Rest aus Eisen und üblichen Verunreinigungen, wobei Schmiedestücke aus offen erschmolzenem Blockguss außen vorgedreht werden und die dadurch erhaltenen Rohlinge zunächst gehärtet und angelassen und anschließend gebohrt und dann fertig bearbeitet werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass ein Vergütungsstahl der Zusammensetzung:

0,30 - 0,40 % Kohlenstoff,

0,15 - 0,35 % Silizium,

0,40 - 0,70 % Mangan,

max. 0,015 % Phosphor,

max. 0,010 % Schwefel,

max. 0,015 % Aluminium,

1,0 - 1,40 % Chrom,

0,35 - 0,60 % Molybdän,

2,50 - 3,50 % Nickel,

0,08 - 0,20 % Vanadin,

und Rest aus Eisen und üblichen Verunreinigungen verwendet wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass ein Vergütungsstahl der Zusammensetzung:

0,30 - 0,35 % Kohlenstoff,

0,15 - 0,20 % Silizium,

0,60 - 0,70 % Mangan,

max. 0,010 % Phosphor,

max. 0,005 % Schwefel

max. 0,015 % Aluminium

1,20 - 1,35 % Chrom,

3,30 - 3,50 % Nickel,

0,45 - 0,55 % Molybdän,

0,15 - 0,20 % Vanadin,

max. 0,12 % Kupfer,

max. 0,015 % Zinn,

und Rest aus Eisen und üblichen Verunreinigungen verwendet wird.
 




Zeichnung







Recherchenbericht