[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Kanonen- und Geschützrohren
der Kaliber 105 - 120 mm.
Standardwerkstoff für diese Produkte ist der Stahl 35NiCrMoV 12-5, Werkstoff-Nr. 1.6959,
beschrieben in der Stahl-Eisen-Liste des Verlags Stahleisen, Düsseldorf und in dem
Werkstoff-Leistungsblatt "Rohrstahl für schwere Geschütze" des BWB.
Der Herstellprozess für Kanonenrohr-Rohlinge umfasst dabei die Arbeitsschritte offene
Erschmelzung, Abgießen von Rohblöcken in geeigneten Kokillenformaten, Schmieden der
Kanonenrohr-Rohlinge auf äußere Grobkontur, Glühen der Schmiedestücke, Vordrehen und
Vorbohren der Teile, Hohlvergüten (Härten und Anlassen auf Bestellfestigkeit), Messen
des Härteverzugs bzw. Schlags (maximale Geradheitsabweichung von der Längsachse bezogen
auf die Lagerstellen an den Rohrenden), mechanisches Richten auf Schlagfreiheit und
anschließendes Entspannen ca. 30 °C unterhalb der Anlasstemperatur, Durchführung von
Qualitätsprüfungen und Fertigbearbeitung auf Liefermaß der Kanonenrohr-Rohlinge.
[0002] Als qualitatives Problem stellt sich beim herkömmlichen Fertigungsverfahren der Arbeitsschritt
Richten auf Schlagfreiheit im Anschluss an die Vergütungsbehandlung dar, weil durch
das Richten die Geradheit der Bohrung nicht erreicht wird und plastische Eigenspannungen
induziert werden. Zum Einen gelingt es technisch nicht mehr, eine nach dem Richten
verkrümmte Bohrung beim nachfolgenden Aufbohren auf Bestellmaß wieder zu begradigen
und zum Anderen verbleiben trotz Entspannungsglühung nach dem Richten noch Resteigenspannungen
im Material. In der Praxis hat sich gezeigt, dass a) ungerade Bohrungen und Eigenspannungen
zum Verzug bei der Fertigbearbeitung der Rohre führen, der nur durch weitere Richtoperationen
ausgeglichen werden kann, b) durch Maßfehler infolge des Verzugs während der Bearbeitung
Ausschuss entstehen kann und c) die Schussgenauigkeit (Systemfehler) wegen Geradheitsabweichungen
in der Bohrung und freiwerdender Eigenspannungen beim Beschuss verschlechtert werden
kann.
[0003] Als Ursache für den Härteverzug sind, wie die Untersuchungen im Rahmen der Erfindungstätigkeit
gezeigt haben, drei Hauptmechanismen verantwortlich:
1. Asymmetrische Temperaturverteilungen im Rohrrohling können entstehen durch ungleichmäßige Erwärmung, ungleichmäßige Ofentemperaturen
oder ungleichmäßige Durchwärmung. Sie können beseitigt werden durch homogene Erwärmung
und präzise Temperaturverteilung im Ofenraum - eine Kontrolle kann durch Thermoelemente
am Stück erfolgen. Hierzu trägt ggf. auch das Drehen des Rohres während der gesamten
Wärmebehandlung bei.
2. Mechanisches Verziehen während der Erwärmung und Austenitisierung auf Härtetemperatur entsteht beim Durchbiegen
im Fall horizontaler Erwärmung und bei starrer Aufhängung bei vertikaler Härtung infolge
Biegemomentbildung durch Eigengewicht oder Horizontalbewegung beim Härten. Dieser
Verzug kann vermieden werden durch hängendes (vertikales) Vergüten der Rohre mit kardanischer
Aufhängung, so dass kein Biegemoment in den Rohren am Aufhängende im Fall von horizontaler
Bewegung entstehen kann.
3. Asymmetrische Umwandlungsspannungen
Beim Härten der vorgebohrten Rohrrohlinge wird durch Wasser-Beaufschlagung sowohl
die äußere Oberfläche wie auch die Bohrung möglichst gleichmäßig abgekühlt. Bei Erreichen
der Martensit-Start-Temperatur von ca. 350 °C im Werkstoff beginnt das austenitische
Gefüge sich in das martensitische Härtungsgefüge umzuwandeln. Bei verzugsarmer Härtung
erfolgt die Umwandlung über den gesamten Umfang gleichmäßig von außen (Oberfläche)
nach innen und von innen (Bohrung) nach außen bis sich die Umwandlungsfronten treffen
und der gesamte Rohrquerschnitt gehärtet ist. Liegen im Bauteil herstellungsbedingt
die Kernseigerungen asymmetrisch vor, so beginnen die von der Bohrung ausgehenden
Umwandlungsvorgänge entsprechend den unterschiedlichen lokalen Analysenlagen zwangsläufig
zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dies führt zu einer asymmetrischen Verteilung der
Umwandlungsspannungen über den Rohrquerschnitt und damit zum Härteverzug.
[0004] In der Praxis der Herstellung von Kanonenrohren hat sich gezeigt, dass zwar der Umwandlungsbeginn
an der äußeren Oberfläche.in Umfangsrichtung symmetrisch erfolgt, nicht aber im Bereich
der Bohrung. Die Ursache dafür liegt primär in der Asymmetrie der Bohrung bezogen
auf die Achse des Rohblockes, bzw. bezogen auf die Erstarrungssymmetrie des Blockes
(Bild 1).
Durch nicht vollständig zu vermeidenden ungleichmäßigen Matenalfluss sowie Abmessungstoleranzen
(Versatz) beim Schmieden ist eine Exzentrizität der Bohrung, bezogen auf die ehemalige
Blockachse, nicht immer zu vermeiden. Damit entstehen auch seigerungsbedingt asymmetrische
Analysenkonzentrationen an der Bohrungsoberfläche als Ursache für ungleichmäßige Umwandlungsspannungen
im Rohrlnneren und damit Verzug.
Der.Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die genannten Ungenauigkeiten und damit
verbundenen Fertigungsschwierigkeiten zu vermeiden, und zur Lösung dieser Aufgabe
wird das im Patentanspruch angegebene Verfahren vorgeschlagen. Die Besonderheit ist
dabei das Vergüten der Rohr-Rohlinge ohne Bohrung (Vergütetes Vollrohr). Der maximale
Verzug der außen vorgedrehten Rohlinge blieb bei diesem Verfahren konstant unter 10
mm. Das vorhandene Aufmaß der vergüteten Rohlinge erlaubt es, anschließend die Bohrung
so einzubringen, dass am Ende eine exakte Zentrizität mit Bezug auf die Lagerstellen
erreicht wird. Das Einbringen der Bohrung erfolgt auf modernen Tieflochbohrmaschinen
und erfordert bei üblichen Festigkeiten von < 1300 N/mm
2 keinen wesentlich höheren Aufwand gegenüber den herkömmlichen Arbeitsschritten Vorbohren
in geglühtem Zustand (Festigkeit < 1000 N/mm
2) und Fertigbohren nach dem Vergüten. Das bisher nach dem Vergüten notwendige mechanische
Richten entfällt.
Zur Sicherstellung einer einwandfreien Durchvergütung und ausreichender mechanischer
Gütewerte sollte eine sogenannte "fette" Analysenlage entsprechend dem jeweiligen
Vergütungsquerschnitt eingestellt werden und durch temperatur- und verformungskontrolliertes
Schmieden ein feinkörniges, gleichmäßiges Gefüge eingestellt werden. Die dabei zu
erzielenden mechanischen Gütewerte sind gleichwertig zu den Werten einer Hohlvergütung.
[0005] Die Herstellung von Panzerkanonen aus vollvergüteten, ungerichteten Rohren hat gezeigt,
dass bei der weiteren Verwendung ein Maximum an Geradheit erreicht wird und die so
gefertigten Rohre herkömmlich gerichteten Teilen qualitativ überlegen sind.
[0006] Dies ist in Bild 2 veranschaulicht, wo der Mittelwert des Schlags, d.h. der Abweichung
von einer geraden Linie, der im erfindungsgemäßen Verfahren vorgedrehten und vorgebohrten
Rohlinge neben den Mittelwerten von nach zwei herkömmlichen Verfahren hergestellten
Rohlingen gezeigt ist.
1. Verfahren zur Herstellung von Rohren für schwere Geschütze im Kaliberbereich 105 mm
und größer aus Vergütungsstahl, bestehend
aus 0,20 - 0,50 Gew.% Kohlenstoff,
max. 1,0 Gew.% Silizium,
max. 1,0 Gew.% Mangan,
max. 0,03 % Phosphor
max. 0,03 % Schwefel
max. 0,1 % Aluminium
max. 2 % Chrom
max. 4 % Nickel
max. 1 % Molybdän,
max. 0,5 % Vanadin,
und Rest aus Eisen und üblichen Verunreinigungen, wobei Schmiedestücke aus offen erschmolzenem
Blockguss außen vorgedreht werden und die dadurch erhaltenen Rohlinge zunächst gehärtet
und angelassen und anschließend gebohrt und dann fertig bearbeitet werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Vergütungsstahl der Zusammensetzung:
0,30 - 0,40 % Kohlenstoff,
0,15 - 0,35 % Silizium,
0,40 - 0,70 % Mangan,
max. 0,015 % Phosphor,
max. 0,010 % Schwefel,
max. 0,015 % Aluminium,
1,0 - 1,40 % Chrom,
0,35 - 0,60 % Molybdän,
2,50 - 3,50 % Nickel,
0,08 - 0,20 % Vanadin,
und Rest aus Eisen und üblichen Verunreinigungen verwendet wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Vergütungsstahl der Zusammensetzung:
0,30 - 0,35 % Kohlenstoff,
0,15 - 0,20 % Silizium,
0,60 - 0,70 % Mangan,
max. 0,010 % Phosphor,
max. 0,005 % Schwefel
max. 0,015 % Aluminium
1,20 - 1,35 % Chrom,
3,30 - 3,50 % Nickel,
0,45 - 0,55 % Molybdän,
0,15 - 0,20 % Vanadin,
max. 0,12 % Kupfer,
max. 0,015 % Zinn,
und Rest aus Eisen und üblichen Verunreinigungen verwendet wird.