(19)
(11) EP 1 241 150 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
18.09.2002  Patentblatt  2002/38

(21) Anmeldenummer: 01129902.1

(22) Anmeldetag:  15.12.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C06B 21/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 20.02.2001 DE 10107948

(71) Anmelder: Rheinmetall W & M GmbH
29345 Unterlüss (DE)

(72) Erfinder:
  • Wanninger, Paul Dr.
    29320 Hermannsburg (DE)
  • Böhm, Rainer
    29328 Fassberg (DE)
  • Pinkernelle, Horst
    29345 Unterlüss (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung giessfähiger kunststoffgebundener Sprengladungen oder Raketentreibstoffe


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung gießfähiger kunststoffgebundener Sprengladungen oder Raketentreibstoffen, denen ein Metallpulver zugesetzt wird, deren Pulverkörner eine im wesentlichen sphärische Form aufweisen.
Um zu vermeiden, daß die Viskosität der Sprengladung oder des Raketentreibstoffes durch an der Oberfläche der Metallpulver angelagerte polare Gruppen zunimmt, schlägt die Erfindung vor, vor dem Einbringen des Metallpulvers in die Sprengstoffmischung ein Absättigen der polaren Gruppen des Metallpulvers durch SiR3-Gruppen (Si = Silane; R = organischer Rest) vorzunehmen. Dadurch können die polaren Gruppen nicht mehr mit den Isocyanaten der Sprengladung bzw. des Raketentreibstoffes reagieren und die spezifische Oberfläche des jeweiligen Metallpulvers sowie die Viskosität der Ladungen verringert sich.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung gießfähiger kunststoffgebundener Sprengladungen oder Raketentreibstoffe nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.

[0002] Kunststoffgebundene Sprengladungen weisen trotz einer hohen Wirkleistung eine relativ hohe Unempfindlichkeit auf. Sie bestehen aus Reaktionspolymeren, in die vor der Aushärtung kristalline Explosivstoffe, wie Octogen, Hexogen, Pentaerythrittetranitrat etc., eingearbeitet werden. Dabei beträgt der Polymeranteil etwa 10 bis 20 Gew.-%.

[0003] Ein Problem bei der Herstellung kunststoffgebundener Sprengladungen besteht darin, daß mit steigendem Feststoffanteil, d.h. mit zunehmendem Anteil an Explosivstoff, die Viskosität der Mischung so zunehmen kann, daß ein Gießen dieser Mischung unmöglich wird. Die theoretische Grenze für ein fließfähiges Gemisch liegt bei 92 Gew.-%. Es hat sich allerdings gezeigt, daß die praktische Grenze für fließfähige Gemische bei ca. 90 Gew.-% liegt. Außerdem sind Sprengladungen mit einem derart hohen Feststoffanteil nur dann gießbar, wenn die Korngrößen der für die Sprengladung verwendeten Explosivstoffkristalle innerhalb eines vorgegebenen Durchmesserintervalles liegen, so daß ein relativ kostenintensives Aussieben von Kornfraktionen erforderlich ist.

[0004] Die Anmelderin hat in einer nicht vorveröffentlichten Patentanmeldung bereits vorgeschlagen, der jeweiligen Sprengladung 0,1 bis 10 Gew.-% feinstkörniges Vanadin-, Niob-, Tantal-, Chrom-, Molybdän- oder Wolfram-Pulver oder eine Mischung aus zwei oder mehreren derartigen Pulvern zuzusetzen, wobei die Pulverkörner eine im wesentlichen sphärische Form aufweisen sollen. Bei Verwendung dieser Metallpulver, die aufgrund der sphärischen Form der Pulverkörner eine sehr kleine spezifische Oberfläche aufweisen, hat sich überraschenderweise gezeigt, daß sie wie flüssige Schmiermittel zwischen den grobkörnigeren Sprengstoffpartikeln wirken (Tribologischer Effekt), so daß sich relativ niedrige Viskositäten ergeben.

[0005] Untersuchungen der Anmelderin haben ergeben, daß beim Einbringen der Metallpulver in die kunststoffgebundenen Sprengladungen bzw. Raketentreibstoffe die Viskositätsverminderung noch nicht optimal ist. Denn an der Oberfläche der Metallpulver sind häufig polare Gruppen angelagert, die mit den Isocyanaten der kunststoffgebundenen Sprengladungen bzw. mit den Raketentreibstoffen reagieren, was dann zu einem Erhöhen der Viskosität der entsprechenden Mischung führen kann. Dieses gilt insbesondere für die an der Oberfläche durch Einwirkung von Luftfeuchtigkeit angelagerten OH-Gruppen. Aber auch andere an den Metalloberflächen angelagerte polare Gruppen (z.B. Carboxyl-Gruppen) können zu einer Erhöhung der Viskosität führen.

[0006] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung unempfindlicher gießfähiger kunststoffgebundener Sprengladungen oder Raketentreibstoffe mit einem hohen (z.B. 90 %-igen) Feststoffanteil anzugeben, mit dem eine Erhöhung der Viskosität durch an der Metalloberfläche der Metallpulver angelagerte polare Gruppen vermieden wird.

[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst. Weitere, besonders vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung offenbaren die Unteransprüche.

[0008] Die Erfindung beruht im wesentlichen auf dem Gedanken, vor dem Einbringen des Metallpulvers in die Sprengstoffmischung ein Absättigen der polaren Gruppen des Metallpulvers durch SiR3-Gruppen (Si = Silane; R = organischer Rest) vorzunehmen. Dadurch können die polaren Gruppen nicht mehr mit den Isocyanaten reagieren und die spezifische Oberfläche des jeweiligen Metallpulvers verringert sich. Ebenso sinkt die Viskosität der Sprengladung. Als organische Reste kommen alle Alkyl- und Arylreste in Betracht, wobei die Alkylreste reaktiver sind.

[0009] Als besonders vorteilhaft hat es sich erwiesen, zur Absättigung der polaren Gruppen des Metallpulvers Trimethylchlorsilan (Me3SiCl) zu verwenden. Dieses reagiert sofort mit den OH-Gruppen und bildet einen Silylether (-O-SiMe3).

[0010] Bei einem Ausführungsbeispiel wurden 100 g Wolframpulver (Korngröße zwischen 3 und 5 um) in eine Lösung aus 900 g Pentan und 20 g Trimethylchlorsilan eingebracht und 5 Minuten gerührt. Anschließend wurde das Wolframpulver abfiltriert und im Trockenschrank getrocknet. Während die spezifische Oberfläche vor der Behandlung mit Me3SiCl 0,1978 m2/g betrug, betrug sie nach der Behandlung lediglich 0,1880 m2/g, was anschließend zu einer Verringerung der Viskosität der Sprengstoffmischung von ca. 600 - 800 Pas auf ca. 400 Pas führte.

[0011] Die Herstellung der erfindungsgemäßen Sprengladungen kann beispielsweise mittels der nachfolgenden typischen Rezepturen erfolgen:
80-88 Gew.-%
Kristalliner Sprengstoff, z.B. RDX oder HMX
10-20 Gew.-%
Binder, z.B. HTPB
5-10 Gew.-%
Weichmacher
0,01-02 Gew.-%
Haftvermittler
0,05-05 Gew.-%
Gießhilfen
0,1-1,0 Gew.-%
Antioxidans
0,1-10 Gew.-%
Metallpulver


[0012] Dabei sollte die Körngröße des jeweiligen Metallpulvers zwischen 0,1 und 5 µm liegen.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung gießfähiger kunststoffgebundener Sprengladungen oder Raketentreibstoffen, denen ein Metallpulver zugesetzt wird, deren Pulverkörner eine im wesentlichen sphärische Form aufweisen, dadurch gekennzeichnet, daß vor dem Einbringen des Metallpulvers in die Sprengstoffmischung ein Absättigen der polaren Gruppen des Metallpulvers durch SiR3-Gruppen (Si = Silane; R = organischer Rest) erfolgt.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß es sich bei dem organischen Rest um einen Alkyl- oder Arylrest handelt.
 
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß zur Absättigung der polaren Gruppen des Metallpulvers Trimethylchlorsilan (Me3SiCl) verwendet wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß als Metallpulver Pulver eines oder mehrerer der folgenden Metalle: Vanadin, Niob, Tantal, Chrom, Molybdän oder Wolfram zugesetzt wird.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Korngröße des jeweiligen Metallpulvers derart gewählt wird, daß sie zwischen 0,1 bis 5 µm liegt.