(19)
(11) EP 1 248 031 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.10.2002  Patentblatt  2002/41

(21) Anmeldenummer: 01128582.2

(22) Anmeldetag:  30.11.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7F17C 1/00, F17C 13/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 07.04.2001 DE 10117557

(71) Anmelder: Astrium GmbH
85521 Ottobrunn (DE)

(72) Erfinder:
  • Netter, Gaston, Dr.
    28865 Lilienthal (DE)
  • Behruzi, Kei Philipp, Dr.
    28203 Bremen (DE)

(74) Vertreter: Hansmann, Dierk, Dipl.-Ing. et al
Patentanwälte Hansmann-Klickow-Hansmann Jessenstrasse 4
22767 Hamburg
22767 Hamburg (DE)

   


(54) Behälter zur Lagerung kyrogener Flüssigkeiten


(57) Bei einem Oberlächenspannungstank, der insbesondere zur Lagerung kryogener Treibstoffe zum Beispiel in Raumflugkörpern dient und der mit einem als Fördermedium dienenden Treibgas betrieben wird, erfolgt die Separation des Treibstoffes vom Treibgas in einer Treibstoffentnahmevorrichtung mittels Sieben und unter Ausnutzung der Oberflächenspannung. Die Entnahmevorrichtung besitzt die Form eines wiederbefüllbaren Reservoirs, das am Boden des Treibstofftanks angeordnet und über Förderleitungen mit dem Inneren des Treibstofftanks verbunden ist. Sie besteht je nach Tankgeometrie aus einem Gehäuse in Ringform, das durch eine zentrale oder durch eine kreisförmig angeordnete Öffnung mit dem Tankraum verbunden ist, oder aus einer Basisplatte mit einer Abdeckung. Kapillarbleche, die über Anschlüsse mit den Förderleitungen im Tankraum verbunden sind, sind je nach Tankausführung auf der Ober- bzw. Unterseite der Basisplatte angeordnet. In Abhängigkeit von der Treibstoffart verhindert ein Wärmetauscher die Bildung von Gasblasen bei der Entnahme von Treibstoff aus dem Reservoir.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft einen Behälter, insbesondere einen Tank zur Lagerung kryogener Flüssigkeiten für den Betrieb von Raumflugkörpern, mit einem als Fördermedium dienenden Treibgas sowie wenigstens einer Entnahmevorrichtung für die gelagerte Flüssigkeit, bei der mittels Sieben und unter Ausnutzung der Oberflächenspannung eine Separation der Flüssigkeit vom Treibgas herbeigeführt wird.

[0002] Ein derartiger Behälter ist als Treibstofftank aus der DE 196 23 017 C1 bekannt geworden. Bei Raumflugkörpern, wie Satelliten oder Orbitalstationen, werden sowohl für die Triebwerke, die der Lageregelung im All dienen, als auch für Triebwerke zur Durchführung des Apogäummanövers überwiegend flüssige Treibstoffe verwendet, die in hierfür geeigneten Behältern mitgeführt und die aus diesen in der Regel unter Verwendung eines Treibgases in die Brenn- bzw. Reaktionskammern der entsprechenden Triebwerke gefördert werden. Als Treibgase werden üblicherweise Inertgase wie Helium oder Stickstoff eingesetzt, die unter Druck in den Treibstoffbehälter gepreßt werden und dadurch den Treibstoff in das zum jeweiligen Triebwerk führende Rohrleitungssystem pressen. Wichtig ist dabei eine vollständige und sichere Trennung zwischen dem als Fördermedium dienenden Treibgas und dem in das Triebwerk gelangenden Treibstoff, da letzterer unbedingt frei von Fremdgaseinlagerungen sein muß.

[0003] Aufgrund ihrer höheren Effektivität bei geringerem Gewicht werden kryogene Treibstoffe den herkömmlichen flüssigen Treibstoffen, wie zum Beispiel Monomethylhydrazin (MMH), nach Möglichkeit vorgezogen. Nachteilig wirkt sich bei diesen kryogenen Treibstoffen jedoch aus, daß sie im Gegensatz zu den herkömmlichen Treibstoffen im allgemeinen nur bedingt lagerfähig sind. Flüssiger Wasserstoff (LH2) geht beispielsweise bei einer Temperatur von etwa 30 K in den gasförmigen Zustand über, so daß unbedingt eine ausreichende Isolierung des Treibstofftanks erforderlich ist, um die Lagerfähigkeit dieses Treibstoffs über einen ausreichend langen Zeitraum zu gewährleisten.

[0004] Ein wichtiges Problem stellt die blasenfreie Treibstofförderung unter dem Zustand der Schwerelosigkeit dar. Eine solche blasenfreie Treibstofförderung läßt sich zum Beispiel durch eine Vorbeschleunigung mittels Zusatzraketen erreichen, die zu einer Reorientierung der im Tank befindlichen Flüssigkeit in der Nähe des Auslaßrohres führt.

[0005] Im Gegensatz zu nicht kryogenen, lagerbaren Treibstoffen kann bei kryogenen Flüssigkeiten die im allgemeinen wärmere Tankwand zu einer Evaporation der in der Nähe der Tankwand befindlichen Flüssigkeit führen, wodurch eine blasenfreie Treibstofförderung zusätzlich erschwert wird. Dies gilt in besonderem Maße auch für Kapillarbleche, die üblicherweise zur Treibstofförderung innerhalb des Tanks verwendet werden und deren Pumpwirkung auf einer lokalen Änderung des Kapillardrucks beruht. Diese Kapillarbleche befinden sich meist in der Nähe der Tankwand, da sich Flüssigkeiten im Zustand der Schwerelosigkeit dort bevorzugt anlagern. Eine Kavitation in der Nähe der Kapillarbleche kann daher zu einer Unterbrechung der Pumpwirkung führen, so daß eine spezielle Formgebung der Bleche notwendig wird. Daher stellt neben einer möglichst guten thermischen Isolierung des Reservoirs zur Vermeidung von Gasbildung innerhalb dieses Reservoirs die Gestaltung solcher Kapillarbleche besondere Anforderungen an die Ausbildung eines Tanks für derartige Treibstoffe .

[0006] Aufgabe der Erfindung ist es, einen Behälter der eingangs genannten Art so auszubilden, daß auch bei kryogenen Flüssigkeiten eine blasenfreie Förderung unter Ausnutzung der Oberflächenspannung gewährleistet ist.

[0007] Die Erfindung löst diese Aufgabe durch einen Behälter, bei dem die Entnahmevorrichtung in Form eines wiederbefüllbaren Reservoirs an dessen Boden angeordnet ist.

[0008] Das Reservoir ist über Förderleitungen mit dem Inneren des Treibstofftanks verbunden. Die Geometrie des erfindungsgemäß vorgesehenen wiederbefüllbaren Reservoirs hängt dabei von der jeweiligen Tankgeometrie bzw. der zu lagernden Flüssigkeit ab. Zwei Behälter werden als Treibstofftank vorgesehen, die sich nach der Erfindung in vorteilhafter Weise zur Lagerung von flüssigem Wasserstoff (LH2-Tank) und flüssigem Sauerstoff (LOX-Tank) verwenden lassen. Die Reservoire sind unter Schwerelosigkeit wiederfüllbar und entleeren sich beim Absaugen unter Schub weitestgehend zuletzt, so daß die im Tank verbleibende Restmenge soweit wie möglich reduziert wird. Für den Fall größerer Füllgrade wird sichergestellt, daß sich die Reservoire auch unter Schub wiederfüllen.

[0009] Die Ausgestaltung der bei den Behältern nach der Erfindung vorgesehenen Entnahmevorrichtung weist dabei den Vorteil auf, daß sie eine geringe Masse und eine sehr geringe Einbauhöhe besitzen und zugleich kostengünstig zu fertigen sind. Der durch die Entnahmevorrichtungen möglich gewordene Verzicht auf eine Vorbeschleunigung vor dem Beginn der Treibstoffentnahme und somit auf die Mitnahme von Zusatzraketen erlaubt eine wesentliche Gewichtsersparnis und folglich höhere Nutzlasten.

[0010] Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind durch die Merkmale der Unteransprüche gekennzeichnet.

[0011] Nachfolgend soll die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert werden. Es zeigen:
Fig. 1
einen Schnitt durch einen Treibstofftank,
Fig. 2
eine perspektivische Darstellung eines Teils der Anordnung gemäß Fig. 1,
Fig. 3
einen Wärmetauscher als Teil der Anordnung gemäß Fig. 1,
Fig. 4
eine vergrößerte Schnittdarstellung des unteren Bereichs des Treibstofftanks gemäß Fig. 1,
Fig. 5
eine Schnittdarstellung eines zweiten Tanks,
Fig. 6
eine Draufsicht auf den unteren Teil der Anordnung gemäß Fig. 5 und
Fig. 7
eine Schnittdarstellung der in Fig. 6 dargestellten Anordnung.


[0012] Bei dem in Fig. 1 dargestellten Treibstofftank 1 handelt es sich um einen Oberflächenspannungstank für die Aufnahme und die Lagerung von flüssigem Wasserstoff (LH2) als Treibstoff für die oberste Stufe einer Rakete. Der Tank besteht aus zwei angenähert halbschalig ausgebildeten Teilsegmenten, die miteinander verschweißt sind. In der Nahtstelle der beiden Halbschalen bildet die Tankwand eine relativ starke Krümmung aus, so daß sich die im Tank gelagerte Flüssigkeit im Zustand der Schwerelosigkeit bevorzugt in diesen Bereichen sammelt. Zudem ist in diesen Bereichen der Kapillardruck besonders niedrig, so daß eine Pumpwirkung in Richtung der Ecken eintritt. Dieser Bereich des Treibstofftanks eignet sich daher besonders für die Positionierung eines wiederbefüllbaren Reservoirs 2.

[0013] Das Reservoir 2 besitzt, wie insbesondere anhand von Fig. 2 zu erkennen ist, die Gestalt einer ringförmigen Röhre mit V-förmigem Querschnitt. Wie ferner aus der vergrößerten Darstellung Fig. 4 ersichtlich ist, ist es über Siebe 7, 8 mit dem Tankinnenraum 1 verbunden. Die Maschenweite der Siebe ist dabei so ausgelegt, daß lediglich Flüssigkeit in das Reservoir 2 eindringen kann, Gasblasen aber ferngehalten werden. Um eine ausreichend hohe Durchflußrate durch die Siebe 7 und 8 zu gewährleisten, ist die Siebfläche möglichst groß gewählt und es sind mehrere Siebe über den Umfang des Reservoirs 2 verteilt angeordnet.

[0014] Eine Entnahmevorrichtung 3 ist mit dem Reservoir 2 verbunden und ermöglicht die Entnahme von Treibstoff. Um eine Blasenbildung in der Entnahmevorrichtung 3 zu verhindern, ist, wie aus Fig. 3 ersichtlich, ferner ein zur Entnahmevorrichtung 3 gehöriges Abzugsrohr 6 über einen Wärmetauscher 5 mit dem Reservoir 2 verbunden.

[0015] Um die Wiederfüllbarkeit des Reservoirs 2 über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten, muß sichergestellt werden, daß die Kapillarwirkung nicht durch die Bildung von Kavitationsblasen eingeschränkt oder unterbunden wird. Solche Gasblasen würden sich aufgrund der Temperaturdifferenz zwischen dem Fluid und der Tankwand 9 vornehmlich an der Tankwand 9 bilden. Ein dünnes Blech 11, welches die Siebe 7, 8 von der Tankwand 9 trennt, verhindert, daß der Flüssigkeitstransport durch Gasblasen unterbunden oder behindert wird.

[0016] Die Kapillarwirkung zwischen dem Blech 11 und den Sieben 7 und 8 bewirkt, daß die Siebe ständig mit Flüssigkeit benetzt sind. Der Spalt zwischen dem Blech 11 und den Sieben 7 bzw. 8 ist so dimensioniert, daß die Flüssigkeit in der Nähe der Siebe eine möglichst geringe freie Oberfläche bildet. Dadurch bleibt die Evaporation der Flüssigkeit in der Nähe der Siebflächen minimal.

[0017] Das Blech 11 ist am Reservoir 2 befestigt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß das Blech 11 nicht direkt mit der Tankwand 9 verbunden ist, damit eine übermäßige Erwärmung des Bleches 11 vermieden wird. Das Reservoir 2 ist mit Hilfe einer in der Figur nicht dargestellten thermischen Isolierung an der Tankwand 9 angebracht. Auf diese Weise läßt es sich, je nach Mission, als zusätzliche Komponente in den Tank 2 einbauen.

[0018] In Fig. 5 ist eine entsprechende Entnahmevorrichtung mit einem Reservoir 12 zur Verwendung in einem Tank 21 für flüssigen Sauerstoff, einem sogenannten LOX-Tank, in der obersten Stufe der Rakete dargestellt. Dieser Tank 21 ist im Fall des hier dargestellten Ausführungsbeispiels so geformt, daß er in den Bereich einer von der Hülle des vorangehend beschriebenen Treibstofftanks 1 gebildeten Ausnehmung integriert ist.

[0019] In diesem Tank 21 breiten sich vier Leitbleche 13 von einem als Entnahmevorrichtung dienenden Reservoir 12 ausgehend rechtwinklig zueinander entlang des Tankbodens aus. Sie bewirken, daß sich das Reservoir 12 mit Flüssigkeit füllt. Die Leitbleche werden so dimensioniert, daß sie den Wärmeübergang von der Wand in die Flüssigkeit minimieren. Treten in der Flüssigkeit an der Tankwand Kavitationsblasen auf, so führt die geometrische Anordnung der Bleche aufgrund der an der Wand angelagerten Gasphase zu einer Reduzierung des Wärmeübergangs und somit zu einer zusätzlichen Isolierung zwischen Tankwand und Flüssigkeit.

[0020] Wie in den Figuren 6 und 7 erkennbar, besteht die Entnahmevorrichtung 12 aus einer Basisplatte 22 und einer Abdeckung 23 mit einer zentralen Öffnung 18. Das Reservoir 12 ist in zwei Teilbereiche unterteilt, die durch eine kegelförmige Wand 20 voneinander getrennt sind. Es ist dabei so ausgelegt, daß sich zunächst das Volumen unterhalb des Kegels 20 über vier Leitbleche 19 füllt, die auf der Ober- und Unterseite der Basisplatte 22 ebenfalls rechtwinklig zueinander im Inneren des Reservoirs 12 angebracht sind. Zur Verdeutlichung des Füllvorgangs ist dabei in Fig. 7 die Strömungsrichtung des einströmenden flüssigen Sauerstoffs durch Pfeile angedeutet. Von den Ecken ausgehend füllt sich zunächst das Volumen unterhalb des Kegels 20; anschließend füllt sich auch der Bereich oberhalb des Kegels.

[0021] Zur Entlüftung befindet sich an der Oberseite des Reservoirs eine Öffnung 18, die so dimensioniert ist, daß unter Mikrogravitationsbedingungen lediglich Gas entweichen kann.

[0022] Während der Beschleunigungsphase durch das Triebwerk fließt der flüssige Sauerstoff durch ein Sieb 17 zu einem Tankauslaß in Form eines Abzugsrohrs 24. Infolge der Oberflächenspannung bildet das engmaschige Sieb 17, das vom flüssigen Sauerstoff benetzt wird, eine Barriere gegen Treibgas, so daß nur der blasenfreie flüssige Sauerstoff durch das Abzugsrohr 24 in Richtung des Triebwerks gefördert wird. Das Sieb 17 bildet dabei eine zusätzliche Sicherheit, um die blasenfreie Sauerstofförderung zu gewährleisten.


Ansprüche

1. Behälter, insbesondere Tank zur Lagerung kryogener Flüssigkeiten für den Betrieb von Raumflugkörpern, mit einem als Fördermedium dienenden Treibgas sowie wenigstens einer Entnahmevorrichtung für die gelagerte Flüssigkeit, bei der mittels Sieben und unter Ausnutzung der Oberflächenspannung eine Separation der Flüssigkeit vom Treibgas herbeigeführt wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Entnahmevorrichtung (2, 12) in Form eines wiederbefüllbaren Reservoirs am Boden des Behälters (1, 21) angeordnet ist.
 
2. Treibstofftank nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Entnahmevorrichtung (2) eine ringförmige Struktur aufweist, an deren Seitenflächen Siebe (7, 8) angebracht sind.
 
3. Treibstofftank nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß Bleche (11) zwischen den Sieben (7, 8) und der Tankwand (9) angeordnet sind.
 
4. Treibstofftank nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Reservoir (2) über einen Wärmetauscher (5) mit einem Tankauslaß (6) verbunden ist.
 
5. Sauerstofftank nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Entnahmevorrichtung (12) aus einer Basisplatte (22) und einer Abdeckung (23) mit einer zentralen Öffnung (18) besteht, die über Förderleitungen (13) mit dem Inneren des Sauerstofftanks (21) verbunden ist.
 
6. Sauerstofftank nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß auf der Ober- und Unterseite der Basisplatte (22) Kapillarbleche (16) angeordnet sind.
 




Zeichnung