(19)
(11) EP 1 270 747 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.01.2003  Patentblatt  2003/01

(21) Anmeldenummer: 02006104.0

(22) Anmeldetag:  19.03.2002
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C21C 1/10
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 20.06.2001 DE 10129382

(71) Anmelder: Georg Fischer Fahrzeugtechnik AG
8201 Schaffhausen (CH)

(72) Erfinder:
  • Menk, Werner
    8200 Schaffhausen (CH)
  • Lindemann, Dirk
    78355 Hohenfels (DE)
  • Richarz, Dirk
    78315 Radolfzell (DE)

(74) Vertreter: Weiss, Wolfgang, Dr. 
c/o Georg Fischer AG, Amsler-Laffon-Strasse 9
8201 Schaffhausen
8201 Schaffhausen (CH)

   


(54) Sphärogusslegierung mit Beimengung von Bor


(57) Es wird eine Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit vorgeschlagen, wobei die Sphärogusslegierung als Nicht-Eisenbestandteile zumindest die Elemente C, Si, Mn, Cu, Mg, S und als Beimengungen eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe IIIb des Periodensystems enthält, wobei die Legierung als Beimengung zumindest das Element Bor enthält und wobei der Si-Gehalt mehr als 2,4% beträgt. Es wird auch ein Verfahren zur Herstellung von solchen Gusseisenprodukten mit einer plastischen Verformbarkeit vorgeschlagen, wobei die Nachbehandlung der Oberflächen besonders schonend durchgeführt wird. Die Sphärogusslegierung wird verwendet zur Herstellung eines bruchsicheren, irreversibel und dauerhaft verformbaren Querlenkers.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung bezieht sich auf eine Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit, wobei die Sphärogusslegierung als Nicht-Eisenbestandteile zumindest die Elemente C, Si, Mn, Cu, Mg, S und als Beimengungen eines oder mehre Elemente aus der Gruppe IIIb des Periodensystems enthält.

[0002] Im Kraftfahrzeugbau werden Sphärogusslegierungen verwendet für die Herstellung von Gussteilen, die eine hohe Schlagbelastung aushalten müssen, beispielsweise Querlenker, als Teile der Radaufhängung der angetriebenen Räder, die auch nach einem Unfall noch intakt bleiben müssen. Die Gussteile dürfen beim sogenannten Crash-test zwar verformt werden, aber nicht brechen. Handelsübliche Graugusslegierungen neigen zum Bruch, wenn sie starken Schlägen ausgesetzt werden.

[0003] Aus der WO 99 45 156 A1 ist ein Verfahren zur Herstellung von Sphärogusslegierungen mit Produkteinschlüssen bekannt, die bei der maschinellen Bearbeitung der hergestellten Produkte plastisch verformt werden. Die plastisch verformbaren Einschlüsse dienen als Schmiermittel bei der spanabhebenden Bearbeitung. Die Einschlüsse bestehen aus etwa 50% SiO2, 25% CaO, 15% MgO und 10% Al2O3. Die Basislegierung wird vor der eigentlichen Behandlung mit Magnesium schwefelarm und sauerstoffarm gemacht mit einem Reagens, das CaC2, CaO, Ca, Al und Mg enthält. Eine Metallanalyse der so hergestellten Produkte wird nicht offenbart.

[0004] Ausgehend von diesem Stand der Technik ist es Aufgabe der Erfindung, eine Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit anzugeben, die auch bei einer hohen Schlagbeanspruchung wesentlich höher ist als bei handelsüblichen Sphärogusslegierungen.

[0005] Diese Aufgabe wird gelöst durch eine Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit, wobei die Sphärogusslegierung als Nicht-Eisenbestandteile zumindest die Elemente C, Si, Mn, Cu, Mg, S und als Beimengungen eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe IIIb des Periodensystems enthält, wobei die Legierung als Beimengung zumindest das Element Bor enthält und wobei der Si-Gehalt mehr als 2,4 % beträgt.

[0006] Bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen.

[0007] Es ist von Vorteil, dass der Perlitanteil im Gefüge der Gusseisenprodukte reduziert wird und dass ein ferritisches Gefüge gewährleistet werden kann. Dies wird dadurch erreicht, dass die Legierung als Beimengung 2 bis 200 ppm Bor enthält.

[0008] Es ist auch von Vorteil, dass im Gefüge der Gusseisenprodukte eine Verfestigung der Mischkristalle gewährleistet werden kann. Dies wird dadurch erreicht, dass der Si-Gehalt 2,6 bis 2,9 % beträgt.

[0009] Es ist auch von Vorteil, dass bei der Nachbehandlung der Oberflächen der Gusseisenprodukte möglichst wenig Eigenspannung in den Gusseisenprodukten erzeugt werden. Dies wird dadurch erreicht, dass die Gusseisenprodukte nach dem Giessverfahren einer Nachbehandlung unterworfen werden, die besonders schonend ist für die Produktoberflächen. Dies wird auch dadurch erreicht, dass die schonende Nachbehandlung der Oberflächen ein spannungsarmes Anglühen und bzw. oder ein Strahlen mit schwach abrasiven Partikeln umfasst. Durch die Nachbehandlung der Oberflächen, die üblicherweise in dem Verfahrensabschnitt des sogenannten Gussputzens nach dem Auspacken der Gussteile aus der Giessform und nach dem Abkühlen stattfindet, können Eigenspannungen im Gussteil aufgebaut werden, die später einen Bruch des Gussteiles auslösen können. Durch eine möglichst schonende Oberflächenbehandlung wird möglichst wenig Eigenspannung im Gussteil aufgebaut und wird die Gefahr eines Bruches erheblich reduziert.

[0010] Der Kerngedanke der Erfindung ist es, eine Gusseisenlegierung anzugeben, die besonders geeignet ist für tragende Teile, beispielsweise für die Radaufhängung in der Automobilindustrie. Die tragende Teile dürfen nicht brechen, sondern lediglich verformen. Die Verformung soll nicht elastisch sondern plastisch sein. Die Verformbarkeit der Teile soll plastisch sein und so gross, wie möglich sein, soll nicht bis zum Bruch der Teile führen und soll nicht reversibel sein.

Beispiel 1



[0011] Ein Querlenker für eine Radaufhängung eines Vorderrades eines Personenkraftwagens aus Sphäroguss (GJS) mit der folgenden chemischen Zusammensetzung: 3,5 % C, 2,7 % Si, 0,16 % Mn, 0,06 % Cu, 0,043 % Mg, 0,002 % S, 200 ppm Summe der Elemente aus der Gruppe IIIb des Periodensystemes (B, Al, Ga, In, TI), weist ein Gefüge auf mit maximal 15% Perlit.

[0012] Die Graphitausbildung im Gefüge beträgt, gemessen nach der Norm DIN EN ISO 945, mehr als 90 % Form VI, und die Grösse der Graphitkugeln im Gefüge liegt in den Klassen 7-8.

[0013] Die mechanischen Eigenschaften dieses Gussteiles werden angegeben mit Rp0.2 mindestens 250 N/mm2 , Rm mindestens 400 N/mm2 und A mindestens 15,0 %.

[0014] Die Zusammensetzung und die, Eigenschaften des Gussteiles werden verglichen mit einer konventionellen Spharogusslegierung mit der Bezeichnung GJS-400-15.

[0015] Die Wirksamkeit dieser Zusammensetzung kann anhand der Messresultate eines instrumentierten Schlagversuches dargestellt werden. Dieser Schlagversuch wird durchgeführt als eine Simulation für den Missbrauchstest der Radaufhängung des Personenkraftwagens.

[0016] Hierbei wird untersucht, ob die Radaufhängung den Personenwagen nach einem Zusammenstoss noch soweit trägt, dass der Personenwagen in die nächste Werkstatt gefahren werden kann. Hier muss dann das tragende Teil der Radaufhängung, beispielsweise der Querlenker, der durch den Zusammenstoss dauerhaft und irreversibel verformt wurde, jedoch noch bruchsicher und tragfähig ist, ausgewechselt werden.

[0017] Im Diagramm 1 werden auf der rechten Seite die Messresultate der Schlagversuche an einem Querlenker eines Personenkraftwagens dargestellt. Als Vergleichswerte sind im Diagramm 1 auf der linken Seite auch die Messresultate eines identischen Gussteiles dargestellt, das aus handelsüblichem Sphäroguss hergestellt wurde. Aus Diagramm 1 ist ersichtlich, dass die gesamte Energieaufnahme im Querlenker beim Schlagversuch mehr als 2200 J beträgt. Aus Diagramm 1 ist ebenfalls ersichtlich, dass der Deformationswert im Schlagversuch mehr als 75% höher ist als bei einem vergleichbaren Gussteil aus einer konventionellen Sphärogusslegierung. Die Deformation des Querlenkers, ausgedrückt in mm, gemessen als Differenz zwischen zwei Messpunkten am Gussteil, vor und nach dem Schlagversuch, beträgt mehr als 15 mm. Bei vergleichbaren Gussteilen aus einer konventionellen Sphärogusslegierung beträgt diese Deformation üblicherweise weniger als 9 mm. Die maximale Kraft, die vom Querlenker aufgenommen wird, liegt zwischen 3000 und 3500 kN. Der hier instrumentierte Schlagversuch wird durchgeführt auf einem Rosand Impact-Tester.

[0018] Querlenker für einen Personenkraftwagen, die aus der erfindungsgemässen Spärogusslegierung mit mindestens 2,4 % Si-Anteil und mit mindestens das Element Bor als Beimengung hergestellt werden, und die beim Gussputzen einer möglichst schonenden Oberflächenbehandlung unterworfen werden, zeichnen sich aus durch eine hohe plastische nicht reversible Verformbarkeit aus. Die tragenden Teile der Radaufhängung eines Automobils brechen bei dem Crash-Test, der eine bestimmte Unfallsituation simuliert, nicht und bleiben intakt.

[0019] Die vorliegende Gusslegierung eignet sich auch für alle anderen Fahrzeugteile, die sich bei extremen Belastungen verformen dürfen, jedoch nicht brechen dürfen.




Ansprüche

1. Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit, wobei die Sphärogusslegierung als Nicht-Eisenbestandteile zumindest die Elemente C, Si, Mn, Cu, Mg, S und als Beimengungen eines oder mehrere Elemente aus der Gruppe IIIb des Periodensystems enthält, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung als Beimengung zumindest das Element Bor enthält und dass der Si-Gehalt mehr als 2,4 % beträgt.
 
2. Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit nach dem Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Si-Gehalt 2,6 bis 2,9 % beträgt.
 
3. Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit nach dem Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Legierung als Beimengung 2 bis 200 ppm Bor enthält.
 
4. Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die plastische Verformung der Produkte nach einem instrumentierten Schlagversuch irreversibel und dauerhaft ist.
 
5. Sphärogusslegierung für Gusseisenprodukte mit einer plastischen Verformbarkeit nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Energieaufnahme der Produkte im instrumentierten Schlagversuch mindestens 35% höher liegt als bei vergleichbaren Gusseisenprodukten aus konventionellen Sphärogusslegierungen, derart, dass die Produkte bruchsicher sind.
 
6. Verfahren zur Herstellung von Gusseisenprodukten aus einer Sphärogusslegierung mit einer plastischen Verformbarkeit nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Gusseisenprodukte nach dem Giessverfahren einer Nachbehandlung unterworfen werden, die besonders schonend ist für die Produktoberflächen.
 
7. Verfahren zur Herstellung von Gusseisenprodukten aus einer Sphärogusslegierung mit einer plastischen Verformbarkeit nach dem Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass die schonende Nachbehandlung der Oberflächen ein spannungsarmes Anglühen und bzw. oder ein Strahlen mit schwach abrasiven Partikeln umfasst.
 
8. Verwendung des Verfahrens nach dem Anspruch 6 oder 7 zur Herstellung eines bruchsicheren, irreversibel und dauerhaft verformbaren Querlenkers.
 
9. Verwendung der Sphärogusslegierung nach einem der Ansprüche 1 bis 5 zur Herstellung eines bruchsicheren, irreversibel und dauerhaft verformbaren Querlenkers.
 
10. Querlenker nach einem der Ansprüche 8 oder 9 dadurch gekennzeichnet, dass der Deformationswert nach der plastischen Verformung im instrumentierten Schlagversuch mindestens 15 mm beträgt.