[0001] Die Erfindung bezieht sich auf einen thermisch empfindlichen pyrotechnischen Frühanzündsatz
gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
[0002] In Kraftfahrzeugen sind heute zumeist mehrere Airbags und Gurtstrammer enthalten,
welche im Falle einer Kollision die Insassen vor Verletzungen durch Aufprall auf harte
Bauteile des Fahrzeuginnenraums schützen sollen.
[0003] Einzelne dieser Rückhalteeinrichtungen, besonders der Beifahrer-Airbag, enthalten
nicht unerhebliche Mengen Explosivstoff. Zusammengenommen können leicht 300 bis 400
g im Fahrzeug vorhanden sein. Der Explosivstoff - meist ein effizienter pyrotechnischer
Gassatz - brennt im Auslösefall in wenigen Millisekunden definiert ab und bläht dabei
kurzzeitig einen Prallsack auf oder zieht über die Auslösung einer Aufrollvorrichtung
den Gurt stramm. Die Gassätze sind in stabilen Gehäusen aus Aluminium oder Stahl untergebracht.
Bei Auslösung wird das gebildete Gas durch Filtermaterial von mitgerissenen Partikeln
befreit und durch Öffnungen im Gehäuse ausgeblasen.
[0004] Die Auslösung des oder der Gassätze geschieht üblicherweise durch schnelle pyrotechnische,
elektrisch ausgelöste Anzünder, welche sich in weniger als 2 Millisekunden umsetzen
und allein oder verstärkt durch einen Booster (ein weiteres explosives Bauteil von
Airbags) die gaserzeugende Mischung anzünden und zum Umsatz bringen. Diese elektrisch
auszulösenden Anzündsätze sind ihrer Natur nach thermisch recht stabile Gemische.
Sie sind chemisch und mechanisch sehr stabil ausgelegt, weil die Prüfkriterien für
Airbags und Gurtstrammer eine entsprechende Robustheit voraussetzen, die während der
Lebensdauer des Fahrzeugs, die bis zu 15 Jahre beträgt, aufrechterhalten werden muss.
[0005] Wenn es jedoch bei einem Kraftfahrzeugunfall nicht zum Auslösen der Airbags und anderer
Rückhalteeinrichtungen kommt und das Fahrzeug unglücklicherweise Feuer fängt, können
die nicht ausgelösten Gassätze der Rückhalteeinrichtungen mit ihrem nicht unerheblichen
Explosivstoffgehalt schnell zum Problem für Insassen und Retter werden. Bei einem
auf mehr als 250°C aufgeheizten Gassatz ist ein definierter Abbrand kaum noch zu erwarten.
Vielmehr setzt er sich dann wesentlich schneller um bis hin zur Volldetonation mit
einer Reaktionsgeschwindigkeit im Mikrosekunden-Bereich und unter Ausbildung einer
Stoßwelle.
[0006] Es ist leicht verständlich, dass man derartige Situationen vermeiden will. Sie machen
schnell ein brennendes Fahrzeug zur Bombe und können Rettungsarbeiten verzögern, verhindern
oder zur Verschlimmerung der Unfallfolgen durch umherfliegende brennende Fahrzeugteile
und Teile des Gasgeneratorgehäuses beitragen.
[0007] Um diese Risiken zu minimieren, werden thermisch empfindliche, pyrotechnische Frühanzündsätze
in die Gasgeneratoren eingebracht, welche Airbags und Gurtstrammer auslösen, bevor
die geschilderte gefährliche Situation eintreten kann. An exponierter, gut wärmeleitfähiger
Stelle, z.B. direkt im elektrischen Anzünder des Airbags oder Gurtstrammers selbst
oder am Gehäuse des Gasgenerators wird ein Frühanzündsatz angebracht, welcher bei
einem Fahrzeugbrand durch die auf Metallteile übertragenen Wärme z.B. über das Metall
der Anzünderkappe oder des Gasgeneratorgehäuses schon bei Temperaturen um 180°C ausgelöst
wird und seinerseits den eigentlichen Anzündsatz oder den Anzündverstärkersatz (Booster)
oder direkt den Gassatz sicher anzündet.
[0008] Ein solcher durch Aufheizen auf Temperaturen um 180°C sicher auslösender pyrotechnischer
Frühanzündsatz ist sicherheitstechnisch nicht unproblematisch. Die relativ niedrige
Temperatur verlangt sehr reaktive Komponenten mit niedriger Aktivierungsenergie. Andererseits
muss dieses Gemisch die anspruchsvollen sicherheitstechnischen Prüfbedingungen von
Anzündern im Automotive-Bereich unbeschadet überstehen. Zu nennen ist da neben einer
Temperaturfestigkeit, welche mit einer Prüfung während 400 h bei einer Temperatur
von ca. 110°C oder kurzzeitig 12 h bei 125°C nachgewiesen werden muss, besonders die
mechanische Festigkeit und Haftung des Frühanzündsatzes am Anzünder- oder Gasgeneratorgehäuse.
[0009] Versuche haben nun gezeigt, dass Gemische von Kaliumchlorat und Kohlehydraten, denen
als Binderkomponente z.B. Polyvinylpyrrolidon oder Polyvinylbutyral, Ethylzellulose,
Hydroxypropylzellulose oder Polytetrafluorethylen beigegeben wurden, diese Anforderungen
im besonderen Maße erfüllen.
[0010] Frühanzündsätze mit dieser Basisrezeptur sind bekannt. So ist aus der WO 95/26945
ein Frühanzündsatz mit einem Oxidationsmittel auf der Basis von Alkali- bzw. Erdalkalimetallchloraten
und einem Brennstoff aus Kohlehydraten bekannt, wobei diese Komponenten feucht in
Anwesenheit von Wasser, Ethylalkohol oder Mischungen hiervon vermischt werden und
diese feuchte Zusammensetzung anschließend getrocknet wird. Dieser Frühanzündsatz
wird dann direkt in das Gehäuse des Anzündsatzes eingebracht.
[0011] Aus der WO 98/18661 ist ein Frühanzündsatz auf der Basis von Kaliumchlorat, Lactose
und Polycarbonat bekannt, der ebenfalls bei niedrigen Temperaturen selbst zündet.
Der Frühanzündsatz wird im Gehäuse des Gasgenerators plaziert und umgibt hierbei das
Gehäuse des eigentlichen Anzündsatzes.
[0012] Die mechanischen Belastungen, besonders die Vibrations- und Temperaturwechselbelastungen
im Auto, verlangen nun aber nicht nur gut am Metallgehäuse haftende oder in Näpfen
oder ähnlichen Vorrichtungen fest sitzende Frühanzündsätze, sondern auch eine gewisse
Strukturfestigkeit; Spannungsrisskorrosion oder Ablösungen des Satzes von der Unterlage
durch Alterung und der damit verbundenen Verkürzung der Molekülkettenlänge oder Kettenbrüchen
des Binderkunststoffs müssen unbedingt vermieden oder abgefangen werden. Nicht nur,
dass dadurch die Funktion der frühen Anzündung nicht mehr gewährleistet ist, kann
sich abbröckelndes Material eines wie hier beschriebenen offenen Frühanzündsatzes
mit den anderen Komponenten des Gassatzes oder des Anzündsatzes vermischen. Hierdurch
kann die Funktionstüchtigkeit dieser Sätze beeinträchtigt werden, da sich diese Sätze
mit Chloraten chemisch oft nicht vertragen. Darüber hinaus kann abgebröckeltes Material
des Frühanzündsatzes an Stellen gelangen, an denen akute Gefahr der ungewollten Anzündung
durch mechanische Kräfte, z.B. durch Reibung oder Quetschung, besteht.
[0013] Bei trocken als Pulver oder Granulat verwendeten Sätzen wird die Strukturfestigkeit
des Frühanzündsatzes nach dem Stand der Technik üblicherweise durch Erhöhung der Dichte,
z.B. durch Verpressen des Satzes, verbessert. Die genannten Probleme können jedoch
auch hier auftreten.
[0014] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen thermisch empfindlichen Frühanzündsatz
auf der Basis von Chloraten und Kohlehydraten anzugeben, der die geschilderten sicherheitstechnischen
Kriterien optimal erfüllt.
[0015] Diese Aufgabe wird gemäß der Erfindung durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 gelöst.
[0016] Weitere Ausgestaltungen der Erfindung gehen aus den Unteransprüchen hervor.
[0017] Erfindungsgemäß wird somit zur Satzdispersion oder dem pastösen Ansatz des Frühanzündsatzes
Fasermaterial zugegeben. Fasermaterial wie Glas-, Keramik-, Kohlenstoff-Zellstoff-,
Baumwolle- oder Textilfasern erhöhen die Strukturfestigkeit des Frühanzündsatzes ganz
wesentlich und garantieren eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Spannungsrisse und
alterungsbedingte Ablösung des Frühanzündsatzes. Dabei werden vorzugsweise Faserlängen
von 0,05 bis 10 mm, vorzugsweise 0,1 bis 1 mm mit Durchmessern von 0.001 bis 0.05
mm, vorzugsweise bis 0,01 mm verwendet. Die Faserlänge hängt im wesentlichen von der
Art der Unterlage bzw. Aufnahme für den Frühanzündsatz ab. Wenn der Frühanzündsatz
z.B. direkt auf einer Wand des Gasgenerators oder auf einer Anzündplatine aufgebracht
ist, werden längere Fasern benötigt; wird der Frühanzündsatz direkt in das Gehäuse
des Anzündsatzes eingebracht, werden kurze Fasern verwendet.
[0018] Um eine gute Haftung der Faser in dem Frühanzündsatz sicher zu stellen, können die
Fasern eine aufgeraute Oberfläche aufweisen; sehr gut eignen sich auch fibrillierte
Fasern.
[0019] Ein typischer Aufbau der erfindungsgemäßen Frühanzündsätze wird durch die folgende
Rahmenzusammensetzung beschrieben:
40 - 70% Kaliumchlorat
20 - 50% Kohlehydrat (z.B. Saccharose)
1 - 10% Binder (z.B. Polyvinylalkohol)
1 - 10% Fasermaterial (z.B. Glasfasern)
[0020] Diese Mischung wird mit einem Lösemittel angeteigt, welches den Binder in Lösung
enthält, während die anderen Komponenten darin dispergiert sind, in obigem Beispiel
eignet sich iso-Propanol.
[0021] Nach dem Auftropfen oder Ausstreichen des lösemittelfeuchten Gemisches auf die Trägerunterlage
wird durch Temperierung und/oder Vakuum das Lösemittel entfernt. Der Binder sowie
das Fasermaterial bewirken, dass der Frühanzündsatz als strukturfeste, Vibrationen
und Temperaturwechselbelastungen widerstehende Masse zurückbleibt. Ein Verpressen
des Satzes ist nicht notwendig.
[0022] Als Chlorat können neben Kaliumchlorat sonstige Alkalimetall- und Erdalkalimetallchlorate
oder Mischungen hieraus, als Kohlehydrat neben Saccharose andere kohlenstoffreiche
organische Verbindungen verwendet werden.
[0023] Als Fasermaterial können z.B. Glas-, Keramik- oder Kohlefasern bzw. Zellstoff-, Baumwoll-
oder textile Kunststoffasern verwendet werden.
[0024] Als Binder eignen sich Polyvinylpyrrolidon, Polyvinylbutyral, Polyvinylalkohol, Ethylzellulose,
Hydroxypropylzellulose oder Polytetrafluorethylen.
[0025] Der Frühanzündsatz wird vorzugsweise als Paste, als Dispersion oder durch Extrusion
an den jeweils gewünschten Wirkort gebracht.
1. Thermisch empfindlicher, pyrotechnischer Frühanzündsatz auf der Basis von Chloraten
und Kohlehydraten, die zur Auslösung der frühzeitigen Anzündung eines Gassatzes für
eine passive Sicherheitseinrichtung in einem Kraftfahrzeug, wie einem Airbag oder
einem Gurtstrammer, im Falle eines Fahrzeugbrands dienen, dadurch gekennzeichnet, dass der Frühanzündsatz zur Verbesserung seiner mechanischen Widerstandsfähigkeit neben
einem Binder auch einen Anteil an Fasermaterial besitzt.
2. Frühanzündsatz nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Fasermaterial Glas-, Keramik- oder Kohlefasern verwendet werden.
3. Frühanzündsatz nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass als Fasermaterial Zellstoff-, Baumwoll- oder textile Kunststofffasern verwendet werden.
4. Frühanzündsatz nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Länge der Fasern des Fasermateriales 0,05 Millimeter bis 10 Millimeter, vorzugsweise
0,1 Millimeter bis 1 Millimeter ist.
5. Frühanzündsatz nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Dicke der Fasern des Fasermateriales 0,001 Millimeter bis 0,05 Millimeter, vorzugsweise
bis 0,01 Milli-meter ist.
6. Frühanzündsatz nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Fasern des Fasermateriales eine aufgeraute Oberfläche aufweisen und vorzugsweise
fibrillierte Fasern sind.
7. Frühanzündsatz nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Frühanzündsatz neben den Fasern einen Binder aus der Gruppe Polyvinylpyrrolidon,
Polyvinylbutyral, Polyvinylalkohol, Ethylzellulose, Hydroxypropylzellulose oder Polytetrafluorethylen
enthält.
8. Frühanzündsatz nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass als Chlorat Alkalimetalloder Erdalkalimetall-Chlorate bzw. Mischungen hiervon und
als Kohlehydrat eine kohlenstoffreiche organische Verbindung, insbesondere Saccharose
verwendet werden.
9. Frühanzündsatz nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass er aus vorzugsweise 40 bis 70% KClO3, 20 bis 50% Saccharose, 1 bis 10% eines Binders und 1 bis 10% Fasermaterial aufgebaut
ist.
10. Frühanzündsatz nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass er als Paste, als Dispersion oder durch Extrusion an seinen Wirkort gebracht wird.