[0001] Die Erfindung betrifft eine Patrone mit einer eine Ladung enthaltenden Treibladungshülse
und einer elektrothermischen Anzündvorrichtung.
[0002] Bei bekannten Patronen mit elektrothermischer Zündvorrichtung wird zur Zündung des
Treibladungspulvers im bodenseitigen Bereich der entsprechenden Patrone ein drahtförmiger
Leiter von einem derart hohen Strom durchflossen, daß er explosionsartig verdampft
und einen energiereichen Lichtbogen erzeugt. Der Lichtbogen zündet dann das entsprechende
Treibladungspulver an.
[0003] Als nachteilig hat es sich erwiesen, daß bei diesen bekannten Patronen durch die
Erzeugung des bodenseitigen Lichtbogens zunächst nur ein relativ geringer Prozentsatz
an Treibladungspulver gezündet wird und sich insbesondere bei schwer anzündbaren Treibladungspulvern
(LOVA) häufig kein reproduzierbares Abbrennverhalten der Treibladung ergibt.
[0004] Es ist eine Patrone bekannt, bei der die Anzündvorrichtung aus mehreren sich in Längsrichtung
der Patrone erstreckenden, axial-symmetrisch angeordneten Zündkanälen besteht, wobei
jeder Zündkanal ein Pulverrohr umfaßt, welches auf seiner inneren Oberfläche mit einer
elektrisch leitenden Schicht versehen ist. Wird die jeweilige leitende Schicht zum
Zünden der Ladung mit einer Energieversorgungsanlage verbunden, so soll sie schlagartig
verdampfen, und im Inneren des entsprechenden Pulverrohres wird ein Lichtbogenplasmakanal
erzeugt, über den der weitere Stromfluß erfolgt. Dabei wird Energie mit hoher Leistung
über Strahlungstransportmechanismen an die Umgebung abgegeben, wodurch es zu einer
raschen Anzündung der Treibladungsröhren und zu deren Fragmentierung kommt. Die brennenden
Fragmente der Treibladungsröhren sowie die freigegebene Lichtbogenstrahlung verursachen
dann ein schnelles und gleichmäßiges Anzünden des Treibladungspulvers.
[0005] Bei praktischen Versuchen hat sich indessen gezeigt, daß bei dieser bekannten Patrone,
trotz elektrisch parallel geschalteter axial-symmetrischer Zündkanäle, häufig nicht
mehrere parallele Lichtbögen erzeugt werden können. Vielmehr erfolgt nach der Drahtexplosion
zunächst lediglich nur die Zündung eines Lichtbogens, der dann durch seine fallende
Strom-Spannungscharakteristik die Zündung der weiteren parallelen Lichtbögen verhindert.
Als Folge entstehen asymmetrische radiale Druckwellen, welche z.B. das Leitwerk des
Geschosses und die Waffe beschädigen oder zerstören können. Zwar wäre denkbar, die
Zündkanäle und damit auch die Lichtbögen elektrisch voneinander zu entkoppeln und
jedem Zündkanal eine eigene Energieversorgungsanlage zuzuordnen, doch würde dieses
zu einer extrem kosten- und platzaufwendigen Waffenanlage führen.
[0006] Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Patrone der eingangs
erwähnten Art anzugeben, bei welchér ein gleichmäßiges und symmetrisches Anzünden
im Ladungsraum der entsprechenden Waffe möglich ist, ohne daß hierzu zusätzliche Energieversorgungsanlagen
erforderlich sind.
[0007] Diese Aufgabe wird durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst. Weitere vorteilhafte
Ausgestaltungen der Erfindung offenbaren die Unteransprüche.
[0008] Im wesentlichen liegt der Erfindung der Gedanke zugrunde, eine Entkopplung der Lichtbögen
dadurch vorzunehmen, daß statt einer einheitlichen, elektrisch leitenden Schicht in
jedem Pulverrohr eine aus hintereinander geschalteten Rauten, Rechtecken, Kreisen
oder Ovalen bestehende, flächig angeordnete leitende Struktur in oder außen auf jedem
Pulverrohr angeordnet wird, die elektrisch die Funktion von Entkopplungswiderständen
besitzt. Beim Stromfluß durch eine derartige Struktur werden aufgrund der ohmschen
Überhitzung zuerst die in Stromrichtung eingerichteten Verbindungsbrücken zwischen
den einzelnen Rauten etc. explodieren. An diesen Stellen bilden sich dann Lichtbögen,
die durch die leitenden Strukturen mit den resistiven Widerständen voneinander entkoppelt
sind. Bei weiterem Fließen des Stromes erodiert immer ein weiterer Teil der Entkopplungselemente,
so daß die Lichtbögen immer länger werden.
[0009] Die genaue Geometrie der Rauten etc, wie Breite, Länge, Dicke und Materialauswahl,
richtet sich nach den gewünschten Widerstandswerten der Entkopplungswiderstände.
[0010] Die elektrisch leitende Schicht kann direkt auf die innere oder äußere Oberfläche
des jeweiligen Pulverrohres aufgebracht werden. Es kann aber auch eine Folienauflage
an der inneren oder äußeren Oberfläche des Pulverrohres vorgesehen sein, auf der dann
die elektrisch leitende Schicht aufgebracht wird. Dabei kann die Folie aus einem handelsüblichen
Kunststoff, vorzugsweise aus Polyester oder Polyethylen, bestehen. Die aufgedampfte
Struktur besteht vorzugsweise aus Aluminium oder aus Kupfer.
[0011] Um eine sichere und gleichmäßige Zündung in jedem der Zündkanäle sicherzustellen,
hat es sich als zweckmäßig erwiesen, eine elektrisch leitende Schicht auf die innere
oder äußere Oberfläche des jeweiligen Pulverrohres aufzudampfen, die mehrere parallele,
vorzugsweise drei, Reihenschaltungen miteinander verbundener Entkopplungswiderstände
umfaßt.
[0012] Die Länge der Zündkanäle kann 50 bis 400 mm, vorzugsweise 200 bis 300 mm, betragen.
[0013] Bei einer anderen Ausführungsform der Erfindung, bei der die elektrisch leitende
Schicht an der inneren Oberfläche des Pulverrohres angeordnet ist, schließt sich innenseitig
an die leitende Schicht ein weiteres Pulverrohr oder eine Pulverstange direkt an.
Dadurch kann die Ladedichte in der Patrone noch weiter erhöht werden.
[0014] Weitere Einzelheiten und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus dem folgenden anhand
von Figuren erläuterten Ausführungsbeispiel. Es zeigen:
Fig.1 den Längsschnitt durch ein Ausführungsbeispiel einer schematisch dargestellten
erfindungsgemäßen Patrone mit sechs Anzündkanälen, welche mit einer Energieversorgungsanlage
verbunden sind;
Fig.2 einen vergrößerten Querschnitt durch die in Fig. dargestellte Patrone entlang
der dort mit II-II bezeichneten Linie;
Fig.3-5 schematische Darstellungen einer in die Ebene geklappten elektrisch leitenden
Struktur, die aus drei Reihen rautenförmiger Bereiche besteht, wie sie in einem Zündkanal
der erfindungsgemäßen Patrone anordbar ist, vor dem Zündvorgang (Fig.3) und zu zwei
unterschiedlichen Zeitpunkten nach Beginn des Zündvorganges;
Fig.6 den Querschnitt durch einen Anzündkanal mit einer zwischen einem Pulverrohr
und einer Pulverstange angeordneten elektrisch leitenden Schicht und
Fig.7-9 Längsschnitte jeweils einer auf einem Substrat angeordneten leitenden Struktur
mit unterschiedlich geformten, miteinander verbundenen Bereichen, wobei jeder Bereich
unterschiedliche Metalldicken aufweist.
[0015] In Fig.1 ist mit 1 eine großkalibrige Patrone (z.B. zum Verschießen aus einer Panzerwaffe)
bezeichnet, die zur Zündung mit einer Energieversorgungsanlage 2 verbunden ist. Die
entsprechende Waffe, in der sich die Patrone 1 befindet, wurde aus Übersichtlichkeitsgründen
nicht dargestellt.
[0016] Die Patrone 1 umfaßt eine mit einer Treibladung 3 gefüllte Hülse 4 aus einem verbrennbaren
Material und einem die Treibladungshülse 4 bodenseitig abschließenden, aus Metall
bestehenden Hülsenboden 5.
[0017] In dem Hülsenboden 5 ist mittig eine gegenüber diesem elektrisch isolierte Hochspannungselektrode
6 angeordnet, die mit einer als Stromverteiler wirkenden Metallscheibe 7 verbunden
ist.
[0018] An dem Stromverteiler 7 sind sechs sich jeweils in Richtung der Längsachse 8 der
Patrone 1 erstreckende Zündkanäle 9 (Fig.2) angeordnet. Jeder der Zündkanäle 9 umfaßt
ein Pulverrohr 10, welches auf seiner inneren Oberfläche mit einer aus Kupfer bestehenden
elektrisch leitenden Schicht 11 versehen ist. Die Schicht 11 ist auf ihrer der Metallscheibe
7 zugewandten Seite mit dieser elektrisch leitend verbunden und besteht aus drei parallelen
Reihenschaltungen 12-14 rautenförmiger Bereiche 15 (Fig.3). Im Bereich des Hülsendekkels
16 der Treibladungshülse 4 sind die elektrisch leitenden Schichten 11 mit einem in
Fig.1 nur schematisch angedeuteten ringförmigen Kontaktteil 17 verbunden, welches
seinerseits die auf Erdpotential liegende Innenwand der nicht dargestellten Waffe
kontaktiert.
[0019] Zum Verschießen der Patrone 1 wird ein Schalter 18 der Energieversorgungsanlage 2
geschlossen (Fig.1) und eine Reihe von aufgeladenen Kondensatoren 19 der Energieversorgungsanlage
2 z.B. bei einer Spannung bis zu 40 kV schlagartig entladen. Der dabei auftretende
Entladestrom führt zur elektrischen Explosion der Verbindungsbrücken 20 (Fig.3) zwischen
den einzelnen Rauten 15. An diesen Stellen bilden sich Lichtbögen 21 aus (Fig.4),
die durch die Entkopplungswiderstände 15, welche durch die rautenförmigen Bereiche
gebildet werden, voneinander entkoppelt sind. Bei weiterem Fließen des Stromes erodieren
immer weitere Teile der rautenförmigen Bereiche 15, so daß die Lichtbögen 21 immer
länger werden (Fig.5).
[0020] Die Pulverrohre 10 werden durch die Lichtbögen 21 angezündet und schlagartig auseinandergerissen.
Die auseinanderfliegenden brennenden Fragmente der Pulverrohre 10 sowie die freigegebene
Lichtbogenstrahlung bewirken dann eine schnelle und gleichmäßige Anzündung der in
der Treibladungshülse 4 befindlichen Treibladung 3, welche sich zusammen mit der verbrennbaren
Treibladungshülse 4 daraufhin umsetzt.
[0021] In Fig.6 ist ein weiteres Ausrührungsbeispiel der Erfindung dargestellt, bei dem
der mit 22 bezeichnete Zündkanal zusätzlich zu dem ersten Pulverrohr 10 mit innenseitig
angeordneter elektrisch leitender Schicht 11 (z.B. mit rautenförmiger Struktur) eine
innenseitig an der Schicht 11 direkt anschließende Pulverstange 23 umfaßt.
[0022] Die Erfindung ist selbstverständlich nicht auf die vorstehend beschriebenen Ausführungsbeispiele
beschränkt. So kann beispielsweise in dem in Fig.6 dargestellten Ausführunesbeispiel
die Pulverstange durch ein weiteres Pulverrohr ersetzt werden. Es müssen auch nicht
unbedingt sechs Anzündkanäle zum Einsatz kommen. Bei kleinen Kalibern sind z.B. auch
drei symmetrisch im Ladungsraum angeordnete Zündkanäle ausreichend.
[0023] Ferner müssen die elektrisch leitenden Bereiche, welche die Entkopplungswiderstände
definieren, nicht zwangsläufig rautenförmig ausgebildet sein. Denkbar sind auch andere
Formen eines Vieleckes oder einer runden Geometrie (Kreis, Oval etc.), sofern zwischen
diesen Bereichen leitende Brücken bestehen, welche bei einem entsprechenden Stromfluß
explosionsartig aufbrechen.
[0024] Bei einer weiteren Ausführungsform der Erfindung sind die Entkopplungswiderstände
derart geformt, daß sich unterschiedliche Schichtdicken in den unterschiedlichen Bereichen
der jeweiligen Raute, des Rechtecks, des Kreises oder des Ovales ergeben. Die unterschiedlichen
Metalldicken definieren ebenfalls die Eigenschaften der Entkopplungswiderstände und
lassen sich zusätzlich nutzen, um bestimmte Widerstandswerte der Netzstruktur einzustellen.
Entsprechende Ausführungsbeispiele lassen sich den Fig. 7-9 entnehmen. Dabei sind
mit 24 ein Substrat (Kunststoffträgerfolie), mit 11 die elektrisch leitende Schicht,
mit 15 der den jeweiligen Widerstand definierende (z.B. rautenförmige) Bereich und
mit 20 die jeweilige Verbindungsbrücke bezeichnet.
Bezugszeichenliste
[0025]
- 1
- Patrone
- 2
- Energieversorgungsanlage
- 3
- Treibladung, Ladung
- 4
- Hülse, Treibladungshülse
- 5
- Hülsenboden
- 6
- Hochspannungselektrode
- 7
- Stromverteiler, Metallscheibe
- 8
- Längsachse
- 9
- Zündkanal
- 10
- (erstes) Pulverrohr
- 11
- elektrisch leitende Schicht, Struktur
- 12-14
- Reihenschaltungen
- 15
- rautenförmiger Bereich, Raute, Widerstand, Entkopplungswiderstand
- 16
- Hülsendeckel
- 17
- Kontaktteil
- 18
- Schalter
- 19
- Kondensator
- 20
- Verbindungsbrücke
- 21
- Lichtbogen
- 22
- Zündkanal
- 23
- Pulverstange
- 24
- Kunststoffträgerfolie
1. Patrone mit einer eine Ladung (3) enthaltenden Treibladungshülse (4) und einer elektrothermischen
Anzündvorrichtung mit den Merkmalen:
a) in der Ladung (3) sind mehrere sich in Richtung der Längsachse (8) der Patrone
(1) erstreckende, axial-symmetrisch angeordnete Zündkanäle (9) vorgesehen, die mit
einer Energieversorgungsanlage (2) verbindbar sind;
b) jeder Zündkanal (9) umfaßt mindestens ein erstes Pulverrohr (10), welches auf seiner
inneren oder äußeren Oberfläche mit einer sich in Richtung der Längsachse (8) der
Patrone (1) erstreckenden elektrisch leitenden Schicht (11) versehen ist;
c) die elektrisch leitende Schicht (11) weist eine Struktur (11) auf, die mindestens
eine Reihenschaltung (12-14) elektrisch miteinander verbundener Entkopplungswiderstände
(15) bildet, so daß nach Aktivierung der Energieversorgungsanlage (2) durch den Strom,
der durch die Struktur (11) fließt, sich mehrere Lichtbögen (21) aufgrund der lokalen
Überhitzung zwischen benachbarter Entkopplungswiderständen (15) ausbilden.
2. Patrone nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Entkopplungswiderstände (15) durch rauten-, kreis- oder ovalförmige Bereiche
der elektrisch leitenden Schicht (11) gebildet sind.
3. Patrone nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die elektrisch leitende Schicht (11) aus Aluminium oder aus Kupfer besteht.
4. Patrone nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß auf der inneren oder äußeren Oberfläche des ersten Pulverrohres (10) eine Kunststoffolie
angeordnet ist, auf welcher die elektrisch leitende Schicht (11) aufgedampft ist.
5. Patrone nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß jeder Zündkanal (9) mindestens drei Reihenschaltungen (12-14) miteinander verbundener
Entkopplungswiderstände (15) aufweist.
6. Patrone nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß in der Ladung (3) mindestens drei axialsymmetrische Zündkanäle (9) angeordnet sind.
7. Patrone nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Länge der Zündkanäle (9) 50 bis 400 mm, vorzugsweise 200 bis 300 mm, beträgt.
8. Patrone nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß an der inneren Oberfläche des ersten Pulverrohres (10) mindestens eine sich in Richtung
der Längsachse (8) erstreckende elektrisch leitende Schicht (11) angeordnet ist und
daß sich an diese Schicht (11) innenseitig ein zweites Pulverrohr oder eine Pulverstange
(23) direkt anschließt.
9. Patrone nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die rauten-, rechteck-, kreis- oder ovalförmig ausgebildeten Bereiche (15) der elektrisch
leitenden Schicht (11) jeweils eine unterschiedliche Dicke und/oder Formgebung aufweisen.