[0001] Die Erfindung betrifft eine explosionsfähige Zusammensetzung mit einem porösen Brennstoff
und einem Oxidator.
[0002] Explosionsfähige Materialien bestehen stets aus einem Brennstoff und einem Oxidationsmittel,
die gleichzeitig vorhanden sein müssen. Die bisher bekannten Brennstoffe enthalten
zumeist Kohlenstoff und Wasserstoff, während als Oxidationsmittel sauerstoffhaltige
Stoffe sowie Fluor oder Chlor verwendet werden. Für zivile Anwendungen ergibt sich
eine Forderung nach umweltverträglichen, nichttoxischen Reaktionsprodukten, die während
der Explosion freigesetzt werden. Damit ist die Verwendung von sauerstoffhaltigen
Stoffen als Oxidationsmittel bevorzugt.
[0003] Als bekannte explosionsfähige Materialien, die auf diesem Prinzip beruhen, lassen
sich beispielsweise Schwarzpulver, ein Gemisch aus Kaliumnitrat, Schwefel und Kohlenstoff,
oder organische Sprengstoffe wie Trinitrotoluol (TNT) nennen.
[0004] Alle diese Zusammensetzungen oder Verbindungen weisen jedoch Nachteile auf, die ihre
Anwendbarkeit einschränken. So ist die Stöchiometrie einstoffiger chemischer Verbindungen
durch deren chemische Formel festgelegt. In aller Regel ist in diesen Verbindungen
aber nicht genügend Sauerstoff vorhanden, um eine vollständige Verbrennung von Kohlenstoff
und Wasserstoff zu gewährleisten. Dies führt unter anderem zu giftigen Reaktionsprodukten,
wie beispielsweise Kohlenmonoxid. Des weiteren ist eine kritische Masse der chemischen
Verbindung notwendig, um eine explosive Reaktion zu bewirken. Schließlich sind Einstoffsysteme
hinsichtlich ihrer pyrotechnischen Eigenschaften nicht einstellbar, so daß die Zugabe
von Hilfsmitteln und Moderatoren notwendig ist.
[0005] Aus mehreren Bestandteilen bestehende explosionsfähige Zusammensetzungen sind in
ihrer pyrotechnischen Wirkung dagegen abhängig von physikalischen Größen, wie beispielsweise
der Korngröße, des Mischungsverhältnisses und der Homogenität der Bestandteile. Alle
Zusammensetzungen müssen zudem nach ihrer Herstellung durch Granulieren, Verpressen,
Extrudieren oder Gießen in eine handhabbare Form gebracht werden. Des weiteren weisen
diese Zusammensetzungen oft eine geringe Strukturfestigkeit auf.
[0006] Aus Physical Review Letters 87/6 (2001), Seiten 068301/1 bis 068301/4, ist bekannt,
daß beim Zusammenbringen von flüssigem Sauerstoff mit porösem Silizium, welches durch
elektrochemisches Ätzen von Silizium in einem fluorwasserstoffhaltigen Elektrolyt
hergestellt wurde, eine spontane Explosion erfolgt.
[0007] In Adv. Mater., 2002, 14, Nr. 1, Seiten 38 bis 41 wird berichtet, daß ein mit Gadoliniumnitrat
(Gd(NO
3)
3·6H
2O) versetztes, frisch hergestelltes poröses Silizium durch Reiben mit einer Diamantspitze
oder durch elektrische Funkenentladung zur Explosion gebracht werden kann. Das mit
Gadoliniumnitrat versetzte poröse Silizium wird hier als Energiequelle für die Atomemissionsspektroskopie
verwendet.
[0008] Der Erfindung liegt demgegenüber die Aufgabe zugrunde, eine kostengünstig herstellbare
und insbesondere für zivile Anwendungen einsetzbare stabile explosionsfähige Zusammensetzung
bereitzustellen, die gegebenenfalls in bekannte Bauelemente integriert werden kann.
[0009] Erfindungsgemäß wird hierzu eine explosionsfähige Zusammensetzung mit einem porösen
Brennstoff und einem Oxidator vorgeschlagen, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der
poröse Brennstoff ein Festkörper mit einer Strukturgröße von zwischen etwa 2 nm und
1000 nm und einer Porosität (V
Poren/V
Probe) von zwischen 10 % und 98 % ist, und der bei Raumtemperatur feste oder flüssige Oxidator
in die Poren des porösen Brennstoffs eingebracht und zu wenigstens 50 Gew.%, bezogen
auf die Gesamtmenge des Oxidators, aus der aus Wasserstoffperoxid, Hydroxylammoniumnitrat,
organischen Nitroverbindungen oder Nitraten, Alkalimetall- oder Erdalkalimetallnitraten
sowie Metallnitriten, -chloraten, -perchloraten, -bromaten, -jodaten, -oxiden, -peroxiden,
Ammoniumperchlorat, Ammoniumnitrat und deren Mischungen bestehenden Gruppe ausgewählt
ist.
[0010] Die erfindungsgemäße explosionsfähige Zusammensetzung ermöglicht eine Einstellbarkeit
ihrer pyrotechnischen Eigenschaften in einem weiten Bereich. So läßt sich beispielsweise
die Menge des in den porösen Brennstoff eingebrachten Oxidators über die Porosität
des Brennstoffs, d. h., das Verhältnis des Porenvolumens zum Volumen der Probe, festlegen
und damit die Energiedichte und die Energiefreisetzungsrate der Zusammensetzung bestimmen.
Die Porosität kann beispielsweise durch elektronenmikroskopische Aufnahmen, gravimetrisch
oder mittels TEM bestimmt werden. Bevorzugt beträgt die Porosität zwischen etwa 40
und 80%. In diesem Bereich ist eine für die Verwendung der Zusammensetzung in einem
Anzünder optimale Energiedichte und -freisetzungsrate gewährleistet.
[0011] Die Bereitstellung des porösen Brennstoffs als Festkörper, bevorzugt in Form eines
strukturstabilen Formkörpers, bei dem der Brennstoff als feste, formgebende Matrix
vorliegt, ermöglicht in vorteilhafter Weise die Verwendung der Zusammensetzung als
Konstruktionselement in pyrotechnischen Gegenständen oder als halbleitertechnisches
bzw. mikromechanisches Bauteil.
[0012] Die Strukturgröße bzw. die Größe und die Gestalt der Poren, lassen sich ebenfalls
in einem weiten Bereich variieren. Die Strukturgröße gibt die durchschnittliche Größe
der Nanokristalle an, aus denen der Brennstoff aufgebaut ist, und liegt bevorzugt
in einem Bereich von 2 bis 50 nm, besonders bevorzugt zwischen 2 nm und 10 nm. Die
Porengröße liegt bevorzugt in einem Bereich von zwischen 2 nm und 1000 nm. Besonders
bevorzugt sind jedoch mesoporöse Strukturen mit Porendurchmessern bzw. Strukturgrößen
zwischen 2 nm und 500 nm, insbesondere zwischen 2 nm und 200 nm. Die mesoporösen Strukturen
sind einerseits ausreichend reaktiv und andererseits hinsichtlich ihrer pyrotechnischen
Eigenschaften gut einstellbar.
[0013] Die geringe Strukturgröße des porösen Brennstoffs führt zu einer hohen spezifischen
Oberfläche, die bevorzugt zwischen 200 und 1000 m
2/cm
3 beträgt. Damit ist ein optimaler Kontakt zwischen Brennstoff und Oxidator gewährleistet.
[0014] Der poröse Brennstoff ist vorzugsweise aus der aus Si, Ge, SiGe, SiC, InP, GaAs,
C, Be, Mg, Al, Ti und Metallhydriden bestehenden Gruppe ausgewählt, wobei die halbleitenden
Materialien dieser Gruppe für eine mögliche Integration in bekannte Bauteile bevorzugt
sind. Die Herstellung nanostrukturierter poröser Materialien aus diesen Stoffen ist
in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Als Herstellungsverfahren eignen
sich insbesondere chemische oder physikalische Abscheidungsverfahren, wie elektrochemische
Abscheidung, CVD, PVD oder Sputtern.
[0015] Besonders bevorzugt ist der Brennstoff poröses Silizium. Die Verwendung von porösem
Silizium ermöglicht die Integration in bekannte Halbleiterbauteile. Darüber hinaus
steht mit dem elektrochemischen Ätzen von Silizium in fluoridhaltigen Lösungen ein
relativ einfaches und kostengünstiges Verfahren zur Herstellung des porösen Siliziums
zur Verfügung.
[0016] Die Porosität und die Strukturgröße des porösen Siliziums können in bekannter Weise
durch die Wahl geeigneter Ätzparameter eingestellt werden. So ist beispielsweise aus
der WO-A-96/396990 bekannt, daß die Porosität des porösen Siliziums über die Fluoridkonzentration
im Elektrolyten und den Anodisierungsstrom (Stromdichte) beeinflußt werden kann. Weitere
Parameter sind der pH-Wert des Elektrolyten und die Behandlungsdauer sowie, gegebenenfalls,
eine Belichtung des Siliziums während des Ätzens. Die Strukturgröße kann ferner auch
über die Auswahl des Ausgangsmaterials (p- oder n-dotiertes Si, stark oder schwach
dotiert) beinflusst werden.
[0017] Über die Ätzparameter kann schließlich auch eine anisotrope Porosität in den Brennstoff
eingebracht werden. Dies bedeutet, daß die Porosität dreidimensional strukturiert
wird und somit eine Geometrie zur Erzielung einer Richtwirkung des Abbrandes bzw.
zur Steuerung der Abbrandgeschwindigkeit aufweist. Insbesondere können auf diese Weise
Stege oder Wände in dem porösen Brennstoff erzeugt werden.
[0018] In vorteilhafter Weise ist der poröse Brennstoff wenigstens teilweise passiviert,
das heißt die innere Oberfläche des Brennstoffs ist wenigstens zum Teil mit Sauerstoff
abgesättigt oder in anderer Weise so verändert, daß eine zur Reaktion mit dem Oxidator
zu überwindende Aktivierungsenergie erhöht ist. Die Passivierung kann beispielsweise
durch Erwärmen des Brennstoffs in einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre oder Luft erfolgen,
wie nachfolgend beschrieben wird. Durch die Passivierung wird eine weitere Einstellbarkeit
der pyrotechnischen Eigenschaften der erfindungsgemäßen Zusammensetzung, wie beispielsweise
deren Anzündbarkeit durch elektrische Entladung oder Einwirkung von UV-Licht, möglich.
[0019] Wie aus dem Stand der Technik bekannt ist, explodiert frisch hergestelltes poröses
Silizium, welches mit flüssigem Sauerstoff oder Gadoliniumnitrat versetzt wurde, spontan
bzw. bei minimaler Fremdeinwirkung durch Kratzen mit einem Diamantschneider. Diese
Reaktion ist aus sicherheitstechnischen Gesichtspunkten problematisch. Darüber hinaus
sind zur Zulassung als pyrotechnischer Treibsatz willkürliche Explosionen auszuschließen.
Auch bezüglich einer weiteren Verarbeitung der porösen Silizium-Wafer (z.B. Zersägen
des Wafers in einzelne Bauelemente oder Einkapseln der Elemente in Gehäuse) ist ein
derartig spontanes Zündverhalten in der Praxis unerwünscht.
[0020] Da die chemische Reaktion des porösen Brennstoffes von der Oberfläche aus erfolgt,
kann mittels einer weniger reaktiven Schutzschicht auf der Oberfläche der Nanokristalle
die für das Zünden des Brennstoffs zu überwindende Aktivierungsenergie erhöht werden.
Diese Passivierungsschicht kann nachträglich auf den porösen Brennstoff aufgebracht
und aus einem inerten Material (z.B. Teflon) bestehen. Die Passivierungsschicht kann
auch mittels thermischer, chemischer bzw. elektrochemischer Behandlung des Brennstoffes
aufgebaut werden.
[0021] Im Fall des porösen Siliziums besteht die Oberfläche der Siliziumnanokristalle direkt
nach dem Ätzen zum überwiegenden Teil aus Silizium-Wasserstoff-Bindungen (Si-H, Si-H
2, Si-H
3). Die Brennstoff/Oxidator-Reaktion setzt ein wenn eine Si-H-Bindung gebrochen wird
und Silizium mit Sauerstoff zu Si-O bzw. Si-O
2 unter Energieabgabe reagiert. Die geringe Aktivierungsenergie dieses Prozesses basiert
auf der geringen Bindungsstärke der Si-H-Bindung, welche daher leicht gebrochen werden
kann.
[0022] Eine stabile Passivierungsschicht kann z.B. durch Tempern der porösen Siliziumschicht
in Luft (im Anschluß an das elektrochemische Ätzen vor dem Füllen mit dem Oxidator)
gebildet werden. Abhängig von den Temperaturen bzw. der Dauer des Temperschritts sind
verschiedene Passivierungsgrade einstellbar. Erfolgt das Tempern im Bereich von zwischen
150°C und 300°C, bevorzugt bei etwa 200°C, bildet sich nach bis zu ca. 1600 Minuten
eine Sauerstoff-Submonolage aus Silizium-Sauerstoff-Bindungen (Si-O), welche eine
höhere Bindungsenergie als die Silizium-Wassserstoff-Bindungen aufweisen. Die Oberfläche
der Siliziumnanokristalle besteht nach dem Tempern aus H-Si-O-Komplexen, da bei etwa
200°C der Wasserstoff an der Oberfläche der Nanokristalle erhalten bleibt und Sauerstoff
unter der ersten Monolage an Silizium gebunden wird. (Messung mit FTIR; siehe z.B.:
"The oxidation behavior of silicon nanocrystals in the submonolayer region"; J. Diener,
M. Ben-Chorin, D. Kovalev, G. Polisski, F. Koch; Materials and Devices for Silicon-Based
Optoelectronics, Symposium. Mater. Res. Soc.; Warrendale, PA, USA, 1998, p. 261-6).
[0023] Um eine Reaktion des Brennstoffs mit dem Oxidator zu initiieren muß diese Si-O-Schicht
aufgebrochen werden. Damit eine Si-O-Bindung in diesem Submonolagenbereich bricht,
müssen mehrere Si-H Bindungen an der Oberfläche aufgebrochen werden. Dies erhöht die
notwendige Aktivierungsenergie. Derart getemperte und beispielsweise mit Kaliumnitrat
gefüllte Proben können mit einem Diamantschneider gekratzt und gebrochen werden, ohne
zu explodieren. Sie sind auch weitestgehend stoßunempfindlich. Die Explosion läßt
sich aber durch plötzliche Erwärmung, elektrische Entladung oder Einwirkung von UV-Licht
auslösen.
[0024] Die Passivierung der Oberfläche des porösen Brennstoffs erhöht auch die Langzeitstabilität
der explosionsfähigen Zusammensetzung, da eine zeitliche Änderung der Oberflächeneigenschaften
des Brennstoffs unter Einfluß des Oxidators nicht mehr eintreten kann.
[0025] Wird das Tempern bei Temperaturen über etwa 300°C durchgeführt (z.B. 700°C, 30 Sekunden),
wird der Wasserstoff von der Oberfläche der Nanokristalle abgetrieben und es bilden
sich Schichten aus "reinen" Si-O-Bindungen. Um eine Reaktion des Brennstoffs mit dem
Oxidator zu initiieren, muß diese Si-O-Passivierungsschicht aufgebrochen werden. Da
keine Si-H-Bindungen mehr vorhanden sind, die dies erleichtern, erhöht sich die Aktivierungsenergie
nochmals. Darüber hinaus kann über die Temperzeit die Si-O-Schichtdicke eingestellt
werden, da mit zunehmender Temperzeit die Schichtdicke wächst. Derart getemperte und
mit Kaliumnitrat gefüllte Proben sind extrem stabil und handhabungssicher, können
aber dennoch mittels einer plötzlichen Erwärmung zur Explosion gebracht werden.
[0026] Ein weiterer Vorteil einer solchen Passivierungsschicht mit vollständiger Sauerstoffbedeckung
ist die Wirkung als Diffusionsbarriere gegenüber dem Sauerstoffüberschuss in den Poren,
da neben explosionsartig verlaufenden Brennstoff/Oxidator-Reaktionen auch langsam
ablaufende Oxidationsprozesse stattfinden können. Diese Degradation des pyrotechnischen
Materials wird durch die Passivierung sicher verhindert und damit die Haltbarkeit
der explosionsfähigen Zusammensetzung erhöht.
[0027] Der Oxidator besteht bevorzugt ganz oder teilweise aus Verbindungen, die aus der
Gruppe der Alkalimetallnitrate und -perchlorate, Erdalkalimetallnitrate und -perchlorate,
Ammoniumnitrat, Ammoniumperchlorat und deren Mischungen ausgewählt sind. Besonders
bevorzugt ist der Oxidator ein Alkalimetallnitrat, wie Lithiumnitrat, Natriumnitrat
und Kaliumnitrat, ein Erdalkalimetallnitrat, wie Strontiumnitrat oder ein Alkalimetallperchlorat,
wie Lithiumperchlorat, Natriumperchlorat und Kaliumperchlorat. Diese Verbindungen
sind leicht verfügbar und bilden lagerstabile Zusammensetzungen aus. Bevorzugt liegt
der Anteil dieser Verbindungen im Oxidator bei wenigstens, 70 Gew.-%. Vorteilhafterweise
werden solche Verbindungen verwendet, die eine ausreichende Löslichkeit in organischen
Lösungsmitteln, wie Alkoholen, Ethern und Ketonen, aufweisen und/oder ohne Zersetzung
schmelzen.
[0028] Der Oxidator und der Brennstoff können etwa in einem stöchiometrischen Verhältnis
vorliegen. Je nach Anwendungszweck kann der Oxidator im Verhältnis zum Brennstoff
aber auch überbilanziert oder unterbilanziert sein.
[0029] Beispiele für einen Oxidator aus der Gruppe der organischen Nitroverbindungen sind
Dinitromethan, Trinitromethan, Tetranitromethan, Dinitrofurazan, Nitroglyzerin oder
2,2,2-Trinitroethanol. Als organische Nitrate können Verbindungen verwendet werden,
die eine Sauerstoffbilanz von größer als - 30 %, bevorzugt größer als - 20 % und besonders
bevorzugt von größer als 0 % aufweisen. Geeignet sind insbesondere Glycerintrinitrat,
1,2,3,4-Butantetroltetranitrat, Aminotetrazolnitrat, Pentaerythrittetranitrat und
Ethylendiamindinitrat. Mit "Sauerstoffbilanz" wird diejenige Menge an Sauerstoff (in
Gewichtsprozent) bezeichnet, die bei vollständiger Umsetzung einer Verbindung zu CO
2, H
2O, etc. frei wird (O
2-Überbilanzierung) oder fehlt (O
2-Unterbilanzierung). Die Fehlmenge wird mit negativen Vorzeichen angegeben.
[0030] Das Einbringen des Oxidators in den porösen Brennstoff erfolgt vorzugsweise durch
Auftragen des Oxidators als Flüssigkeit oder in Lösung, wobei die Flüssigkeit bzw.
die Lösung über Kapillarkräfte in den Poren gehalten wird. Anschließend kann das Lösungsmittel
verdampft werden, so daß der Oxidator in fester Form in den Poren verbleibt. Als Lösungsmittel
werden bevorzugt Wasser, Alkohole, Ether, Ketone oder deren Gemische verwendet. Ferner
kann das Einbringen des Oxidators auch durch Auftrag als Schmelze mit anschließender
Erstarrung in den Poren, oder durch elektrochemische Abscheidungsverfahren erfolgen.
Weiterhin ist das Einbringen des Oxidators auch durch chemisches Aufdampfen (CVD,
MOCVD) oder physikalisches Aufdampfen (PVD) möglich.
[0031] Die erfindungsgemäße Zusammensetzung weist den Vorteil auf, daß für den Abbrand keine
Verdampfung von Brennstoff und/oder Oxidator notwendig ist, da die Reaktanden bereits
auf atomarer oder molekularer Ebene homogen miteinander vermischt sind. Damit wird
eine herausragende Homogenität des pyrotechnischen Satzes bzw. des explosionsfähigen
Materialserreicht. Über die Porosität des Brennstoffs und eine mögliche Passivierung
sind darüber hinaus die pyrotechnischen Eigenschaften der Zusammensetzung gezielt
einstellbar und können optimal an den jeweiligen Anwendungsfall angepaßt werden.
[0032] Die erfindungsgemäße Zusammensetzung weist zudem eine hohe Strukturfestigkeit auf,
da der Brennstoff als feste, formgebende Matrix vorliegt. Die Zusammensetzung kann
somit als tragendes Bauteil in pyrotechnischen Gegenständen, z. B. Anzündern, verwendet
werden. Im Falle der Verwendung von porösem Silizium als Brennstoff sind außerdem
die aus der Halbleitertechnik und Mikromechanik bekannten Herstellverfahren anwendbar.
Damit besteht die Möglichkeit zu kostengünstiger Produktion unter Verwendung von Standardbauteilen.
Insbesondere wird die vollständige Integration der erfindungsgemäßen Zusammensetzung
in Halbleiterschaltkreise ermöglicht.
[0033] Gegenstand der Erfindung sind somit auch die Verwendung der erfindungsgemäßen Zusammensetzung
als Zündmittel bzw. als Bestandteil eines Anzünders. Dieser Anzünder kann in vorteilhafter
Weise in einem Halbleiterschaltkreis integriert sein. Insbesondere kann der Anzünder
Bestandteil eines Sicherheitssystems in Fahrzeugen, wie beispielsweise eines Gasgenerators
für einen Gurtstraffer oder ein Gassackmodul sein.
[0034] Darüber hinaus ist denkbar, die explosionsfähige Zusammensetzung gemäß der Erfindung
als Bestandteil eines mikromechanischen Antriebs zu verwenden. Auch dieser mikromechanische
Antrieb kann vorteilhafterweise in einen Halbleiterschaltkreis integriert sein.
[0035] Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung
bevorzugter Ausführungsformen.
Beispiel 1
[0036] Zur Herstellung einer erfindungsgemäßen explosionsfähigen Zusammensetzung wird zunächst
poröses, nanostrukturiertes Silizium bereitgestellt. Grundsätzlich stehen für die
technische Herstellung dieses Materials eine Vielzahl von Technologien zur Verfügung.
Hierzu zählen Verfahren, die auf der Abscheidung des Siliziums aus der Gasphase beruhen,
wie beispielsweise MOCVD, MBE, CVD, PVD oder Sputtern. Diese Verfahren sind jedoch
komplex und kostenintensiv und deshalb weniger bevorzugt.
[0037] Erfindungsgemäß wird das poröse Silizium hier durch elektrochemisches Ätzen gemäß
dem in Materials Science and Engineering B 69 - 70 (2000) 11- 22 oder Phys. Rev. Lett.
(2001), 87, 68 301 ff., beschriebenen Verfahren bereitgestellt. Hierzu wird ein Siliziumsubstrat
in einer Ätzzelle als Anode geschaltet und in einem fluorwasserstoffhaltigen Elektrolyten,
beispielsweise einem Gemisch aus gleichen Volumenanteilen von Ethanol und konzentrierter
Fluorwasserstoffsäure (50 %ig) bei einem Anodisierungsstrom von zwischen 20 und 70
mA/cm
2 behandelt. Das Siliziumsubstrat ist in diesem Fall p-dotiert, kann aber auch n-dotiert
oder undotiert sein. Das Volumenverhältnis von HF und Ethanol variiert bevorzugt im
Bereich zwischen 3:1 und 1: 3. Die Porosität des so erhaltenen Siliziums lag im Bereich
zwischen 40 % und 80 %. Die Strukturgröße variierte zwischen 2 und 10 nm. Zur Passivierung
der Oberfläche des porösen Siliciums wurde dieses anschließend 30 sec lang bei etwa
700°C an Luft getempert.
[0038] Das so erhaltene poröse Silizium wurde mit einer Kaliumnitratlösung getränkt und
anschließend an Luft getrocknet. Mit Hilfe eines elektrischen Funkens konnte eine
starke Explosion ausgelöst werden. Theoretische Berechnungen ergaben für die Explosion
eine Energiefreisetzung im Bereich von 28 kJ/g. Die berechneten Verbrennungstemperaturen
lagen im Bereich zwischen 2900 und 4100 K.
Beispiel 2
[0039] Ein (100) orientierter, Bor dotierter Siliziumeinkristall-Wafer mit einem spezifischen
Widerstand von 10 - 20 mOhm cm wurde in einer Lösung aus 25% HF, 50% Ethanol und 25%
Wasser elektrochemisch geätzt. Bei einer Stromdichte von 100 A/cm
2, Substrat auf Plus geschaltet, ergab sich poröses Silizium mit einer Porengröße von
10 - 20 nm und einer Porosität von 60%.
[0040] Die Probe wurde durch 30 Sekunden langes Tempern an Luft bei 400°C passiviert, so
daß sich auf der Oberfläche des porösen Siliziums etwa eine Monolage SiO
2 bildete.
[0041] Anschließend wurde LiClO
4 als Oxidator in die Poren eingebracht, indem eine gesättigte Lösung von LiClO
4 in Methanol auf die Oberfläche des porösen Siliziums gegeben wurde. Durch die starken
Kapillarkräfte der Poren wurde diese Lösung in das poröse Silizium gesogen. Danach
wurde die Probe etwa 10 Minuten lang bei Raumtemperatur getrocknet; dabei scheiden
sich geringe Mengen LiClO
4 an der Oberfläche des porösen Materials ab.
[0042] Die so behandelte Probe wurde dann auf ca. 270°C erhitzt. Dabei schmilzt das oberflächige
LiClO
4 und dringt aufgrund der Kapillarkräfte ebenfalls in die Poren ein. Gleichzeitig wird
durch die erneute Wärmebehandlung in Gegenwart von LiClO
4 die Langzeitstabilität der Probe wesentlich verbessert.
[0043] Derart preparierte Proben lassen sich z.B. durch schnelles Aufheizen mittels einer
Heizplatte oder mittels einem auf der Oberfläche der Probe angebrachten stromdurchflossenen
Dünnschichtwiderstand unter lautem Knall zur spontanen Reaktion bringen. Dagegen sind
die Proben aber reib- und stoßunempfindlich.
[0044] Weitere geeignete explosionsfähige Zusammensetzungen sind in der folgenden Tabelle
angegeben. Bevorzugt weisen diese Zusammensetzungen etwa 20 bis 50 Gew.-% poröses
Silizium und etwa 50 bis 80 Gew.-% eines Alkalimetallnitrats als Oxidationsmittel
auf.
|
Rezeptur 1 |
Rezeptur 2 |
Rezeptur 3 |
Rezeptur 4 |
Rezeptur 5 |
Rezeptur 6 |
LiNO3 |
|
|
|
|
65% |
56 % |
NaNO3 |
|
|
71 % |
61 % |
|
|
KNO3 |
74% |
64 % |
|
|
|
|
Si |
26% |
36% |
30% |
40 % |
36% |
44 % |
Sauerstoff- bilanz |
ausbilanziert |
unterbilanziert |
ausbilanziert |
unterbilanziert |
unterbilanziert |
unterbilanziert |
Temperatur (K) berechnet |
4053 |
2991 |
4086 |
3262 |
3958 |
3561 |
Si Überschuß (%) |
0% |
10% |
0% |
10% |
1,5 % |
10% |
[0045] Die Ergebnisse zeigen, daß sich das System poröses Silizium/Kaliumnitrat zur Verwendung
als explosionsfähiges Material eignet. Über die Porosität des porösen Siliziums kann
die Stärke der Explosion gesteuert werden, da das Porenvolumen die Menge des eingebrachten
Oxidationsmittels und damit die Stöchiometrie der Reaktionspartner festlegt. Die über
die Stromdichte bzw. die Fluoridkonzentration beim Ätzen leicht zu kontrollierende
Porosität ermöglicht eine Optimierung der Sprengkraft mit einfachen Mitteln. Gleichzeitig
kann durch das so vorgegebene Verhältnis von Brennstoff zu Oxidationsmittel der gesamte
Bereich der Oxidationsreaktion von der Verbrennung über die Verpuffung bis zur Explosion
mit nur einer Zusammensetzung abgedeckt werden. Die Oxidation erfolgt im Gegensatz
zu dem System poröses Silizium/flüssiger Sauerstoff nicht spontan, sondern läßt sich
beispielsweise durch einen Stromimpuls gezielt auslösen.
[0046] Durch die Verwendung von porösem Silizium als Ausgangsmaterial ist es ferner möglich,
die explosive Zusammensetzung auf der Grundlage von porösem Silizium zusammen mit
der Ansteuerelektronik kompakt auf einem Chip zu integrieren. Damit ist die Verwendung
der erfindungsgemäßen explosionsfähigen Zusammensetzung als Zündmittel bzw. als in
einen Halbleiterschaltkreis integrierten Anzünder vorgegeben. Hierdurch wird eine
Miniaturisierung bereits bekannter Systeme ermöglicht, deren Funktionsprinzip auf
einer Explosion beruht. Der so hergestellte Anzünder kann in einem Sicherheitssystem
für Fahrzeuge, beispielsweise einem Gassackmodul oder einem Gurtstraffer, eingesetzt
werden.
[0047] Mit Schichten aus der erfindungsgemäßen explosionsfähigen Zusammensetzung auf der
Grundlage von porösem Silizium können darüber hinaus Muster in anderen Materialien
erzeugt werden. Die Schichten können mit einer lateralen Ausdehnung von einigen hundert
Mikrometern hergestellt werden, wobei die Schichtdicke im Bereich von einigen Mikrometern
liegt. Die resultierende zweidimensionale Geometrie ergibt bei der Explosion eine
gerichtete Druckwelle, die sich senkrecht zur Schicht ausbreitet. Damit werden gezielt
räumliche Bereiche deformiert und Muster erzeugt, die benachbarten Gebiete jedoch
nicht beeinflußt. In Verbindung mit der Maskentechnologie der Mikroelektronik können
so die unterschiedlichsten Geometrien der auf porösem Silizium beruhenden explosionsfähigen
Zusammensetzung und damit die unterschiedlichsten Druckwellenprofile hergestellt werden.
Kleine Mengen der explosionsfähigen Zusammensetzung lassen eine Strukturierung im
Mikrometerbereich zu.
1. Explosionsfähige Zusammensetzung mit einem porösen Brennstoff und einem Oxidator,
dadurch gekennzeichnet daß der poröse Brennstoff ein Festkörper mit einer Strukturgröße von zwischen etwa 2
nm und 1000 nm und einer Porosität (VPoren/VProbe) von zwischen 10 % und 98% ist, und der bei Raumtemperatur feste oder flüssige Oxidator
in die Poren des porösen Brennstoffs eingebracht und zu wenigstens 50 Gew. %, bezogen
auf die Gesamtmenge des Oxidators, aus der aus Wasserstoffperoxid, Hydroxylammoniumnitrat,
organischen Nitroverbindungen oder Nitraten, Alkalimetall- oder Erdalkalimetallnitraten,
und Metallnitriten, -chloraten, -perchloraten, -bromaten, -jodaten, -oxiden, -peroxiden,
Ammoniumperchlorat, Ammoniumnitrat und deren Mischungen bestehenden Gruppe ausgewählt
ist.
2. Zusammensetzung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Brennstoff eine Strukturgröße von zwischen 2 nm und 50 nm aufweist.
3. Zusammensetzung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Brennstoff eine innere spezifische Oberfläche von bis zu 1000 m2/cm3 aufweist.
4. Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Brennstoff aus der aus Si, Ge, SiGe, SiC, InP, GaAs, C, Be, Mg, Al, Ti und Metallhydriden
sowie Kombinationen und Verbindungen davon bestehenden Gruppe ausgewählt ist.
5. Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Brennstoff ein halbleitendes Material, insbesondere poröses Silizium ist.
6. Zusammensetzung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Brennstoff wenigstens teilweise passiviert ist.
7. Zusammensetzung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß der Brennstoff durch Tempern an Luft passiviert ist.
8. Zusammensetzung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen 50 und 100 Gew.% des Oxidators aus einer Verbindung besteht, die aus der
aus den Alkalimetallnitraten und -perchloraten, Erdalkalimetallnitraten und -perchloraten,
Ammoniumnitrat, Ammoniumperchlorat und deren Mischungen bestehenden Gruppe ausgewählt
ist.
9. Zusammensetzung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß der Oxidator ein Alkalimetallnitrat oder Erdalkalimetallnitrat ist.
10. Zusammensetzung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Brennstoff eine anisotrope Porosität aufweist.
11. Zusammensetzung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Oxidator und der Brennstoff etwa in einem stöchiometrischen Verhältnis vorliegen.
12. Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß der Oxidator im Verhältnis zum Brennstoff überbilanziert ist.
13. Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, daß der Oxidator im Verhältnis zum Brennstoff unterbilanziert ist.
14. Verfahren zur Herstellung einer explosionsfähigen Zusammensetzung nach einem der vorhergehenden
Ansprüche, welches die folgenden Schritte umfaßt.
Bereitstellen eines porösen Brennstoffs gemäß Anspruch 1; und
Einbringen eines Oxidators in die Poren des Brennstoffs durch elektochemisches
Abscheiden, physikalisches oder chemisches Aufdampfen, durch Auftragen des Oxidators
als Flüssigkeit oder gelöst in einem Lösungsmittel und, gegebenenfalls, Verdampfen
des Lösungsmittels.
15. Verfahren nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, daß als Brennstoff poröses Silicium verwendet wird, wobei das poröse Silicium durch elektrochemisches
Ätzen in einem HF-haltigen Elektrolyten hergestellt wird.
16. Verfahren nach Anspruch 15, dadurch gekennzeichnet, daß das poröse Silicium an Luft getempert wird.
17. Verfahren nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, daß das Tempern bei einer Temperatur zwischen 150°C und 300°C unter Ausbildung einer
Sauerstoff-Submonolage erfolgt.
18. Verfahren nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, daß das Tempern bei einer Temperatur über 300°C unter Ausbildung einer Si-O-Passivierungsschicht
erfolgt.
19. Verwendung der explosionsfähigen Zusammensetzung nach einem der vorhergehenden Ansprüche
als Zündmittel.
20. Verwendung der explosionsfähigen Zusammensetzung nach einem der vorhergehenden Ansprüche
als Bestandteil eines Anzünders.
21. Verwendung nach Anspruch 20, dadurch gekennzeichnet, daß der Anzünder in einen Halbleiterschaltkreis integriert ist.
22. Verwendung nach Anspruch 20 oder 21, dadurch gekennzeichnet, daß der Anzünder Bestandteil eines Sicherheitssystems in Fahrzeugen ist.
23. Verwendung der explosionsfähigen Zusammensetzung nach einem der Ansprüche 1 bis 13
als Bestandteil eines mikromechanischen Antriebs.
24. Verwendung nach Anspruch 23, dadurch gekennzeichnet, daß der mikromechanische Antrieb in einen Halbleiterschaltkreis integriert ist.