(19)
(11) EP 1 353 529 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
15.10.2003  Patentblatt  2003/42

(21) Anmeldenummer: 02008404.2

(22) Anmeldetag:  12.04.2002
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7H04R 25/00, A61B 5/12
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(71) Anmelder: Siemens Audiologische Technik GmbH
91058 Erlangen (DE)

(72) Erfinder:
  • Chalupper, Josef
    85307 Paunzhausen (DE)
  • Mergell, Patrick, Dr.
    91052 Erlangen (DE)

(74) Vertreter: Berg, Peter, Dipl.-Ing. 
Siemens AG Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Internetbasierte Auralisation von Schwerhörigkeit


(57) Qualitativ hochwertige Simulationen von Hörverlusten sollen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Hierzu werden eine Vielzahl von Hörverlusten simuliert (4, 7) und über ein Datennetz, insbesondere das Internet (8), einem Schwerhörigen oder seinen Angehörigen entsprechende Simulationsdaten zur Verfügung gestellt. Der Benutzer kann in einem internetbasierten Hörtest (9) ein individuelles Audiogramm erstellen und Hörbeispiele zur Auralisation des Hörverlusts auf der Grundlage des individuellen Audiogramms vom Internet laden.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein System zur Auralisation, d. h. zur Vermittlung eines Höreindrucks, mit einer Simulationsvorrichtung zur Simulation eines Hörverlusts. Ferner betrifft die vorliegende Erfindung ein entsprechendes Verfahren zur Vermittlung eines Höreindrucks.

[0002] Um die Auswirkungen auf die Hörwahrnehmung, die durch einen individuellen Hörverlust beziehungsweise eine geeignete Hörgeräteversorgung hervorgerufen werden, sowohl für Normalhörende, als auch für die betroffenen Schwerhörigen hörbar zu machen, werden mehrkanalige Dynamikexpansionssysteme eingesetzt. Diese Systeme erlauben eine kanalabhängige Verstärkung in mehreren Kanälen auch in Abhängigkeit vom jeweiligen Eingangspegel. Die Parameter für die Dynamikexpansionssysteme werden durch audiometrische Messungen bestimmt.

[0003] Die auftretenden Hörverluste sind sehr vielfältig und beinhalten sehr unterschiedliche Aspekte. Beispiele für diese Aspekte sind reduzierte Zeit- und Frequenzauflösung, sowie das sog. Rekruitment, das die veränderte Lautstärkewahrnehmung von Schwerhörigen beschreibt.

[0004] Bei Hörverlusten ist es nicht nur wichtig, dem Betroffenen den Höreindruck zu vermitteln, den er hätte, wenn er ein Hörgerät tragen würde. Es ist in vielerlei Hinsicht auch wichtig, den Angehörigen eine Auralisation der Schwerhörigkeit zu bieten. Dabei kann den normalhörenden Angehörigen durch Simulation der Höreindruck des Schwerhörigen mit und ohne Hörgerät vermittelt werden.

[0005] Voraussetzung für die Auralisation ist jedoch eine audiometrische Messung und Erstellung eines individuellen Audiogramms. Derartige Messungen können jedoch nur von Fachleuten, nämlich Hörgeräteakustikern und Ärzten, durchgeführt werden. Die entsprechenden Systeme sind darüber hinaus nur von Experten bedienbar und für diese wirtschaftlich rentabel. Damit können die betroffenen Schwerhörigen und Angehörigen in der Regel nicht anonym und kostengünstig eine derartige Auralisation vermittelt bekommen.

[0006] Einfachere Systeme zur Vermittlung von Höreindrücken beziehungsweise Auralisation verwenden beispielsweise CDs, auf der einige wenige typische Hörverluste als Hörbeispiele gespeichert sind. Damit ist ein Nutzen für einen individuellen Hörverlust nur in seltenen Fällen gegeben. Andere Systeme verwenden einfache Filter anstelle der mehrkanaligen Expansion. Dadurch lässt sich jedoch ein Hörverlust in der Regel nur unzureichend auralisieren.

[0007] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, die Auralisation von Hörverlusten und Gewinnen durch Hörgeräte einer breiten Masse von Betroffenen mit hoher Qualität zur Verfügung zu stellen.

[0008] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein System zur Vermittlung eines Höreindrucks an einen Benutzer mit einer Simulationsvorrichtung zur Simulation eines Hörverlusts und/oder Hörgerätegewinns, sowie einem Datennetz, an das die Simulationsvorrichtung angeschlossen ist, zur Übertragung von Daten bezüglich des Hörverlusts und/oder Hörgerätegewinns von dem Benutzer an die Simulationsvorrichtung und zur Übertragung von Simulationsdaten an den Benutzer.

[0009] Ferner wird die oben genannte Aufgabe erfindungsgemäß gelöst durch ein Verfahren zur Vermittlung eines Höreindrucks an einen Benutzer durch Simulation eines Hörverlusts und/oder Hörgerätegewinns unter Erstellung von Simulationsdaten, sowie Übertragen der Simulationsdaten bezüglich des Hörverlusts über ein Datennetz zu dem Benutzer.

[0010] In vorteilhafter Weise können damit sowohl die Erfassung audiometrischer Daten und die Auralisation der damit verbundenen Auswirkungen auf die Hörwahrnehmung als auch die Auswahl einer geeigneten Hörhilfe und deren Anpassung und Demonstration für die Betroffenen über das Internet angeboten werden. Damit wird eine kostengünstige oder kostenlose und anonyme Information für individuelle Hörverluste ermöglicht.

[0011] Der Vorteil ergibt sich im Wesentlichen aus der Kombination eines Datennetzes beziehungsweise des Internets mit einem Auralisationsverfahren, das durch die Verwendung eines Gehörmodells die Auswirkungen von Schwerhörigkeit realistisch hörbar machen kann. Eine Weiterentwicklung besteht darin, auf Seiten des Benutzers an einem Terminal des Datennetzes beziehungsweise Internets beispielsweise zu Hause und nicht beim Hörgeräteakustiker einen Hörtest durchzuführen. Eine vorteilhafte Weiterbildung der vorliegenden Erfindung besteht ferner darin, dass eine repräsentative Menge von Hörverlusten statistisch beispielsweise durch eine PCA-Analyse (Principal Component Analysis) aufbereitet und für die Auralisation zur Verfügung gestellt werden kann.

[0012] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert, die ein Datenflussdiagramm für die erfindungsgemäße internetbasierte Auralisation von Schwerhörigkeit darstellt.

[0013] Das nachfolgende Ausführungsbeispiel ist eine bevorzugte Ausführungform der vorliegenden Erfindung.

[0014] Die Darstellung zeigt in der linken Hälfte, wie die Simulationsdaten für die Auralisation offline generiert werden. In der rechten Hälfte der Darstellung ist angedeutet, wie dem Benutzer die Simulation der Höreindrücke online zur Verfügung steht.

[0015] Für die Simulation wird zunächst offline eine Simulationsdatenbank 1 erstellt. Hierzu wird eine repräsentative Auswahl von Hörverlusten in einem Speichermedium 2 aufgezeichnet. Die Daten der einzelnen Hörverluste werden in einer Analyseeinrichtung 3 einer PCA-Analyse unterzogen. Durch die PCA-Analyse wird die Anzahl und Art der unterscheidbaren "Standard-Hörverluste" eines Hörtests mittels orthogonaler Komponentenzerlegung bestimmt. Für die Art des Hörverlusts sind insbesondere von Bedeutung die Hörschwelle HTL (hearing threshold level) und der Pegel der unangenehmen Lautstärke UCL (uncomfortable level). Die PCA-Analyse liefert Standard-Audiogramme, die beispielsweise unmittelbar in der Datenbank 1 gespeichert werden können, damit sie für einen Vergleich mit einem individuellen Audiogramm zur Verfügung stehen.

[0016] In einer ersten Simulationseinrichtung 4 können die Hörverluste eines Schwerhörigen für Normalhörende simuliert werden. Hierbei werden Hörbeispiele erstellt, die einem Normalhörenden die Hörsituation eines Schwerhörigen vermitteln beziehungsweise auralisieren. Die Hörbeispiele werden wiederum in der Datenbank 1 abgelegt.

[0017] In einer Auswahl- und Anpasseinrichtung 5 können entsprechend dem jeweiligen Standard-Audiogramm ein geeignetes Hörgerät ausgewählt und angepasst werden. Um die Übertragungseigenschaften des Hörgerätes realistisch zu erfassen, werden mit einer geeigneten Vorrichtung (z. B. Kunstkopf, KEMAR), an die das Hörgerät angebracht ist, Aufnahmen gemacht. Um eine möglichst natürliche akustische Situation zu erzeugen, werden hierbei natürliche Schalle aus einer oder mehreren Schallquellen dargeboten. Diese Aufnahmen werden anschließend entzerrt. Sowohl Aufnahme als auch Entzerrung erfolgen in Einheit 6. Als Ausgangssignal der Einheit 6 ergibt sich eine Auralisation für den Schwerhörigen in einer Situation, in der er ein Hörgerät tragen würde. Diese Auralisationsbeispiele werden ebenfalls in der Datenbank 1 abgelegt.

[0018] Damit auch der Normalhörende erfahren kann, welche Wahrnehmung der Schwerhörige mit Hörgerät hat, können die Auralisationsdaten der Einheit 6 einer zweiten Simulationseinrichtung 7 zugeführt werden, die wiederum den Hörverlust des Schwerhörenden simuliert. Auch diese Simulationsdaten werden in der Datenbank 1 abgelegt. Die erste und zweite Simulationseinrichtung 4 und 7 können identisch sein.

[0019] Die Simulationsdatenbank 1 wird nun für den online-Betrieb im Internet 8 zur Verfügung gestellt. Der Benutzer führt einen internetbasierten Hörtest 9 durch und ermittelt so sein individuelles Audiogramm. Dieses individuelle Audiogramm wird mit den in der Datenbank 1 hinterlegten Standard-Audiogrammen verglichen und das dem individuellen Audiogramm ähnlichste Standard-Audiogramm wird in der Auswahl 10 ermittelt. Aufgrund dieser Auswahl können Hörbeispiele über das Internet von der Datenbank 1 zum Benutzer, d. h. dem Schwerhörigen oder Angehörigen, geladen und zur Darbietung 11 gebracht werden. Im Anschluss an die Darbietung der Auralisation 11 kann über ein Bestellformular 12 online eine Hörhilfe beim entsprechenden Hersteller bestellt werden.

[0020] Für diejenigen Standard-Hörverluste, mit denen 90 % der Hörverluste beschrieben werden können, werden Auswahl und Anpassung einer geeigneten Hörhilfe offline durchgeführt. Ebenfalls offline vorgefertigt werden die Auralisationen der Standard-Hörverluste - wie bereits beschrieben - und die Auralisationen der entsprechend angepassten Hörgeräte in verschiedenen natürlichen akustischen Umgebungen, z. B. bei einer Cocktail-Party, einem Konzert etc.


Ansprüche

1. System zur Vermittlung eines Höreindrucks an einen Benutzer mit
einer Simulationsvorrichtung (4, 7) zur Simulation eines Hörverlusts und/oder Hörgerätegewinns,
gekennzeichnet durch
ein Datennetz (8), an das die Simulationsvorrichtung (4, 7) angeschlossen ist, zur Übertragung von Daten bezüglich des Hörverlusts und/oder Hörgerätegewinns von dem Benutzer an die Simulationsvorrichtung (4, 7) und zur Übertragung von Simulationsdaten an den Benutzer.
 
2. System nach Anspruch 1, wobei das Datennetz (8) das Internet umfasst.
 
3. System nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Simulationsvorrichtung (4, 7) eine Analyseeinrichtung (3) zur Analyse der Daten bezüglich mehrerer Hörverluste umfasst.
 
4. System nach Anspruch 3, wobei mit der Analyseeinrichtung (3) eine Komponentenanalyse insbesondere nach orthogonalen Komponenten von Hörverlusten durchführbar ist.
 
5. System nach einem der Ansprüche 1 bis 4, das ein Speichermedium (2), in dem vorgegebene Hörverlusttypen gespeichert sind und das an die Simulationsvorrichtung angeschlossen ist, umfasst.
 
6. System nach einem der Ansprüche 1 bis 5, das eine Hörtesteinrichtung (9), welche an das Datennetz (8) angeschlossen ist, als Terminal bei dem Benutzer zur Erstellung eines individuellen Audiogramms umfasst.
 
7. System nach Anspruch 6, wobei die Hörtesteinrichtung (9) eine Auswahleinrichtung (10) zur Auswahl eines vorgegebenen Audiogramms auf der Basis des individuellen Audiogramms umfasst.
 
8. System nach Anspruch 7, wobei die Hörtesteinrichtung (9) eine Darbietungseinrichtung (11) zur Vermittlung eines Höreindrucks auf der Basis des ausgewählten Audiogramms und der Simulationsdaten von dem Datennetz (8) umfasst.
 
9. Verfahren zur Vermittlung eines Höreindrucks an einen Benutzer durch
Simulation (4, 7) eines Hörverlusts und/oder Hörgerätegewinns unter Erstellung von Simulationsdaten,
gekennzeichnet durch
Übertragen der Simulationsdaten bezüglich des Hörverlusts und/oder Hörgerätegewinns über ein Datennetz (8) zu dem Benutzer.
 
10. Verfahren nach Anspruch 9, wobei das Datennetz (8) das Internet umfasst.
 
11. Verfahren nach Anspruch 9 oder 10, wobei vor dem Simulieren (4, 7) ein Analysieren (3) standardisierter Hörverluste stattfindet.
 
12. Verfahren nach Anspruch 11, wobei das Analysieren (3) eine Komponentenanalyse insbesondere nach orthogonalen Komponenten von Hörverlusten umfasst.
 
13. Verfahren nach Anspruch 11 oder 12, wobei vor dem Analysieren (3) ein Speichern einer Vielzahl von Hörverlustdaten in einem Speichermedium (2) erfolgt.
 
14. Verfahren nach einem der Ansprüche 9 bis 13, wobei bei dem Benutzer ein Hörtest (9) durchgeführt wird und das gewonnene individuelle Audiogramm über das Datennetz (8) zu der Simulationsvorrichtung (4, 7) übermittelt wird.
 
15. Verfahren nach Anspruch 14, wobei für den Benutzer aufgrund seines individuellen Audiogramms ein vorgegebenes Audiogramm für die Simulation (4, 7) ausgewählt wird.
 
16. Verfahren nach Anspruch 15, wobei zur Vermittlung des Höreindrucks auf der Basis des ausgewählten Audiogramms Simulationsdaten über das Datennetz (8) zu dem Benutzer übermittelt werden.
 




Zeichnung







Recherchenbericht