(19)
(11) EP 1 380 809 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.01.2004  Patentblatt  2004/03

(21) Anmeldenummer: 03015441.3

(22) Anmeldetag:  09.07.2003
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7F41H 5/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK

(30) Priorität: 10.07.2002 DE 10231278

(71) Anmelder: SGL CARBON AG
65203 Wiesbaden (DE)

(72) Erfinder:
  • Benitsch, Bodo
    86647 Buttenwiesen (DE)

   


(54) Keramische Verbundkörper


(57) Keramischer Verbundkörper umfassend mindestens zwei Schichten, dadurch gekennzeichnet, dass eine Werkstoffschicht A Phasen aus einem Metall und dem Carbid dieses Metalls enthält, und dass eine Werkstoffschicht B durch Sintern lose gebundenes Siliciumcarbid enthält, Verfahren zu seiner Herstellung, und Verwendung als Schutzpanzerung gegen die Einwirkung von Geschossen.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft keramische Verbundkörper umfassend mindestens zwei Schichten, insbesondere für Schutzpanzerungen , die für zivile und militärische Einsatzgebiete geeignet sind. Insbesondere betrifft die Erfindung Körper aus einem überwiegend Siliciumcarbid (SiC) enthaltenden mehrschichtigen Werkstoffverbund, mit einer im wesentlichen aus in einer Matrix aus freiem Silicium (Si) gebundenem SiC bestehenden außenliegenden Werkstoffschicht und einer innenliegenden Werkstoffschicht enthaltend lose gebundenes SiC- Keramikpulver, sowie ein Verfahren zu deren Herstellung und Verwendungen dieser Verbundkörper.

[0002] Für Schutzpanzerungen gegen die ballistische Einwirkung von Projektilen werden je nach Einsatzgebiet unterschiedliche Anforderungen an die geschossbrechende Wirkung, Multihit-Tauglichkeit, Bauteilgeometrie oder Bauteilgewicht gestellt.

[0003] Im zivilen Bereich konzentriert sich der Einsatz insbesondere auf den Personenschutz, gepanzerte Limousinen und Schutzwesten. Die Anforderungen an die geschossbrechende Wirkung sind nicht so hoch, da in diesem Bereich selten mit schweren Waffen beziehungsweise mittleren und großen Kalibern gerechnet werden muss. Hohe Anforderungen werden unter anderem an Bauteilgeometrie und Bauteilgewicht gestellt. Es werden komplex geformte Teile verlangt, gekoppelt mit der Forderung nach einer möglichst geringen Bauteildicke oder Einbautiefe und geringem Gewicht. Die Distanz zur Bedrohung ist meist sehr kurz und kann bei nur wenigen Metern liegen. Dies führt im Falle des häufig auftretenden Mehrfachbeschusses (hier als "Multihit" bezeichnet) zu nahe beieinander liegenden Treffern. Daraus ergeben sich höchste Anforderungen an die Multihit-Tauglichkeit der Schutzpanzerung.

[0004] Im militärischen Bereich ist von einer Bedrohung durch Hochgeschwindigkeits- und großkalibrige Geschosse sowie Explosivgeschosse auszugehen. Obwohl die Anforderungen an die Bauteildicke und Einbautiefe geringer sind als im zivilen Bereich, ist auch hier ein geringes spezifisches Gewicht des Panzerungsmaterials von entscheidender Bedeutung, denn aufgrund der extrem hohen Anforderungen an die energieabsorbierende Wirkung muss das Schutzpanzerungs-Bauteil im allgemeinen sehr dick ausgeführt werden.

[0005] Die großen Distanzen zu den Zielobjekten bedingen im allgemeinen große Trefferabstände. Daher werden hier geringere Anforderungen an die Multihit-Tauglichkeit gestellt.

[0006] Zur Panzerung im militärischen Bereich werden heute häufig flache Platten als Zusatzpanzerung für Land- und Wasserfahrzeuge sowie für Helikopter, Container, Behälter, Unterstände und Feldbefestigungen eingesetzt.

[0007] Eine Panzerung aus einer oder mehreren Panzerstahlplatten wird üblicherweise so behandelt, dass zumindest die der Bedrohung zugewandte Seite extrem hart und damit geschossbrechend wird. Die der Bedrohung abgewandte Seite ist duktiler oder zäher ausgestaltet, um durch eine Materialdeformation die Energie des Geschosses zu absorbieren. Hieraus ergibt sich auch der für Panzerplatten aus anderen Materialien typische Aufbau.

[0008] Gegenüber den Metallen weisen die keramischen Werkstoffe den Vorteil höherer Härte und geringeren spezifischen Gewichts auf. Da die monolithische Keramik beim Beschuss ein typisches Sprödbruchverhalten zeigt, bersten Keramikplatten (monolithische Keramik) unter Bildung vieler grober bis feinster Splitter. Die Verwendung von Keramikplatten ohne zusätzliches Backing (Stützmaterial und Splitterfang) auf der dem Eintritt des Geschosses abgewandten Seite ist aufgrund des Splitterabgangs beim Beschuss nicht sinnvoll. Durch den Beschuss wird im allgemeinen die jeweilige Keramikplatte völlig zerstört. Ein Mehrfachbeschuss (Multi-Hit) kann daraufhin nicht mehr gehalten werden.

[0009] Eine Panzerung mit keramischen Werkstoffen besteht aus diesen Gründen bevorzugt aus zwei Schichten. Die Frontplatte aus möglichst monolithischer Keramik hat die Aufgabe, das Rest-Geschoss zu deformieren und gegebenenfalls den Hartkern zu brechen. Eine hinter der Keramikplatte angebrachte, verformbare Armierung, das Backing, hat die Aufgabe das Geschoss, Geschosstrümmer und Keramiksplitter aufzufangen oder zu absorbieren und die restliche Keramikplatte zu stabilisieren. Sie wird im folgenden auch Absorberschicht genannt. Das Backing besteht im allgemeinen aus hochdehnbaren und reißfesten Geweben (Aramidfasergewebe, HDPE-Gewebe, etc.), Metall oder Kunststoffen.

[0010] Moderne Werkstoffkonzepte führen zu faserverstärkten Verbundwerkstoffen, die Bereiche aus monolithischer Keramik (Geschossbrecher) und faserverstärkter Keramik aufweisen (Absorberschicht), wie zum Beispiel in der EP-A 0 376 794 beschrieben. Als Nachteil dieser Konzepte erweist sich im allgemeinen der hohe Preis und die geringe Verfügbarkeit geeigneter Fasern für faserverstärkte Keramiken. So sind für das üblicherweise angewandte Sinterverfahren zur Herstellung von faserverstärkter Keramik nur relativ teure Kohlenstofffasern von technischer Bedeutung.

[0011] Ein weiterer Ansatz, die projektil- und splitterabsorbierende Wirkung durch Keramikmaterial zu erreichen, ist in der EP-A 0 287 918 ausgeführt. In einer der aufgeführten Varianten wird eine Mehrschichtpanzerplatte beschrieben, die aus einer konventionellen Keramikplatte als Frontplatte und einer dahinter liegenden Absorberplatte aus sogenannter chemisch gebundener Keramik besteht. Die chemisch gebundene Keramik besteht aus harten Füllstoffen, wie beispielsweise Fasern oder Keramik-Pulver, und einer Bindephase (oder Matrix) aus mit organischen oder anorganischen Polymeren modifizierten Zementen, die bei niedrigen Temperaturen aushärten. Die harten Füllstoffe führen zu einer Abstumpfung, Umlenkung und Zertrümmerung des Projektils.

[0012] Die Herstellung von Mehrschichtpanzerplatten mit komplexer Geometrie und fester chemischer Verbindung zwischen den zwei Materialschichten ist nach diesem Verfahren allerdings sehr aufwändig.

[0013] Gegenüber diesem Stand der Technik ist es Aufgabe der Erfindung, einen Keramikverbundkörper mit einer geschossbrechenden Frontschicht und einer fest mit dieser verbundenen Absorberschicht mithilfe eines kostengünstigen Herstellungsverfahrens, das auch komplexe Bauteilgeometrien zulässt, verfügbar zu machen.

[0014] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch einen Verbundkörper, der mindestens zwei Schichten umfaßt, dadurch gekennzeichnet, daß eine außen liegende geschossbrechende Keramikschicht (Frontplatte) im wesentlichen aus einem Carbid und einem carbidbildenden Metall, bevorzugt SiC und Si (Werkstoffschicht A) besteht, und eine mit dieser fest verbundene innen liegende Schicht (Werkstoffschicht B), die schwach oder lose gebundenes Keramikpulver enthält, das im wesentlichen aus SiC besteht.

[0015] Weiterhin wird ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Verbundkörpers angegeben, bei dem der mehrschichtige Verbundwerkstoff durch die Flüssiginfiltration eines porösen Grünkörpers aus Keramikpartikeln und Kohlenstoffmaterial durch ein carbidbildendes Metall, insbesondere Siliciummetall, hergestellt wird, wobei durch die Flüssigmetallinfiltration in einem einzigen gemeinsamen Verfahrensschritt sowohl die außen liegende Keramikschicht aus Carbid und carbidbildendem Metall, bevorzugt SiC und Si (Werkstoffschicht A), als auch die innen liegende Schicht aus schwach oder lose gebundenem Keramikpulver aus überwiegend SiC (Werkstoffschicht B) gebildet wird, sowie beide Schichten fest miteinander chemisch verbunden werden.

[0016] Der Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass pulvrige oder partikelförmige Keramik, ähnlich einer Sandschüttung, ein sehr günstiges Absorptionsverhalten gegenüber ballistischer Einwirkung zeigt, sofern das pulvrige Material mechanisch stabilisiert, beziehungsweise zusammengehalten wird. Dieser Zusammenhalt wird erfindungsgemäß durch die chemisch fest verbundene Keramikschicht (Werkstoffschicht A), sowie auch durch den während der Metallschmelzinfiltration stattfindenden Sinterprozess der Keramikmischung des Grünkörpers im Bereich der Werkstoffschicht B erreicht.

[0017] Der erfindungsgemäße Verbundkörper umfaßt daher mindestens zwei Schichten, eine außen liegende Werkstoffschicht A, die Phasen aus einem carbidbildenden Metall und dem Carbid dieses Metalls enthält, bevorzugt reaktionsgebundenes Siliciumcarbid (SiC) und Silicium, auch als SiSiC bezeichnet, und eine dahinterliegende Werkstoffschicht B, die durch Sintern lose gebundenes SiC-Keramikpulver oder -Partikel enthält, sowie gegebenenfalls dahinter angeordnete weitere Schichten, insbesondere aus dem Werkstoff A oder aus faserhaltigem Backing. Durch diese weitere Schichten wird die energieabsorbierende Wirkung der Panzerung zusätzlich verbessert.
Unter lose gebundenem Keramikpulver, oder partikeln ist insbesondere Material zu verstehen, dessen Festigkeit um mindestens 20% unterhalb derjenigen des Materials der Werkstoffschicht A liegt.

[0018] Beim bevorzugten Verfahren der Flüssigmetallinfiltration -bevorzugt mit einer Siliciumschmelze- wird in der Werkstoffschicht A durch Reaktion des carbidbildenden Metalls mit Kohlenstoff eine Keramik gebildet, die neben sehr hoher Härte eine gute Bruchzähigkeit oder Schadenstoleranz aufweist. Hierdurch wird das für den Mehrfachbeschuss schädliche keramische Sprödbruchverhalten in vorteilhafter Weise unterdrückt. Als Infiltrationsmetall wird bevorzugt eine Legierung verwendet, die mindestens einen Massenanteil von 50 % Silicium enthält, besonders bevorzugt ist technisches Silicium oder reines Silicium. Bei der Infiltration mit einer siliciumhaltigen Legierung der Metalle, Fe, Cr, oder Ni bildet sich aus dem im Vorläufer der Werkstoffschicht A enthaltenen Kohlenstoff bevorzugt Siliciumcarbid. Bei der Infiltration mit einer Titan-Silicium-Legierung bildet sich aus dem Kohlenstoff bevorzugt Titancarbid neben Siliciumcarbid.

[0019] Die in der Werkstoffschicht B enthaltenen Partikel aus Siliciumcarbid und Nitriden werden bei der Temperatur der Infiltration mit dem flüssigen Metall an den Berührungsstellen zusammengesintert, wobei ein loses Gefüge mit Poren entsteht. Die nichtflüchtigen Pyrolyseprodukte des organischen Binders der Rohstoffmischung tragen ebenso zur Festigkeit der Werkstoffschicht B bei.

[0020] Die Werkstoffschicht A enthält bevorzugt einen Massenanteil von mindestens 70 % von SiC-Partikeln, die in einer Matrix aus freiem Silicium eingebettet sind. Bevorzugt liegt der Massenanteil an SiC oberhalb von 75 % und besonders bevorzugt oberhalb von 85 %. Dabei liegt der Massenanteil an freiem Silicium, worunter auch alle Silicium-Mischphasen mit weiteren metallischen Elementen verstanden werden sollen, oberhalb von 2,8 %. Bevorzugt liegt der Massenanteil an freiem Silicium im Bereich von 3 bis 21 % und besonders bevorzugt im Bereich von 3 bis 15 %. Die Werkstoffschicht A wird so aufgebaut, dass eine möglichst hohe Härte erreicht wird, was beispielsweise durch eine möglichst hohe Dichte, idealerweise die theoretische Dichte, erreicht werden kann. Bevorzugt liegt daher die Porosität (Volumenanteil der Poren am gesamten Volumen) der Werkstoffschicht A unter 20 % oder die Dichte bei mindestens 2,1 g/cm3 und besonders bevorzugt liegt die Porosität unterhalb von 10 % beziehungsweise die Dichte oberhalb von 2,2 g/cm3. Typischerweise weist der Werkstoff A noch freien Kohlenstoff, sowie gegebenenfalls keramische Zuschlagstoffe in Massenanteilen von ca. 0,5 bis 15 % auf. Als in bevorzugter Weise zusätzlich eingesetzte keramische Zuschlagstoffe werden erfindungsgemäß besonders harte Keramiken auf Nitridbasis eingesetzt. Zu diesen zählen insbesondere die Nitride der Elemente Si, Ti, Zr, B und Al.

[0021] Die mittlere Partikelgröße des SiC,das sowohl für die Werkstoffschicht A als auch für die Werkstoffschicht B eingesetzt werden kann, liegt typischerweise im Bereich von 20 bis 750 µm. Da im allgemeinen verfahrensbedingt zunächst ein homogener Grünkörper (Vorkörper der Metallinfiltration) aus den Keramikpulvern hergestellt wird, unterscheiden sich die Partikelgrößen in den Werkstoffschichten A und B nur unwesentlich. Ebenso ist es aber auch möglich, verschiedene Partikelgrößen für die Schichten vorzusehen, wobei dann die Werkstoffschicht A bevorzugt feineres Material als die Werkstoffschicht B enthält. Besonders bevorzugt liegt dann die mittlere Partikelgröße in der Schicht A unterhalb von 50 µm und in der Schicht B oberhalb von 50 µm.

[0022] Auch die Werkstoffschicht B ist bevorzugt zum überwiegenden Teil aus SiC-Partikeln aufgebaut. Bevorzugt liegt der Massenanteil an SiC-Partikeln oberhalb von 70 % und besonders bevorzugt oberhalb von 90 %. Auch der Gehalt an keramischen Zuschlagstoffen liegt bei vergleichbaren Anteilen wie in der Schicht A. Bevorzugt enthält die Werkstoffschicht B zumindest eines der Nitride der Elemente Si, Ti, Zr, B und Al in Massenanteilen von 0,05 bis 15 %. Im wesentlichen Unterschied zum Werkstoff A ist in der Werkstoffschicht B die Keramik, beziehungsweise deren Keramikpartikel, nicht durch Silicium reaktionsgebunden, es ist nahezu keine Matrix aus Silicium oder einer Siliciumlegierung vorhanden. Der Massenanteil an freiem Silicium beziehungsweise an Silicium/Metall-Phasen liegt typischerweise unterhalb von 5 %, bevorzugt unterhalb 2,5 % und besonders bevorzugt unterhalb von 1 %.

[0023] Die Keramikpartikel in der Werkstoffschicht B sind nur schwach gebunden, teils über Kohlenstoff-Bindephasen, teils direkt über Sinterbrücken untereinander. Die Werkstoffschicht B weist daher eine vergleichsweise hohe Porosität auf, die typischerweise von 5 % bis 35 % reicht, und bevorzugt im Bereich von 12 bis 27 % liegt.

[0024] Die Dichte der Werkstoffschicht B liegt im allgemeinen unterhalb von 2,55 g/cm3 , bevorzugt unterhalb 2,05 g/cm3 und besonders bevorzugt unterhalb von 1,96 g/cm3. Typischerweise liegt die Porosität in der Werkstoffschicht B um mindestens 7 % höher als in der Werkstoffschicht A.

[0025] Für die erfindungsgemäße Wirkung der Werkstoffschicht B ist die nur lose Bindung zwischen den Keramikpartikeln wesentlich. Unter anderem wird hierdurch die für den Sprödbruch typische Rissausbreitung durch weite Bereiche eines zusammenhängenden Werkstückteiles verhindert, wobei dennoch die Härte der Keramikpartikel genutzt wird. Diese Wirkung wird ebenso erreicht, wenn die Poren in dieser Schicht durch gegenüber der Keramik deutlich weicheres Material gefüllt sind.

[0026] In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung sind daher die Zwischenräume zwischen den Keramikpartikeln in der Werkstoffschicht B mit einem weichen Material gefüllt. Üblicherweise wird als weiches Material ein Kunststoff oder ein Metall eingesetzt, wobei das Metall eine Härte auf der Mohs-Skala von höchstens 5 aufweist. Geeignet sind insbesondere thermoplastische Polymere, Harze, Klebstoffe, Elastomere oder Aluminium. Bevorzugt ist dann zumindest die Hälfte des Raums, der zwischen den keramischen Partikeln gebildet wird, mit dem weichen Material gefüllt.

[0027] Die Anwendung der erfindungsgemäßen Verbundkörper liegt im Bereich der Schutzpanzerungen, insbesondere gegen ballistische Einwirkung. Aufgrund der guten thermischen Eigenschaften, insbesondere des hohen Schmelz- oder Zersetzungspunktes von SiC, zeigt der Verbundwerkstoff auch eine gute Eignung als Panzerungsmaterial im Tresor- und Schutzgebäudebau.

[0028] Bauteile aus den erfindungsgemäßen Verbundkörpern werden üblicherweise so ausgelegt, dass die gesamte Dicke der Werkstoffschichten A und B im Bereich von 6 bis 300 mm liegt. Auch weitere Schichten, insbesondere aus dem Werkstoff A oder faserhaltigem Backing können hinter der Schicht aus dem Werkstoff B angeordnet sein. Die Schichtdicke des Werkstoffs A liegt üblicherweise oberhalb von 1 mm, für Panzerplatten bevorzugt oberhalb von 3 mm. Das Schichtdickenverhältnis der Werkstoffschichten A und B liegt typischerweise unterhalb von 1:50, bevorzugt unterhalb von 1:10, wobei hier nur die der Beschußseite zugewandte Frontschicht aus dem Werkstoff A und die darauf folgende Schicht aus dem Werkstoff B zu verstehen sind.

[0029] Die Werkstoffschicht A geht in die Werkstoffschicht B über, wobei der Übergang im allgemeinen durch eine deutliche Abnahme des Gehaltes an Silicium in der Matrix zu erkennen ist.

[0030] Fig. 1 zeigt eine mikroskopische Schliff-Aufnahme der Grenzfläche zwischen den Werkstoffschichten A und B eines erfindungsgemäßen Verbundkörpers. Die grauen Bereiche (1) sind SiC-Partikel, welche annähernd gleichmäßig über den gesamten Ausschnitt verteilt sind. In der oberen Hälfte (A), die dem Werkstoff A entspricht, sind die SiC-Bereiche durch eine kontinuierliche helle Phase (2) verbunden. Dies ist die Matrix aus Silicium. Die untere Hälfte (B), die dem Werkstoff B entspricht, weist statt der Matrix Poren auf (schwarze Bereiche, 3). Die weiteren Bestandteile aus Kohlenstoff oder Nitridpartikeln lassen sich in dieser Darstellung nicht von den anderen Materialien unterscheiden.

[0031] Aufgrund der verfahrensbedingt einfachen Herstellbarkeit eines allseitig mit einer Werkstoffschicht A umgebenen Werkstoffs B ist für flächige Bauteile die Schichtabfolge einer Frontplatte aus dem Werkstoff A, einer Absorberzone aus dem Werkstoff B und Rückenplatte (oder Backing) aus dem Werkstoff A besonders bevorzugt.

[0032] Erfindungsgemäß werden die Verbundkörper durch die Metall-Flüssiginfiltration von SiC-, Kohlenstoff- und Nitridhaltigen porösen Grünkörpern hergestellt.

[0033] Das Verfahren weist die folgenden wesentlichen Prozeßschritte auf:

a) Herstellung eines porösen kohlenstoffhaltigen Grünkörpers, enthaltend Carbide, Nitride und Kohlenstoffmaterial

b) Zuführung einer Schmelze eines carbidbildenden Metalls über mindestens eine Außenfläche des Grünkörpers

c) Metallinfiltration und Reaktion zumindest eines Teiles der Metallschmelze mit Kohlenstoff zu Metallcarbid, wobei hierdurch die unterschiedlichen Werkstoffschichten A und B gebildet werden.



[0034] Bei der Herstellung des porösen kohlenstoffhaltigen Grünkörpers wird zunächst eine Mischung der Feststoffe, enthaltend Siliciumcarbid, Nitride, gegebenenfalls Kohlenstoff und organischem Binder hergestellt. Diese Mischung wird nach den üblichen Verfahren der keramischen Industrie (unter anderem Pressen, Spritzgießen, Schlickern) in Form gebracht, wobei die Aushärtung des organischen Binders für die Festigkeit des resultierenden Körpers verantwortlich ist. Der gehärtete Körper wird hierauf durch eine Temperaturbehandlung im Bereich von ca. 650 bis 1600 °C, bevorzugt 1000 °C, carbonisiert. Erfindungsgemäß ist der organische Binder carbonisierbar, das heißt, bei Erhitzen unter nicht oxidierenden Bedingungen wird der Binder nicht vollständig verflüchtigt, sondern es bildet sich ein Kohlenstoffrückstand aus. Der resultierende Körper, der Grünkörper, besteht nunmehr aus den eingesetzten Feststoffen, insbesondere den Keramikpartikeln, die von einer Bindephase aus pyrolytisch erzeugtem Kohlenstoff zusammengehalten werden.

[0035] Die Zusammensetzung der Ausgangsmischung wird bevorzugt so gewählt, dass der Massenanteil an Siliciumcarbid im porösen kohlenstoffhaltigen Grünkörper mindestens 50 %, bevorzugt mindestens 65 % beträgt. Der Massenanteil an Kohlenstoff, aus carbonisiertem Binder und eingesetzten Feststoffen, liegt typischerweise oberhalb von 4 % und bevorzugt oberhalb von 8 %, der Massenanteil an Gehalt an Nitriden oberhalb von 1 %, bevorzugt oberhalb von 3 % und besonders bevorzugt zwischen 3 und 12 %. Die Nitride sind insbesondere ausgewählt aus mindestens einem der Nitride der folgenden Elemente: Ti, Zr, Si, B und Al.

[0036] Das als Feststoff eingesetzte Kohlenstoffmaterial ist ausgewählt aus der Gruppe Kohle, Koks, Naturgraphit, technischer Graphit, carbonisiertes organisches Material, Kohlenstoffasern, Glaskohlenstoff und Verkokungsprodukten. Besonders geeignet sind natürlicher Graphit oder synthetischer Graphit.

[0037] Ein wesentlicher Vorteil der Erfindung ist, dass auf teure Kohlenstoffasern nahezu vollständig oder vollständig verzichtet werden kann.

[0038] Erfindungsgemäß ist es auch möglich, einen mehrschichtigen Grünkörper aus verschiedenen Ausgangsmischungen herzustellen. Bevorzugt sind hierfür Zusammensetzungen, bei denen der Bereich, der der späteren Werkstoffschicht B entspricht, einen höheren Gehalt an Nitriden aufweist. Hierdurch wird das ballistische Verhalten des mehrschichtigen Verbundkörpers vorteilhaft beeinflusst.

[0039] Im Schritt b), der Zuführung einer Metallschmelze, wird ein carbidbildendes Metall in den porösen Grünkörper infiltriert. Die Infiltration wird durch die Kapillarwirkung und die während der Infiltration stattfindende chemische Reaktion zwischen dem freien Kohlenstoff des Grünkörpers mit dem carbidbildenden Metall unterstützt. Im allgemeinen erfolgt die Infiltration bei verringertem Druck oder Vakuum, bei Temperaturen von ca. 150 °C oberhalb der Schmelztemperatur des Infiltrationsmetalls.

[0040] Als Infiltrationsmetall werden bevorzugt Siliciumlegierungen, typischerweise aus Si und mindestens einem der Elemente Ti, Fe, Cr und Mo, und besonders bevorzugt technisch reines Si eingesetzt.

[0041] Durch die Flüssigmetallinfiltration werden die Poren des Grünkörpers im Außenbereich durch Infiltrationsmetall und dessen Reaktionsprodukten mit Kohlenstoff gefüllt, wogegen der innere Bereich im wesentlichen frei von Infiltrationsmetall und/oder dessen Reaktionsprodukten mit Kohlenstoff bleibt. Der Massenanteil an durch die Infiltration zugeführtem Infiltrationsmetall im Inneren des erfindungsgemäßen Verbundwerkstoffs, entsprechend der Werkstoffschicht B, liegt typischerweise unterhalb von 1 %, und der Massenanteil an durch das Infiltrationsmetall neu gebildetem Metallcarbid unterhalb von 3 %.

[0042] Erfindungsgemäß sind die chemische Zusammensetzung und die Porosität des Grünkörpers und das Infiltrationsmetall-Angebot so gewählt, dass der Grünkörper nur teilweise infiltriert wird. Insbesondere durch das Verhältnis von Carbiden, Kohlenstoff und Nitriden kann die Infiltrationstiefe gezielt gesteuert werden.

[0043] Durch die Nitride wird die Benetzung des Grünkörpers mit dem schmelzflüssigen Silicium verschlechtert. Insbesondere hierdurch wird die Infiltrationstiefe der siliziumhaltigen Schmelze verringert und der Umsetzungsgrad des Grünkörpers gesteuert.

[0044] Im Schritt c) findet die Umsetzung zumindest eines Teils des freien Kohlenstoffs mit dem Infiltrationsmetall statt. Insbesondere über Temperatur und Prozessdauer kann der Umsatz gesteuert werden. In diesem Schritt werden die Werkstoffschichten A und B ausgebildet. In der Werkstoffschicht A wird eine dichte Keramik aus reaktionsgebundenem Metallcarbid, im bevorzugten Fall der Infiltration mit flüssigem Silicium also SiSiC, gebildet. In der Werkstoffschicht B, wohin nahezu kein Infiltrationsmetall gelangt, findet bei der Temperatur des Schrittes c) eine Sinterreaktion zwischen den Keramikpartikeln statt, die unter anderem zu einer mechanischen Stabilisierung der Werkstoffschicht führt. Die Festigkeit (Bruchfestigkeit) muss nur so hoch sein, dass der Werkstoff B handhabbar wird und nicht ohne weiteres zerfällt. Die eigentliche mechanische Stabilisierung der Werkstoffschicht B erfolgt indes über die fest angebundene Werkstoffschicht A. Die Festigkeit der Schicht B kann erhöht werden, wenn der Mischung für den Grünkörper Sinterhilfsmittel zugegeben werden, die bevorzugt Si-Verbindungen oder -pulver enthalten.

[0045] Die Metallschmelze wird üblicherweise über Dochte oder über Metallpulverschüttungen zugeführt. Typischerweise erfolgt die Metallinfiltration im wesentlichen über die gesamte Oberfläche, so dass die Werkstoffschicht A eine geschlossene Werkstoffoberfläche ergibt. Werden plattenförmige Grünkörper eingesetzt, so resultiert ein Bauteil, das in Richtung der Flächennormalen, der bevorzugten Richtung der ballistischen Bedrohung, die Schichtabfolge der Werkstoffschichten A B A aufweist.

[0046] Diese einfache verfahrenstechnische Vorgehensweise, diesen bevorzugten Schichtaufbau zu erreichen, ist einer der wesentlichen Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens.

[0047] Die mechanische Stabilität der Werkstoffschicht B läßt sich verbessern, ohne dass die einer losen Pulverschüttung ähnlichen typischen erfindungsgemäßen Eigenschaften verloren gehen, wenn die Poren des Werkstoffs B zusätzlich durch ein weiches Material gefüllt werden. Dies kann zum Beispiel durch eine Schmelzinfiltration mit einem thermoplastischen Polymer oder durch Flüssiginfiltration mit einem Polymerharz erreicht werden. Bevorzugt werden die Poren dabei mit Polyolefinen oder Epoxidharzen zumindest zu 30 % ausgefüllt.
In einer weiteren vorteilshaften Ausgestaltung der Erfindung werden die Poren mit Klebstoffen infiltriert, welche sich insbesondere zur Verklebung mit einem Backing eignen. Dabei sind Backingmaterialien aus Aramidfasern besonders geeignet.

[0048] In einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird der Verbundkörper, insbesondere die Werkstoffschicht B, mit einem Leichtmetall, insbesondere Al, infiltriert.

[0049] Werden die Poren durch ein weiches Material gefüllt, so liegt die Restporosität der Schicht B bevorzugt unterhalb von 15 %.

[0050] Die Füllung der Poren der Werkstoffschicht B mit einem Polymer kann besonders vorteilhaft zum Verkleben mit einem Backing, insbesondere einem Backing aus Fasermatten oder Geweben, genutzt werden.


Ansprüche

1. Keramischer Verbundkörper umfassend mindestens zwei Schichten A und B, dadurch gekennzeichnet, dass die eine Schicht A Phasen aus einem Metall und dem Carbid dieses Metalls enthält, und dass die andere Schicht B teilweise über Kohlenstoff-Bindephasen, teilweise direkt über Sinterbrücken gebundene Partikel aus Siliciumcarbid enthält und einen Volumenanteil an Poren von 10 % bis 35 % aufweist.
 
2. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Werkstoffschicht A einen Volumenanteil an Poren unterhalb 20 % und die Werkstoffschicht B einen Volumenanteil an Poren von 5 bis 35 % aufweist.
 
3. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Schicht B einen Volumenanteil an Poren von 12 % bis 27 % aufweist.
 
4. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Werkstoffschicht A eine Dichte oberhalb 2,1 g/ccm und die Werkstoffschicht B eine Dichte unterhalb 2,55 g/ccm aufweist.
 
5. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Siliciumlegierung einen Massenanteil von mindestens 25 % Silicium enthält.
 
6. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass er drei Schichten umfaßt, wobei die äußeren Schichten aus dem Werkstoff A bestehen und die innere Schicht eine Werkstoffschicht B ist.
 
7. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Werkstoffschicht B einen Massenanteil von mindestens 70 % Siliciumcarbid enthält.
 
8. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest die Werkstoffschicht B Nitride mindestens eines der Elemente Silicium, Titan, Zirkon, Bor und Aluminium enthält.
 
9. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Werkstoffschichten A und B den gleichen Massenanteil an Nitriden aufweisen.
 
10. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Massenanteil der Nitride im Werkstoff A und/oder B 0,05 bis 15 % beträgt.
 
11. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Werkstoffschicht A einen Massenanteil von mindestens 70 % an Siliciumcarbid aufweist.
 
12. Keramischer Verbundkörper nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest ein Teil des nicht von SiC erfüllten Volumens der Werkstoffschicht B durch Kunststoffe, Kunstharze, Elastomere, Klebstoffe oder Metalle mit einer Härte von höchstens 5 auf der Mohs-Skala gefüllt ist.
 
13. Verfahren zur Herstellung von keramischen Verbundkörpern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß in einem ersten Schritt ein Grünkörper hergestellt wird, der Siliciumcarbid und Metallnitrid in Form eines Pulvers und einen carbonisierbaren organischen Binder enthält, dieser Grünkörper im zweiten Schritt durch Erhitzen in einer nicht oxidierenden Atmosphäre auf Temperaturen im Bereich von 650 °C bis 1800 °C zu einem porösen Kohlenstoffkörper carbonisiert wird, und im dritten Schritt der Kohlenstoffkörper von einer oder mehreren Seiten mit einer siliziumhaltigen Metallschmelze infiltriert wird, wobei die Temperatur so gewählt wird, daß zumindest ein Teil des Kohlenstoffs mit dem Metall und/oder Silicium zu Carbiden reagiert, und wobei die Menge der Metallschmelze und des Metallnitrids so gewählt wird, daß der innere Bereich des Körpers im wesentlichen frei von dem Metall und/oder Silicium bleibt.
 
14. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die siliciumhaltige Metallschmelze einen Massenanteil von mindestens 25 % an Silicium enthält.
 
15. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Metallnitride im Grünkörper ausgewählt sind aus Titannitrid, Zirkonnitrid, Siliciumnitrid, Bornitrid und Aluminiumnitrid.
 
16. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass der Grünkörper zusätzlich Kohlenstoff in Form von Koks, Naturgraphit, synthetischem Graphit, carbonisiertem organischem Material, Kohlenstofffasern oder Glaskohlenstoff enthält.
 
17. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass die nach der Infiltation mit einer siliciumhaltigen Metallschmelze im Verbundkörper verbleibende Prosität zumindest teilweise mit Kunststoff, Kunstharz, Elastomeren, Klebstoff oder Metall mit einer Härte von höchstens 5 auf der Mohs-Skala aufgefüllt wird.
 
18. Verwendung von keramischen Verbundkörpern nach Anspruch 1 in Form von zwei- oder mehrschichtigen Platten als Schutzpanzerung.
 
19. Verwendung nach Anspruch 18, dadurch gekennzeichnet, dass die gesamte Dicke der Platten aus den Werkstoffschichten A und B im Bereich von 6 bis 300 mm liegt.
 
20. Verwendung nach Anspruch 18 oder 19, dadurch gekennzeichnet, dass das Schichtdickenverhältnis der der Beanspruchungsrichtung zugewandten Werkstoffschicht A und der Werkstoffschicht B höchstens 1:20 beträgt.
 
21. Verwendung nach Anspruch 18, dadurch gekennzeichnet, dass dreischichtige Platten mit der Schichtabfolgen einer Werkstoffschicht A, einer Werkstoffschicht B und einer Werkstoffschicht A eingesetzt werden.
 
22. Verwendung nach Anspruch 18 oder 21, dadurch gekennzeichnet, dass die der Beanspruchungsrichtung abgewandte Seite der zwei- oder mehrschichtigen Platten mit einer Lage aus Fasermaterial oder Textilien verstärkt ist.
 




Zeichnung