(19)
(11) EP 1 418 109 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.05.2004  Patentblatt  2004/20

(21) Anmeldenummer: 02024815.9

(22) Anmeldetag:  07.11.2002
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B61L 25/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(71) Anmelder: Siemens Schweiz AG
8047 Zürich (CH)

(72) Erfinder:
  • Schwarzenbacher, Werner
    8352 Räterschen (CH)
  • Windisch, Arthur
    8184 Bachenbülach (CH)

(74) Vertreter: Fischer, Michael, Dr. 
Siemens AG, Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Verfahren zur Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung


(57) Zur sicheren Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung eines schienengebunden Fahrzeugs oder eines Verbandes von solchen Fahrzeugen wird ein Verfahren vorgeschlagen, bei dem die Lage- und Geschwindigkeitswerte repräsentierenden Grössen (P11, P12, P21, P22) zunächst je aus wenigstens zwei verschiedenen Messverfahren (A11, A12; A21, A22) gewonnen werden. Die eingesetzten Messverfahren (A11, A12; A21, A22) sind dabei voneinander unabhängig, beispielsweise haben sie je eine eigene Zeitbasis. Die auf diese Weise gewonnen Lageund Geschwindigkeitswerte (M11, M12; M21, M22) werden in wenigstens einer Auswerteeinheit (B1, B2) zur Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung (MW1, MW2) zugeführt. Auf diese Weise ist ein Verfahren geschaffen, das die Vornahme von sicherheitskritischen Entscheidungen erlaubt, beispielsweise Fahrt- oder Bremsentscheidungen bei einem führerlosen Zugbetrieb.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Lageund Geschwindigkeitsbestimmung nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.

[0002] Aufgrund der zunehmenden Verkehrsdichte sowie leider auch aufgrund von Unfällen sind Weiterentwicklungen der Zugbeeinflussungssysteme vorgenommen worden. Um insbesondere auch länder- und bahnverwaltungsübergreifende Züge ohne Lokomotivwechsel führen zu können, ist bereits der Auslauf vieler nationaler Systeme insbesondere auf Hauptstrecken vorgesehen. Diese Systeme werden sukzessive durch ein standardisiertes "European Train Control System" - nachfolgend als ETCS bezeichnet - abgelöst. Das ETCS bietet eine gegenüber den alten Systemen wesentlich erhöhte Funktionalität hinsichtlich der Zugbeeinflussung und verbessert die Sicherheit signifikant. Einen Überblick über die vorhandenen zugbeeinflussungssysteme wie auch die Ablösestrategie durch ETCS gibt die Schrift ETR Heft 11/2000 [1]. Die technische Spezifikation des ETCS ist in den entsprechenden Dokumenten der UNISIG [2] enthalten.

[0003] In Grossbritannien wird von Bahnverwaltungen ein Zugssicherungssystem TPWS (Train Protection and Warning System) eingesetzt, bei dem mittels paarweise im Abstand von 10 bis etwa 22 m angeordneter Übertragungsgeräte im Frequenzbereich von einigen wenigen zehn KHz Signalbegriffe wie "WARNUNG", "GESCHWINDIGKEITSWARNUNG" oder "HALT" auf ein diese Geräte überfahrendes Fahrzeug übermittelt werden können. Die Geschwindigkeitsüberwachung erfolgt über eine Zeitmessung zwischen der von zwei Übertragungsgeräten eines Paares empfangenen Signale. Dies bedeutet, dass bei gleicher Ausrüstung einerseits alle Züge auf die gleiche maximale Geschwindigkeit überwacht werden und andererseits, dass über den Abstand dieser Gruppe die Geschwindigkeit bestimmt ist. Änderungen bedingen entweder eine Neumontage auf der Strecke oder eine Neukonfiguration der Übertragungsgeräte vor Ort.

[0004] In der Schrift WO 01/89904 A1 [3] ist ein Gerät und ein Verfahren offenbart, mit denen die Position eines Zuges bestimmt wird durch einen Vergleich von vorgängig gespeicherten Streckenwerten mit denen während einer Fahrt registrierten Streckenwerten. Die genannten Streckenwerte repräsentieren z.B. Parameter für eine Kurve oder streckenspezifische Irregularitäten. Bei plötzlich oder allmählich erfolgenden Änderungen an der Strecke bedingt dieses Verfahren eine Neuerfassung der vorgängig gespeicherten Streckenwerte. Darüber hinaus sind die gewonnenen Positionsdaten zu wenig vertrauenswürdig, um darauf basierend sicherheitsrelevante Entscheidungen - wie z.B. Fahrt mit einer bestimmten Geschwindigkeit - zu treffen.

[0005] Gemäss der Lehre in der Schrift WO 02/058984 A1 [4] werden Aufnahmedaten zur Kompensation sich wandelnder Aufnahmedaten gefiltert und als Positionsdaten vorliegende Aufnahmedaten werden dabei adaptiv verbessert.

[0006] Mit der Aufrüstung der Bahnen auf moderne Verfahren der Zugsicherung auf einem einheitlichen internationalen Level (Interoperabilität) genügen die auf den Fahrzeugen in Betrieb stehenden Einrichtungen für eine Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung nicht mehr. Für diese neuen Verfahren ist es erforderlich, die absolute Position eines Fahrzeugs und dessen Momentangeschwindigkeit jederzeit genau und zuverlässig einem geforderten SIL-Wert entsprechend zu kennen. Die Bedeutung von SIL-Werten (Safety Integrity Level) ist in der Norm EN 50126 [5], EN 50129 [6] und in der Norm IEC 61508 [7] definiert.

[0007] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, für den schienengebundenen Verkehr ein Verfahren zur Lageund Geschwindigkeitsmessung anzugeben, um einen geforderten SIL-Wert einzuhalten. Dabei soll das Verfahren einfach installierbar und implementierbar sein und möglichst auf im Fahrzeug bestehende Verfahren zur Lage- und Geschwindigkeitsmessung aufsetzen.

[0008] Diese Aufgabe wird durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Massnahmen gelöst.

[0009] Durch die Verfahrensschritte

A die Messverfahren zur Gewinnung der Lage- und Geschwindigkeitswerte sind voneinander unabhängig,

B die im Verfahrensschritt A gewonnenen die Lage und die Geschwindigkeit repräsentierenden Messwerte werden einer Auswerteeinheit zugeführt, in der die Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung durchgeführt wird;

wird auf einem schienengebundenen Fahrzeug sichergestellt, dass mit den so bestimmten Lage- und Geschwindigkeitswerten eine sicherheitskritische Entscheidung vorgenommen werden kann. Insbesondere kann mit den so bestimmten Lage- und Geschwindigkeitswerten ein Führen des Fahrzeugs mit elektrischer Sicht, das heisst nur nach den Vorgaben der Anzeigen im Führerstand oder auch ein führerloser zugbetrieb mit seinen hohen Sicherheitsanforderungen gewährleistet werden. Im Verfahrensschritt A können dabei Messverfahren in beliebiger Anzahl und funktionaler Ausprägung betrieben und die anfallenden Daten ausgewertet werden. Dabei beinhaltet die Unabhängigkeit der eingesetzten Messverfahren im Verfahrensschritt A z.B. auch die isolierte Wirkung von Störbeeinflussungen oder die beschränkte Fehlerfortpflanzung eines endogenen Fehlers in den verschiedenen Funktionsblöcken zur Durchführung des erfindungsgemässen Verfahrens.

[0010] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in weiteren Ansprüchen angegeben.

[0011] So können sich die folgenden Vorteile zusätzlich ergeben:

i) Dadurch dass
im Verfahrensschritt A die Messverfahren je eine eigene zeitbasis aufweisen;
können auch zwei gleiche unabhängig voneinander erfasste Messgrössen verschiedener Quellen zur Bestimmung eines Lage- oder Geschwindigkeitswertes herangezogen werden (Patentanspruch 2).

ii) Dadurch dass
im Verfahrensschritt B wenigstens eine Auswerteeinheit alternativ als 2v2- oder 2v3-Auswertesystem ausgebildet ist;
können die wenigstens zwei Messwerte zuverlässig zur Bestimmung des "wahren" Lage- oder Geschwindigkeitswertes herangezogen werden (Patentanspruch 4).

iii) Dadurch dass
im Verfahrensschritt A die gewonnenen Messwerte einer Korrelationsbestimmung unterzogen werden und bei einer zu geringen Korrelation das betreffende Statussignal einen ungültigen Messwert anzeigt;
können übergrosse Abweichungen bereits durch das Messverfahren selber erkannt werden und eine Entscheidung über die Ungültigkeit eines Messwertes bereits vor der Auswertung erkannt und signalisiert werden. (Patentanspruch 7).

iv) Dadurch dass
die Auswerteeinheiten und Funktionsblöcke, in denen die Messverfahren implementiert sind, je eine separate Energieversorgung aufweisen;
ist auf einem Triebfahrzeug sichergestellt, dass bei Auftreten eines Energiezuführungsunterbruches die einzelnen funktional verbleibenden Einheiten eine Fortführung des Betriebs mit einem reduzierten SIL-Level ermöglichen (Patentanspruch 9).

v) Dadurch dass
die Auswerteeinheiten und die Funktionsblöcke an verschiedenen Orten innerhalb eines Schienenfahrzeuges oder eines Eisenbahnzuges installiert sind;
sind die betreffenden Einheiten in unterschiedlichem Ausmass der gleichen Störbeeinflussung ausgesetzt und dadurch weisen die bestimmten Lage- und Geschwindigkeitswerte eine höhere Vertrauenswürdigkeit und geringere Abweichung zum tatsächlichen Wert auf, da sie nicht systematisch beeinträchtigt sind (Patentanspruch 10).



[0012] Da die Lokalisation der Einrichtung zur Gewinnung der aktuellen Lage- und Geschwindigkeitswerte aus den durch die Messgeber abgegebenen Daten mindestens teilweise physisch in der Einrichtung für den Verfahrensschritt B in einem 2v2- oder einem 2v3-Auswertesystem vorgenommen werden kann, sind erhebliche Einsparungen in der Hardware und damit bei den Kosten möglich.

[0013] Die Erfindung wird nachfolgend anhand der zeichnung beispielsweise näher erläutert. Dabei zeigen:
Figur 1
Funktionsblöcke und Auswerteeinheiten mit den Datenflüssen zur Bestimmung sicherer Lage- und Geschwindigkeitswerte.


[0014] Figur 1 zeigt die prinzipielle Anordnung der Funktionsblöcke für das erfindungsgemässe Verfahren zur Lage- und Geschwindigkeitsmessung. Mit den Bezugszeichen P11, P12, P21 und P22 sind verschiedene physikalische Grössen dargestellt, die mit den Sensoren S11, S12, S21 und S22 erfasst werden. Diese physikalischen Grössen repräsentieren eine Grösse v bzw. 1, die die Geschwindigkeit bzw. die Lage eines Eisenbahnzuges A11, A12, A21 und A22 beinhalten. Die vorgenannten Sensoren S11, .., S22 sind je mit einem Funktionsblock A11, A12, A21 und A22 verbunden. Jeder dieser Funktionsblöcke enthält eine Implementation eines (Mess-)Verfahrens zur Messung der physikalischen Grössen P11, .., P22. Diese Grössen können als Skalare, als n-Tupel oder als vektorielle Grössen vorliegen. Im folgenden wird nicht streng unterschieden zwischen dem Messverfahren Aij und dem zugehörigen Funktionsblock Aij. In diesem Ausführungsbeispiel wird angenommen, das aus den vorgenannten Grössen P11 und P12 die Geschwindigkeit v eines Zuges durch die zu erläuternden Verfahren ermittelt wird. In dieser Ausführungsform werden den Bezeichnern P11, .., P22 die nachfolgende Belegung bzw. Bedeutung beispielhaft zugeordnet:
P11:
Skalare Grösse:
Winkelgeschwindigkeit eines nicht angetriebenen und nicht bremsbaren Laufrades eines Zuges;
P12:
2-tupel:
Abstand a eines Balisenpaares des Systems Eurobalise und gemessene Zeitdifferenz Δt, P12 := P12(a, Δt), der Abstand a wird dabei auch zum Triebfahrzeug übermittelt;
P21:
2-tupel:
Streckenkennung id und Wegmarke s auf dieser Strecke aus einem Zugsicherungssystem, z.B. Eurobalise, P21 := P21(id, s);
P22:
3-tupel:
Geographische Koordinaten und Zeit aus einem Ortungssystem, z.B. Positionierungssystem "Galileo" (europäisch) oder GPS/DGPS/EGNOS (US) oder GLONAS (RU).


[0015] Die vorgenannte Belegung zu den physikalischen Grössen stellt nur ein Beispiel dar, weitere Beispiele sind in nicht abschliessender Aufzählung:

i) Geschwindigkeitsbestimmung durch Aussenden eines Signals im Ultraschallbereich und Messung des reflektierten Signals unter Berücksichtigung des Doppler-Effektes;

ii) Aus einem in einem Triebfahrzeug enthaltenen Beschleunigungsmesssystem wird durch Integration über die Zeit die Geschwindigkeit v und ein Lagewert 1 bestimmt.

iii) Mittels spezieller Transponder längs einer Strecke sind Wegmarken definiert, die vom System Eurobalise unabhängig sind. Daraus werden je nach Implementation relative oder absolute Lagewerte 1 bestimmt.



[0016] Im Sinne dieser Schrift wird anstelle des Begriffes Lagewert 1 der Begriff Positionsangabe oder Wegwert synonym verwendet. Der Begriff Lagewert hat eine breitere Bedeutung als der Begriff Wegwert, da ein Wegwert stets nur in Zusammenhang mit einer vorgegebenen Route oder eines vorgegebenen Schienenweges definiert ist.

[0017] Einer bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung wird ein SIL-Level 3 zugrunde gelegt. Ein SIL-Level 3 bedeutet dass alle 107 bis 108 Stunden Betrieb auf einer Funktion das heisst der Betrachtungseinheit mit einem nicht beherrschbaren Fehler zu rechnen ist welcher dann eine ernsthafte Gefährdung für Mensch und Material darstellen kann.

[0018] Gemäss der nachfolgenden Ausführungsform stellt P1 einen realen Geschwindigkeitswert und P2 eine reale Positionsangabe dar, während der Messwert M11 bzw. M12 einen mit dem Messverfahren A11 bzw. A12 gewonnen Messwert des realen Geschwindigkeitswertes M1 bzw. v repräsentiert. Diese Notation gilt auch entsprechend für die Positionsangabe.

[0019] In einem Verfahrensschritt A werden eine Positionsangabe und ein Geschwindigkeitswert je auf zwei verschiedene Messverfahren gewonnen.

Messverfahren A11 für einen Geschwindigkeitswert P1:



[0020] Aus dem System "Eurobalise" wird aus über definierte Abstände angeordneten Balisenpaaren ein Geschwindigkeitswert bestimmt. Das Bezugszeichen P1 steht somit für den Abstand eines Balisenpaares wie auch die gemessene Zeitdifferenz Δt, die beim Überfahren eines solchen Balisenpaares gemessen wird und wobei der Abstand a und die Zeitdifferenz Δt an das Fahrzeug übermittelt werden. Das System Eurobalise verwendet dazu eine eigene Zeitbasis. Der auf diese Weise gewonnene Geschwindigkeitswert M11 beruht auf einem getakteten Verfahren. Der Takt ist dabei durch die Anordnung der Balisenpaare und die mittlere Geschwindigkeit des Zuges zwischen zwei Balisenpaaren vorgegeben.

Messverfahren A12 für einen Geschwindigkeitswert P1:



[0021] Von einer nicht angetriebenen Achse eines modernen Eisenbahnzuges (z.B. ICN der SBB AG) wird über einen rotativen Inkrementalgeber die Drehzahl und damit über den bekannten Radius des Rades die Umlaufgeschwindigkeit bestimmt. Der Funktionsblock A12 verfügt über eine eigene Zeitbasis. Der auf diese Weise gewonnen Geschwindigkeitswert M12 beruht auf einem quasikontinuierlichen Verfahren.

Messverfahren A21 für eine Positionsangabe P2:



[0022] Mittels längs einer Strecke angeordneter Wegmarken wird eine absolute Positionsangabe P2 eines Fahrzeuges ermittelt. Da der relative Ort des Erfassungsgerätes innerhalb des betreffenden Zuges mit berücksichtigt werden muss, werden solche Erfassungsgeräte bevorzugt an der Spitze des betreffenden Zuges (Triebfahrzeug, Steuerwagen) angeordnet.

Messverfahren A22 für eine Positionsangabe:



[0023] Aus einem Ortungssystem werden die geographischen Koordinaten und die Zeit ermittelt. Für die geographischen Koordinaten kann dabei bereits eine Transformation in die landesübliche Darstellung vorweggenommen sein, z.B. in die Koordinaten der schweizerischen Landestopographie L+T.

[0024] Zur weiteren Sicherung der Unabhängigkeit der Messverfahren A11, A12, A21 und A22 sind deren Einheiten A11, A12, A21 und A22 durch voneinander unabhängige Speisungen mit Energie versorgt. In einer bevorzugten Ausführungsform sind diese Einheiten darüber hinaus an elektrisch und örtlich verschiedenen Stellen des Eisenbahnzuges angeordnet. Dies ergibt den Effekt, dass die gleiche Störbeeinflussung, z.B. durch ein elektromagnetisches Feld, auf die Einheiten nicht die identischen Auswirkungen hat. Diese Störbeeinflussung kann durchaus auch ihren Ursprung im Fahrzeug haben und kann auch leitungsgeführt an die Funktion der vorgenannten Einheiten beeinträchtigen. Im Sinne der maximalen Unhängigkeit der betrachteten Messverfahren bzw. deren Funktionsblöcke kann die sogenannte EMV-Störbeeinflussung nicht allein mit Massnahmen bezüglich Immunität abgewehrt werden. Deshalb ist die verteilte Anordnung in einem Fahrzeug von besonderer Bedeutung.

[0025] Weitere Beispiele der Störbeeinflussung sind:
  • Temperatur ausserhalb eines definierten Intervalls,
  • Langzeiteinwirkung der Erschütterung,
  • Langzeiteinwirkung von Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit, Schmutz.
  • Verfrachtung von festen oder flüssigen Stoffen im Gleis bereich wie Schnee, Sand, Wasser und dergleichen durch Witterung und/oder Befahrung.


[0026] In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform kann zusätzlich vorgesehen werden, dass die gewonnenen Messwerte mit weiteren Informationen versehen werden: Die von den Messverfahren A11, .., A22 entstammenden Messwerte M11, .., M22 werden vom Messverfahren selber mit einem Statussignal S11, .., S22 - auch Attribut genannt - versehen. Ein solches Statussignal Sxy kann Angaben über den Messwert Mxy und seine Historie enthalten wie z.B.
  • fragliche Plausibilität;
  • Systemzustand (System hinsichtlich der Komponenten des Messverfahrens) aufgrund von Protokollen in einer Logdatei;
  • Neustart/Reboot des Messverfahrens seit der letzten Übermittlung eines Messwertes.


[0027] Die Auswertung der Messwerte erfolgt in je einer Auswerteeinheit B1 bzw. B2, die beispielsweise als 2v2-Auswertesystem oder als 2v3-Auswertesystem ausgebildet ist:
Ein 2v2-Auswertesystem beinhaltet die Verfahrensschritte:
   Es wird auf Gleichheit der Messwerte, hier der Eingangsmesswerte M11 und M12 bzw. M21 und M22 innerhalb einer vorgegebenen Toleranz geprüft. Bei Gleichheit wird der entsprechende "wahre" Messwert MW1 bzw. MW2 durchgeschaltet. Darüber hinaus kann ein zugehöriges Statusoder Lesesignal St1 bzw. St2 erzeugt werden. Das Statussignal St1 bzw. St2 beinhaltet die Information, dass der am Auswerteeinheit B1 bzw. B2 anliegende Wert zum betrachteten Zeitpunkt gültig ist.

[0028] Anstelle des 2v2-Auswertsystems kann auch ein 2v3-Auswertesystem eingesetzt werden. Hier werden drei "gleiche" Eingangsgrössen zur Bestimmung eines wahren Lage- bzw. Geschwindigkeitswertes herangezogen; wenn von diesen 3 Eingangsgrössen deren zwei innerhalb eines Toleranzbandes übereinstimmen, sind die beiden Werte Basis zur Bestimmung des "wahren" Messwertes MW1 bzw. MW2.

[0029] Alternativ kann zu den vorgenannten 2v2- bzw. 2v3-Auswertesystemen ein statisches Verfahren zur Lage- bzw. Geschwindigkeitsbestimmung herangezogen werden. Für die Lagebestimmung ist zu prüfen, ob die einzelnen Lagewerte eine monoton oder streng monoton wachsende Zahlfolge darstellen. Die Unterscheidung "monoton" oder "streng monoton" ist abhängig vom Vorhandensein eines Signals, das den Stillstand eines Zuges anzeigt. Da Geschwindigkeitswert und Lagewert über die Zeit gesehen abhängige Grössen sind, kann allein zur Prüfung der Plausibilität das statische Verfahren auch eine Integration der Geschwindigkeit über die Zeit beinhalten und der Integralwert dem zu prüfenden Lagewert gegenüber gestellt werden. Eine Gleichheit in einem bestimmten Toleranzband zeigt nicht etwa die Korrektheit der bestimmten Werte an, sondern die Ungleichheit liefert eine Aussage, dass einer der betrachten Werte mit einem untolerablen Fehler behaftet ist. Es ist eine Matrix mit den Abhängigkeiten resp. den Unabhängigkeiten zu erstellen und zu bewerten.

[0030] Da die Messverfahren Aij direkt mit der über Sensoren Sij einen funktionalen Zusammenhang aufweisen, ist es auch möglich die Messwerte Mij einer Korrelationsbestimmung zu unterziehen. Dies kann einerseits zwischen den beiden Messverfahren Ai1 und Ai2 erfolgen und andererseits für eine Messreihe (Mij) der ein und derselben Grösse Pij . Gegenüber der Anwendung eines statischen Verfahrens in der Auswerteeinheit B1 bzw. B2 können diese Korrelationsbestimmung kleineren Zeitintervallen vorgenommen werden, dies ist insbesondere dann zweckmässig, wenn eine kontinuierliche oder quasikontinuierliche Grösse Pij gemessen wird.

[0031] Anstelle der für Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung je vorgesehenen Auswerteeinheiten B1 und B2 kann auch eine einzige Auswerteeinheit vorgesehen werden.

[0032] Insbesondere für geschlossene zugseinheiten wie z.B. die ICN-Neigezüge der Schweizerischen Bundesbahnen SBB kann das erfindungsgemässe Verfahren verteilt auf mehrere Wagen implementiert werden. Die Übermittlung der mit dem erfindungsgemässen Verfahren kann zur Erhöhung der Unabhängigkeit und Ausfallsicherheit gegenüber Störbeeinflussungen auf verschiedenen drahtgebundenen und/oder funktechnischen Bussystemen zu einer zentralen Stelle im Neigezug übertragen werden.

[0033] Die vorgenannten Erläuterungen sind als Beispiele zur Sicherstellung der Unabhängigkeit und Integrität aufgeführt worden. Im Sinne der erfindungsgemässsen Lehre können alternativ oder kumulativ weitere konstruktive, messtechnische und schaltungsmässige Massnahmen vorgesehen werden, um die vorgenannte Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit der so bestimmten Lage- und Geschwindigkeitswerte weiter zu erhöhen.

Liste der verwendeten Bezugszeichen und Abkürzungen



[0034] 
A11, A12
Funktionsblock, Messverfahren zur Bestimmung der Messwerte M11 und M12, z.B. Geschwindigkeit
A21, A22
Funktionsblock, Messverfahren zur Bestimmung der Messwerte M21 und M22, z.B. Lage
B1
Auswerteeinheit für die Messwerte M11 und M12
B2
Auswerteeinheit für die Messwerte M21 und M22
P11, P12
physikalische Grösse, je eine Geschwindigkeit eines Fahrzeugs repräsentierend
P21, P22
physikalische Grösse, je eine Lage eines Fahrzeuges repräsentierend
M11, M12
durch das Messverfahren A11 bzw. A12 bestimmte Messwerte, hier Geschwindigkeitswert
M21, M22
durch das Messverfahren A21 bzw. A22 bestimmte Messwerte, hier Positionsangabe
MW1
"wahrer" aus den Grössen P11, P12 ermittelter Messwert
MW2
"wahrer" aus den Grössen P21, P22 ermittelter Messwert
S11, S12
Sensor zur Erfassung der physikalischen Grösse P11 bzw. P12
S21, S22
Sensor zur Erfassung der physikalischen Grösse P21 bzw. P22
St11, St12
Attribut zum Messwert M11 bzw. M12
St21, St22
Attribut zum Messwert M21 bzw. M22
a
Abstand eines Balisenpaares
Δt
gemessene zeitdifferenz
l
Lagewert
v
Geschwindigkeitswert
DGPS
Differential GPS
EGNOS
European Geostationary Navigation Overlay Service
ETCS
European Train Control System
GPS
Global Positioning System
SIL
Safety Integrity Level
RU
Russland
US
Vereinigte Staaten von Amerika

Liste der zitierten Schriften



[0035] 

[1] ETR Heft 11/2000, p. 725 bis 733
"Zugbeeinflussungssysteme europäischer Bahnen"; Prof. Dr. Jörn Pachl.

[2] UNISIG SRS, SUBSET-026, Version 2.0.0 vom 22.12.1999.

[3] WO 01/89904 A1
"Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung eines Parameters für ein schienengebundenes Fahrzeug", Daimler Chrysler Rails Systems GmbH, Berlin.

[4] WO 02/058984 A1
"Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung der aktuellen Position und zur Überwachung des geplanten Weges eines Objektes", Bombardier Transportation GmbH, Berlin.

[5] EN 50126
Europäische Norm, September 1999
Bahnanwendungen - Spezifikation und Nachweis der Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit und Sicherheit (RAMS).

[6] EN 50129
Europäische Norm, September 2002
Bahnanwendungen - Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme- Sicherheitsrelevante elektronische Systeme für Signaltechnik

[7] IEC 61508
Internationale Norm, Dezember 1998 Teile 1 bis 7 Functional safety of electrical/electronic/programmable electronic safety-related systems




Ansprüche

1. Verfahren zur Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung eines schienengebunden Fahrzeugs, wobei Lage- und Geschwindigkeitswerte (P1, P2) je aus wenigstens zwei verschiedenen Messverfahren (A11, A12; A21, A22) gewonnen werden, gekennzeichnet durch die Verfahrensschritte

A die Messverfahren (A11, A12; A21, A22) zur Gewinnung der Lage- und Geschwindigkeitswerte (M11, M12; M21, M22) sind voneinander unabhängig,

B die im Verfahrensschritt A gewonnenen die Lage und die Geschwindigkeit repräsentierenden Messwerte (M11, M12; M21, M22) werden einer Auswerteeinheit (B1, B2) zugeführt, in der die Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung (MW1, MW2) durchgeführt wird.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A die Messverfahren (A11, A12; A21, A22) je eine eigene Zeitbasis aufweisen.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A eine gemeinsam von wenigstens zwei Messverfahren (A11, A12; A21, A22) benutzte Zeitbasis ausfallsicher ist.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt B wenigstens eine Auswerteeinheit (B1, B2) alternativ als 2v2- oder 2v3-Auswertesystem ausgebildet ist.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt B in der wenigstens einen Auswerteeinheit (B1, B2) durch ein statistisches Verfahren die Lageund/oder Geschwindigkeitsbestimmung (M1, M2) durchgeführt wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A die Messverfahren (A11, A12; A21, A22) zusätzlich zu den Messwerten (M11, M12, M21, M22) je ein Statussignal (St11, St12, St21, St22) generieren, das die Gültigkeit des erzeugten Messwertes (M11, M12, M21, M22) anzeigt und dass die Statussignale (St11, St12, St21, St22) der wenigstens einen Auswerteeinheit (B1, B2) zugeführt wird.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A die gewonnenen Messwerte (M11, M12, M21, M22) einer Korrelationsbestimmung unterzogen werden und bei einer zu geringen Korrelation das betreffende Statussignal (St11, St12, St21, St22) einen ungültigen Messwert (M11, M12, M21, M22) anzeigt.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt B wenigstens von einer Auswerteeinheit (B1, B2) zusätzlich ein Statussignal (St1, St2) erzeugt wird, dass einen ungültigen aus der Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung resultierenden Messwert (MW1, MW2) anzeigt.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Auswerteeinheiten (B1, B2) und Funktionsblöcke (A11, A12, A21, A22), in denen die Messverfahren (A11, A12, A21, A22) implementiert sind, je eine separate Energieversorgung aufweisen.
 
10. Verfahren nach 9,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Auswerteeinheiten (B1, B2) und die Funktionsblöcke (A11, A12, A21, A22) an verschiedenen Orten innerhalb eines Schienenfahrzeuges oder eines Eisenbahnzuges installiert sind.
 




Zeichnung







Recherchenbericht