[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Lageund Geschwindigkeitsbestimmung
nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
[0002] Aufgrund der zunehmenden Verkehrsdichte sowie leider auch aufgrund von Unfällen sind
Weiterentwicklungen der Zugbeeinflussungssysteme vorgenommen worden. Um insbesondere
auch länder- und bahnverwaltungsübergreifende Züge ohne Lokomotivwechsel führen zu
können, ist bereits der Auslauf vieler nationaler Systeme insbesondere auf Hauptstrecken
vorgesehen. Diese Systeme werden sukzessive durch ein standardisiertes "European Train
Control System" - nachfolgend als ETCS bezeichnet - abgelöst. Das ETCS bietet eine
gegenüber den alten Systemen wesentlich erhöhte Funktionalität hinsichtlich der Zugbeeinflussung
und verbessert die Sicherheit signifikant. Einen Überblick über die vorhandenen zugbeeinflussungssysteme
wie auch die Ablösestrategie durch ETCS gibt die Schrift ETR Heft 11/2000 [1]. Die
technische Spezifikation des ETCS ist in den entsprechenden Dokumenten der UNISIG
[2] enthalten.
[0003] In Grossbritannien wird von Bahnverwaltungen ein Zugssicherungssystem TPWS (Train
Protection and Warning System) eingesetzt, bei dem mittels paarweise im Abstand von
10 bis etwa 22 m angeordneter Übertragungsgeräte im Frequenzbereich von einigen wenigen
zehn KHz Signalbegriffe wie "WARNUNG", "GESCHWINDIGKEITSWARNUNG" oder "HALT" auf ein
diese Geräte überfahrendes Fahrzeug übermittelt werden können. Die Geschwindigkeitsüberwachung
erfolgt über eine Zeitmessung zwischen der von zwei Übertragungsgeräten eines Paares
empfangenen Signale. Dies bedeutet, dass bei gleicher Ausrüstung einerseits alle Züge
auf die gleiche maximale Geschwindigkeit überwacht werden und andererseits, dass über
den Abstand dieser Gruppe die Geschwindigkeit bestimmt ist. Änderungen bedingen entweder
eine Neumontage auf der Strecke oder eine Neukonfiguration der Übertragungsgeräte
vor Ort.
[0004] In der Schrift WO 01/89904 A1 [3] ist ein Gerät und ein Verfahren offenbart, mit
denen die Position eines Zuges bestimmt wird durch einen Vergleich von vorgängig gespeicherten
Streckenwerten mit denen während einer Fahrt registrierten Streckenwerten. Die genannten
Streckenwerte repräsentieren z.B. Parameter für eine Kurve oder streckenspezifische
Irregularitäten. Bei plötzlich oder allmählich erfolgenden Änderungen an der Strecke
bedingt dieses Verfahren eine Neuerfassung der vorgängig gespeicherten Streckenwerte.
Darüber hinaus sind die gewonnenen Positionsdaten zu wenig vertrauenswürdig, um darauf
basierend sicherheitsrelevante Entscheidungen - wie z.B. Fahrt mit einer bestimmten
Geschwindigkeit - zu treffen.
[0005] Gemäss der Lehre in der Schrift WO 02/058984 A1 [4] werden Aufnahmedaten zur Kompensation
sich wandelnder Aufnahmedaten gefiltert und als Positionsdaten vorliegende Aufnahmedaten
werden dabei adaptiv verbessert.
[0006] Mit der Aufrüstung der Bahnen auf moderne Verfahren der Zugsicherung auf einem einheitlichen
internationalen Level (Interoperabilität) genügen die auf den Fahrzeugen in Betrieb
stehenden Einrichtungen für eine Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung nicht mehr.
Für diese neuen Verfahren ist es erforderlich, die absolute Position eines Fahrzeugs
und dessen Momentangeschwindigkeit jederzeit genau und zuverlässig einem geforderten
SIL-Wert entsprechend zu kennen. Die Bedeutung von SIL-Werten (Safety Integrity Level)
ist in der Norm EN 50126 [5], EN 50129 [6] und in der Norm IEC 61508 [7] definiert.
[0007] Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, für den schienengebundenen
Verkehr ein Verfahren zur Lageund Geschwindigkeitsmessung anzugeben, um einen geforderten
SIL-Wert einzuhalten. Dabei soll das Verfahren einfach installierbar und implementierbar
sein und möglichst auf im Fahrzeug bestehende Verfahren zur Lage- und Geschwindigkeitsmessung
aufsetzen.
[0008] Diese Aufgabe wird durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Massnahmen gelöst.
[0009] Durch die Verfahrensschritte
A die Messverfahren zur Gewinnung der Lage- und Geschwindigkeitswerte sind voneinander
unabhängig,
B die im Verfahrensschritt A gewonnenen die Lage und die Geschwindigkeit repräsentierenden
Messwerte werden einer Auswerteeinheit zugeführt, in der die Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung
durchgeführt wird;
wird auf einem schienengebundenen Fahrzeug sichergestellt, dass mit den so bestimmten
Lage- und Geschwindigkeitswerten eine sicherheitskritische Entscheidung vorgenommen
werden kann. Insbesondere kann mit den so bestimmten Lage- und Geschwindigkeitswerten
ein Führen des Fahrzeugs mit elektrischer Sicht, das heisst nur nach den Vorgaben
der Anzeigen im Führerstand oder auch ein führerloser zugbetrieb mit seinen hohen
Sicherheitsanforderungen gewährleistet werden. Im Verfahrensschritt A können dabei
Messverfahren in beliebiger Anzahl und funktionaler Ausprägung betrieben und die anfallenden
Daten ausgewertet werden. Dabei beinhaltet die Unabhängigkeit der eingesetzten Messverfahren
im Verfahrensschritt A z.B. auch die isolierte Wirkung von Störbeeinflussungen oder
die beschränkte Fehlerfortpflanzung eines endogenen Fehlers in den verschiedenen Funktionsblöcken
zur Durchführung des erfindungsgemässen Verfahrens.
[0010] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in weiteren Ansprüchen angegeben.
[0011] So können sich die folgenden Vorteile zusätzlich ergeben:
i) Dadurch dass
im Verfahrensschritt A die Messverfahren je eine eigene zeitbasis aufweisen;
können auch zwei gleiche unabhängig voneinander erfasste Messgrössen verschiedener
Quellen zur Bestimmung eines Lage- oder Geschwindigkeitswertes herangezogen werden
(Patentanspruch 2).
ii) Dadurch dass
im Verfahrensschritt B wenigstens eine Auswerteeinheit alternativ als 2v2- oder 2v3-Auswertesystem
ausgebildet ist;
können die wenigstens zwei Messwerte zuverlässig zur Bestimmung des "wahren" Lage-
oder Geschwindigkeitswertes herangezogen werden (Patentanspruch 4).
iii) Dadurch dass
im Verfahrensschritt A die gewonnenen Messwerte einer Korrelationsbestimmung unterzogen
werden und bei einer zu geringen Korrelation das betreffende Statussignal einen ungültigen
Messwert anzeigt;
können übergrosse Abweichungen bereits durch das Messverfahren selber erkannt werden
und eine Entscheidung über die Ungültigkeit eines Messwertes bereits vor der Auswertung
erkannt und signalisiert werden. (Patentanspruch 7).
iv) Dadurch dass
die Auswerteeinheiten und Funktionsblöcke, in denen die Messverfahren implementiert
sind, je eine separate Energieversorgung aufweisen;
ist auf einem Triebfahrzeug sichergestellt, dass bei Auftreten eines Energiezuführungsunterbruches
die einzelnen funktional verbleibenden Einheiten eine Fortführung des Betriebs mit
einem reduzierten SIL-Level ermöglichen (Patentanspruch 9).
v) Dadurch dass
die Auswerteeinheiten und die Funktionsblöcke an verschiedenen Orten innerhalb eines
Schienenfahrzeuges oder eines Eisenbahnzuges installiert sind;
sind die betreffenden Einheiten in unterschiedlichem Ausmass der gleichen Störbeeinflussung
ausgesetzt und dadurch weisen die bestimmten Lage- und Geschwindigkeitswerte eine
höhere Vertrauenswürdigkeit und geringere Abweichung zum tatsächlichen Wert auf, da
sie nicht systematisch beeinträchtigt sind (Patentanspruch 10).
[0012] Da die Lokalisation der Einrichtung zur Gewinnung der aktuellen Lage- und Geschwindigkeitswerte
aus den durch die Messgeber abgegebenen Daten mindestens teilweise physisch in der
Einrichtung für den Verfahrensschritt B in einem 2v2- oder einem 2v3-Auswertesystem
vorgenommen werden kann, sind erhebliche Einsparungen in der Hardware und damit bei
den Kosten möglich.
[0013] Die Erfindung wird nachfolgend anhand der zeichnung beispielsweise näher erläutert.
Dabei zeigen:
- Figur 1
- Funktionsblöcke und Auswerteeinheiten mit den Datenflüssen zur Bestimmung sicherer
Lage- und Geschwindigkeitswerte.
[0014] Figur 1 zeigt die prinzipielle Anordnung der Funktionsblöcke für das erfindungsgemässe
Verfahren zur Lage- und Geschwindigkeitsmessung. Mit den Bezugszeichen P11, P12, P21
und P22 sind verschiedene physikalische Grössen dargestellt, die mit den Sensoren
S11, S12, S21 und S22 erfasst werden. Diese physikalischen Grössen repräsentieren
eine Grösse v bzw. 1, die die Geschwindigkeit bzw. die Lage eines Eisenbahnzuges A11,
A12, A21 und A22 beinhalten. Die vorgenannten Sensoren S11, .., S22 sind je mit einem
Funktionsblock A11, A12, A21 und A22 verbunden. Jeder dieser Funktionsblöcke enthält
eine Implementation eines (Mess-)Verfahrens zur Messung der physikalischen Grössen
P11, .., P22. Diese Grössen können als Skalare, als n-Tupel oder als vektorielle Grössen
vorliegen. Im folgenden wird nicht streng unterschieden zwischen dem Messverfahren
A
ij und dem zugehörigen Funktionsblock A
ij. In diesem Ausführungsbeispiel wird angenommen, das aus den vorgenannten Grössen
P11 und P12 die Geschwindigkeit v eines Zuges durch die zu erläuternden Verfahren
ermittelt wird. In dieser Ausführungsform werden den Bezeichnern P11, .., P22 die
nachfolgende Belegung bzw. Bedeutung beispielhaft zugeordnet:
- P11:
- Skalare Grösse:
Winkelgeschwindigkeit eines nicht angetriebenen und nicht bremsbaren Laufrades eines
Zuges;
- P12:
- 2-tupel:
Abstand a eines Balisenpaares des Systems Eurobalise und gemessene Zeitdifferenz Δt,
P12 := P12(a, Δt), der Abstand a wird dabei auch zum Triebfahrzeug übermittelt;
- P21:
- 2-tupel:
Streckenkennung id und Wegmarke s auf dieser Strecke aus einem Zugsicherungssystem,
z.B. Eurobalise, P21 := P21(id, s);
- P22:
- 3-tupel:
Geographische Koordinaten und Zeit aus einem Ortungssystem, z.B. Positionierungssystem
"Galileo" (europäisch) oder GPS/DGPS/EGNOS (US) oder GLONAS (RU).
[0015] Die vorgenannte Belegung zu den physikalischen Grössen stellt nur ein Beispiel dar,
weitere Beispiele sind in nicht abschliessender Aufzählung:
i) Geschwindigkeitsbestimmung durch Aussenden eines Signals im Ultraschallbereich
und Messung des reflektierten Signals unter Berücksichtigung des Doppler-Effektes;
ii) Aus einem in einem Triebfahrzeug enthaltenen Beschleunigungsmesssystem wird durch
Integration über die Zeit die Geschwindigkeit v und ein Lagewert 1 bestimmt.
iii) Mittels spezieller Transponder längs einer Strecke sind Wegmarken definiert,
die vom System Eurobalise unabhängig sind. Daraus werden je nach Implementation relative
oder absolute Lagewerte 1 bestimmt.
[0016] Im Sinne dieser Schrift wird anstelle des Begriffes Lagewert 1 der Begriff Positionsangabe
oder Wegwert synonym verwendet. Der Begriff Lagewert hat eine breitere Bedeutung als
der Begriff Wegwert, da ein Wegwert stets nur in Zusammenhang mit einer vorgegebenen
Route oder eines vorgegebenen Schienenweges definiert ist.
[0017] Einer bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung wird ein SIL-Level 3
zugrunde gelegt. Ein SIL-Level 3 bedeutet dass alle 10
7 bis 10
8 Stunden Betrieb auf einer Funktion das heisst der Betrachtungseinheit mit einem nicht
beherrschbaren Fehler zu rechnen ist welcher dann eine ernsthafte Gefährdung für Mensch
und Material darstellen kann.
[0018] Gemäss der nachfolgenden Ausführungsform stellt P1 einen realen Geschwindigkeitswert
und P2 eine reale Positionsangabe dar, während der Messwert M11 bzw. M12 einen mit
dem Messverfahren A11 bzw. A12 gewonnen Messwert des realen Geschwindigkeitswertes
M1 bzw. v repräsentiert. Diese Notation gilt auch entsprechend für die Positionsangabe.
[0019] In einem Verfahrensschritt A werden eine Positionsangabe und ein Geschwindigkeitswert
je auf zwei verschiedene Messverfahren gewonnen.
Messverfahren A11 für einen Geschwindigkeitswert P1:
[0020] Aus dem System "Eurobalise" wird aus über definierte Abstände angeordneten Balisenpaaren
ein Geschwindigkeitswert bestimmt. Das Bezugszeichen P1 steht somit für den Abstand
eines Balisenpaares wie auch die gemessene Zeitdifferenz Δt, die beim Überfahren eines
solchen Balisenpaares gemessen wird und wobei der Abstand a und die Zeitdifferenz
Δt an das Fahrzeug übermittelt werden. Das System Eurobalise verwendet dazu eine eigene
Zeitbasis. Der auf diese Weise gewonnene Geschwindigkeitswert M11 beruht auf einem
getakteten Verfahren. Der Takt ist dabei durch die Anordnung der Balisenpaare und
die mittlere Geschwindigkeit des Zuges zwischen zwei Balisenpaaren vorgegeben.
Messverfahren A12 für einen Geschwindigkeitswert P1:
[0021] Von einer nicht angetriebenen Achse eines modernen Eisenbahnzuges (z.B. ICN der SBB
AG) wird über einen rotativen Inkrementalgeber die Drehzahl und damit über den bekannten
Radius des Rades die Umlaufgeschwindigkeit bestimmt. Der Funktionsblock A12 verfügt
über eine eigene Zeitbasis. Der auf diese Weise gewonnen Geschwindigkeitswert M12
beruht auf einem quasikontinuierlichen Verfahren.
Messverfahren A21 für eine Positionsangabe P2:
[0022] Mittels längs einer Strecke angeordneter Wegmarken wird eine absolute Positionsangabe
P2 eines Fahrzeuges ermittelt. Da der relative Ort des Erfassungsgerätes innerhalb
des betreffenden Zuges mit berücksichtigt werden muss, werden solche Erfassungsgeräte
bevorzugt an der Spitze des betreffenden Zuges (Triebfahrzeug, Steuerwagen) angeordnet.
Messverfahren A22 für eine Positionsangabe:
[0023] Aus einem Ortungssystem werden die geographischen Koordinaten und die Zeit ermittelt.
Für die geographischen Koordinaten kann dabei bereits eine Transformation in die landesübliche
Darstellung vorweggenommen sein, z.B. in die Koordinaten der schweizerischen Landestopographie
L+T.
[0024] Zur weiteren Sicherung der Unabhängigkeit der Messverfahren A11, A12, A21 und A22
sind deren Einheiten A11, A12, A21 und A22 durch voneinander unabhängige Speisungen
mit Energie versorgt. In einer bevorzugten Ausführungsform sind diese Einheiten darüber
hinaus an elektrisch und örtlich verschiedenen Stellen des Eisenbahnzuges angeordnet.
Dies ergibt den Effekt, dass die gleiche Störbeeinflussung, z.B. durch ein elektromagnetisches
Feld, auf die Einheiten nicht die identischen Auswirkungen hat. Diese Störbeeinflussung
kann durchaus auch ihren Ursprung im Fahrzeug haben und kann auch leitungsgeführt
an die Funktion der vorgenannten Einheiten beeinträchtigen. Im Sinne der maximalen
Unhängigkeit der betrachteten Messverfahren bzw. deren Funktionsblöcke kann die sogenannte
EMV-Störbeeinflussung nicht allein mit Massnahmen bezüglich Immunität abgewehrt werden.
Deshalb ist die verteilte Anordnung in einem Fahrzeug von besonderer Bedeutung.
[0025] Weitere Beispiele der Störbeeinflussung sind:
- Temperatur ausserhalb eines definierten Intervalls,
- Langzeiteinwirkung der Erschütterung,
- Langzeiteinwirkung von Umwelteinflüssen wie Feuchtigkeit, Schmutz.
- Verfrachtung von festen oder flüssigen Stoffen im Gleis bereich wie Schnee, Sand,
Wasser und dergleichen durch Witterung und/oder Befahrung.
[0026] In einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform kann zusätzlich vorgesehen werden,
dass die gewonnenen Messwerte mit weiteren Informationen versehen werden: Die von
den Messverfahren A11, .., A22 entstammenden Messwerte M11, .., M22 werden vom Messverfahren
selber mit einem Statussignal S11, .., S22 - auch Attribut genannt - versehen. Ein
solches Statussignal S
xy kann Angaben über den Messwert M
xy und seine Historie enthalten wie z.B.
- fragliche Plausibilität;
- Systemzustand (System hinsichtlich der Komponenten des Messverfahrens) aufgrund von
Protokollen in einer Logdatei;
- Neustart/Reboot des Messverfahrens seit der letzten Übermittlung eines Messwertes.
[0027] Die Auswertung der Messwerte erfolgt in je einer Auswerteeinheit B1 bzw. B2, die
beispielsweise als 2v2-Auswertesystem oder als 2v3-Auswertesystem ausgebildet ist:
Ein 2v2-Auswertesystem beinhaltet die Verfahrensschritte:
Es wird auf Gleichheit der Messwerte, hier der Eingangsmesswerte M11 und M12 bzw.
M21 und M22 innerhalb einer vorgegebenen Toleranz geprüft. Bei Gleichheit wird der
entsprechende "wahre" Messwert MW1 bzw. MW2 durchgeschaltet. Darüber hinaus kann ein
zugehöriges Statusoder Lesesignal St1 bzw. St2 erzeugt werden. Das Statussignal St1
bzw. St2 beinhaltet die Information, dass der am Auswerteeinheit B1 bzw. B2 anliegende
Wert zum betrachteten Zeitpunkt gültig ist.
[0028] Anstelle des 2v2-Auswertsystems kann auch ein 2v3-Auswertesystem eingesetzt werden.
Hier werden drei "gleiche" Eingangsgrössen zur Bestimmung eines wahren Lage- bzw.
Geschwindigkeitswertes herangezogen; wenn von diesen 3 Eingangsgrössen deren zwei
innerhalb eines Toleranzbandes übereinstimmen, sind die beiden Werte Basis zur Bestimmung
des "wahren" Messwertes MW1 bzw. MW2.
[0029] Alternativ kann zu den vorgenannten 2v2- bzw. 2v3-Auswertesystemen ein statisches
Verfahren zur Lage- bzw. Geschwindigkeitsbestimmung herangezogen werden. Für die Lagebestimmung
ist zu prüfen, ob die einzelnen Lagewerte eine monoton oder streng monoton wachsende
Zahlfolge darstellen. Die Unterscheidung "monoton" oder "streng monoton" ist abhängig
vom Vorhandensein eines Signals, das den Stillstand eines Zuges anzeigt. Da Geschwindigkeitswert
und Lagewert über die Zeit gesehen abhängige Grössen sind, kann allein zur Prüfung
der Plausibilität das statische Verfahren auch eine Integration der Geschwindigkeit
über die Zeit beinhalten und der Integralwert dem zu prüfenden Lagewert gegenüber
gestellt werden. Eine Gleichheit in einem bestimmten Toleranzband zeigt nicht etwa
die Korrektheit der bestimmten Werte an, sondern die Ungleichheit liefert eine Aussage,
dass einer der betrachten Werte mit einem untolerablen Fehler behaftet ist. Es ist
eine Matrix mit den Abhängigkeiten resp. den Unabhängigkeiten zu erstellen und zu
bewerten.
[0030] Da die Messverfahren A
ij direkt mit der über Sensoren S
ij einen funktionalen Zusammenhang aufweisen, ist es auch möglich die Messwerte Mij
einer Korrelationsbestimmung zu unterziehen. Dies kann einerseits zwischen den beiden
Messverfahren Ai1 und Ai2 erfolgen und andererseits für eine Messreihe (M
ij) der ein und derselben Grösse P
ij . Gegenüber der Anwendung eines statischen Verfahrens in der Auswerteeinheit B1 bzw.
B2 können diese Korrelationsbestimmung kleineren Zeitintervallen vorgenommen werden,
dies ist insbesondere dann zweckmässig, wenn eine kontinuierliche oder quasikontinuierliche
Grösse P
ij gemessen wird.
[0031] Anstelle der für Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung je vorgesehenen Auswerteeinheiten
B1 und B2 kann auch eine einzige Auswerteeinheit vorgesehen werden.
[0032] Insbesondere für geschlossene zugseinheiten wie z.B. die ICN-Neigezüge der Schweizerischen
Bundesbahnen SBB kann das erfindungsgemässe Verfahren verteilt auf mehrere Wagen implementiert
werden. Die Übermittlung der mit dem erfindungsgemässen Verfahren kann zur Erhöhung
der Unabhängigkeit und Ausfallsicherheit gegenüber Störbeeinflussungen auf verschiedenen
drahtgebundenen und/oder funktechnischen Bussystemen zu einer zentralen Stelle im
Neigezug übertragen werden.
[0033] Die vorgenannten Erläuterungen sind als Beispiele zur Sicherstellung der Unabhängigkeit
und Integrität aufgeführt worden. Im Sinne der erfindungsgemässsen Lehre können alternativ
oder kumulativ weitere konstruktive, messtechnische und schaltungsmässige Massnahmen
vorgesehen werden, um die vorgenannte Unabhängigkeit und Zuverlässigkeit der so bestimmten
Lage- und Geschwindigkeitswerte weiter zu erhöhen.
Liste der verwendeten Bezugszeichen und Abkürzungen
[0034]
- A11, A12
- Funktionsblock, Messverfahren zur Bestimmung der Messwerte M11 und M12, z.B. Geschwindigkeit
- A21, A22
- Funktionsblock, Messverfahren zur Bestimmung der Messwerte M21 und M22, z.B. Lage
- B1
- Auswerteeinheit für die Messwerte M11 und M12
- B2
- Auswerteeinheit für die Messwerte M21 und M22
- P11, P12
- physikalische Grösse, je eine Geschwindigkeit eines Fahrzeugs repräsentierend
- P21, P22
- physikalische Grösse, je eine Lage eines Fahrzeuges repräsentierend
- M11, M12
- durch das Messverfahren A11 bzw. A12 bestimmte Messwerte, hier Geschwindigkeitswert
- M21, M22
- durch das Messverfahren A21 bzw. A22 bestimmte Messwerte, hier Positionsangabe
- MW1
- "wahrer" aus den Grössen P11, P12 ermittelter Messwert
- MW2
- "wahrer" aus den Grössen P21, P22 ermittelter Messwert
- S11, S12
- Sensor zur Erfassung der physikalischen Grösse P11 bzw. P12
- S21, S22
- Sensor zur Erfassung der physikalischen Grösse P21 bzw. P22
- St11, St12
- Attribut zum Messwert M11 bzw. M12
- St21, St22
- Attribut zum Messwert M21 bzw. M22
- a
- Abstand eines Balisenpaares
- Δt
- gemessene zeitdifferenz
- l
- Lagewert
- v
- Geschwindigkeitswert
- DGPS
- Differential GPS
- EGNOS
- European Geostationary Navigation Overlay Service
- ETCS
- European Train Control System
- GPS
- Global Positioning System
- SIL
- Safety Integrity Level
- RU
- Russland
- US
- Vereinigte Staaten von Amerika
Liste der zitierten Schriften
[0035]
[1] ETR Heft 11/2000, p. 725 bis 733
"Zugbeeinflussungssysteme europäischer Bahnen"; Prof. Dr. Jörn Pachl.
[2] UNISIG SRS, SUBSET-026, Version 2.0.0 vom 22.12.1999.
[3] WO 01/89904 A1
"Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung eines Parameters für ein schienengebundenes
Fahrzeug", Daimler Chrysler Rails Systems GmbH, Berlin.
[4] WO 02/058984 A1
"Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung der aktuellen Position und zur Überwachung
des geplanten Weges eines Objektes", Bombardier Transportation GmbH, Berlin.
[5] EN 50126
Europäische Norm, September 1999
Bahnanwendungen - Spezifikation und Nachweis der Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit
und Sicherheit (RAMS).
[6] EN 50129
Europäische Norm, September 2002
Bahnanwendungen - Telekommunikationstechnik, Signaltechnik und Datenverarbeitungssysteme-
Sicherheitsrelevante elektronische Systeme für Signaltechnik
[7] IEC 61508
Internationale Norm, Dezember 1998 Teile 1 bis 7 Functional safety of electrical/electronic/programmable
electronic safety-related systems
1. Verfahren zur Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung eines schienengebunden Fahrzeugs,
wobei Lage- und Geschwindigkeitswerte (P1, P2) je aus wenigstens zwei verschiedenen
Messverfahren (A11, A12; A21, A22) gewonnen werden,
gekennzeichnet durch die Verfahrensschritte
A die Messverfahren (A11, A12; A21, A22) zur Gewinnung der Lage- und Geschwindigkeitswerte
(M11, M12; M21, M22) sind voneinander unabhängig,
B die im Verfahrensschritt A gewonnenen die Lage und die Geschwindigkeit repräsentierenden
Messwerte (M11, M12; M21, M22) werden einer Auswerteeinheit (B1, B2) zugeführt, in
der die Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung (MW1, MW2) durchgeführt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A die Messverfahren (A11, A12; A21, A22) je eine eigene Zeitbasis
aufweisen.
3. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A eine gemeinsam von wenigstens zwei Messverfahren (A11, A12;
A21, A22) benutzte Zeitbasis ausfallsicher ist.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt B wenigstens eine Auswerteeinheit (B1, B2) alternativ als 2v2-
oder 2v3-Auswertesystem ausgebildet ist.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt B in der wenigstens einen Auswerteeinheit (B1, B2) durch ein
statistisches Verfahren die Lageund/oder Geschwindigkeitsbestimmung (M1, M2) durchgeführt
wird.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A die Messverfahren (A11, A12; A21, A22) zusätzlich zu den Messwerten
(M11, M12, M21, M22) je ein Statussignal (St11, St12, St21, St22) generieren, das
die Gültigkeit des erzeugten Messwertes (M11, M12, M21, M22) anzeigt und dass die
Statussignale (St11, St12, St21, St22) der wenigstens einen Auswerteeinheit (B1, B2)
zugeführt wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt A die gewonnenen Messwerte (M11, M12, M21, M22) einer Korrelationsbestimmung
unterzogen werden und bei einer zu geringen Korrelation das betreffende Statussignal
(St11, St12, St21, St22) einen ungültigen Messwert (M11, M12, M21, M22) anzeigt.
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7
dadurch gekennzeichnet, dass
im Verfahrensschritt B wenigstens von einer Auswerteeinheit (B1, B2) zusätzlich ein
Statussignal (St1, St2) erzeugt wird, dass einen ungültigen aus der Lage- und Geschwindigkeitsbestimmung
resultierenden Messwert (MW1, MW2) anzeigt.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Auswerteeinheiten (B1, B2) und Funktionsblöcke (A11, A12, A21, A22), in denen
die Messverfahren (A11, A12, A21, A22) implementiert sind, je eine separate Energieversorgung
aufweisen.
10. Verfahren nach 9,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Auswerteeinheiten (B1, B2) und die Funktionsblöcke (A11, A12, A21, A22) an verschiedenen
Orten innerhalb eines Schienenfahrzeuges oder eines Eisenbahnzuges installiert sind.