(19)
(11) EP 1 453 357 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
01.09.2004  Patentblatt  2004/36

(21) Anmeldenummer: 04002820.1

(22) Anmeldetag:  09.02.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7H04R 25/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK

(30) Priorität: 27.02.2003 DE 10308655

(71) Anmelder: Siemens Audiologische Technik GmbH
91058 Erlangen (DE)

(72) Erfinder:
  • Chalupper, Josef
    85307 Paunzhausen (DE)

(74) Vertreter: Berg, Peter 
Siemens AG Corporate Intellectual Property Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Vorrichtung und Verfahren zum Einstellen eines Hörgeräts


(57) Die individuelle Anpassung eines Hörgeräts an einen Hörgeräteträger soll vereinfacht werden. Hierzu ist vorgesehen, dass der Hörgeräteträger in einer bestimmten Hörsituation die Verstärkung manuell wählt (1) und einen Justiervorgang (2) auslöst, so dass diese Hörsituation physikalisch vermessen wird (3). Daraus wird ein neues Kennlinienfeld ermittelt (4), so dass in einer neuen Hörsituation (5) automatisch eine entsprechende Verstärkung eingestellt werden kann (6). Durch diese Möglichkeit des Selbstjustierens ist es nicht mehr notwendig, dass der Hörgeräteträger zur Anpassung einen Akustiker aufsucht.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Einstellen eines Hörgeräts durch Eingeben eines gewünschten Einstellwerts in das Hörgerät zu einem bestimmbaren Zeitpunkt. Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung eine entsprechende Vorrichtung zum Einstellen eines Hörgeräts.

[0002] Die Einstellung von Hörgeräten, insbesondere betreffend die Verstärkung und Kompression, wird heutzutage vielfach durch Anpassformeln auf der Basis von audiometrischen Daten erreicht. Als audiometrische Daten werden beispielsweise der Hörverlust, die Unbehaglichkeitsschwelle, die Lautstärkeskalierung und dergleichen berücksichtigt. Die Anpassformeln beruhen auf statistischen und empirischen Erkenntnissen und haben daher für den individuellen Hörgerätenutzer nur bedingte Gültigkeit. Insbesondere für die optimale Einstellung der frequenz- und pegelabhängigen Verstärkung ist daher eine zeitaufwändige Nachversorgung beim Hörgeräteakustiker nötig. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die für den Nutzer optimale Einstellung seines Hörgeräts nur in realistischen und für den Nutzer relevanten akustischen Situationen gefunden und verifiziert werden kann.

[0003] Bislang wurde in wiederholten Besuchen beim Hörgeräteakustiker iterativ eine individuelle, optimale Einstellung gefunden. Da jedoch beim Akustiker bestimmte akustische Situationen nur unzureichend nachempfunden werden können, stellt sich die so gefundene Einstellung in realen Situationen dann häufig wieder als weniger passend heraus. Gerade das für den Nutzer häufig vorhandene typische räumliche Schallfeld oder die individuellen Bedürfnisse des Hörgerätenutzers können in künstlichen akustischen Situationen nicht nachgestellt beziehungsweise berücksichtigt werden.

[0004] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, bei der Einstellung eines Hörgeräts gezielter auf individuelle Bedingungen eingehen zu können.

[0005] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Einstellen eines Hörgeräts durch Eingeben eines gewünschten Einstellwerts in das Hörgerät zu einem bestimmbaren Zeitpunkt, Messen von mindestens einer Schallgröße betreffend eine erste Umgebungssituation zu dem bestimmbaren Zeitpunkt, automatisches Lernen von zu verwendenden Einstellwerten in Abhängigkeit von dem gewünschten Einstellwert und der mindestens einen gemessenen Schallgröße, erneutes Messen von mindestens einer Schallgröße betreffend eine zweite Umgebungssituation und Einstellen des Hörgeräts auf einen der zu verwendenden Einstellwerte bezogen auf die zweite Umgebungssituation.

[0006] Darüber hinaus ist erfindungsgemäß vorgesehen eine Vorrichtung zum Einstellen eines Hörgeräts mit einer Eingabeeinrichtung zum Eingeben eines gewünschten Einstellwerts in das Hörgerät zu einem bestimmbaren Zeitpunkt, einer Messeinrichtung zum Messen von mindestens einer Schallgröße betreffend eine erste Umgebungssituation zu dem bestimmbaren Zeitpunkt und von mindestens einer Schallgröße betreffend eine zweite Umgebungssituation, und einer Recheneinrichtung zum automatischen Lernen von zu verwendenden Einstellwerten in Abhängigkeit von dem gewünschten Einstellwert und der mindestens einen gemessenen Schallgröße betreffend die erste Umgebungssituation, wobei von der Recheneinrichtung eine der zu verwendenden Einstellwerte bezogen auf die zweite Umgebungssituation ausgebbar ist.

[0007] Damit ist es möglich, dass der Nutzer direkt, d. h. nicht über einen Hörgeräteakustiker, mit seinem Hörgerät kommuniziert und sich dieses entsprechend den mitgeteilten Informationen und unter Berücksichtigung von physikalischen Messgrößen selbst fein anpasst beziehungsweise justiert.

[0008] Vorzugsweise erfolgt die Eingabe über eine eigene Taste am Hörgerät, den Lautstärkeregler, die Fernbedienung und/oder eine Spracheingabeeinheit. Dabei genügt es, einen Impuls zum Abspeichern an das Hörgerät abzugeben. Damit kann beispielsweise mittels Tastendruck eine gewählte Verstärkung zusammen mit einer akustischen Umgebungssituation abgespeichert werden.

[0009] Die mindestens eine gemessene Schallgröße kann der minimale oder maximale Schalldruckpegel in einem Frequenzkanal oder die Modulationstiefe sein. Anhand der in individuellen Situationen gewonnenen Messgrößen kann die Verstärkung beziehungsweise Kompression als Einstellwert neu justiert werden.

[0010] Vorzugsweise erfolgt das Lernen durch zeitliche Gewichtung von Lernschritten. Damit kann festgelegt werden, ob und wie schnell die "Selbstjustierung" konvergieren soll.

[0011] Die Lernschritte können zu vorgegebenen Zeitpunkten und/oder in einer vorgegebenen Anzahl durchgeführt werden. Auch auf individuelle Anforderung kann ein Lernschritt ausgeführt werden. Damit kann das Lernen mit der gewünschten Geschwindigkeit und Präzision erfolgen.

[0012] Vorzugsweise ist eine erfindungsgemäße Einstellvorrichtung unmittelbar in ein Hörgerät integriert, so dass das Einstellen beziehungsweise Anpassen des Hörgeräts ohne apparativen Aufwand erfolgen kann. Aus Platzgründen kann es speziell bei sogenannten In-dem-Ohr-Hörgeräten jedoch notwendig sein, zum Justieren ein externes Einstellsystem zu verwenden, in das die oben beschriebene Einstellvorrichtung integriert ist. Drahtgebunden oder drahtlos können die Einstellwerte von dem Einstellsystem an das Hörgerät übermittelt werden.

[0013] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnung näher erläutert, die ein Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens zeigt.

[0014] Das nachfolgend näher beschriebene Ausführungsbeispiel stellt eine bevorzugte Ausführungsform der vorliegenden Erfindung dar.

[0015] Entsprechend dem in der Figur dargestellten Ablaufdiagramm stellt der Nutzer zunächst gemäß Block 1 die Verstärkung am Hörgerät manuell ein, wenn er sich in einer bestimmten akustischen Situation befindet. Falls diese akustische Situation für ihn charakteristisch ist, löst er gemäß Block 2 einen Justiervorgang seines Hörgeräts aus. Dies erfolgt entweder manuell oder zeitlich gesteuert in gewissen Zeitabständen oder auf andere Weise automatisch. Ist der Justiervorgang ausgelöst, so wird die aktuelle Umgebungssituation akustisch vermessen, wie dies in Block 3 dargestellt ist.

[0016] Die gewonnenen Messwerte und der manuell gewählte Verstärkungswert werden herangezogen, um ein neues Kennlinienfeld gemäß Block 4 zu ermitteln. In diesem Kennlinienfeld ist eine Vielzahl von Umgebungssituationen mit entsprechenden Verstärkungen verknüpft.

[0017] Gerät der Hörgeräteträger nun in eine neue akustische Umgebungssituation, so wird diese gemäß Block 5 anhand charakteristischer Schallgrößen vermessen. Mit Hilfe des neu ermittelten Kennlinienfelds (Block 4) berechnet das Hörgerät automatisch eine zu dieser neuen Umgebungssituation passende neue Verstärkung, wie dies in Block 6 angedeutet ist.

[0018] Damit erfolgt in dem Hörgerät ein automatisches Erlernen eines für den Hörgeräteträger charakteristischen Kennlinienfelds auf der Grundlage individueller Hörsituationen. Mit Hilfe diese hörgeräteträgerspezifischen Kennlinienfelds wird nun das Hörgerät in den jeweiligen Hörsituationen automatisch so eingestellt, wie es der Hörgeräteträger selbst manuell machen würde. Einstellwert des Hörgeräts ist dabei nicht nur die im Beispiel gewählte Verstärkung, sondern gegebenenfalls auch die Kompression und dergleichen.

[0019] Konkret erfolgt die automatische Einstellung des Hörgeräts beispielsweise dadurch, dass der Nutzer sein Hörgerät in den für ihn relevanten akustischen Situationen über den Lautstärkeregler, die Fernbedienung, eine Spracheingabe etc., die gewünschte Verstärkung mitteilt. Durch Auswertung der angeforderten Verstärkung und einer für denselben Zeitraum vorliegenden physikalischen Analyse der akustischen Situation bezüglich minimalem und maximalem Schalldruck in den Kanälen des Hörgeräts, Modulationstiefe, Klassifikatorentscheidung etc., werden verbesserte Werte für Verstärkung und Kompression abgeleitet. Die benötigten Daten werden im Hörgerät oder extern gespeichert und die Auswertung im Hörgerät oder extern beispielsweise mittels PC oder Fernbedienung durchgeführt.

[0020] Die Auswertung kann nach einer bestimmten Zeit, einer bestimmten Anzahl von Regeltätigkeiten oder auf Wunsch des Nutzers zur Bestimmung von pegel- und frequenzabhängigen Verstärkungen erfolgen. Bei der Bestimmung der Neueinstellung kann durch eine zeitliche Gewichtung festgelegt werden, ob und wie schnell die Selbstjustierung konvergieren soll. Vorzugsweise besitzt der Hörgeräteträger auch die Möglichkeit, diese zeitliche Gewichtung zu beeinflussen um eine entsprechende Feinanpassung durchzuführen.

[0021] Der vorteilhafte Einsatz der erfindungsgemäßen Selbstjustierung kann an folgendem Beispiel gezeigt werden. In Situationen mit hohen tieffrequenten Pegeln wird die Verstärkung vom Nutzer reduziert, während bei mittleren und niedrigen Pegeln keine Änderungen gespeichert werden. Das Hörgerät verändert das Kennlinienfeld daraufhin so, dass das Kompressionsverhältnis in den tieffrequenten Kanälen erhöht wird.

[0022] Folge dieser Selbstjustiermöglichkeit ist, dass der Hörgeräteträger für das Justieren nicht mehr einen Akustiker aufsuchen muss. Dies bedeutet aber auch, dass der Akustiker keinen speziellen Aufwand mehr bei der Nachversorgung hat. Darüber hinaus ermöglicht die Selbstjustierung beispielsweise den direkten Verkauf von Hörgeräten vom Hersteller über das Internet.


Ansprüche

1. Verfahren zum Einstellen eines Hörgeräts durch

- Eingeben eines gewünschten Einstellwerts (1) in das Hörgerät zu einem bestimmbaren Zeitpunkt,

gekennzeichnet durch

- Messen von mindestens einer Schallgröße (3) betreffend eine erste Umgebungssituation zu dem bestimmbaren Zeitpunkt,

- automatisches Lernen (4) von zu verwendenden Einstellwerten in Abhängigkeit von dem gewünschten Einstellwert und der mindestens einen gemessenen Schallgröße,

- erneutes Messen von mindestens einer Schallgröße (5) betreffend eine zweite Umgebungssituation und

- Einstellen des Hörgeräts (6) auf einen der zu verwendenden Einstellwerte bezogen auf die zweite Umgebungssituation.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei die mindestens eine gemessene Schallgröße den minimalen oder maximalen Schalldruckpegel in einem Frequenzkanal oder die Modulationstiefe darstellt.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei der Einstellwert eine Verstärkung oder Kompression betrifft.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei das Lernen (4) durch zeitliche Gewichtung von Lernschritten erfolgt.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei Lernschritte zu vorgegebenen Zeitpunkten und/oder in einer vorgegebenen Anzahl erfolgen.
 
6. Vorrichtung zum Einstellen eines Hörgeräts mit

- einer Eingabeeinrichtung zum Eingeben eines gewünschten Einstellwerts (1) in das Hörgerät zu einem bestimmbaren Zeitpunkt,

gekennzeichnet durch

- eine Messeinrichtung zum Messen von mindestens einer Schallgröße betreffend eine erste Umgebungssituation (3) zu dem bestimmbaren Zeitpunkt und von mindestens einer Schallgröße betreffend eine zweite Umgebungssituation (5), und

- eine Recheneinrichtung zum automatischen Lernen (4) von zu verwendenden Einstellwerten in Abhängigkeit von dem gewünschten Einstellwert und der mindestens einen gemessenen Schallgröße betreffend die erste Umgebungssituation, wobei von der Recheneinrichtung eine der zu verwendenden Einstellwerte bezogen auf die zweite Umgebungssituation ausgebbar ist.


 
7. Vorrichtung nach Anspruch 6, wobei die Eingabeeinrichtung einen Lautstärkeregler, eine Fernbedienung und/oder eine Spracheingabeeinheit umfasst.
 
8. Vorrichtung nach Anspruch 6 oder 7, wobei die mindestens eine gemessene Schallgröße einen minimalen oder maximalen Schalldruckpegel in einem Frequenzkanal oder die Modulationstiefe darstellt.
 
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 8, wobei der Einstellwert eine Verstärkung oder Kompression des Hörgeräts betrifft.
 
10. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 9, wobei mit der Recheneinrichtung Lernschritte zeitlich gewichtbar sind.
 
11. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 10, wobei mit der Recheneinrichtung Lernschritte zu vorgegebenen Zeitpunkten und/oder in einer vorgegebenen Anzahl durchführbar sind.
 
12. Hörgerät mit einer Vorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 11.
 
13. Einstellsystem mit einer Vorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 11, an das ein Hörgerät drahtgebunden oder drahtlos anschließbar ist.
 




Zeichnung