(19)
(11) EP 1 470 982 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
27.10.2004  Patentblatt  2004/44

(21) Anmeldenummer: 04004986.8

(22) Anmeldetag:  03.03.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B61G 5/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK

(30) Priorität: 31.03.2003 DE 10314550

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Schmidt, Gerhard
    45128 Essen (DE)

   


(54) Gelenkanbindung für Gliederzüge


(57) Für die Anbindung des die Wagen eines Gliederzuges verbindenden Gelenks (2) an den jeweiligen Wagenkasten (1) ist ein Gelenkträger (3) vorgesehen. Im Bereich der Gelenke (2) ist jeweils ein Fahrwerk (9) angeordnet. Die Einleitung von Vertikalkräften durch den Gelenkträger (3) in den Wagenkasten-Rohbau erfolgt an mindestens zwei in Längsrichtung voneinander entfernten Abstützungen (5, 6), wobei mindestens eine dieser Abstützungen (6) vom Gelenk (2) her betrachtet hinter der Radachse (4) des Fahrwerks (9) zur Wagenmitte hin angeordnet ist.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine Vorrichtung zur Anbindung des die Wagen eines Gliederzuges verbindenden Gelenks über einen Gelenkträger an den jeweiligen Wagenkasten, wobei im Bereich der Gelenke jeweils ein Fahrwerk angeordnet ist.

[0002] Die Gliederzuganordnung, d. h., die Verbindung der einzelnen Wagen eines Zuges durch jeweils ein einziges, nur rotatorisch bewegliches Gelenk, ist ein bewährtes Konstruktionsprinzip im Schienenfahrzeugbau. Im Gegensatz zu Einzelwagen mit jeweils zwei Fahrwerken genügt hier ein einziges Fahrwerk je Wagenübergang, womit sich selbst unter Beibehaltung des Abstands die Zahl der Fahrwerke im Zug deutlich reduzieren lässt. Zudem sind die Relativbewegungen an den Wagenübergängen aufgrund der eingeschränkten Freiheitsgrade wesentlich geringer, was die Ausführung von Übergangseinrichtungen wesentlich vereinfacht.

[0003] Nachteilig an der Gliederzuganordnung ist, dass die Gelenke außerhalb der Enden der Wagenkästen liegen und Vertikalkräfte somit Versatzmomente erzeugen, die eine große Biegebeanspruchung des Rohbaus hervorrufen. Weiter erschwert wird die beanspruchungsgerechte Gestaltung der Wagenenden durch den Raumbedarf der sich meist mittig unter dem Gelenk befindenden Fahrwerke, insbesondere im Bereich der Radsätze. Insbesondere die weit verbreitete Aluminium-Integral-Bauweise ist für solche hohen Lastkonzentrationen unwirtschaftlich.

[0004] Zur Lösung der Problems der Versatzmomente aus Vertikalkräften sind bisher zwei grundlegend verschiedene Ansätze bekannt:

[0005] Die französische Zugeinheit des Typs TGV verwendet in der ursprünglichen Ausführung zur Aufnahme der Gelenke Zwischenrahmen, die sich sowohl am Untergestell als auch am Dach abstützen. Bei neueren Ausführungen des TGV sind die Rahmen durch direkt an die Wagenkästen angeschweißte Konsolen ersetzt, die aber einen praktisch identischen Kraftfluss aufweisen. Alle um Achsen in Fahrzeugquerrichtung wirkenden Momente können somit als Kräftepaar auf Untergestell bzw. Dach in Fahrzeuglängsrichtung abgesetzt werden. Diese tragfähige Anbindung der Gelenkträger erlaubt die Verwendung eines Fahrwerks mit nur einem einzigen Paar von in der Querebene des Gelenks angeordneten Sekundärfedern. Einer der Wagenkästen stützt sich über Zwischenrahmen bzw. Konsolen direkt auf den Federn ab, während der andere nur an der Gelenkverbindung hängt. Nachteilig ist, dass die Zwischenrahmen bzw. Konsolen nur einen relativ schmalen Durchgang zwischen den Wagen frei lassen, was bei der Gestaltung von Nahverkehrsfahrzeugen häufig unerwünscht ist.

[0006] Im Gegensatz dazu existieren mehrere Ausführungen anderer Fahrzeuge (DESIRO, TALENT, ET 423 bis 426 der Deutschen Bahn AG), bei denen der Gelenkträger nur an der Stirnseite des Untergestells befestigt ist, das damit einer hohen Biegebeanspruchung ausgesetzt ist und entsprechend aufwändig gestaltet werden muss. Zur weitgehenden Entlastung der Gelenkverbindung werden hier im Fahrwerk zwei Paare von Sekundärfedern verwendet, die jeweils direkt unter den Enden der Wagenkästen angeordnet sind. Nachteilig daran ist neben dem aufwändigen Untergestell der erhöhte Platzbedarf sowie der doppelte Bauaufwand für die Sekundärfedern.

[0007] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, bei einer Gelenkanbindung für Gliederzüge die genannten Nachteile zu vermeiden, insbesondere also eine baulich einfache, hinsichtlich der Beanspruchungen günstige und in bezug auf den Raumbedarf kompakte Anbindung zu schaffen.

[0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass die Einleitung von Vertikalkräften durch den Gelenkträger in den Wagenkasten-Rohbau an mindestens zwei in Längsrichtung voneinander entfernten Abstützungen erfolgt, wobei mindestens eine dieser Abstützungen vom Gelenk her betrachtet hinter der Radachse des Fahrwerks zur Wagenmitte hin angeordnet ist. Durch die Erfindung sind die Nachteile der existierenden Lösungen vor allem dadurch vermieden, dass eine breite Abstützbasis zur Einleitung der Momente besteht und dennoch die Stirnseiten der Wagen oberhalb ihres Untergestells freigehalten sind.

[0009] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.

[0010] Im weiteren wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher beschrieben, die in der Zeichnung prinzipartig dargestellt sind.

[0011] Fig. 1 zeigt in einer Seitenansicht sowie in einer Draufsicht die Grundanordnung von zwei Wagenkästen 1, die über ein sphärisch bewegliches Gelenk 2 verbunden sind. Die Anbindung dieser Gelenke 2 erfolgt jeweils über einen Gelenkträger 3, der an mehreren Stellen (5 und 6) am zugehörigen Wagenkasten 1 angebunden ist. Über das Gelenk 2 wirkende Vertikalkräfte resultieren durch den Überstand a über den äußeren Abstützpunkt 5 hinaus in einem Moment auf den Gelenkträger 3. Durch die breite Abstützbasis b mit dem außerhalb der Radachse 4 des Fahrwerks 9 gelegenen inneren Abstützpunkt 6 kann dieses Moment durch ein relativ kleines Kräftepaar aufgenommen werden.

[0012] Zur Vereinfachung des Untergestells des Wagenkastens 1 kann es vorteilhaft sein, auf die Möglichkeit zur Einleitung der Längskräfte am Wagenende im Bereich der äußeren Abstützung 5 zu verzichten. Dann wird die gesamte Längskraft durch den Gelenkträger 3 über die Radachse 4 hinweg bis zum inneren Abstützpunkt 6 geführt und erst dort in den Rohbau eingeleitet. Da hier im Gegensatz zum Bereich über dem Fahrwerk 9 keine zwingenden Bauraumbeschränkungen bestehen, lässt sich die Anbindung wesentlich leichter konstruktiv umsetzen.

[0013] Aufgrund der breiten Abstützbasis b der Anbindung der Gelenkträger 3 kann die exakte Bearbeitung der Montageflächen schwieriger sein. Außerdem sind durch die hohen Beanspruchungen entsprechende elastische Verformungen zu erwarten. Es ist daher vorteilhaft, die Abstützungen 5 und 6 gezielt beweglich auszubilden, um mögliche Winkelfehler frei von Zwängen auszugleichen, wie dies in Fig. 2 für die innere Abstützung 6 angedeutet ist.

[0014] Fig. 3 zeigt eine Variante der äußeren Abstützung 5. Zur Vereinfachung des Wagenkastenrohbaus und zur Beschleunigung der Fahrwerkmontage werden alle Anschlüsse des Fahrwerks 9 - wie Sekundärfedern 8, Längsmitnahme, Dämpfer und Wankstütze - auf einen Zwischenträger 7 geführt, der über eine einfache Schnittstelle schnell am jeweiligen Wagenkasten 1 zu montieren ist. Dieser Zwischenträger 7 ist zudem noch als äußere Abstützung 5 des Gelenkträgers 3 nutzbar, so dass im Bodenbereich über dem Fahrwerk 9 keinerlei Kräfte in den Rohbau eingeleitet werden müssen.

[0015] Durch eine geeignete Ausbildung und Anordnung der beteiligten Träger 3 und 7 ist es zu erreichen, dass das Fahrwerk 9 auch ohne Demontage der Gelenkverbindung nach unten ausgebaut werden kann.

[0016] Zur Aufnahme von Energie beim betrieblichen Kuppeln oder bei einem Unfall ist es sinnvoll, eine Relativbeweglichkeit mit zwischengeschalteten, Energie aufnehmenden Elementen zu realisieren. Fig. 5 zeigt die Anordnung eines Federapparates 10 zur Energieaufnahme bei der inneren Abstützung 6, womit der gesamte Gelenkträger 3 längsbeweglich ist. Gemäß Fig. 6 kann alternativ der Gelenkträger 3 zweiteilig ausgeführt werden, wodurch nur der nahe beim Gelenk 2 liegende und mit dem Federapparat 10 zusammenwirkende Teil des Gelenkträgers 3 beweglich ist.

[0017] Wegen des durch Fahrmotoren 11, Bremsscheiben und ähnliche Komponenten begrenzten Bauraumes über dem Fahrwerk 9 kann eine in Fig. 7 gezeigte Kröpfung des Gelenkträgers 3 nötig werden. Aufgrund des in diesem Falle bestehenden Kraftflusses wird der Gelenkträger 3 relativ hoch belastet. Aber auch in diesem Falle ist die erfindungsgemäße Lösung vorteilhaft, da der Gelenkträger 3 unabhängig vom Wagenkasten 1 aus geeigneten, hoch belastbaren Werkstoffen gefertigt werden kann.


Ansprüche

1. Vorrichtung zur Anbindung des die Wagen eines Gliederzuges verbindenden Gelenks (2) über einen Gelenkträger (3) an den jeweiligen Wagenkasten (1), wobei im Bereich der Gelenke (2) jeweils ein Fahrwerk (9) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Einleitung von Vertikalkräften durch den Gelenkträger (3) in den Wagenkasten-Rohbau an mindestens zwei in Längsrichtung voneinander entfernten Abstützungen (5, 6) erfolgt, wobei mindestens eine dieser Abstützungen (6) vom Gelenk (2) her betrachtet hinter der Radachse (4) des Fahrwerks (9) zur Wagenmitte hin angeordnet ist.
 
2. Vorrichtung nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Gelenkträger (3) lösbar mit dem Wagenkasten (1) verbunden ist.
 
3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, dass
die innere Abstützung (6) des Gelenkträgers (3) für die Aufnahme der gesamten Längskräfte ausgebildet ist.
 
4. Vorrichtung nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet, dass
die innere Abstützung (6) des Gelenkträgers (3) als schnell lösbare Verbindung ausgebildet ist.
 
5. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Abstützungen (5, 6) des Gelenkträgers (3) in einer solchen Weise nachgiebig ausgebildet sind, dass Winkelfehler in der Größenordnung von Fertigungstoleranzen und elastischen Verformungen weitgehend zwangfrei aufgenommen werden können.
 
6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet, dass
die äußere Abstützung (5) des Gelenkträgers (3) Teil eines Zwischenträgers (7) ist, der mit dem Fahrwerk (9) eine Montageeinheit bildet und über schnell lösbare Verbindungen am Wagenkasten (1) angeschlossen ist.
 
7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Abstützung des Gelenkträgers (3) am Zwischenträger (7) des Fahrwerks (9) in einer solchen Weise lösbar ist, dass sich das Fahrwerk (9) einschließlich des Zwischenträgers (7) nach unten ausbauen lässt, ohne die Verbindung des Gelenkträgers (3) zum Wagenkasten (1) oder zum Gelenk (2) zu lösen.
 
8. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 3 bis 7,
dadurch gekennzeichnet, dass
die innere Abstützung (6) des Gelenkträgers (3) in einer solchen Weise längsbeweglich ist, dass über dazwischen geschaltete reversible und/oder irreversible Elemente (10) gezielt Energie aufgenommen werden kann.
 
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Gelenkträger (3) in mindestens zwei Teile in einer in Längsrichtung gegeneinander beweglichen, aber Momente übertragenden Weise geteilt ist, wobei über dazwischen geschaltete reversible und/oder irreversible Elemente (10) gezielt Energie aufgenommen werden kann.
 
10. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 9,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Gelenkträger (3) im mittleren Bereich nach oben gekröpft ist.
 
11. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 10,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Fahrwerk (9) einen der beiden angrenzenden Wagenkästen (1) direkt oder über Zwischenträger (7) abstützt und der andere Wagenkasten (1) keine direkte Abstützung auf das Fahrwerk (9) besitzt, sondern nur über das Gelenk (2) am direkt abgestützten Wagenkasten (1) bzw. am Zwischenträger (7) aufgehängt ist.
 




Zeichnung