(19)
(11) EP 1 475 813 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
10.11.2004  Patentblatt  2004/46

(21) Anmeldenummer: 03405322.3

(22) Anmeldetag:  07.05.2003
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7H01H 1/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK

(71) Anmelder: ABB Technology AG
8050 Zürich (CH)

(72) Erfinder:
  • Wolfgang, Wimmer
    5323 Rietheim (CH)

(74) Vertreter: ABB Patent Attorneys 
c/o ABB Schweiz AG, Intellectual Property (CH-LC/IP), Brown Boveri Strasse 6
5400 Baden
5400 Baden (CH)

   


(54) Verfahren und Vorrichtung zur Ueberwachung von Schaltgeräten in elektrischen Schaltanlagen


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren, ein Computerprogramm und eine Vorrichtung (2) zur Bestimmung von Kontaktabnutzung in einem elektrischen Schalter (3) einer Schaltanlage (1) sowie eine Schaltanlage (1) mit einer solchen Vorrichtung (2). Erfindungsgemäss werden zur Bestimmung einer Kontaktabnutzungs-Zustandsgrösse (Cwsum) ein Strommesssignal (Imess) am Schalter (3) auf Abweichungen (Δ) vom erwarteten Störabschaltstrom (If) untersucht und bei Abweichungen (Δ) die Zustandsgrösse (Cwsum) nicht unmittelbar aus dem Strommesssignal (Imess), sondern mittelbar unter Zuhilfenahme eines charakteristischen Stromwerts (Ichar) bestimmt. Ausführungsbeispiele betreffen u.a.: Abweichungen durch Sättigung des Stromwandlers (30) und maximales Strommesssignal (Imax) als charakteristischer Stromwert (Ichar); Zustandsgrösse (Cwsum) als Mass für Lichtbogenleistung während des Schaltens und insbesondere gleich einem Zeitintegral einer Potenzfunktion (f(Imess)) des Abschaltstroms (Imess). Vorteile sind u. a.: verbesserte Berechnung von Kontaktabbrand, verbesserte bedingungsgesteuerte statt periodische Wartung von Leistungsschaltern (3), erhöhte Betriebssicherheit bei verringerten Wartungskosten.




Beschreibung

TECHNISCHES GEBIET



[0001] Die Erfindung bezieht sich auf das Gebiet der Sekundärtechnik für elektrische Schaltanlagen, insbesondere der Überwachung von Schaltern in Hoch-, Mittel- oder Niederspannungsschaltanlagen. Sie geht aus von einem Verfahren, einem Computerprogramm und einer Vorrichtung zur Ermittlung des Kontaktabbrands von Leistungsschaltern in einer elektrischen Schaltanlage sowie von einer Schaltanlage mit einer solchen Vorrichtung gemäss Oberbegriff der unabhängigen Patentansprüche.

STAND DER TECHNIK



[0002] In den meisten Elektrizitätsversorgungsunternehmen wird heutzutage die Leistungsschalterwartung periodisch vorgenommen, gelegentlich mit vorgezogener Wartung, wenn Schutzabschaltungen mit möglicherweise hohen Strömen aufgetreten sind. Damit wird in der Regel der Schalter viel zu häufig gewartet mit dem zusätzlichen Risiko, dass bei der Wartung Schäden verursacht werden.
In der DE 102 04 849 A1 wird ein Verfahren zur Bestimmung der Kontaktabnutzung in einer Auslöseeinheit offenbart. Es wird eine kumulative, in den Leistungsschalterkontakten umgesetzte Energie berechnet, die proportional zur Kontaktabnutzung ist. Hierfür wird der Kontaktstrom I während der Kontakttrenndauer abgetastet, quadriert, mit einer festen Zeit T zwischen Abtastungen multipliziert und für jedes Kontaktpaar bezogen auf jeden Fehlertyp oder als Gesamtwert aufsummiert. Die Zeitverzögerung zwischen Auslösen des Leistungsschalters und der Kontaktbewegung im Leistungsschalter kann auf Basis typischer oder vom Hersteller veröffentlichter Mechanismuszeiten gemessen oder geschätzt werden. Bei Überschreiten einstellbarer Schwellwerte für den Kontaktabbrand können ein Warnsignal oder Alarmsignal ausgegeben werden oder eine Abschaltung oder Wartung des Leistungsschalters ausgelöst werden. Alternativ zur I2T-Messung kann die Lichtbogenenergie auch aus Spannung mal Strom oder approximativ aus Strom I mal Zeit T bestimmt werden. Nachteilig ist, dass Strommessfehler bei Überströmen für die Bestimmung von Lichtbogenenergie und Kontaktabbrand unberücksichtigt bleiben. Nachteilig ist auch der relativ grosse Mess- und Rechenaufwand.
Die EP 0 193 732 A1 offenbart eine Überwachungs- und Kontrolleinrichtung für Schaltgeräte und Schaltgerätekombinationen zur Ermittlung der erforderlichen Wartungszeitpunkte. Hierfür werden von einer Mehrzahl von Sensoren Abnutzungszustände der Schaltgeräte gemessen oder errechnet und nach Dringlichkeit gestufter Alarm oder Wartungsinformation generiert. Der Kontaktabbrand kann dabei direkt, z. B. durch Weggeber, Drehwinkelgeber oder Lichtschranken, erfasst oder indirekt durch Verknüpfung von Stromhöhe, Schaltspannung, Phasenwinkel, Anzahl Schaltungen, Schaltaugenblicke, Stromsteilheit oder Zeitkonstanten bestimmt werden. Insbesondere wird der Kontaktabbrand indirekt über die Bewertung von Strom und Temperatur der jeweiligen Strombahn bestimmt. Nachteilig sind hoher Messbedarf und aufwendige Signalverarbeitung. Auch bleiben Messfehler durch Sättigung des Stromwandlers unbeachtet.

DARSTELLUNG DER ERFINDUNG



[0003] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Verfahren, ein Computerprogramm, eine Vorrichtung und eine Schaltanlage mit einer solchen Vorrichtung zur verbesserten und vereinfachten Überwachung von Schaltern in elektrischen Schaltanlagen anzugeben. Diese Aufgabe wird erfindungsgemäss durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche gelöst.
In einem ersten Aspekt besteht die Erfindung in einem Verfahren zur Bestimmung von Kontaktabnutzung in einem elektrischen Schalter, insbesondere in elektrischen Schaltanlagen für Hoch- oder Mittelspannung, wobei ein während einer Schalthandlung durch den Schalter fliessender Kontaktstrom mit Hilfe eines Stromwandlers erfasst wird und hinsichtlich Kontaktabnutzung ausgewertet wird, wobei zur Bestimmung einer die Kontaktabnutzung charakterisierenden Zustandsgrösse zunächst ein Strommesssignal des Stromwandlers als Funktion der Zeit gemessen wird, bei Auftreten von Abweichungen zwischen dem erwarteten Kontaktstrom und dem Strommesssignal das Vorhandensein eines Messfehlers detektiert wird und bei Detektion des Messfehlers aus dem Strommesssignal mindestens ein charakteristischer Stromwert bestimmt wird und zur Bestimmung der Zustandsgrösse verwendet wird. Die Zustandsgrösse ist so zu wählen, dass sie ein zuverlässiges Mass für den Kontaktabbrand darstellt. Der erwartete Kontaktstrom ist besonders durch den zeitlichen Kontaktstromverlauf charakterisiert, insbesondere durch Erreichen eines betragsmässigen Strommaximums am Ende einer Viertel- oder Dreiviertelperiode der Netzfrequenz des am Schalter anliegenden Nennstroms. Je nach Schalthandlung und Fehlerart sind auch andere erwartete Kontaktströme denkbar. Durch das Verfahren kann eine Kontaktabnutzung auch dann mit grosser Zuverlässigkeit bestimmt werden, wenn der für den Kontaktabbrand relevante Fehler- oder Lichtbogenstrom nicht korrekt gemessen wird oder werden kann. Dabei stellt die Verwendung des charakteristischen Stromwerts anstelle des vollständigen Strommesssignals eine Vereinfachung und Präzisierung der Berechnung der Kontaktabnutzung dar. Insgesamt kann der Kontaktverschleiss genauer berechnet werden und die Wartung von Leistungsschaltern und ähnlichen Schaltgeräten kann statt periodisch ohne Verlust an Betriebssicherheit nach Bedarf durchgeführt werden, wodurch die Wartungskosten entsprechend gesenkt werden.

[0004] In einem ersten Ausführungsbeispiel wird als Messfehler eine Sättigung des Strommesssignals detektiert und es wird als charakteristischer Stromwert ein maximales Strommesssignal des Stromwandlers verwendet, falls es vor Erreichen einer Viertelperiode eines am Schalter anliegenden Wechselstroms auftritt und insbesondere detektiert wird. Die Sättigung konventioneller Stromwandler verunmöglicht oftmals eine genaue Messung des Lichtbogenüberstroms und verfälscht dadurch die Kontaktabbrandberechnung gerade für die Fehlerfälle, die am meisten Kontaktabbrand bringen. Dies kann nun rechnerisch korrigiert werden.
Das Ausführungsbeispiel gemäss Anspruch 3 hat den Vorteil, dass hohe Fehlerströme erfassbar sind und die Zustandgrösse ein zuverlässiges, gut berechenbares Mass für Kontaktabbrand darstellt.
Das Ausführungsbeispiel gemäss Anspruch 4 hat den Vorteil, dass eine sehr einfache Rechenvorschrift zur Kontaktabbrandberechnung angegeben wird.
Das Ausführungsbeispiel gemäss Anspruch 5 hat den Vorteil, dass durch die exakte Bestimmung des Lichtbogenstarts die Zuverlässigkeit der Kontaktabbrandberechnung verbessert wird.
Das Ausführungsbeispiel gemäss Anspruch 6 hat den Vorteil, dass eine Auswahl von Funktionen zur Berechnung des Kontaktabbrands angegeben wird und gegebenenfalls für spezifische Schalter oder Fehlerstromereignisse eine spezielle Funktion gewählt werden kann.
Das Ausführungsbeispiel gemäss Anspruch 7 hat den Vorteil, dass auch Herstellerangaben zur verbesserten Kontaktabbrandberechnung herangezogen werden können.
Das Ausführungsbeispiel gemäss Anspruch 8 hat den Vorteil, dass eine zusätzliche, unabhängige Berechnung der Kontaktabnutzung durchgeführt werden kann.
Das Ausführungsbeispiel gemäss Anspruch 9 hat den Vorteil, dass der Kontaktabbrand permanent überwacht und/oder aus archivierten Daten nachträglich bestimmt werden kann. Insbesondere können Störschrieb-Daten verwendet werden, wie sie z. B. in einem Störschreiber-Sammelsystem, auch Stations-Monitoring-System oder SMS genannt, vorhanden sind.
In weiteren Aspekten betrifft die Erfindung ein Computerprogramm zur Bestimmung von Kontaktabnutzung in einem elektrischen Schalter, wobei die Verfahrenschritte gemäss den Ansprüchen 1-9 durch Programmcode implementiert sind, desweiteren eine Vorrichtung zur Ausführung des Verfahrens und eine Schaltanlage umfassend die Vorrichtung.
Weitere Ausführungen, Vorteile und Anwendungen der Erfindung ergeben sich aus abhängigen Ansprüchen sowie aus der nun folgenden Beschreibung und den Figuren.

KURZE BESCHREIBUNG DER ZEICHNUNGEN



[0005] 
Fig. 1
eine schematische Darstellung zur Stromapproximation bei der erfindungsgemässen Kontaktabbrandberechnung für Leistungsschalter;
Fig. 2
ein Algorithmus zur erfindungsgemässen Kontaktabbrandberechnung in Nassi-Schneiderman Diagramdarstellung;
Fig. 3
eine Kurvendarstellung der Anzahl erlaubter Schalthandlungen als Funktion des effektiven Abschaltstroms pro Schalthandlung;
Fig. 4
ein schematisch dargestelltes erfindungsgemässes Datenerfassungssystem für die Kontaktabnutzung in einer elektrischen Schaltanlage.
In den Figuren sind gleiche Teile mit gleichen Bezugszeichen versehen.

WEGE ZUR AUSFÜHRUNG DER ERFINDUNG



[0006] Leistungsschalter sind für eine bestimmte Anzahl mechanischer Schalthandlungen oder Schaltspiele ausgelegt. Werden mit ihnen z. B. im Fehlerfall grössere Ströme abgeschaltet, so werden durch den entstehenden Lichtbogen die Kontakte stärker abgebrannt als bei normalen Schalthandlungen einberechnet. Damit der Leistungsschalter funktionsfähig bleibt, müssen die Kontakte ersetzt werden, bevor sie vollkommen abgebrannt sind. Der Grad des Abbrands pro Schalthandlung hängt von der Energie des dabei auftretenden Lichtbogens ab. Diese Energie ist proportional zum Integral ∫I2dt, wobei I den während der Lichtbogendauer fliessenden Strom und t die Zeit bezeichnet.
Gemäss der Erfindung werden Schalter 3 in elektrischen Schaltanlagen 1 hinsichtlich Kontaktabnutzung überwacht, indem ein während einer Schalthandlung durch den Schalter 3 fliessender Kontaktstrom If mindestens näherungsweise durch ein Strommesssignal Imess eines Stromwandlers 30 oder Stromsensors 30 als Funktion der Zeit t erfasst wird, bei Abweichungen zwischen erwartetem Kotaktstrom If und Strommesssignal Imess ein Messfehler Δ detektiert wird und aus dem Strommesssignal Imess mindestens ein charakteristischer Stromwert Ichar bestimmt und zur Bestimmung einer Kontaktabnutzung charakterisierenden Zustandsgrösse verwendet wird. Diese Abschätzung ist zwar häufig etwas zu konservativ, aber immer auf der sicheren Seiten. Das Verfahren kann Bestandteil eines Power System Monitoring Systems sein.
Fig. 1 zeigt hierzu ein Ausführungsbeispiel, bei dem ein weitgehend sinusförmiger Fehlerstrom If vorliegt. Im Strommesssignal Imess tritt eine Sättigung auf und es wird zum Zeitpunkt tmax innerhalb einer Viertelperiode des Fehlerstromsignals If oder der am Schalter 3 anliegenden Netzfrequenz ein Strommaximum I durchlaufen. Das Auftreten des Strommaximums Imax wird detektiert, wenn die Abweichung oder der Messfehler Δ zwischen dem Fehlerstromverlauf If(t) und dem Strommesssignalverlauf Imess(t) einen Toleranzwert Δmin überschreitet. Der Kontaktstrom If ist typischerweise ein Überstrom oder Kurzschlussstrom If während einer Abschalthandlung, dessen Zeitverlauf recht genau im vorhinein bekannt ist. Insbesondere ist ein Strommaximum Imax, das im Strommesssignal Imess vor Erreichen einer Viertelperiode der Netzfrequenz auftritt, ein sicheres Indiz für einen Messfehler Δ. Das Strommaximum Imax wird nun als charakteristischer Stromwert Ichar definiert und zur Berechnung der Kontaktabbrand-Zustandsgrösse verwendet. Die Zustandsgrösse soll vorzugsweise ein Mass für eine Lichtbogenleistung während der Schalthandlung und insbesondere ein Kontaktstrom-Zeitintegral sein.
Im Beispiel gemäss Fig. 1 wird das Strommesssignal Imess von einem ersten Zeitpunkt t0 zu Beginn der Stromhalbwelle, in welcher die Schalthandlung auftritt, bis zu einem zweiten Zeitpunkt tmax, zu dem ein maximales Strommesssignal Imax auftritt, erfasst, und ab dem zweiten Zeitpunkt tmax bis zu einem dritten Zeitpunkt t0 am Ende der Stromhalbwelle durch das maximale Strommesssignal Imax approximiert. Die Genauigkeit der Kontaktabbrandberechnung ist abhängig davon, wie genau der Anfangszeitpunkt des Lichtbogens bestimmt werden kann. Der erste Zeitpunkt t0 soll als Anfangszeit des Lichtbogens des Kontaktstroms If definiert werden. Die Berechnung ist am genauesten, wenn to als Binärindikation im Störschrieb bekannt ist; to kann auch mit einer auf Erfahrungswerten basierenden Zeitverzögerung aus einem Öffnungsbefehl, einem Schutztriggerbefehl oder einer Kontaktbewegung des Schalters 3 bestimmt werden. Eventuelle Schwankungen dieses Zeitwerts sind von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu anderen Einflussgrössen und zu Unregelmässigkeiten beim Kontaktabbrand. Systematische Fehler durch zu grosse oder zu kleine Werte des Anfangszeitpunkts t0 können korrigiert werden, wenn z. B. anlässlich einer Wartung der erwartete Abbrand mit dem tatsächlichen verglichen und die Zeitverzögerung entsprechend korrigiert wird. Aus Sicherheitsgründen sollte zu Beginn einer Kontaktabbrandgeschichte eher ein zu kleiner Wert der Zeitverzögerung als ein zu grosser Wert benutzt werden, so dass der Kontaktabbrand in der Berechnung zunächst überschätzt wird.
Zur Bestimmung der Zustandsgrösse wird dann ein Zeitintegral ∫f(Imess)dt über eine Funktion f(Imess) des streckenweise erfassten und streckenweise approximierten Strommesssignals Imess gebildet. Bevorzugt wird als Funktion f(Imess) des Strommesssignals Imess eine Potenzfunktion f(Imess)=Imessa mit a=1, 2 ... 2,2, insbesondere a=1,6 ... 2,0, verwendet. Beispielsweise wird das Integral ∫Imess2 dt oder ∫Imess1,6dt mit dem gemäss Fig. 1 approximierten Strommesssignal Imess zur näherungsweisen Bestimmung der Kontaktabbrands bestimmt. Als Funktion f(Imess) kann auch eine einen effektiven Abschaltstrom Ieff definierende Quadratwurzelfunktion f(Imess) = (Imess 2)1/2 verwendet werden. Andere Funktionen f(Imess) sind ebenfalls möglich. Das Zeitintegral ∫f(Imess) dt über die Funktion f(Imess) kann durch eine Summation von Funktionswerten an Stützstellen approximiert werden, wobei die Stützstellen z. B. durch Abtastung des Strommesssignals Imess gegeben sind. Insbesondere wird die Zustandsgrösse gleich dem Zeitintegral ∫f(Imess) dt mal einer Kontaktabbrandkonstanten c gewählt und die Kontaktabbrandkonstante c aus Herstellerangaben, insbesondere aus Kurven über Anzahl erlaubter Schalthandlungen N(Ieff) in Funktion eines effektiven Abschaltstroms pro Schalthandlung Ieff, und/oder aus Erfahrungswerten für einen Schaltertyp und Schaltereinsatzort bestimmt.
Fig. 2 zeigt in Nassi-Schneidermanndarstellung einen Software-Algorithmus zur Implementierung des Verfahrens in einem Computerprogramm und Computerprogrammprodukt. Zunächst werden die Grössen Cwsum (=Zustandsgrösse zur Charakterisierung des Kontaktabbrands), Imax, cnt (=Zählervariable) und saturation (Konstante) initialisiert. Dann wird in einer While-Schlaufe, die durch cnt in einer positiven (oder alternativ negativen, hier nicht dargestellten) Halbperiode der Netzwechselspannung bedingt ist, für jeden cnt-Wert ein Abtastwert sample(cnt) des Strommesssignals eingelesen und auf die Bedingung sample(cnt)≥Imax geprüft. Falls die Bedingung erfüllt ist, werden eine Hilfsvariable CWI und gleich sample(cnt) gesetzt. Falls die Bedingung nicht erfüllt ist, wird, falls cnt kleiner als die Mitte der positiven (oder negativen, hier nicht dargestellten) Halbperiode MidthPositivePeriod ist, saturation true und CWI gleich Imax gesetzt; falls cnt≥MidthPositivePeriod ist, wird für saturation=true CWI gleich Imax und für saturation=false CWI gleich sample(cnt) gesetzt. Schliesslich wird der Zähler cnt um 1 inkrementiert und zur Kontaktabbrand-Zustandsgrösse Cwsum die Hilfsvariable CWI zum Quadrat addiert. Am Ende der Halbperiode ist die Summation oder Integration von Cwsum abgeschlossen. Cwsum stellt dabei, gemäss Fig. 1, genau das Zeitintegral über das Quadrat des approximierten Stromes dar, der im Zeitintervall t0 bis tmax durch das Strommesssignal Imess, entsprechend den Abtastwerten sample(cnt), gegeben ist und im Zeitintervall tmax bis zum nächsten t0 durch das Strommaximum Imax approximiert wird.
Fig. 3 zeigt ein Beispiel einer Kurve eines Leistungsschalterherstellers, welche Kurve die maximale Zahl erlaubter Schalthandlungen N mit einem effektiven Abschaltstrom pro Schalthandlung Ieff und somit mit einem bestimmten kumulierten effektiven Abschaltstrom korrelieren. Soll der Kontaktabbrand mit Hilfe des Integrals ∫I2dt bestimmt werden, muss noch eine schalterspezifische oder schaltertypspezifische Proportionalitätskonstante c zwischen dem Integral und dem Kontaktabbrand berücksichtigt werden, die vom Schalterhersteller angegeben und/oder über Vergleich von Messungen mit Berechnungen des Kontaktabbrands bestimmt werden kann.
Gemäss einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung kann ergänzend für jede Schalthandlung ein effektiver Ausschaltstrom Ieff bestimmt werden, aus einer Kurve über Anzahl erlaubter Schalthandlungen N(Ieff) in Funktion des effektiven Ausschaltstroms Ieff eine Kontaktabnutzung als Prozentwert der ausgeführten relativ zur Gesamtzahl erlaubter Schalthandlungen bei diesem effektiven Ausschaltstrom Ieff bestimmt werden und die Prozentwerte für alle relevanten ausgeführten Schalthandlungen zu einer kumulierten Kontaktabnutzung aufsummiert werden. Der kumulierte Prozentwert stellt eine Kontrollgrösse für die erfindungsgemäss bestimmte Kontaktabbrandzustandsgrösse Cwsum dar.

[0007] Beispielsweise kann eine Wartung des Schalters 3 zum ersten Zeitpunkt veranlasst werden, an dem die Zustandsgrösse Cwsum einen Grenzwert überschreitet oder der kumulierte Prozentsatz 100% minus einer Restsicherheitsmarge für die nächsten ein bis zwei Abschalthandlungen mit dem maximalen für diesen Schalter 3 zulässigen Ieff erreicht.
Fig. 4 zeigt eine schematische Darstellung eines Datenerfassungssystems zur erfindungsgemässen Bestimmung der Kontaktabbrandzustandsgrösse Cwsum und/oder des kumulierten Prozentwerts aus N(Ieff). Die Schaltanlage 1 weist Schalter 3, typischerweise Leistungsschalter 3, auf, die mit Stromwandlern 30 oder Stromsensoren 30, typischerweise konventionellen Stromwandlern 30 mit sättigbarem Kern, ausgestattet sind. Beispielsweise werden Messwandler mit 1% Genauigkeit und Verrechnungswandler mit 0,1% - 0,5% Genauigkeit bei den hohen Strömen gesättigt, die am meisten Kontaktabbrand bringen. Dadurch werden herkömmliche Kontaktabbrandschätzungen mit dem Integral ∫Imess2dt sehr ungenau und auf jeden Fall zu klein und dadurch ungeeignet oder riskant für die Bestimmung bedarfsbedingter Wartungszeitpunkte. Hingegen haben klassische Schutzwandler für Überstromfunktionen einen grossen Messbereich ohne Sättigung, sind jedoch für kleine Ströme relativ ungenau, so dass sie typischerweise einer Genauigkeitsklasse von 2% - 5% angehören. Auch für diese Wandler kann durch die Erfindung eine verbesserte Kontaktabbrandberechnung erzielt werden, indem ein charakteristischer Stromwert Ichar gewählt wird, mit dem der Messfehler Δ im Strommesssignal Imess so korrigiert werden kann, dass eine möglichst genaue Bestimmung der Zustandsgrösse Cwsum und insbesondere einer kontaktabbrandrelevanten Lichtbogenleistung erreicht wird. Die Stromwandler 30 sind mit Mitteln 4 zur Datenerfassung an elektrischen Schaltern 3, insbesondere mit Störschreibern 4, Schutzgeräten 4 oder Steuergeräten 4 verbunden. Diese Datenerfassungsmittel 4 sind über eine serielle Kommunikation 5 oder über Datenträger 5 mit einer zentralen Erfassungseinheit 6 zur Kontaktabbrandberechnung sowie vorzugsweise mit einer Datenbank 7 für Daten über Kontaktabnutzung verbunden.
Mit Hilfe dieser Vorrichtung 2 zur Kontaktabbrandberechnung kann das oben dargestellte Verfahren implementiert werden. Insbesondere kann die Kontaktabnutzung on-line, d. h. laufend während des Betriebes, überwacht werden oder rückwirkend aus archivierten Daten, insbesondere mit einer an einen Schaltertyp oder Schaltereinsatzort angepassten Funktion f(Imess) des Strommesssignals Imess, ausgewertet werden. Dabei kann die Kontaktabnutzung aus Aufzeichnungen von Abschaltströmen Imess aus Störschreibern 4 oder Schutz- und Steuergeräten 4 mit Störschreibfunktion bestimmt werden, wobei alle Aufzeichnungen der Abschaltströme Imess einer Schaltanlage 1 zentral gesammelt werden, insbesondere in einem existierenden oder hierfür speziell konzipierten Störschreiber-Sammelsystem 4-6, auch SMS oder Stations-Monitoring-System genannt. Die Erfindung erstreckt sich auch auf eine solche Vorrichtung 2 zur Kontaktabbrandberechnung, die beispielsweise im Anlagenleitsystem (nicht dargestellt) der Schaltanlage 1 integriert ist, und auf eine elektrische Schaltanlage 1, die eine solche Vorrichtung 2 umfasst. Insgesamt ergibt sich eine verbesserte bedingungsgesteuerte statt periodische Wartung von Schaltern 3 und deren Schalterkontakten.

BEZUGSZEICHENLISTE



[0008] 
1
Elektrische Schaltanlage
2
Datenerfassungssystem für Kontaktabnutzung
3
Elektrischer Schalter, Leistungsschalter
30
Stromwandler, Stromsensor
4
Mittel zur Datenerfassung an elektrischen Schaltern; Störschreiber, Schutzgerät, Steuergerät
5
Serielle Kommunikation, Datenträger
6
Zentrale Datenerfassung; Mittel zur Berechnung von Kontaktabnutzung
7
Datenbank für Daten über Kontaktabnutzung
I
Kontaktstrom, Lichtbogenstrom
Ichar
charakteristischer Stromwert
Ieff
effektiver Strom
If
Fehlerstrom
Imax
maximaler Strom
Imess
Strommesssignal
t, t0, tmax Zeit
cnt, CWI, Cwsum, Sample Variablen PositivePeriod, MidthPositivePeriod, saturation Konstanten
N
Anzahl erlaubter Schalthandlungen



Ansprüche

1. Verfahren zur Bestimmung von Kontaktabnutzung in einem elektrischen Schalter (3), insbesondere in elektrischen Schaltanlagen (1) für Hoch- oder Mittelspannung, wobei ein während einer Schalthandlung durch den Schalter (3) fliessender Kontaktstrom (If) mit Hilfe eines Stromwandlers (30) erfasst wird und hinsichtlich Kontaktabnutzung ausgewertet wird, dadurch gekennzeichnet, dass

a) zur Bestimmung einer die Kontaktabnutzung charakterisierenden Zustandsgrösse (Cwsum) zunächst ein Strommesssignal (Imess) des Stromwandlers (30) als Funktion der Zeit (t) gemessen wird,

b) bei Auftreten von Abweichungen zwischen dem erwarteten Kontaktstrom (If) und dem Strommesssignal (Imess) das Vorhandensein eines Messfehlers (Δ) detektiert wird und

c) bei Detektion des Messfehlers (Δ) aus dem Strommesssignal (Imess) mindestens ein charakteristischer Stromwert (Ichar) bestimmt wird und zur Bestimmung der Zustandsgrösse (Cwsum) verwendet wird.


 
2. Das Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass

a) als Messfehler (Δ) eine Sättigung des Strommesssignals (Imess) detektiert wird und

b) als charakteristischer Stromwert (Ichar) ein maximales Strommesssignal (Imax) des Stromwandlers (30) verwendet wird, das vor Erreichen einer Viertelperiode eines am Schalter (30) anliegenden Wechselstroms auftritt.


 
3. Das Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass

a) der Kontaktstrom (If) ein Überstrom oder Kurzschlussstrom (If) während einer Abschalthandlung ist und/oder

b) die Zustandsgrösse (Cwsum) ein Mass für eine Lichtbogenleistung während der Schalthandlung, insbesondere ein Kontaktstrom-Zeitintegral, ist.


 
4. Das Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass

a) das Strommesssignal (Imess) von einem ersten Zeitpunkt (t0) zu Beginn der Stromhalbwelle, in welcher die Schalthandlung auftritt, bis zu einem zweiten Zeitpunkt (tmax), zu dem ein maximales Strommesssignal (Imax) auftritt, erfasst wird, und ab dem zweiten Zeitpunkt (tmax) bis zu einem dritten Zeitpunkt (t0) am Ende der Stromhalbwelle durch das maximale Strommesssignal (Imax) approximiert wird und

b) zur Bestimmung der Zustandsgrösse (Cwsum) ein Zeitintegral ∫f (Imess) dt über eine Funktion f (Imess) des erfassten und approximierten Strommesssignals (Imess) gebildet wird.


 
5. Das Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass

a) der erste Zeitpunkt (t0) als Anfangszeit eines Lichtbogens des Kontaktstroms (If) definiert wird und als Binärindikation im Störschrieb bekannt ist oder mit einer auf Erfahrungswerten basierenden Zeitverzögerung aus einem Öffnungsbefehl, einem Schutztriggerbefehl oder einer Kontaktbewegung des Schalters (3) bestimmt wird und

b) insbesondere dass die Zeitverzögerung durch Vergleich tatsächlicher Werte mit erwarteten Werten der Kontaktabnutzung korrigiert wird.


 
6. Das Verfahren nach einem der Ansprüche 4-5, dadurch gekennzeichnet, dass als Funktion f(Imess) des Strommesssignals (Imess) eine Potenzfunktion f(Imess) =Imessa mit a=1, 2 ... 2,2, insbesondere a=1,6 ... 2,0, oder eine einen effektiven Abschaltstrom (Ieff) definierende Quadratwurzelfunktion f(Imess)=(Imess2)1/2 verwendet wird.
 
7. Das Verfahren nach einem der Ansprüche 4-6, dadurch gekennzeichnet, dass

a) die Zustandsgrösse (Cwsum) gleich dem Zeitintegral ∫f(Imess) dt mal einer Kontaktabbrandkonstanten c gewählt wird und

b) die Kontaktabbrandkonstante c aus Herstellerangaben, insbesondere aus Kurven über Anzahl erlaubter Schalthandlungen in Funktion eines effektiven Abschaltstroms pro Schalthandlung (Ieff), und/oder aus Erfahrungswerten für einen Schaltertyp und Schaltereinsatzort bestimmt wird.


 
8. Das Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass

a) für jede Schalthandlung ein effektiver Ausschaltstrom (Ieff) bestimmt wird,

b) aus einer Kurve (N(Ieff)) über Anzahl erlaubter Schalthandlungen (N) in Funktion des effektiven Ausschaltstroms (Ieff) eine Kontaktabnutzung als Prozentwert der ausgeführten relativ zur Gesamtzahl erlaubter Schalthandlungen bei diesem effektiven Ausschaltstrom (Ieff) bestimmt wird und

c) die Prozentwerte für alle relevanten ausgeführten Schalthandlungen zu einer kumulierten Kontaktabnutzung aufsummiert werden.


 
9. Das Verfahren nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass

a) die Kontaktabnutzung on-line überwacht wird oder rückwirkend aus archivierten Daten, insbesondere mit einer angepassten Funktion f(Imess) des Strommesssignals (Imess), ausgewertet wird und/oder

b) die Kontaktabnutzung aus Aufzeichnungen von Abschaltströmen (Imess) aus Störschreibern (4) oder Schutz- und Steuergeräten (4) mit Störschreibfunktion bestimmt wird, wobei alle Aufzeichnungen der Abschaltströme (Imess) einer Schaltanlage (1) in einer zentralen Datenerfassung (6) gesammelt werden, insbesondere per Datenträger (5) oder per Kommunikation (5) oder in einem Störschreiber-Sammelsystem (4-6).


 
10. Computerprogramm zur Bestimmung von Kontaktabnutzung in einem elektrischen Schalter (3), insbesondere in elektrischen Schaltanlagen (1) für Hoch- oder Mittelspannung, das auf einer Datenverarbeitungseinheit (6), insbesondere in einem Anlagenleitsystem der Schaltanlage (1), ladbar und ausführbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Computerprogramm bei Ausführung die Schritte des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1-9 ausführt.
 
11. Vorrichtung (2) zur Ausführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1-9.
 
12. Vorrichtung (2) nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass

a) der elektrische Schalter (3) ein Leistungsschalter (3) ist und/oder

b) der Stromwandler (30) ein konventioneller Stromwandler (30) mit sättigbarem Kern ist.


 
13. Elektrische Schaltanlage (1), insbesondere Hoch- oder Mittelspannungsschaltanlage (1), gekennzeichnet durch eine Vorrichtung (2) nach einem der Ansprüche 11-12.
 




Zeichnung










Recherchenbericht