(19)
(11) EP 1 523 219 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.04.2005  Patentblatt  2005/15

(21) Anmeldenummer: 04022104.6

(22) Anmeldetag:  16.09.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7H04R 25/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL HR LT LV MK

(30) Priorität: 10.10.2003 DE 10347211

(71) Anmelder: Siemens Audiologische Technik GmbH
91058 Erlangen (DE)

(72) Erfinder:
  • Fröhlich, Matthias, Dr.
    91056 Dechsendorf (DE)
  • Hies, Thomas, Dr.
    91056 Erlangen (DE)

(74) Vertreter: Berg, Peter, Dipl.-Ing. et al
European Patent Attorney, Siemens AG, Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Verfahren zum Nachtrainieren und Betreiben eines Hörgeräts und entsprechendes Hörgerät


(57) Das Trainieren eines Hörgeräts auf individuelle Situationen soll für den Hörgeräteträger einfacher und umfassender gestaltet werden. Daher ist vorgesehen, dass der Hörgeräteträger eine aktuelle akustische Situation lediglich einer vorgegebenen Hörsituationskennung (3') zuordnen muss. Diese Zuordnung lernt ein Klassifikator, z. B. neuronales Netz (5). Nach dem Training kann dann das neuronale Netz (5) einem akustischen Eingangssignal (2) zuverlässig die entsprechende Hörsituationskennung (3') zuordnen. Anhand dieser Zuordnung wird ein aktueller Parametersatz (4') entsprechend variiert oder ergänzt.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Nachtrainieren eines Hörgeräts durch Bereitstellen eines akustischen Eingangssignals, Bereitstellen mehrerer Hörsituationskennungen und Zuordnen des akustischen Eingangssignals zu einer der Hörsituationskennungen durch einen Hörgeräteträger. Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung ein entsprechendes Hörgerät, das nachtrainierbar ist, und ein Verfahren zum Betreiben eines derartigen Hörgeräts nach einem Nachtraining.

[0002] Klassifikatoren finden in Hörgeräten zur Erkennung unterschiedlicher Situationen Einsatz. Die voreingestellten Parameter müssen allerdings für die entsprechenden Situationen bei einem individuellen Hörgeräteträger nicht notwendigerweise optimal sein. Durch Nachtraining, wie es üblicherweise bei sprecherbezogenen Spracherkennungssystemen eingesetzt wird, kann in bestimmten Situationen die Erkennungsrate bezüglich der individuellen Rahmenbedingungen erhöht werden. Dies ist insbesondere für die Situation der Darbietung der eigenen Stimme von großer Bedeutung. Ebenso kann der Klassifikator auf bestimmte Lärmsituationen, die typisch für das akustische Umfeld des Hörgeräteträgers sind, optimal eingestellt werden.

[0003] In diesem Zusammenhang ist aus der Druckschrift EP 0 681 411 A1 ein programmierbares Hörgerät bekannt, das sich eigenständig den wechselnden Umgebungssituationen anpasst. Die Hörgeräteparameter werden dabei kontinuierlich an die vorliegenden Umgebungsgeräusche angepasst, wobei "unscharfe" Eingaben vom Hörgeräteträger zusätzlich zu den gemessenen Eingangssignalen verwendet werden können. Die Zielsetzung hierbei ist, die Parameter direkt zu optimieren, wobei auf die Hörsituation nicht explizit eingegangen wird.

[0004] In der Druckschrift EP 0 814 634 A1 ist ferner ein Verfahren beschrieben, mit dem der Hörgeräteträger das Hörgerät optimal auf sich einstellt, indem ein durch den Hörgeräteträger veranlasstes Nachtraining durchgeführt wird. Der Hörgeräteträger erhält eine Menge vordefinierter Parametersätze für diejenige Hörsituation, die er dem Hörgerät mitteilt, zur Auswahl. Aus dieser begrenzten Menge an Parametersätzen, die jeweils einer Hörgerätevoreinstellung entsprechen, wählt er denjenigen aus, den er als optimal für sich empfindet. Die entsprechende Hörgeräteeinstellung wird von einem Regelwerk gelernt, so dass bei einem ähnlichen akustischen Eingangssignal dieselbe Hörgeräteeinstellung erfolgt. Dies bedeutet, dass das Regelwerk eine Abbildung der akustischen Eingangsgrößen auf den optimalen Hörgeräte-Parametersatz vornimmt. Bei diesem Nachtraining wird die Hörsituation nur indirekt dadurch berücksichtigt, dass ausschließlich die dieser Hörsituation entsprechenden Parametersätze zur Auswahl zur Verfügung gestellt werden. Eine direkte Anpassung der Hörsituation an die akustischen Eingangsdaten erfolgt jedoch nicht. Nachteilig dabei ist, dass der Hörgeräteträger bei derartigem Nachtraining den Klang des Hörgeräts, der durch den verwendeten Parametersatz festgelegt ist, beurteilen muss. Er muss beispielsweise beurteilen, ob er das Geräusch heller oder dunkler dargeboten bekommen will. Für bestimmte komplexe Algorithmen und dynamische, adaptive Parameter, wie z. B. die Steuerung eines adaptiven Richtmikrofons, ist jedoch die Differenzierung zwischen verschiedenen Parametersätzen für den Hörgeräteträger schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.

[0005] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, das Nachtraining eines Hörgeräts für den Hörgeräteträger zu vereinfachen und das Betreiben des Hörgeräts entsprechend zu verbessern.

[0006] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Nachtrainieren eines Hörgeräts durch Bereitstellen eines akustischen Eingangssignals, Bereitstellen mehrerer Hörsituationskennungen und Zuordnen des akustischen Eingangssignals zu einer der Hörsituationskennungen durch einen Hörgeräteträger sowie automatisches Lernen der Zuordnung des akustischen Eingangssignals zu der einen der Hörsituationskennungen.

[0007] Ferner ist erfindungsgemäß vorgesehen ein Hörgerät mit einer Aufnahmeeinrichtung zum Aufnehmen eines akustischen Eingangssignals, einer Speichereinrichtung zum Speichern mehrerer Hörsituationskennungen und einer Eingabeeinrichtung zum Zuordnen des akustischen Eingangssignals zu einer der Hörsituationskennungen durch einen Hörgeräteträger sowie einer Lerneinrichtung zum automatischen Lernen der Zuordnung des akustischen Eingangssignals zu der einen der Hörsituationskennungen durch die Eingabeeinrichtung.

[0008] Darüber hinaus wird die obige Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Betreiben eines Hörgeräts durch Empfangen eines akustischen Eingangssignals, automatisches Zuordnen einer eine Hörsituation kennzeichnenden Hörsituationskennung zu dem akustischen Eingangssignal und automatisches Einstellen des Hörgeräts in Abhängigkeit von der Hörsituationskennung.

[0009] Der Erfindung liegt die Kenntnis zugrunde, dass für den Hörgeräteträger zwar die Differenzierung zwischen verschiedenen Parametersätzen schwierig ist, hingegen das Benennen einer akustischen Situation, die gerade vorliegt, z. B. die Situation "eigene Stimme" oder "Unterhaltung im Auto", in den meisten Fällen sehr zuverlässig durch den Hörgeräteträger möglich ist. Diese Situationen gehen über die herkömmlich in Hörgeräten verwendeten Hörsituationen wie "Sprache in Ruhe" und "Sprache in Störgeräusch" hinaus. D. h. die differenzierteren Hörsituationen können sich auf für die Signalverarbeitung relevanten Teilaspekte dieser "klassischen" Situationen beziehen. Die akustischen Repräsentationen, die diesen neuartigen, vielfältigeren Situationen zugrunde liegen, können auf einfache Weise durch spezifisches Benennen individuell nachtrainiert werden. Beispielsweise kann der Klang der eigenen Stimme oder der spezifische Klang des eigenen Autos vom Hörgerät beispielsweise durch ein neuronales Netz erlernt werden. Das neuronale Netz nimmt somit im Gegensatz zu dem erwähnten Stand der Technik gemäß EP 0 813 634 A1 eine Abbildung der akustischen Eingangsgrößen nicht auf die resultierende Gesamteinstellung (Parametersatz) des Hörgeräts, sondern auf die interne Situationsrepräsentation (Hörsituationskennung) vor. Aus dieser wird dann basierend auf audiologischem Expertenwissen der zu verwendende Hörgeräteparametersatz abgeleitet bzw. die einschlägigen Parameter variiert und/oder ergänzt. Insbesondere können die adaptiven Algorithmen diese Information weiterverwerten, ohne dass der Hörgeräteträger das Resultat bewerten muss. Dieses einfache Zuweisen des akustischen Eingangssignals zu vorgegebenen Hörsituationen ist wegen der Adaptivität der Algorithmen und der damit verbundenen zeitlichen Dynamik bei weitem weniger schwierig für den Hörgeräteträger als die direkte Klangbewertung, wie beispielsweise des Frequenzgangs oder der Kompressionsverhältnisse/-kniepunkte, gemäß dem Stand der Technik.

[0010] Bei einer erfindungsgemäßen speziellen Ausgestaltung kann eine der Hörsituationen der Darbietung der eigenen Stimme des Hörgeräteträgers entsprechen, so dass nach dem automatischen Lernen die eigene Stimme erkannt werden kann. Dies ist in vielen Situationen beispielsweise für die Richtmikrofoneinstellung von großer Bedeutung.

[0011] Das automatische Lernen des mindestens einen Hörgeräteeinstellparameters für die zugeordnete Hörsituation auf der Grundlage der automatischen Auswertung kann während (online) oder nach (offline) der Darbietung des akustischen Eingangssignals erfolgen. Beim Online-Nachtraining muss das akustische Eingangssignal nicht vollständig gespeichert werden, jedoch benötigt das Hörgerät mehr Rechenleistung, um das Nachtraining durchzuführen. Beim Offline-Nachtraining entfällt dieser zusätzliche Rechenbedarf im Hörgerät, jedoch wird eine Speichervorrichtung für das akustische Eingangssignal benötigt. Die Online-Auswertung vermeidet das zeitaufwendige Auslesen, Prozessieren und Reprogrammieren der Daten bzw. des Hörgeräts.

[0012] Die Eingabeeinrichtung zum Zuordnen des akustischen Eingangssignals zu einer Hörsituation kann auch zum Starten und Stoppen des Nachtrainings verwendet werden. Dadurch wird die Handhabung des Hörgeräts bzw. die Durchführung des Nachtrainings für den Hörgeräteträger vereinfacht.

[0013] Darüber hinaus kann die Eingabeeinrichtung aus einem in das Hörgerät integrierten Empfänger und einer externen Fernbedienung bestehen. Die Fernbedienung kann für drahtgebundene oder drahtlose Kommunikation mit dem Hörgerät ausgestaltet sein. Denkbar ist des Weiteren, dass die Fernbedienung ausschließlich für das Nachtraining des Hörgeräts verwendet wird. Alternativ kann die Fernbedienung als Multifunktionsgerät, beispielsweise als Mobiltelefon oder tragbarer Rechner mit Funkschnittschnelle, ausgestaltet sein.

[0014] Die Eingabeeinrichtung kann außerdem eine programmierbare Recheneinheit, insbesondere einen PC umfassen, so dass die Bedienung über eine entsprechende Programmiersoftware erfolgt.

[0015] Schließlich kann die Eingabeeinrichtung bei einer speziellen Ausführungsform verbal und insbesondere mittels eines oder mehrerer Schlüsselworte bedienbar sein. Dadurch wird die Bedienung des Hörgeräts für den Hörgeräteträger noch komfortabler gestaltet.

[0016] Ferner kann das akustische Eingangssignal ein manuell oder automatisch aufbereitetes Sprachsignal umfassen. Damit ist es möglich, den Klassifikator sehr spezifisch zu trainieren.

[0017] Beim Betrieb des Hörgeräts, d. h. nach dem Nachtraining, kann ein momentan geltender Parametersatz durch das automatische Zuordnen der aktuellen Hörsituation zu einer Hörsituationskennung beeinflusst werden. Insbesondere kann ein Parameter des Parametersatzes durch das automatische Zuordnen variiert und/oder ergänzt werden. Dadurch ist es möglich, dass das akustische Eingangssignal einer komplexen Signalverarbeitung basierend auf Expertenwissen unterzogen wird, wenn das neuronale Netz eine gelernte Hörsituation, z. B. die eigene Stimme, erkennt. Dabei wird der im Hörgerät momentan verwendete Parametersatz entsprechend abgeändert bzw. entsprechende Filterungen durchgeführt.

[0018] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert, in denen zeigen:
FIG 1
ein Blockschaltbild zum Verfahren gemäß dem Stand der Technik;
FIG 2
ein Blockschaltbild des erfindungsgemäßen Verfahrens;
FIG 3
eine prinzipielle Darstellung eines Hörgeräts mit Fernbedienung zum Eingeben einer Hörsituation in einem ersten Schritt; und
FIG 4
die Situation des Hörgeräts gemäß FIG 3 während der Trainingsphase.


[0019] Das nachfolgend näher beschriebene Ausführungsbeispiel stellt eine bevorzugte Ausführungsform der vorliegenden Erfindung dar. Zum besseren Verständnis der Erfindung wird jedoch zunächst das Verfahren zum Nachtraining gemäß dem Stand der Technik anhand von FIG 1 nochmals näher erläutert.

[0020] Der Hörgeräteträger bzw. User 1 befindet sich, wie in FIG 1 dargestellt, in einer speziellen akustischen Situation, in der dem Hörgerät ein akustisches Eingangssignal 2 zur Verfügung steht. Da das Hörgerät für den Hörgeräteträger 1 subjektiv nicht optimal eingestellt ist, nimmt er ein Nachtraining vor. Dazu klassifiziert er das Geräusch und teilt dem Hörgerät die entsprechende sehr allgemeine Hörsituation bzw. Hörsituationskennung, z. B. "Sprache in Störgeräusch", mit. Jeder dieser Hörsituationen 3 ist jeweils eine Vielzahl an Parametersätzen 4 zugeordnet. Aufgrund der ausgewählten Hörsituation 3 hat der Hörgeräteträger 1 beispielsweise sieben Parametersätze zur Auswahl. Er kann nun denjenigen Parametersatz 4 auswählen, mit dem das Hörgerät so eingestellt ist, dass es in dieser akustischen Situation den subjektiv besten Klang erzeugt.

[0021] Ein neuronales Netz 5 lernt den gewünschten Parametersatz 4 für das anliegende akustische Eingangssignal 2, so dass es diesen Parametersatz 4 auch für eine ähnliche akustische Situation nach der Trainingsphase wieder wählen wird.

[0022] Die subjektive Beurteilung der Klänge, hervorgerufen durch die unterschiedlichen Parametersätze für die Hörgeräteeinstellung, ist für den Hörgeräteträger 1 jedoch sehr schwierig, da dies viel Detailwissen über die Auswirkungen der Hörgeräteparameter voraussetzt.

[0023] Gemäß der vorliegenden Erfindung soll daher vom Hörgerät nicht die Verwendung spezieller Parametersätze, sondern lediglich das Erkennen der augenblicklichen Situation trainiert werden. Dies erfolgt entsprechend dem Verfahren von FIG 2. Auch hier erhält der Hörgeräteträger bzw. User 1 das akustische Eingangssignal 2. Zum Nachtraining des neuronalen Netzes 5 im Hörgerät muss der Hörgeräteträger 1 die akustische Situation, in der er sich momentan befindet, lediglich einer von einer Vielzahl von vorgegebenen, spezifischen Hörsituationen 3' zuordnen. Die Anzahl der spezifischen Hörsituationen 3' ist im Fall der vorliegenden Erfindung üblicherweise größer als die Anzahl der allgemeinen Hörsituationen 3 gemäß FIG 1, da sie von vorne herein differenzierter sein sollen. Der Grund hierfür liegt darin, dass die allgemeine Hörsituation "Sprache in Störgeräusch" beispielsweise die spezielle Hörsituation "eigene Stimme" beinhaltet.

[0024] Das neuronale Netz 5 lernt damit nicht die Zuordnung eines Parametersatzes zu dem akustischen Eingangssignal 2, sondern die Zuordnung einer differenzierten Hörsituation bzw. einer Hörsituationskennung 3' zu dem akustischen Eingangssignal 2 (vgl. Pfeile mit durchgezogenen Linien in FIG 2). Dies bedeutet, dass das neuronale Netz im Gegensatz zum Stand der Technik auf einer höheren Ebene lernt. An dem Beispiel der Hörsituation "eigene Stimme im eigenen Auto" sei dies näher erläutert. Nach dem Stand der Technik wird dieser komplexen Situation ein fester Parametersatz ausgehend beispielsweise von der Parametersatzgruppe "Sprache in Störgeräusch" zugeordnet. Da nur eine Anzahl an Parametersätzen zur Auswahl für den Hörgeräteträger für derartige Situationen "Sprache in Störgeräusch" sinnvoll ist, ist sicherlich keiner der zur Verfügung stehenden Parametersätze für die eigene Stimme und zusätzlich für das eigene Auto optimiert.

[0025] Erfindungsgemäß wird dagegen die Situation "eigene Stimme" und die weitere Situation "im eigenen Auto" getrennt gelernt. Diese Hörsituationen nehmen jeweils spezifischen Einfluss auf die komplexe Signalverarbeitung. So wird beispielsweise bei der Situation "eigene Stimme" eine spezifische Verstärkung, eventuell gekoppelt mit einer speziellen Einstellung der Richtwirkung des Hörgeräts, und bei der Situation "im eigenen Auto" eine wiederum sehr spezifische Störgeräuschunterdrückung im Hörgerät veranlasst.

[0026] Besonders vorteilhaft ist, dass die eigene Stimme vom Hörgerät gelernt werden kann. Dies erfolgt dadurch, dass das akustische Eingangssignal mit der eigenen Stimme einer speziellen Verarbeitung unterzogen wird und entsprechende Parameter für das Hörgerät spezifisch gesetzt und der Hörsituation "eigene Stimme" zugeordnet werden. Ähnliches gilt für das Lernen beispielsweise der Hörsituation "eigenes Auto", wodurch eine sehr spezifische Störgeräuschunterdrückung erzielt werden kann. Es werden hier also beim Lernen nicht nur das Eingangssignal einer Hörsituation zugeordnet, sondern es findet auch eine sehr spezifische Ermittlung von Parametern, wie beispielsweise Filter- oder Verstärkungsparameter, statt.

[0027] Beim Gebrauch des Hörgeräts nach dem Nachtraining wird das neuronale Netz 5 ein akustisches Eingangssignal 2 einer oder mehreren spezifischen Hörsituationskennungen 3' zuweisen, so dass der momentan geltende Parametersatz 4' (einschließlich Filterparameter) entsprechend beeinflusst wird. Eine komplexe Signalverarbeitungseinheit 6 z. B. mit adaptivem Richtmikrofon wird die Signalverarbeitung auf der Basis des beeinflussten Parametersatzes 4' durchführen. Falls das neuronale Netz gemäß dem obigen Beispiel nun das Eingangssignal "eigene Stimme im eigenen Auto" erhält, weist es diesem sowohl die Hörsituationskennung "eigene Stimme" als auch die Hörsituationskennung "im eigenen Auto" zu, so dass der aktuelle Parametersatz beispielsweise hinsichtlich der spezifischen Verstärkung für die eigenen Stimme und bezüglich der spezifischen Filterung zur Unterdrückung der Störgeräusche des eigenen Autos variiert oder ergänzt wird.

[0028] Nachfolgend werden zwei konkrete Anwendungsbeispiele der vorliegenden Erfindung aufgezeigt:

[0029] Beispiel 1: Ein adaptives Richtmikrofon richtet sich auf die Richtung aus, aus der der maximale Nutzschall, z. B. ein Sprachsignal, einfällt. Unterhält sich der Hörgeräteträger mit einer neben ihm herlaufenden Person, sollte sich das Richtmikrofon auf den Gesprächespartner einstellen, d. h. auf eine maximale Verstärkung in einem Winkel um ca. 90°. Sobald jedoch der Hörgeräteträger selbst spricht, kommt das Nutzschallsignal aus dem eigenen Mund, d. h. aus einem Winkel von 0°. Die eigene Sprache zieht somit die Richtmikrofoncharakteristik vom eigentlichen Gesprächspartner weg und zwar üblicherweise mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung. Wenn das Hörgerät hingegen auf die eigene Stimme trainiert ist, und somit der adaptiven Mikrofonsteuerung bekannt ist, welche akustischen Eigenschaften zur eigenen Stimme gehören, können Signale, die als "eigene Stimme" klassifiziert werden, für die Nachführung der Richtcharakteristik unberücksichtigt bleiben. Demgegenüber wäre die Einstellmöglichkeit des Hörgeräts nach dem Stand der Technik von EP 0 814 634 A1 gemäß FIG 1, wonach der Hörgeräteträger mehrere Parametersätze beurteilen müsste, aufgrund der Dynamik und Adaptivität der Vorgänge wenig Erfolg versprechend. Insbesondere könnte die eigene Stimme nicht erkannt werden.

[0030] Beispiel 2: Ein Störgeräuschunterdrückungsverfahren kann speziell auf ein komplexes, zeitlich variables Geräusch trainiert werden. Dieses Geräusch wird dann optimal unterdrückt, obwohl es eventuell ähnliche spektrale Komponenten oder ein Modulationsspektrum wie Sprache, die als Nutzsignal weiterverarbeitet werden soll, aufweist. Durch individuelles Training auf diese akustische Situation, z. B. die oben erwähnte Situation "im Auto", kann das Störgeräuschunterdrückungsverfahren automatisch optimal eingestellt werden, indem beispielsweise spezielle Gewichtungsfaktoren für einzelne spektrale Bänder eingestellt werden oder das dynamische Verhalten optimal auf die Störgeräuschcharakteristik angepasst wird. Auch in diesem Fall sind die Unterschiede zwischen den Einstellungen der dynamischen Störgeräuschunterdrückung nur schwer direkt zu bewerten, die Situation hingegen sehr zuverlässig.

[0031] In gewissen akustischen Situationen kann es vorteilhaft sein, wenn zusätzlich zu dem erfindungsgemäßen Nachtraining ein Nachtraining gemäß dem Stand der Technik unter Beurteilung verschiedener Parametersätze durch den Hörgeräteträger erfolgt.

[0032] Das Nachtraining, wie es sich für den Hörgeräteträger darstellt, sei nun anhand der FIG 3 und 4 näher erläutert. Der Hörgeräteträger will beispielsweise die Situation "eigene Stimme" in sein Hörgerät 10 eintrainieren. Dazu schließt er über eine Leitung 11 eine Fernbedienung 12 an das Hörgerät 10 an. Die Fernbedienung weist als Bedienelement einen Taster 13 auf.

[0033] In dem Klassifikator sind mehrere Hörsituationen abgelegt. Der Hörgeräteträger weiß, dass die Hörsituation "eigene Stimme" beispielsweise der Situation 3 entspricht. Daher drückt er den Taster 13 dreimal, um dem Klassifikator mitzuteilen, dass Situation 3 nachtrainiert werden soll.

[0034] In einem anschließenden Schritt wird ein akustisches Signal, hier die eigene Stimme, zur Aufnahme für das Hörgerät 10 gemäß FIG 4 dargeboten. Der Hörgeräteträger muss nun dem Hörgerät 10 den Beginn und das Ende der Trainingsphase mitteilen. Dies erfolgt, indem er den Taster 13 gedrückt hält, während er selbst spricht. Dies bedeutet, dass er für beide Schritte des Trainings nur ein einziges Bedienelement 13 verwenden muss. Wenn sehr viele Hörsituationskennungen vorliegen, kann ein anderes Design bedienerfreundlicher sein, z. B. mit einem Display und einem Regler (Schieberegler, Trackball, etc.), mit dem die entsprechende Situation schnell angewählt werden kann.

[0035] Das tatsächliche Nachtraining des Hörgeräts 10 kann während der Darbietung des akustischen Signals 14 erfolgen. Alternativ wird das akustische Signal 14 im Hörgerät aufgezeichnet und nach der Aufzeichnung ausgewertet bzw. der gewählten Hörsituation aufgrund charakteristischer akustischer Eigenschaften zugeordnet. Im Falle des Online-Nachtrainings ist eine dauerhafte oder temporäre Speicherung des akustischen Signals 14 nicht unbedingt notwendig.

[0036] Da dem Hörgerät 10 nur die Information über die momentane Situation mitgeteilt werden muss, ist im Unterschied zum Stand der Technik gemäß EP 0 814 634 A1 eine externe Bedieneinheit nicht unbedingt notwendig. Sie kann jedoch entsprechend den FIG 3 und 4 beispielsweise aus Komfortgründen verwendet werden. Es kann jedoch auch ein Aufnahmeknopf am Hörgerät selbst angebracht sein.

[0037] Durch das Nachtraining lässt sich die Erkennungsrate des Klassifikators für bestimmte Situationen deutlich gegenüber der Voreinstellung erhöhen, so dass sich das Hörgerät zuverlässiger auf diese Situation einstellt. Durch das selbständige Starten und Beenden der Nachtrainingsphase durch den Hörgeräteträger können Situationen ferner zuverlässig nachtrainiert werden, da der Hörgeräteträger selbst entscheidet, wann das Signal der Situation zugeordnet werden kann.


Ansprüche

1. Verfahren zum Nachtrainieren eines Hörgeräts (10) durch

- Bereitstellen eines akustischen Eingangssignals (2),

- Bereitstellen mehrerer Hörsituationskennungen (3') und

- Zuordnen des akustischen Eingangssignals (2) zu einer der Hörsituationskennungen (3') durch einen Hörgeräteträger (1) ,

gekennzeichnet durch

- automatisches Lernen der Zuordnung des akustischen Eingangssignals (2) zu der einen der Hörsituationskennungen (3').


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei eine der Hörsituationskennungen (3') eine Hörsituation der Darbietung der eigenen Stimme oder des Geräusches des eigenen Autos des Hörgeräteträgers (1) kennzeichnet, so dass nach dem automatischen Lernen die eigene Stimme oder des Geräusches des eigenen Autos erkannt werden kann.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei das Lernen während der Darbietung des akustischen Eingangssignals (2) erfolgt.
 
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei das Lernen nach der Darbietung des akustischen Eingangssignals (2) erfolgt.
 
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Starten und Stoppen des Nachtrainierens und das Zuordnen des akustischen Eingangssignals (2) über eine Fernbedienung (12) erfolgt.
 
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei die Fernbedienung (12) drahtlos mit dem Hörgerät (10) kommuniziert.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, wobei die Bedienung des Hörgeräts (10) zum Nachtrainieren verbal erfolgt.
 
8. Verfahren nach Anspruch 7, wobei die Bedienung des Hörgeräts (10) mittels eines oder mehrerer Schlüsselworte erfolgt.
 
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das akustische Eingangssignal (2) ein manuell oder automatisch aufbereitetes Sprachsignal umfasst.
 
10. Hörgerät mit

- einer Aufnahmeeinrichtung zum Aufnehmen eines akustischen Eingangssignals (2),

- einer Speichereinrichtung zum Speichern mehrerer Hörsituationskennungen (3') und

- einer Eingabeeinrichtung (12) zum Zuordnen des akustischen Eingangssignals (2) zu einer der Hörsituationskennungen (3') durch einen Hörgeräteträger,

gekennzeichnet durch

- eine Lerneinrichtung (5) zum automatischen Lernen der Zuordnung des akustischen Eingangssignals (2) zu der einen der Hörsituationskennungen (3') durch die Eingabeeinrichtung (12).


 
11. Hörgerät nach Anspruch 10, wobei eine der Hörsituationskennungen (3') die Hörsituation der Darbietung der eigenen Stimme oder des Geräusches des eigenen Autos des Hörgeräteträgers kennzeichnet, so dass nach dem automatischen Lernen die eigene Stimme oder des Geräusches des eigenen Autos erkannt werden kann.
 
12. Hörgerät nach Anspruch 10 oder 11, wobei das Lernen in der Lerneinrichtung (5) während des Aufnehmens des akustischen Eingangssignals (2) in der Aufnahmeeinrichtung durchführbar ist.
 
13. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 12, wobei das Lernen nach der Aufnahme des akustischen Eingangssignals (2) in der Aufnahmeeinrichtung in der Lerneinrichtung (5) oder in einer externen Einrichtung mit anschließender Übertragung in das Hörgerät durchführbar ist.
 
14. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 13, wobei die Eingabeeinrichtung (12) zum Starten und Stoppen der Aufzeichnung oder des Nachtrainierens verwendbar ist.
 
15. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 14, wobei die Eingabeeinrichtung (12) eine externe Fernbedienung aufweist.
 
16. Hörgerät nach Anspruch 15, wobei mit der Fernbedienung drahtlose Kommunikation mit dem Hörgerät durchführbar ist.
 
17. Hörgerät nach Anspruch 15 oder 16, wobei die Fernbedienung ausschließlich für das Nachtrainieren des Hörgeräts ausgestaltet ist.
 
18. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 16, wobei die Fernbedienung als Mobilfunkgerät ausgestaltet ist.
 
19. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 18, wobei die Eingabeeinrichtung (12) eine programmierbare Recheneinheit, insbesondere einen PC, umfasst.
 
20. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 19, wobei die Eingabeeinrichtung (12) verbal bedienbar ist.
 
21. Hörgerät nach Anspruch 20, wobei die Eingabeeinrichtung (12) mittels eines oder mehrerer Schlüsselworte bedienbar ist.
 
22. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 21, wobei das akustische Eingangssignal (2) ein manuell oder automatisch aufbereitetes Sprachsignal umfasst.
 
23. Verfahren zum Betreiben eines Hörgeräts durch

- Empfangen eines akustischen Eingangssignals (2),

gekennzeichnet durch

- automatisches Zuordnen einer eine Hörsituation kennzeichnenden Hörsituationskennung (3') zu dem akustischen Eingangssignal (2) und

- automatisches Einstellen des Hörgeräts in Abhängigkeit von der Hörsituationskennung (3').


 
24. Verfahren nach Anspruch 23, wobei ein momentan geltender Parametersatz (4') für die Einstellung des Hörgeräts durch das automatische Zuordnen der Hörsituationskennung (3') beeinflusst wird.
 
25. Verfahren nach Anspruch 24, wobei mindestens ein Parameter des Parametersatzes (4') durch das automatische Zuordnen variiert und/oder ergänzt wird.
 
26. Hörgerät nach einem der Ansprüche 10 bis 22, das eine Signalverarbeitungseinrichtung aufweist, deren Parametersatz (4') mit Hilfe der Lerneinrichtung (5) durch Zuordnen des akustischen Eingangssignals (2) zu einer gelernten Hörsituationskennung (3') beeinflussbar ist.
 
27. Hörgerät nach Anspruch 26, wobei mindestens ein Parameter des Parametersatzes (4') durch die Lerneinrichtung (5) beim automatischen Zuordnen variierbar und/oder ergänzbar ist.
 




Zeichnung