(19)
(11) EP 1 548 137 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
29.06.2005  Patentblatt  2005/26

(21) Anmeldenummer: 04029954.7

(22) Anmeldetag:  17.12.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C22C 29/06, C22C 29/08, C22C 29/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IS IT LI LT LU MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA HR LV MK YU

(30) Priorität: 22.12.2003 AT 9112003 U

(71) Anmelder: CERATIZIT Austria Gesellschaft m.b.H.
6600 Reutte /Tirol (AT)

(72) Erfinder:
  • Schretter, Michael
    6632 Ehrwald (AT)
  • Falger, Daniel
    6671 Weissenbach (AT)

   


(54) Verwendung einer Hartmetalllegierung für Werkzeuge


(57) Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Hartmetalllegierung für Werkzeuge zur Umformung bei Umformtemperaturen von mehr als 600 °C. Die Hartmetalllegierung besteht zu 75 bis 95 Gew.% aus einer Hartstoffphase aus im wesentlichen Wolframkarbid und zu 5 bis 25 Gew.% aus einer Bindephase die zu 60 bis 80 Gew.% aus Eisen besteht.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft die Verwendung einer Hartmetalllegierung für Werkzeuge zur Umformung bei Umformtemperaturen von mehr als 600°C.

[0002] Werkzeuge zur Umformung von Werkstoffen bei erhöhten Temperaturen sind hohen mechanischen, thermischen und tribologischen Beanspruchungen unterworfen. Die angewandten Umformtemperaturen hängen von der Art des umzuformenden Werkstoffes und des Umformverfahrens ab und liegen beispielsweise bei Messing bei etwa 600°C, bei Stahl bei über 800°C und bei Glas bei etwa 1300°C. Wichtige Umformverfahren bei erhöhten Temperaturen sind beispielsweise Druck - und Zugumformung, Strangpressen, Walzen und Ziehen. Beim Umformen bei erhöhten Temperaturen kommt es neben dem allgemeinen Verschleiß des Umformwerkzeuges vielfach auch zu einem Bruch des Werkzeuges der durch Warmrissbildung, Temperaturschock und Adhäsionsverschleiß hervorgerufen wird.

[0003] Als Werkstoff für derartige Umformwerkzeuge wurde in der Vergangenheit vielfach hochwertiger, gehärteter Werkzeugstahl verwendet. Umformwerkzeuge aus diesem Werkstoff wiesen jedoch nur relativ niedrige Standzeiten auf. Deshalb wurde versucht, Teile der Umformwerkzeuge oder das gesamte Umformwerkzeug aus Hartmetall herzustellen, wobei dabei in erster Linie Hartmetalllegierungen auf Wolframkarbidbasis mit Kobaltbinder, Kobalt-Nickel-Binder oder Kobalt-Nickel-Chrom-Binder zum Einsatz gekommen sind. Jedoch auch bei der Verwendung dieser Legierungen wurden die Standzeiten der Umformwerkzeuge in nur unzureichendem Maße verbessert.

[0004] Die Ursachen dafür liegen darin, dass diese Hartmetalllegierungen bei Temperaturen über 600°C an Luft oxidieren und der Binder verzundert und angegriffen wird. Darüber hinaus neigt das Kobalt im Hartmetall dazu, sich bei höheren Temperaturen zu verfestigen und zu verspröden, wodurch die Korngrenzenfestigkeit reduziert wird. Die Folge davon ist, dass die Rissempfindlichkeit zunimmt. Weiters kommt es dazu, dass beim Umformen bei erhöhten Temperaturen auch mit zunehmender Formänderung des umzuformenden Werkstückes die Belastung der Werkzeuge extrem hoch ist. Das Versagen der bekannten Hartmetalllegierungen erfolgt in der Regel dadurch, dass sie nicht in der Lage sind, die auftretenden Spannungen im Zuge der Umformung aufzunehmen.

[0005] Die EP 0 062 311 B1 beschreibt eine Hartmetalllegierung für Teile zur Warmformgebung auf Wolframkarbidbasis mit einer Bindephase aus Chrom, Aluminium, Nickel und Kobalt und wahlweise geringen Mengen an Molybdän, Bor und Zirkon, wobei die Bindephase feine Teilchen der ausgeschiedenen Ni3Al γ' Phase enthält. Diese Hartmetalllegierung weist jedoch noch immer nicht eine ausreichend gute Verschleißbeständigkeit bei erhöhter Temperatur auf und ist aufgrund der γ'Phase im Binder aufwendiger herzustellen als herkömmliche Hartmetalllegierungen ohne eine solche Phase.

[0006] In der DE 24 02 518 A1 wird eine Hartmetalllegierung aus 91 bis 97 Gew.% Wolframkarbid, Rest Binder beschrieben, wobei der Binder aus 8 bis 20 Gew.% Nickel, 5 bis 15 Gew.% Kobalt, 0,8 bis 1,4 Gew.% Kohlenstoff, Rest Eisen besteht.
Aus der Beschreibung geht lediglich eine besonders hohe Abriebbeständigkeit hervor, ein Hinweis zur Eignung dieser Legierung für Verschleißanwendungen bei erhöhter Temperatur ist der Beschreibung nicht zu entnehmen.

[0007] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, eine Hartmetalllegierung für die Umformung bei Umformtemperaturen über 600°C zur Verfügung zu stellen, die gegenüber bisher bekannten Legierungen eine deutlich bessere Verschleißbeständigkeit aufweist und unkompliziert herstellbar ist.

[0008] Erfindungsgemäß wird dies durch die Verwendung einer Hartmetalllegierung mit 75 bis 95 Gew.% Hartstoffphase aus im wesentlichen Wolframkarbid 5 bis 25 Gew.% Bindephase, die zu 60 bis 80 Gew.% aus Eisen besteht, erreicht.

[0009] Bei einer derartigen Hartmetalllegierung ist bei ausreichender Härte die plastische Deformation äußerst gering. Darüber hinaus weist sie eine gute Wärmeleitfähigkeit sowie eine überdurchschnittliche Zähigkeit zur Aufnahme von Schubspannungen sowie von Wärmespannungen auf. Daher ist sie hervorragend für die erfindungsgemäße Verwendung für Werkzeuge zur Umformung bei Umformtemperaturen über 600°C geeignet.

[0010] Besonders überraschend und keineswegs vorhersehbar war, dass die Legierung aufgrund des hohen Eisenanteiles die für die spezielle Verwendung notwendige Verschleißfestigkeit bei Umformtemperaturen über 600°C aufweist. Es hat sich herausgestellt, dass es bei der Bindephase in erster Linie auf den hohen Eisengehalt ankommt. Die weiteren Elemente die in der Bindephase vorhanden sind, sind nicht mehr so wesentlich, es kommen jedoch bevorzugt Nickel mit geringen Anteilen an Kobalt in Frage. Zudem kann der Binder geringe Anteile an Chrom, Aluminium, Molybdän, Niob, Zirkon und/oder Bor enthalten. Auch ein vollständiger Ersatz von Nickel durch Kobalt ist denkbar.

[0011] Die besten Eigenschaften der erfindungsgemäßen Hartmetalllegierung werden mit Wolframkarbid als Hartstoffphase erreicht. Die Verwendung geringer Anteile an anderen Hartstoffen, beispielsweise von Titankarbid, Tantalkarbid oder Niobkarbid ist jedoch ebenso möglich, da dadurch die hervorragenden Hochtemperatureigenschaften der erfindungsgemäßen Hartmetalllegierung nicht wesentlich verschlechtert werden.

[0012] Die Herstellung der erfindungsgemäßen Hartmetalllegierung erfolgt durch übliche, pulvermetallurgische Herstellungsverfahren durch Pressen der pulverförmigen Ausgangsmaterialien und anschließendes Sintern in einem Temperaturbereich von 1.350 bis 1.450°C.

[0013] Als besonders vorteilhafte Legierungen haben sich solche mit einer Hartstoffphase im Bereich von 80 bis 90 Gew.% und mit einer Bindephase im Bereich von 10 bis 20 Gew.% herausgestellt.

[0014] Besonders bewährt hat es sich auch als Ausgangsmaterial für die Hartstoffphase Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße im Bereich von 1,5 bis 6 µm zu verwenden.

[0015] Des Weiteren ist es für die Bindephase von Vorteil, wenn neben Eisen noch Nickel und Kobalt vorhanden sind.

[0016] Eine besonders vorteilhafte Hartmetalllegierung für die erfindungsgemäße Verwendung liegt dann vor, wenn die Bindephase aus 70 Gew.% Eisen, 20 Gew.% Nickel und 10 Gew.% Kobalt besteht.

[0017] Besonders bewährt hat sich die erfindungsgemäße Hartmetalllegierung zur Herstellung von Werkzeugen zum Gesenkumformen oder Fließpressen von Gegenständen aus Stahl, wo in der Regel Umformtemperaturen von mehr als 1.000°C bis etwa 1.200°C zur Anwendung kommen.

[0018] Im Folgenden wird die Erfindung an Hand eines Herstellungsbeispieles näher beschrieben.

Herstellungsbeispiel



[0019] Aus einer erfindungsgemäßen Hartmetalllegierung, bestehend aus 88 Gew.% Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße von 3 µm und 12 Gew.% Binder mit 70 Gew.% Eisen, 10 Gew.% Kobalt und 20 Gew.% Nickel wurden plattenförmige Proben 1 mit trapezförmigem Querschnitt von 28 x 6 mm und einer Prismenlänge von 28 mm hergestellt. Dazu wurden die pulverförmigen Ausgangsmaterialien vermischt und die Pulvermischung auf einer Matrizenpresse bei einem Pressdruck von 180 MPa zu den plattenförmigen Rohlingen verpresst. Dann wurden die gepressten Rohlinge durch Fräsbearbeitung auf Endmaß gebracht. Anschließend wurden die Proben bei 1.400°C während 60 Minuten gesintert. Danach erfolgte eine Gasbehandlung mit Wasserstoff bei 900°C während 60 Minuten.

[0020] Zum Vergleich wurden auf dieselbe Weise Proben aus verschiedenen Hartmetalllegierungen hergestellt, die außerhalb der erfindungsgemäßen Zusammensetzung lagen und zwar:
  • aus einer Hartmetalllegierung, bestehend aus 94 Gew.% Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße von 6 µm, Rest Kobalt als Probe 2
  • aus einer Hartmetalllegierung, bestehend aus 95 Gew.% Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße von 0,8 µm, Rest Kobalt mit 0,8 Gew.% Chromzusatz als Probe 3
  • eine Hartmetalllegierung, bestehend aus 94 Gew.% Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße von 1,5 µm, Rest Kobalt mit 4 Gew.% Titankarbid und 6 Gew.% Tantalkarbidzusatz als Probe 4
  • eine Hartmetalllegierung, bestehend aus 93 Gew.% Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße von 6 µm, Rest Kobalt mit 0,7 Gew.% Chromkarbidzusatz als Probe 5
  • eine Hartmetalllegierung, bestehend aus 97 Gew.% Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße von 6 µm, Rest Kobalt mit 0,7 Gew.% Chromkarbidzusatz als Probe 6
  • eine Hartmetalllegierung, bestehend aus 88 Gew.% Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße von 3 µm, Rest Kobalt als Probe 7.


[0021] Zum Nachweis der Eigenschaften der unterschiedlichen Proben wurde der folgende Versuchsaufbau ausgeführt:

Jeweils zwei plattenförmige Proben wurden hintereinander angeordnet, nachdem die Oberfläche der Proben zuvor geschliffen wurde und in die zweite Platte jeweils eine Stufe von 0,2 mm Höhe eingearbeitet worden war. Am Anfang der ersten Platte ohne Stufe wurde ein induktiv auf 1.150°C erwärmter, zylindrischer Verschleißstab mit 16 mm Durchmesser aus Stahl mit der Zusammensetzung X 55 CrMnNi mit einem Anpressdruck von 2.700 N aufgesetzt und mit einem Schlittensystem 40 mm über die Oberfläche der hintereinander angeordneten Platten einschließlich der eingearbeiteten Stufe in einer Vielzahl von Hüben verfahren. Die Schleifriefen der Proben waren dabei senkrecht zur Verfahrrichtung des Verschleißstabes angeordnet.



[0022] In der Tabelle 1 sind die Auswertungen im Hinblick auf Härte, Zähigkeit und Abrieb des Stahlbolzens der unterschiedlichen Proben zusammengefasst.
Tabelle 1
Probe Nummer Bindergehalt Gew.% Vickershärte HV Zähigkeit nach Palmquist M Pam 1/2 Stahlbolzenabrieb mm/2500 Hüben
1 erfindungsgemäß 12 1.380 11,3 71
2 Vergleichslegierung 6 1.510 11,5 61
3 Vergleichslegierung 5 1.990 8,95 64
4 Vergleichslegierung 6 1.690 9,25 56
5 Vergleichslegierung 7 1.520 9,75 64
6 Vergleichslegierung 3 1.200 7,2 71
7 Vergleichslegierung 12 1.090 17 65


[0023] Zur weiteren Analyse der Proben wurde mittels EDX-Analyse die Reaktion des jeweiligen Binders mit der Stahllegierung des Verschleißstabes überprüft. Darüber hinaus wurden von den Proben Längsschliffe angefertigt, um die Rissempfindlichkeit der unterschiedlichen Proben am Lichtmikroskop bei 1.000-facher Vergrößerung zu bewerten. Schließlich wurden die Proben noch am Rasterelektronenmikroskop untersucht und chemische Analysen vorgenommen.

[0024] Die erfindungsgemäße Hartmetalllegierung weist im Hinblick auf den hohen Bindergehalt im Vergleich zur Probe 7 eine überraschend hohe Härte auf, welche plastische Deformationen, Riefenbildung und Materialaufschweißungen mit ausreichender Sicherheit verhindert. Die Zähigkeit der erfindungsgemäßen Legierung ist im Vergleich zu den Differenzproben 2 bis 6 praktisch überall besser, nur in einem Fall etwa gleichwertig.
Die erfindungsgemäße Legierung weist also sowohl hinsichtlich Härte als auch hinsichtlich Zähigkeit ausgezeichnete Werte auf.

[0025] Bei Prüfung auf Rissempfindlichkeit waren bei der erfindungsgemäßen Hartmetalllegierung nur oberflächlich geringe Ausbrüche in Form von flachen Schotten bis zu einer Tiefe von maximal 20 µm zu sehen. Bei allen übrigen Proben reichten die Schädigungen bis in einen Tiefenbereich von 40 µm bis 100 µm, teilweise sogar darüber hinaus.

[0026] Die Untersuchungen im Rasterelektronenmikroskop und chemischen Analysen ergaben, dass im Binder der erfindungsgemäßen Hartmetalllegierung auch unmittelbar an der Oberfläche keine Spuren von Stahl nachzuweisen waren. Es fand beim Verfahren des Stahlbolzens auf der Oberfläche der Proben also keinerlei Diffusion von Stahl in den Binder statt. Damit ist eine vorteilhafte Verwendung der erfindungsgemäßen Hartmetalllegierung auch bei Umformwerkzeugen, die ohne Schmiermittel arbeiten, möglich.


Ansprüche

1. Verwendung einer Hartmetalllegierung mit 75 bis 95 Gew.% Hartstoffphase aus im wesentlichen Wolframkarbid und 5 bis 25 Gew.% Bindephase, die zu 60 bis 80 Gew.% aus Eisen besteht, für Werkzeuge zur Umformung bei Umformtemperaturen von mehr als 600°C.
 
2. Verwendung einer Hartmetalllegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Hartstoffphase aus 80 bis 90 Gew.% und die Bindephase aus 10 bis 20 Gew.% besteht.
 
3. Verwendung einer Hartmetalllegierung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass als Ausgangsmaterial für die Hartstoffphase Wolframkarbid mit einer mittleren Korngröße im Bereich von 1,5 bis 6 µm verwendet wird.
 
4. Verwendung einer Hartmetalllegierung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Rest der Bindephase aus Nickel und Kobalt besteht.
 
5. Verwendung einer Hartmetalllegierung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Bindephase aus 70 Gew.% Eisen, 20 Gew.% Nickel und 10 Gew.% Kobalt besteht.
 
6. Verwendung einer Hartmetalllegierung nach einem der Ansprüche 1 bis 5 für ein Werkzeug zum Gesenkumformen oder Fließpressen von Gegenständen aus Stahl.
 





Recherchenbericht