[0001] Die Erfindung bezieht sich auf einen kaltverformbaren Chromstahl mit ferritischem
Gefüge.
[0002] Kaltverformbare und korrosionsbeständige ferritische Chromstähle besitzen ohne besondere
legierungstechnische Maßnahmen eine schlechte Zerspanbarkeit, die sich auf Anklebungen
und Aufschweißungen zurückführen lassen, die beim Zerspanen im Bereich scharfer Werkzeugkanten
entstehen. Die Folge davon sind Ausbrechungen und Ausbröckelungen der Schneidkante
bzw. ein hoher Werkzeugverschleiß und zudem eine geringe Oberflächengüte der bearbeiteten
Werkstücke.
[0003] Bei Präge- und Umformwerkzeugen wirken sich solche Anklebungen und Aufschweißungen
ebenfalls sehr nachteilig aus, da sie gerade im Bereich hoher Flächenpressung bevorzugt
auftreten und dort die Oberflächengüte der umgeformten Werkstücke verschlechtern.
Zudem verkürzen sie die Standzeit der Werkzeuge. Außer einer guten Zerspanbarkeit
und Bearbeitbarkeit bedürfen die Stähle einer bestimmten Mindestfestigkeit, die sich
nur durch Legierungsbestandteile erreichen lässt, die wie Titan, Vanadium, Niob, Zirkonium
und Molybdän Karbide oder Karbonitride bilden. Diese liegen im Gefüge als harte und
schwer lösliche Ausscheidungsphasen vor und neigen dazu, sich im Gefüge lokal anzureichern
und so Agglomerate, Nester oder zeilenförmige Strukturen zu bilden.
[0004] Damit ist die Gefahr verbunden, daß es bei einem Mikrobearbeiten, beispielsweise
beim Herstellen von Bohrungen, Nuten und Ausnehmungen geringer und geringster Abmessungen
infolge der lokalen Konzentration harter Ausscheidungsphasen zu einem Verlaufen des
Werkzeugs, beispielsweise eines Bohrers und demgemäß zu erheblichen Abweichungen in
den Endabmessungen kommt. Dies ist darauf zurückzuführen, daß die Bearbeitungswerkzeuge,
beispielsweise Bohrer mit geringem Durchmesser bestrebt sind, Bereichen höherer Härte
bzw. höherer Karbiddichte auszuweichen. Dem läßt sich auch nicht dadurch begegnen,
daß Mikrowerkzeuge bzw. Bohrer aus hochwertigen Hartmetallen beispielsweise mit einem
Durchmesser unter 0,8 mm eingesetzt werden. Der Einfluß der karbidischen Gefügebestandteile
im Bereich starker Anreicherungen führt auch in diesem Fall zu einem Ablenken des
Werkzeugs von der vorgegebenen Bearbeitungsrichtung.
[0005] Stähle der eingangs erwähnten Art sind bekannt. Sie besitzen eine gute Magnetisierbarkeit,
wie der in der US-Patentschrift 4 714 502 beschriebene weichmagnetische Chromstahl
mit bis 0,03% Kohlenstoff, 0,40 bis 1,10% Silizium, bis 0,50% Mangan, 9,0 bis 19%
Chrom, bis 2,5% Molybdän, bis 0,5% Nickel, bis 0,5% Kupfer, 0,02 bis 0,25% Titan,
0,010 bis 0,030% Schwefel, bis 0,03% Stickstoff, 0,31 bis 0,60% Aluminium, 0,10 bis
0,30% Blei und 0,02 bis 0,10% Zirkonium. Der Stahl ist rostfrei und kaltverformbar;
er eignet sich als Werkstoff zum Herstellen von Kernen für Solenoid-Ventile, elektromagnetische
Kupplungen oder von Gehäusen elektronischer Einspritzsysteme für Brennkraftmaschinen.
[0006] Ein weiterer weichmagnetischer rostfreier Chromstahl mit bis 0,05% Kohlenstoff, bis
6% Silizium, 11 bis 20% Chrom, bis 5% Aluminium, 0,03 bis 0,40% Blei, 0,001 bis 0,009%
Kalzium und 0,01 bis 0,30% Tellur ist aus der US-Patentschrift 3 925 063 bekannt und
besitzt aufgrund seiner Gehalte an Blei, Kalzium und Tellur eine gute Zerspanbarkeit.
[0007] Die verhältnismäßig hohen Gehalte an Silizium, Aluminium und Titan führen bei diesem
Stahl jedoch infolge des Entstehens harter Oxideinschlüsse zu einem hohen Verschleiß
bei der mechanischen Feinbearbeitung. Dem soll der verhältnismäßig hohe Bleigehalt
von 0,03 bis 0,40% entgegenwirken. Nachteilig ist hierbei jedoch, daß Blei einen sehr
niedrigen Schmelzpunkt besitzt und demgemäß keine stabilen Verbindungen bzw. Ausscheidungen
bildet und seine Verteilung im Gefüge äußerst inhomogen ist.
[0008] Des weiteren beschreibt die deutsche Offenlegungsschrift 101 43 390 A1 einen kaltverformbaren
korrosionsbeständigen ferritischen Chromstahl mit 0,005% bis 0,1% Kohlenstoff, 0,2%
bis 1,2% Silizium, 0,4% bis 2,0% Mangan, 8% bis 20% Chrom, 0,1% bis 1,2% Molybdän,
0,01% bis 0,5% Nickel, 0,5% bis 2,0% Kupfer, 0,001% bis 0,6% Wismut, 0,002% bis 0,1%
Vanadium, 0,002% bis 0,1% Titan, 0,002% bis 0,1% Niob, 0,15% bis 0,8% Schwefel und
0,001% bis 0,08% Stickstoff, Rest Eisen einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen
der sich wegen seiner guten mechanischen Bearbeitbarkeit, insbesondere seiner guten
Zerspanbarkeit, seiner guten Verschleißfestigkeit und Oberflächengüte als Werkstoff
für feinmechanische Anwendungen und Präzisionsgeräte, insbesondere für Spinn- und
Spritzdüsen sowie Schreibgeräte, Spitzen und Köpfe eignet.
[0009] Das der Erfindung zugrundeliegende Problem besteht darin, einen ferritischen Chromstahl
zu schaffen, der sich nicht nur hervorragend, d.h. insbesondere ohne das Entstehen
von Anklebungen und Anschweißungen zerspanen sondern auch richtungsgenau mikrobearbeiten
läßt.
[0010] Die Lösung dieser Aufgabe besteht in einem Chromstahl mit
14% bis 20% Chrom
0,005% bis 0,05% Kohlenstoff
bis 0,01 % Stickstoff
0,2% bis 0,6% Silizium
0,3% bis 1,0% Mangan
0,1% bis 1,0% Molybdän
bis 0,8% Nickel
0,2% bis 1,0% Kupfer
0,02% bis 0,2% Selen
sowie einzeln oder nebeneinander
0,0 1 % bis 0,1 % Blei
0,01 % bis 0,5% Wismut
0,01 % bis 0,1 % Arsen
0,01 % bis 0, 1 % Antimon
0,005% bis 0,08% Vanadium
0,005% bis 0,08% Titan
0,005% bis 0,08% Niob
0,005% bis 0,08% Zirkonium
0,15% bis 0,65% Schwefel
bis 0,20% Tellur, Rest Eisen.
[0011] Besonders geeignet ist ein Chromstahl mit
14% bis 18% Chrom
0,01% bis 0,03% Kohlenstoff
bis 0,01% Stickstoff
0,03% bis 0,5% Silizium
0,4% bis 0,7% Mangan
0,1% bis 0,6% Molybdän
bis 0,5% Nickel
0,2% bis 0,6% Kupfer
0,02% bis 0,2% Selen
0,01% bis 0,2% Tellur
sowie einzeln oder nebeneinander
0,01% bis 0,05% Blei
0,01 % bis 0,3% Wismut
0,01% bis 0,05% Arsen
0,01% bis 0,05% Antimon
0,005% bis 0,08% Vanadium
0,005% bis 0,08% Titan
0,005% bis 0,08% Niob
0,005% bis 0,08% Zirkonium
0,15% bis 0,65% Schwefel
0,02% bis 0,20% Selen
0,01% bis 0,20% Tellur, Rest Eisen
einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen.
[0013] Die gleichzeitige Anwesenheit von Schwefel, Selen und Tellur wirkt sich über die
Anwesenheit feiner Sulfid-, Selenid- und Telluridausscheidungen auf die Werkstoffeigenschaften
besonders vorteilhaft aus, wenn die jeweiligen Gehalte dieser Elemente der Bedingung
für K3 genügen.
[0014] Für die mechanischen Eigenschaften des erfindungsgemäßen Stahls kommt es nicht nur
auf das Vorhandensein bestimmter Ausscheidungsphasen, sondern sehr wesentlich auch
auf deren physikalische Beschaffenheit und Verteilung im Gefüge an. Das Gefüge enthält
daher sowohl Metallsulfide als auch Metallselenide, die ihrerseits mit Karbiden und
Sulfokarbiden in Wechselwirkung treten und dabei eine Verbesserung des Spanbruchverhaltens
bewirken. Dabei will die Erfindung, im Wege von Umlagerungs- und Austauschreaktionen
bestimmte Legierungselemente im Nahbereich der Ausscheidungen freisetzen, um so die
harten Ausscheidungen mit einer Schmiermittelzone aus Metallen und/oder Metallverbindungen
zu umgeben, die als Schmiermittelzonen wirken und die Zerspanbarkeit verbessern.
[0015] Ausscheidungen entstehen nur dann, wenn die thermodynamischen Voraussetzungen dies
zulassen. Eine wichtige Richtgröße hierfür stellt die Bildungswärme dar. Eine negative
Bildungswärme besagt, daß Ausscheidungen thermodynamisch stabil sind. Je negativer
die Bildungswärme für eine bestimmte Ausscheidung ist, um so wahrscheinlicher ist
auch deren Entstehung.
[0016] Ausscheidungen aus Sulfiden, Seleniden oder Telluriden bzw. Mischungen derselben,
ferner auch Ausscheidungen, die auf Umlagerungs- oder Austauschreaktionen mit Karbiden
zurückzuführen sind, bilden sich bei verschiedenen Temperaturen im festen Zustand
des Stahls. Beim Abkühlen der Schmelze entstehen sogenannte Primärausscheidungen,
die bei der weiteren Abkühlung wachsen, sich vergröbern und die bekannten Nachteile
bewirken. Durch die erfindungsgemäße Abstimmung bestimmter Elemente wie Blei und/oder
Wismut und/oder Arsen und/oder Antimon und/oder Vanadin, Titan, Niob sowie Zirkonium
mit den Ausscheidungsbildnern Kohlenstoff, Stickstoff, Schwefel, Selen und Tellur
ergibt sich eine sehr große Anzahl von Reaktionsmöglichkeiten, die das schädliche
Wachsen der Primärausscheidungen verbinden.
[0017] Im Diagramm der Fig. 1 sind einige Bildungswärmen für wichtige Sulfide und Selenide
dargestellt, die für die Erfindung von Bedeutung sind. Da alle Metallverbindungen
negative Bildungswärmen besitzen, sind diese auch geeignet, Ausscheidungen zu bilden.
[0018] Bei dem erfindungsgemäßen Stahl sind die nichtmetallischen Ausscheidungsbildner -
Kohlenstoff, Schwefel, Selen, Tellur und gegebenenfalls Stickstoff - in nur geringer
Konzentration vorhanden, um eine Übersättigung zu vermeiden, da sich andernfalls rasch
wachsende grobkörnige Ausscheidungen bilden. Diese wären nur sehr schwer in ihrer
Korngröße zu reduzieren bzw. aufzulösen. Besonders wichtig erscheint ein niedriger
Kohlenstoffgehalt, um das Reaktionsgleichgewicht in Richtung der Bildung von unterstöchiometrischen
Karbiden zu verschieben.
[0019] Da sich Ausscheidung vorzugsweise beim Abkühlen bilden, spielen Diffusionseffekte
(Festkörperdiffusion im Stahl) bei der Bildung und dem Wachstum der Ausscheidungen
eine wichtige Rolle. Grundsätzlich diffundieren Elemente mit niedriger Atommasse leichter
und rascher als schwere Atome. In Stählen bilden sich daher sehr leicht karbidische
und nitridische Ausscheidungen, die man als sogenannte Primärausscheidungen bezeichnet.
Erst nach deren Ausscheiden entstehen Sulfide und/oder Selenide bzw. andere Ausscheidungen
wie Sulfokarbide und Sulfokarboselenide.
[0020] Da der Kohlenstoffgehalt sehr gering ist, entstehen vermutlich unterstöchiometrische
Primärkarbide - also mit Kohlenstoffmangel. Erst nach längeren Zeiten wird dieser
Kohlenstoffmangel durch die Diffusion von Kohlenstoff ausgeglichen oder durch Schwefel
oder Selen partiell ersetzt.
[0021] Die unterstöchiometrischen Primärkarbide entstehen beispielsweise entsprechen der
Gleichung

wobei mit Me
I die Elemente Titan, Vanadium, Niob und Zirkonium bezeichnet sind und x der Stöchiometriefaktor
ist. Diese Elemente können allerdings auch noch mit Stickstoff, Schwefel und Selen
(Tellur) reagieren. Dabei entstehen Sulfokarbide, Sulfoselenide oder Sulfokarboselenide.
Unterstöchiometrische Ausscheidungen sind somit auch nach ihrem Entstehen sehr reaktiv.
[0022] Die Zusammensetzung der Primärkarbide (oder Primärausscheidungen) der Me
I-Metalle können in einem weiten Bereich schwanken, ohne daß die Gitterstruktur der
Ausscheidungen darunter leidet. So ist aus der Literatur bekannt, daß zum Beispiel
Titankarbid einen besonders breiten Beständigkeitsbereich besitzt. Dieser reicht von
TiC
0,22 bis TiC
1,0. Für einen Stöchiometriefaktor von beispielsweise x = 0,5 würde Gleichung 1 für Titan
lauten:

[0023] Aufgrund ihrer Stellung im periodischen System zeigen Schwefel, Selen und auch Tellur
ähnliche Reaktionen, was auch aus den thermodynamischen Zahlenwerten der Tab. I ersichtlich
ist. Für die Bildung von Ausscheidungen auf der Basis von Schwefel, Selen und Tellur
sind die Elemente Kupfer, Blei, Arsen, Antimon und Mangan von Bedeutung; sie sind
von den Me
É-Metallen zu unterschieden und werden nachfolgend als Me
II-Elemente bezeichnet.
[0024] Typische Reaktionsgleichungen mit Schwefel und Selen lauten:

und

[0025] Der Unterschied zu den Me
I-Elementen besteht darin, daß sie keine Karbide, keine Karbonitride und demzufolge
auch keine Sulfokarbide bilden.
[0026] Für alle Ausscheidungen ist typisch, daß sich in ihrem Nahbereich sogenannte Verarmungszonen
ausbilden. Diese entstehen dadurch, daß die für das Entstehen einer Ausscheidung notwendigen
Elemente der Matrix durch Diffusion entzogen und in die Ausscheidung eingebaut werden.
Dabei ergibt sich ein Konzentrationsverlauf, wie in den Diagrammen der Fig. 2 und
3 dargestellt.
[0027] Derartige Verarmungszonen sind für die angestrebten Umlagerungs- und Austauschreaktionen
zwischen den Ausscheidungen nachteilig, weshalb die Erfindung spezielle Maßnahmen
empfiehlt, um diese zu minimieren. Diese Maßnahmen bestehen in einer Kombination von
Kaltverformung und Wärmebehandlung, bei der es zu Umlagerungs- und Austauschreaktionen
zwischen Primär- und Sekundärausscheidungen kommt.
[0028] Dabei werden bereits entstandene Ausscheidungen aufgelöst und neue gebildet und kann
beispielsweise auch Kupfer entstehen, das im Nahbereich der Primärausscheidungen als
Schmiermittel wirkt. Da die Umlagerungsreaktionen vorwiegend während der Abkühlung
stattfinden, sind die Ausscheidungen zwangsläufig sehr fein. Für die Umlagerungsreaktionen
ist es förderlich, wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht, da der Stofftransport
für die Umlagerungsreaktionen durch Diffusion geschieht. Vorteilhaft ist eine langsame
Abkühlung bzw. Haltezeiten bei 700 bis 500 °C und/oder eine abschließende Wärmebehandlung.
[0029] Es ist anzunehmen, daß die Umlagerungs- und Austauschreaktionen zwischen unterstöchiometrischen
karbidischen Me
I-Ausscheidungen und einer oder mehreren Sulfid- und/oder Selenidausscheidungen unter
Elementfreisetzung ablaufen.
[0030] Ein Beispiel für die Reaktion einer unterstöchiometrischen Ausscheidung mit einem
Sulfid (hier Kupfersulfid) würde für TiC
0,5 lauten:

[0031] Da der Schwefel des Kupfersulfids durch Diffusion in das Gitter des Sulfokarbids
(Ti
4C
2S
2) gelangt, wird im Gegenzug Kupfer freigesetzt, das dabei in unmittelbarer Nähe der
harten Titankarbosulfidausscheidung anfällt. Beim Zerspanen wirkt das freigesetzte
Element - hier Kupfer - als Schmiermittel. Analoge Reaktionen finden auch zwischen
anderen Me
I-Ausscheidungen und Me
II-Sulfiden oder -Seleniden statt (zum Beispiel mit Ausscheidungen von Mangan und Blei).
[0032] Auflösungsreaktionen nach Gleichung 4 sind sehr wichtig, da sie grobe oder zeilenförmig
angeordnete Me
II-Sulfide (zum Beispiel Mangansulfide) auf vorteilhafte Weise auf- oder anlösen, wobei
sich - entsprechend der Gleichung 4 - neue sehr feine mikroskopische Ausscheidungen
bilden. Der erfindungsgemäße Chrom-Stahl besitzt deshalb ein Gefüge mit vielen feinen
Ausscheidungen (Fig. 4).
[0033] Damit Umlösungs- oder Freisetzungsreaktionen - entsprechend den zuvor beschriebenen
Reaktionsgleichungen - ausreichend rasch und günstig ablaufen, sind folgende Voraussetzungen
von Vorteil:
- Zwischen den unterschiedlichen Ausscheidungen sollten die Diffusionswege klein sein,
um die Reaktionszeiten kurz zu halten;
- Verarmungszonen im Nahbereich von Ausscheidungen sollten abgebaut werden, um die Reaktivität
der Ausscheidungen zu fördern;
- die Wirkung von Reaktionstemperaturen und -zeiten sind so abzustimmen, daß die Reaktionen
wie etwa nach Gleichung 3 innerhalb kurzer Zeit ablaufen.
[0034] Erfindungsgemäß sollte der Stahl daher zunächst einer oder mehreren möglichst starken
Verformungen unterzogen werden, wodurch es zu Gleitverschiebungen und zu einer verbesserten
Durchmischung der Gefügebestandteile kommt. Ferner werden dabei auch die Abstände
zwischen den Ausscheidungen vorteilhaft verändert und Verarmungszonen abgebaut. Ein
besonderer Vorteil der starken Verformung liegt in der Verkürzung der Diffusionswege,
was wiederum eine wesentliche Steigerung der Reaktionsfähigkeit bewirkt.
[0035] Damit die erforderlichen Umlösungs- und Freisetzungsreaktionen auch mit ausreichender
Geschwindigkeit ablaufen, wird der vorzugsweise kaltverformte Stahl bei 750 bis 1080°
C geglüht (Fig. 5). In diesem Bereich finden Umlösungs- und Freisetzungsreaktionen
unter Bildung von neuen bzw. in der Zusammensetzung veränderten Ausscheidungen - etwa
nach Gleichung 4 - statt. Erfindungsgemäß kann ferner ein Schlußglühen bei bis 450°
C stattfinden, um freigesetzte Schmiermittelmetalle oder neu gebildete Feinstausscheidungen
zu verfestigen, in der Stahlmatrix auszuhärten, Spannungen abzubauen und die Härte
oder Festigkeit des Stahls einzustellen. Beim Schlußglühen kann bei einer Temperatur
von > 350° C bereits ein progressiver Abfall der Härte eintreten, was auf eine Entfestigung
der Matrix schließen läßt.
[0036] Vorzugsweise wird der Stahl nach einem mindestens einmaligen Kaltverformen mit einem
Verformungsgrad von über 65% 30 bis 60 Minuten bei 750 bis 1080° C geglüht und sodann
innerhalb von 30 bis 180 Minuten bei schwacher Energiezufuhr geregelt auf eine Temperatur
von 500 bis 700° C abgekühlt (Fig. 5). Dabei werden die während des Glühens entstandenen
Ausscheidungen diffusionskontrolliert stabilisiert. Von besonderem Vorteil ist es,
wenn der Stahl während des Abkühlens durch eine kurzfristige stärkere Wärmezufuhr
auf einer Temperatur von beispielsweise 680° C gehalten wird (Fig. 5, Gleichung 4).
[0037] Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen des Näheren erläutert.
[0038] In der Tabelle I sind die Zusammensetzungen von vier unter die Erfindung fallenden
Legierungen E1 bis E4 sowie von acht Vergleichslegierungen V1 bis V8 zusammengestellt.
Die Tabelle II gibt die jeweiligen K1-, K2- und K3-Werte sowie die Ergebnisse der
Bearbeitungsversuche wieder. Dabei bezeichnet BV eine Kennzahl für den Bohrungsverlauf,
BG die Gradbreite und BWG eine Kennzahl für die Oberflächengüte.
Beispiel 1
[0039] Ein Rohdraht der Zusammensetzung E2 mit einem Durchmesser von 6 mm wurde nach einer
Beizbehandlung zunächst einer dreistufigen Kaltverformung mit einem Gesamtverformungsgrad
von 85% unterworfen und sodann 30 Minuten bei einer Temperatur von 840° C in einer
Schutzgasatmosphäre geglüht sowie anschließend innerhalb von 120 Minuten geregelt
auf eine Temperatur von 600° C abgekühlt. Während des Abkühlens fand ein zweimaliges
15-minütiges Zwischenerwärmen bei einer Temperatur von 760 bzw. 680° C ohne Temperaturerhöhung
statt, um ein gestuftes Abkühlen zum Stabilisieren der Ausscheidungen zu erreichen
(vgl. Fig. 5, 4a).
[0040] Im Anschluß an das geregelte Abkühlen wurde der Draht ohne weitere Energiezufuhr
an Luft abgekühlt und danach mit einem Verformungsgrad von 15% kalibriert. Dem Kalibrieren
schloß sich ein 15-minütiges Schlußglühen bzw. Anlassen bei 340° C an. Der Draht besaß
eine ausgezeichnete Bearbeitbarkeit mit Mikrowerkzeugen.
Beispiel 2
[0041] Ein Rohdraht der Zusammensetzung E3 mit einem Durchmesser ebenfalls von 6 mm wurde
wiederum einer dreistufigen Kaltverformung mit einem Verformungsgrad von insgesamt
80% unterworfen und sodann 35 Minuten bei 900° C unter Schutzgas geglüht sowie von
der Glühtemperatur innerhalb von 160 Minuten unter geringer Energiezufuhr mit konstanter
Abkühlungsgeschwindigkeit zunächst auf eine Temperatur von 620° C geregelt abgekühlt.
Dem schloß sich eine Abkühlung an Luft bis auf Raumtemperatur an. Der Draht wurde
dann mit einem Verformungsgrad von 20% kalibriert und 30 Minuten bei 280° C angelassen
sowie im angelassenen Zustand einer spanabhebenden Mikrobearbeitung mit den in Tabelle
II verzeichneten Ergebnissen unterworfen.
[0042] Bei den Versuchen wurden zur Bewertung der Zerspanbarkeit Bohrversuche mit Hartmetallbohrern
eines Durchmessers von 0,6 mm durchgeführt. Dabei wurde
- das Bearbeitungsverhalten anhand der Geradlinigkeit der Bohrung untersucht und mit
einem Kennwert BV gekennzeichnet,
- die Gradbreite am Bohrungsrand bewertet und mit einem Kennwert BG zum Ausdruck gebracht
sowie
- die Glätte der Bohrungswandung mikroskopisch beurteilt und mit einem Kennwert BWG
gekennzeichnet.
[0043] Die Geradlinigkeit der Mikrobohrungen wurde aus der Eintauchtiefe eines Stahlstifts
entsprechend der Darstellung in Fig. 5 ermittelt. Aus der Eintauchtiefe E eines Prüfstifts
entsprechend dem geraden Teil der Bohrung und der Bohrungslänge wurde als Verhältniswert
BV entsprechend der Beziehung

als Kennwert für den Bohrungsverlauf ermittelt. Bei völlig geradliniger Bohrung ist
die Kennzahl 0.
[0044] Des weiteren wurde die Gradbreite BG am Bohrungsrand unter einem Winkel von 20 bis
30° ausgemessen.
[0045] Schließlich wurde die Zerspanbarkeit in Gestalt des Ausmaßes und der Häufigkeit von
Ausbrökelungen und Ausbrechungen im Inneren der Bohrung mikroskopisch festgestellt
sowie in einen Kennwert BWG mit Werten von 1 bis 4 festgestellt. Der BWG-Wert von
1 steht für eine fehlerhafte Bohrung, während ein BWG-Wert von 4 starke Ausbrökelungen
kennzeichnet. Die Darstellung in Fig. 7 veranschaulicht eine glatte Bohrung mit einem
BWG-Wert von 1, während die Darstellung in Fig. 8 eine Bohrung mit zahlreichen Ausbrökelungen
und einem BWG-Wert von 4 wiedergibt.

1. Chromstahl aus
14% bis 20% Chrom
0,005% bis 0,05% Kohlenstoff
bis 0,01 % Stickstoff
0,2% bis 0,6% Silizium
0,3% bis 1,0% Mangan
0, 1 % bis 1,0% Molybdän
bis 0,8% Nickel
0,2% bis 1,0% Kupfer
0,02% bis 0,2% Selen
sowie einzeln oder nebeneinander
0,01% bis 0,1 % Blei
0,01% bis 0,5% Wismut
0,01 % bis 0,1 % Arsen
0,01 % bis 0, 1 % Antimon
0,005% bis 0,08% Vanadium
0,005% bis 0,08% Titan
0,005% bis 0,08% Niob
0,005% bis 0,08% Zirkonium
0,15% bis 0,65% Schwefel
bis 0,20% Tellur,
Rest Eisen einschließlich schmelzungsbedingter Verunreinigungen.
2. Chromstahl nach Anspruch 1 aus
14 bis 18% Chrom
0,01% bis 0,03% Kohlenstoff
bis 0,01 % Stickstoff
0,3% bis 0,5% Silizium
0,4% bis 0,7% Mangan
0, 1 % bis 0,6% Molybdän
bis 0,5% Nickel
0,2% bis 0,6% Kupfer
0,02% bis 0,20% Selen
sowie einzeln oder nebeneinander
0,01% bis 0,05% Blei
0,01 % bis 0,3% Wismut
0,01 % bis 0,05% Arsen
0,01 % bis 0,05% Antimon
0,005% bis 0,08% Vanadium
0,005% bis 0,08% Titan
0,005% bis 0,08% Niob
0,005% bis 0,08% Zirkonium
0,15% bis 0,65% Schwefel
0,01% bis 0,20% Tellur,
Rest einschließlich erschmelzungsbedingter Verunreinigungen Eisen.
3. Chromstahl nach Anspruch 1 oder 2,
gekennzeichnet durch die Bedingung
4. Chromstahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
gekennzeichnet durch die Bedingung
5. Chromstahl nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
gekennzeichnet durch die Bedingung
6. Verfahren zum Wärmebehandeln eines kaltverformten Stahls der Zusammensetzung nach
einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Stahl nach mindestens einem Kaltverformen mit einem Verformungsgrad von insgesamt
65% bis 90% 30 bis 60 Minuten bei 750 bis 1080° C geglüht wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß der Stahl von der Glühtemperatur innerhalb von 30 bis 180 Minuten unter schwacher
Energiezufuhr auf 700 bis 500° C abgekühlt wird.
8. Verfahren nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur des Stahls während der Abkühlung mindestens einmal für 10 bis 30 Minuten
annähernd konstant gehalten wird.
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 6 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß der Stahl abschließend mindestens 30 Minuten einer Erwärmung bis max. 450 °C unterworfen
wird.
10. Verwendung einer Legierung nach einem der Ansprüche 1 bis 9 zum Herstellen von Gegenständen
zur Bearbeitung mit formgebenden Werkzeugen.
11. Verwendung einer Legierung nach einem der Ansprüche 1 bis 9 als Werkstoff für Gegenstände,
die durch Mikrozerspanen hergestellt werden.
12. Verwendung einer Legierung nach den Ansprüchen 1 bis 9 zum Herstellen von Druckerdüsen,
Schreibminenspitzen, Einspritzdüsen für chemische und elektronische Geräte, Spinndüsen
sowie Gegenständen mit kleinen Abmessungen und/oder Ausnehmungen.