(19)
(11) EP 1 593 574 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.11.2005  Patentblatt  2005/45

(21) Anmeldenummer: 04291190.9

(22) Anmeldetag:  07.05.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B61L 5/06
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL HR LT LV MK

(71) Anmelder: ALCATEL
75008 Paris (FR)

(72) Erfinder:
  • Klose, Bernd
    71679 Asperg (DE)

(74) Vertreter: Urlichs, Stefan et al
Alcatel Intellectual Property Department
70430 Stuttgart
70430 Stuttgart (DE)

   


(54) Elektronische Weichensteuerung in einem elektronischen Stellwerk


(57) Eine Weichensteuerung (1) für ein elektronisches Stellwerk zur Ansteuerung eines Weichenantriebs (2) enthält mindestens einem Halbleiterschalter (131, 132) zum Schalten einer Stellspannung (L1, L2) für den Weichenantrieb (2) und mit mindestens ein Relais (WN), dessen Relaiskontakt in Reihe mit dem Halbleiterschalter (131, 132) geschaltet ist um die Spannungsversorgung (110) im Ruhezustand abzutrennen.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine Weichensteuerung in einem elektronischen Stellwerk.

[0002] Eine Weichensteuerung dient zur Ansteuerung des Antriebs einer Weiche in einem Schienennetz und zur Überwachung der Weichenstellung. Dabei werden extrem hohe Anforderungen an die Ausfall- und Betriebssicherheit der Weichensteuerung gelegt. So muß beispielsweise ausgeschlossen sein, dass der Weichenantrieb durch eine Fehlfunktion der Weichensteuerung eine Stellspannung erhält, während gerade ein Zug über die Weiche fährt. Zur Zeit werden zur signaltechnisch sicheren Steuerung von Lasten ausschließlich Relais eingesetzt. Die Luftstrecke zwischen den offenen Kontakten wird als unverlierbare Trennstelle akzeptiert und ist praktisch erprobt. Dementsprechend sind bekannte Weichensteuerungen ausschließlich in Relaistechnik aufgebaut.

[0003] Die Entwicklung elektronischer Stellwerke begann mit dem Einsatz von Rechnertechnik in den zentralen Funktionen wie Meldung und Anzeige, Sicherung und Elementansteuerung. Ansteuerungen der Feldelemente wurden erst später durch Rechner übernommen. Schrittweise kamen Prozessoren und Mikrocontroller in der Gleisfreimeldung (Achszählerinnenanlagen und Zählpunkte), in der Signalsteuerung sowie in Schnittstellenbaugruppen zur parallelen Ein- und Ausgabe zum Einsatz. Aufgrund der hohen Zuverlässigkeit der Weichengruppen in Relaistechnik bestand bisher kein Anlass zum Technologiewechsel.

[0004] In Relaistechnik ausgeführte Weichensteuerungen haben jedoch einen hohen Raumbedarf. Daher ist die Entwicklung einer elektronischen Weichensteuerung für ein elektronisches Stellwerk wünschenswert.

[0005] Es ist daher eine Ausgabe der vorliegenden Erfindung, eine elektronische Weichensteuerung anzugeben, die hinsichtlich ihrer Schalteigenschaften die hohen Sicherheitsanforderungen in der Stellwerkstechnik erfüllt.

[0006] Die Ausgabe wird gelöst durch eine Weichensteuerung nach Anspruch 1. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind den abhängigen Ansprüchen zu entnehmen.

[0007] Erfindungsgemäß wird eine Reihenschaltung eines Relaiskontaktes und eines Halbleiterschalters vorgeschlagen. Diese vereint die Vorteile beider Schalterarten. Durch eine Kombination von elektronischem Schalter und mechanischem Kontakt wird ein verschleißfreier Schalter mit signaltechnischen Eigenschaften hergestellt.

[0008] Vorteilhaft werden beide Schalter nacheinander betätigt. Beim Einschalten wird zuerst der Relaiskontakt geschlossen und anschließend der Verbraucher durch den Halbleiterschalter eingeschaltet. Beim Ausschalten des Verbrauchers schaltet zuerst der Halbleiterschalter ab und anschließend öffnet der Relaiskontakt. Dadurch wird der Relaiskontakt stromlos geschaltet und es tritt kein Abbrand (Verschleiß) auf.

[0009] Durch das verschleißfreie Schalten haben die Baugruppen der elektronischen Weichensteuerung eine wesentlich größere Lebensdauer. Durch den Halbleiterschalter kann in bestimmten Phasenlagen geschaltet werden. Dadurch verringern sich Einschaltstrom und Induktionsspannung beim Ausschalten erheblich. Störbeeinflussungen auf benachbarte Systeme werden reduziert.

[0010] Im folgenden wird ein Ausführungsbeispiel der Erfindung anhand der einzigen Figur erläutert. Diese zeigt ein Schaltbild der erfindungsgemäßen Weichensteuerung.

[0011] Die Weichensteuerung 1 hat als zentrale Steuereinheit ein Doppelrechnersystem 10, bestehend aus zwei Mikrocontrollern vom Typ C167. Dieser Controllertyp und das dazugehörige Betriebssystem sind bereits in anderen Sicherheitsanwendungen eingesetzt und zugelassen.

[0012] Eine zweikanalige Schnittstelle 11 a, 11 b ist zum Anschluss an das elektronische Stellwerk vorgesehen. Diese kann z.B. als parallele Schnittstelle (für das ESTW Alcatel 6111 LockTrack), als redundante CAN-Schnittstelle (für das ESTW Alcatel 6151 LockTrack) oder als Busschnittstelle zur Anbindung eines TTP-Moduls (time triggered protocol) für das EWST Alcatel 6131 LockTrack ausgebildet sein. Es können auch mehrere Schnittstellen vorgesehen sein, die anwendungsbedingt bestückt werden. Diagnosefunktionen zur Störungssuche liefern LEDs an der Frontplatte der Baugruppe oder sind über ein Wartungsterminal an einer seriellen Schnittstelle zugänglich.

[0013] Die Weichensteuerung 1 wird über eine klassische Vierdrahtschnittstelle mit einem Weichenantrieb 2 verbunden. Dies erlaubt eine Anschaltung des Weichenantriebs mit minimalem Aderaufwand und Kompatibilität mit vorhandenen Außenanlagen. Der Weichenantrieb enthält einen dreiphasigen Motor 211, 212,-213, der die Weiche in die gewünschte Endstellung bewegt. Kontakte 221-224, die durch die Weichenzungen geschlossen oder geöffnet werden, erlauben ein Erkennen der Weichenstellung durch geeignete Prüfkreise 121, 122. Die Prüfkreise werden in einer parallel eingereichten Patentanmeldung desselben Erfinders näher beschrieben.

[0014] Die Stromversorgungsschnittstelle 110 enthält neben drei Drehstromphasen L1, L2, L3 (380/400 V), Nullleiter N und Massepunkt MP einen Anschluss für eine 60V Prüfspannung. Das Doppelrechnersystem überwacht die Weichenstellung und schaltet, wenn die Weiche von einer Endlage in die andere gestellt werden soll, die Drehstromphasen L1-L3 über die Vierdrahtschnittstelle zum Weichenantrieb 2.

[0015] Das Schalten der Versorgungsspannung erfolgt über Halbleiterschalter 131 und 132. Hierfür werden sogenannte IGBT-Module eingesetzt (Isolated Gate Bipolar Transistor), eine Kombination aus Feldeffekt und Bipolartransistor. Jedes Modul enthält zwei IGBT, einen für die positive Halbwelle und einen für die negative Halbwelle.

[0016] Wenn zur Steuerung von signaltechnischen Leistungsstromkreisen Halbleiterschalter eingesetzt werden, ist deren trennende Eigenschaft aber nur bis zur Durchbruchspannung der Halbleiter gegeben. Bei Überschreiten der Durchbruchspannung (durch kurzzeitige Überspannungen) fließt durch die Halbleiter Strom, der in den Halbleitern eine hohe Verlustleistung bewirkt. Aufgrund der thermischen Überlastung schließt der Halbleiterschalter kurz und schaltet die Versorgungsspannung zum Verbraucher durch. Eine Weiche könnte dann Umlaufen, was natürlich unter keinen Umständen zugelassen werden darf.

[0017] Dies wird erfindungsgemäß dadurch verhindert, dass ein Relais WN in Reihe mit den beiden Halbleiterschaltern 131, 132 geschaltet wird. In den Strompfaden der Leiter L1 und L2 sind jeweils ein Schließerkontakt des Relais WN und ein elektronsicher Schalter (mit IGBT bestückt) in Reihe geschaltet. Wenn bei hochohmigem elektronischen Schalter und geöffnetem Relaiskontakt impulsförmige Überspannungen auftreten, werden diese am elektronischen Schalter durch je einen Varistor V1, V2 begrenzt. Am elektronischen Schalter treten deshalb nur Überspannungen unterhalb der Durchbruchspannung der Halbleiter auf. Die Überspannung steht an der Luftstrecke des geöffneten Relaiskontakts WN an.

[0018] Als Relais wird ein monostabiles, zwangsgeführtes Kartenrelais verwendet, von dem ein Kontaktpaar durch den Mikrocontroller zurückgelesen wird. Damit wird eine prüfbare Netzabtrennung realisiert. Die Stellung des Kontaktsatzes von WN kann ständig über die Rücklesekontakte durch das sichere Doppelrechnersystem 10 geprüft werden.

[0019] Um eine hohe Lebensdauer der Relaiskontakte zu erreichen, werden diese als Trenner betrieben, das heißt, sie legen die Stromwege fest, schalten aber keine Leistung. Dies übernehmen die Halbleiterschalter 131, 132 verschleißfrei. Beim Einschalten wird zuerst der Relaiskontakt geschlossen und anschließend der Verbraucher 211, 212, 213 durch den Halbleiterschalter eingeschaltet. Beim Ausschalten des Verbrauchers schaltet zuerst der Halbleiterschalter ab und anschließend öffnet der Relaiskontakt. Durch das Nacheinander beim Schalten von Relais WN und IGBT kann der elektronische Schalter zusätzlich bei jedem Schaltvorgang geprüft werden. Im Zustand Relais WN eingeschaltet und IGBT noch ausgeschaltet darf an den Stromwandlern I Last und I off kein Strom gemessen werden.

[0020] Zur Vermeidung von steilen Spannungsanstiegen oder zur Verringerung von Induktionsspannungen kann der Weichenmotor vorteilhaft im Nulldurchgang der Spannung eingeschaltet und im Nulldurchgang des Stromes ausgeschaltet werden. Dies wird durch ELDP 111 bewirkt (electronically programmable electronic device). Nach Freigabe durch das Doppelrechnersystem 10 steuert das ELDP 111 die phasenrichtige Steuerung der Umstellspannung.

[0021] Zur Steuerung der Weichensolllage dienen zwei weitere Relais R und L, die ebenfalls als zwangsgeführte Kartenrelais ausgeführt sind. Um die Weiche betrieblich nutzen zu können, wird eine permanente Überwachung der Ist-Lage notwendig. Diese Information besteht aus der Weichensolllage durch Rücklesen der Lagerelais und durch Überprüfen des Stromflusses im Überwachungsstromkreis (60V). Der Strom fließt durch eine Reihenschaltung des Schalters der Überwachungsspannung, dem Melder "Überwacht" mit Auffahrprüfer 121 und dem Melder "Aufgefahren" 122. All diese Module sind in Halbleitertechnik realisiert. Dies gestattet einen vom Doppelrechner überwachten Pulsbetrieb. Mittels eines geeigneten Algorithmus der Pulssteuerung lassen sich Ausfälle im Überwachungsstromkreis, Aderschlüsse und Spannungseinfälle durch zyklische Prüfung offenbaren. Das tägliche Umstellen betrieblich nicht benutzter Weichen kann deshalb entfallen.

[0022] Trenntransformatoren dienen zur galvanischen Trennung der Stromwege. Zur galvanischen Trennung der Signalwege werden Optokoppler eingesetzt.


Ansprüche

1. Weichensteuerung (1) für ein elektronisches Stellwerk zur Ansteuerung eines Weichenantriebs (2), mit mindestens einem Halbleiterschalter (131, 132) zum Schalten einer Stellspannung (L1, L2) für den Weichenantrieb (2) und mit mindestens einem Relais (WN), dessen mindestens ein Relaiskontaktpaar in Reihe mit dem Halbleiterschalter (131, 132) geschaltet ist, zum Abtrennen einer Spannungsversorgung (110) im Ruhezustand.
 
2. Weichenantrieb nach Anspruch 1 mit mindestens einem vorzugsweise einstellbaren Widerstand (V1, V2) in Parallelschaltung zu dem mindestens einen Relaiskontakt (WN).
 
3. Weichensteuerung nach Anspruch 1 mit einem Doppelrechnersystem (10) aus mindestens zwei Mikrocontrollern zum Ansteuern des mindestens einen Relais (WN) und des mindestens einen Halbleiterschalters (131, 132), welches derart angepasst ist, dass beim Einschalten zuerst der Relaiskontakt (WN) geschlossen und anschließend der Weichenantrieb (2) durch den Halbleiterschalter (131, 132) eingeschaltet wird und beim Ausschalten des Weichenantriebs (2) zuerst der Halbleiterschalter (131, 132) abgeschaltet und anschließend der Relaiskontakt (WN) geöffnet wird.
 
4. Weichensteuerung nach Anspruch 1, bei dem der mindestens eine Halbleiterschalter mindestens einen Isolated Gate Bipolar Transistor enthält.
 
5. Weichensteuerung nach Anspruch 4, bei dem der mindestens eine Halbleiterschalter je einen Isolated Gate Bipolar Transistor für positive und negative Halbwellen enthält.
 
6. Weichensteuerung nach Anspruch 1, bei dem das mindestens eine Relais ein monostabiles, zwangsgeführtes Relais mit mindestens zwei Kontaktpaaren ist, von denen ein Kontaktpaar in Reihe mit dem Halbleiterschalter (131, 132) geschaltet ist und ein Kontaktpaar durch das Doppelrechnersystem (10) zurückgelesen wird.
 
7. Weichensteuerung nach Anspruch 1 mit mindestens einem Strommesser zum Prüfen des mindestens einen Halbleiterschalter (131, 132) durch einem im Zustand in dem das mindestens eine Relais (WN) eingeschaltet und der mindestens einen Halbleiterschalter (131, 132) noch ausgeschaltet ist.
 
8. Weichensteuerung nach Anspruch 1 mit einer Steuerung (111) zur phasenrichtigen Steuerung der Umstellspannung derart, dass im Nulldurchgang der Spannung eingeschaltet und im Nulldurchgang des Stromes ausgeschaltet werden wird.
 
9. Weichensteuerung nach Anspruch 1 mit zwei weiteren Relais (R, L) zur Steuerung der Weichensolllage.
 
10. Verfahren zum Ansteuerung eines Weichenantriebs (2), bei dem zum Einschalten zuerst ein Relaiskontakt (WN), der zum Abtrennen einer Spannungsversorgung (110) im Ruhezustand dient, geschlossen und anschließend der Weichenantrieb (2) durch zumindest einen Halbleiterschalter (131, 132) eingeschaltet wird und beim Ausschalten des Weichenantriebs (2) zuerst der mindestens eine Halbleiterschalter (131, 132) abgeschaltet und anschließend der Relaiskontakt (WN) wieder geöffnet wird.
 




Zeichnung







Recherchenbericht