(19)
(11) EP 1 614 857 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
11.01.2006  Patentblatt  2006/02

(21) Anmeldenummer: 04015806.5

(22) Anmeldetag:  05.07.2004
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F01D 5/06(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IT LI LU MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL HR LT LV MK

(71) Anmelder: SIEMENS AKTIENGESELLSCHAFT
80333 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Hoell, Harald
    63607 Wächtersbach (DE)
  • Schaal, Reimar, Dr.
    45470 Mülheim (DE)
  • Setz, Werner, Dr.
    51503 Rösrath (DE)

   


(54) Strömungsmaschine mit einem Rotor der zumindest eine gebohrene Rotorscheibe aufweist


(57) Die Erfindung betrifft eine Strömungsmaschine mit einem Rotor der zumindest eine Rotorscheibe aufweist, die eine sich in Axialrichtung erstreckende Bohrung enthält. Um eine erhöhten Lebensdauer für die Rotorscheibe einer Strömungsmaschine zu erreichen, wird vorgeschlagen, dass die Bohrung zur Erhöhung der Druckeigenspannung und zur Verminderung der Tangentialspannungen zumindest teilweise ballig mit im mittleren Bereich größerem Durchmesser verläuft.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine Strömungsmaschine mit einem um eine Drehachse drehbar gelagerten Rotor, der zumindest eine Rotorscheibe aufweist, in der zumindest eine sich axial erstreckende Bohrung angeordnet ist. Ferner betrifft die Erfindung einen Rotor für eine Strömungsmaschine und eine Rotorscheibe mit zumindest einer sich durch die Rotorscheibe axial erstreckenden Bohrung.

[0002] Stationäre Gasturbinen und Flugzeugturbinen mit aus mehreren Rotorscheiben zusammengesetzten Rotoren sind allgemein bekannt. Ein zentraler oder mehrere dezentrale Zuganker verspannen die Rotorscheiben miteinander. Dazu weisen die Rotorscheiben zumindest eine zylindrische Bohrung auf, durch die sich die Zuganker erstrecken.

[0003] Jede Rotorscheibe trägt an ihrem Außenumfang in einem Kranz angeordnete Laufschaufeln, die zum Verdichten eines Strömungsmediums oder zur Aufnahme von Rotationsenergie aus einem Strömungsmedium von diesem umströmbar sind. Die an der Rotorscheibe befestigten Laufschaufeln rufen beim Betrieb enorme Fliehkräfte hervor, so dass jede Rotorscheibe großen Belastungen ausgesetzt ist.

[0004] Um diesen Belastungen widerstehen zu können, müssen die Rotorscheiben fehlerfrei sein. Hierzu sind geeignete Prüfverfahren bekannt, mittels derer die Rotorscheibe vor deren ersten Verwendung als auch bei Wiederholungsprüfungen auf Risse und Fehlstellen untersucht werden, um eine Mindestlebensdauer und somit einen sicheren Betrieb der Strömungsmaschine zu gewährleisten.

[0005] Durch eine zunehmende Scheibengröße von gebohrten Rotorscheiben oder bei Verwendung grobkörniger Werkstoffe ist die Fehlererkennbarkeit von Rissen bei den Prüfungen in zunehmendem Maße eingeschränkt.

[0006] Eine Möglichkeit zur Sicherstellung der geforderten Lebensdauer ist das gezielte Einbringen von Druckeigenspannungen in das Material der Rotorscheiben, die das Wachstum von Fehlstellen, d.h. Rissen, im späteren Betrieb verzögern. Hierzu wird während der Herstellung der gebohrten Rotorscheibe diese gezielt überlastet, d.h. sie wird bei einer Schleuderdrehzahl geschleudert, die höher als die Nenndrehzahl des Rotors ist. Dies ruft im Bereich der Bohrung eine plastische Verformung hervor, die zu den Druckeigenspannungen führt. Die Höhe der Druckeigenspannungen im Scheibenmaterial ist jedoch durch die maximale Schleuderdrehzahl des Schleuderprüfstands und durch die Temperatur beim Schleudern begrenzt, so dass weniger Druckeigenspannungen erzeugt werden können als gewünscht.

[0007] Die in der Rotorscheibe nicht erkannten bzw. tolerierten Fehlstellen können aufgrund der hohen Belastungen und lediglich begrenzt großen Druckeigenspannungen weiterhin Risse erzeugen und wachsen lassen, welche die Lebensdauer der Rotorscheibe und somit der Strömungsmaschine verringern.

[0008] Die Aufgabe der Erfindung ist es daher, eine Rotorscheibe für den Rotor einer Strömungsmaschine, einen Rotor für eine Strömungsmaschine und eine Strömungsmaschine anzugeben, deren Lebensdauer durch konstruktive Maßnahmen verlängert ist.

[0009] Die auf die Strömungsmaschine gerichtete Aufgabe wird durch die Merkmale des Anspruchs 1, die auf den Rotor gerichtete Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 3 und die auf die Rotorscheibe gerichtet Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 4 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen angeben.

[0010] Erfindungsgemäß ist vorgesehen, dass die Bohrung der Rotorscheibe in Axialrichtung zumindest teilweise ballig mit im mittleren Bereich größerem Durchmesser verläuft.

[0011] Der Lösung liegt die erfinderische Idee zu Grunde, dass durch die in Axialrichtung zumindest teilweise ballig verlaufende Bohrung sich die Mises'schen Vergleichsspannungen im Bohrungsbereich erhöhen. Die Erhöhung der Vergleichsspannung beruht auf der Beeinflussung der axialen und tangentialen Spannungskomponente durch die ballige Geometrie der Bohrung, d.h. deren konvexe Querschnittsform. Durch die erhöhten Vergleichsspannungen kommt es beim Schleudern im Nabenbereich zu einer stärkeren Plastifizierung, wodurch der Betrag der Druckeigenspannungen geometriebedingt ohne eine Erhöhung der Schleuderdrehzahl zunimmt. Höhere Druckeigenspannungen bedeuten eine Verzögerung des Rissfortschritts und reduzierte Sprödbruchgefahr im späteren Betrieb.

[0012] Durch die in Axialrichtung ballig verlaufende Bohrung nehmen darüber hinaus die Tangentialspannungen ab. Weil diese beim Betrieb der Strömungsmaschine ebenfalls Rissentstehung und Risswachstum begünstigen, wird durch den balligen Verlauf dem entgegengewirkt und das Risswachstum maßgeblich verzögert.

[0013] Zweckmäßigerweise kann die Strömungsmaschine als Turbine, als Verdichter, als Gasturbine oder als Dampfturbine ausgebildet sein. Dabei ist es unabhängig, ob diese einstufig oder mehrstufig ausgebildet bzw. axial oder radial durchströmt sind.

[0014] In einer vorteilhaften Ausgestaltung ist die Bohrung zentral, d.h. im Mittelpunkt der Rotorscheibe, und/oder dezentral, d.h. zum Mittelpunkt der Rotorscheibe beabstandet, angeordnet. Die durch die ballige Ausführungsform erzielten Wirkungen sind dabei unabhängig davon, ob die Bohrung zentral oder dezentral vorgesehen ist.

[0015] In einer vorteilhaften Ausgestaltung ist der maximale Innendurchmesser der balligen Bohrung in Axialrichtung gesehen mittig zwischen den Stirnseiten der Rotorscheibe angeordnet. Hierdurch wird eine symmetrische Verteilung der erhöhten Druckeigenspannung erzielt.

[0016] Die Erfindung wird anhand einer Zeichnung erläutert.
Es zeigt:
Fig. 1
eine schematische Darstellung einer Strömungsmaschine aus dem Stand der Technik,
Fig. 2
eine Seitenansicht einer erfindungsgemäßen Rotorscheibe mit einer ballig verlaufenden Bohrung,
Fig. 3
eine Schnittansicht durch die Rotorscheibe gemäß Fig. 2 ,
Fig. 4
eine Schnittansicht durch eine Rotorscheibe aus dem Stand der Technik,
Fig. 5
ein Radius-Spannungs-Diagramm für die Rotorscheibe aus dem Stand der Technik,
Fig. 6
eine Schnittansicht durch die erfindungsgemäße Rotorscheibe,
Fig. 7
ein Radius-Spannungs-Diagramm für die erfindungsgemäße Rotorscheibe und
Fig. 8
einen Vergleich der Kennlinien der Diagramme aus Fig.5 und Fig. 7.


[0017] Gasturbinen und deren Arbeitsweisen sind im allgemeinen bekannt. Hierzu zeigt Fig. 1 eine als Gasturbine 1 ausgebildete Strömungsmaschine mit einem um eine Drehachse 3 drehbar gelagerten Rotor 5. Entlang dessen Längserstreckung folgt einem Verdichter 7 eine Brennkammer 9 mit Brennern 11. Der Brennkammer 9 ist die Turbineneinheit 13 nachgeschaltet. Sowohl im Verdichter 7 als auch in der Turbineneinheit 13 weist der Rotor 5 mehrere aneinanderliegende Rotorscheiben 20 auf, in denen jeweils eine zentrale Bohrung 16 vorgesehen ist, durch die ein Zuganker 21 sich erstreckt.

[0018] Fig. 2 zeigt die Seitenansicht einer erfindungsgemäßen Rotorscheibe 14 mit einer zentral angeordneten Bohrung 15, welche in Axialrichtung teilweise ballig verläuft, also nach außen gewölbt verläuft.

[0019] Fig. 3 zeigt einen Schnitt durch die erfindungsgemäße Rotorscheibe 14 gemäß Fig. 2. Die Bohrung 15 erstreckt sich in Axialrichtung des Rotors 5 anfänglich kreiszylindrisch, geht anschließend in einen balligen Abschnitt über und endet mit einem kreiszylindrischen Abschnitt. Der Durchmesser 17 der Bohrung 15 ist im balligen Abschnitt in der Mitte zwischen den beiden Stirnflächen 19 der Rotorscheibe 14 maximal und nimmt in Richtung der Stirnflächen 19 bzw. der kreiszylindrischen Abschnitte beiderseits gleichmäßig ab. Durch den in Axialrichtung teilweise balligen Verlauf der Bohrung 15 weist die Rotorscheibe 14 eine konvexe Ausnehmung auf. Das Material der Rotorscheibe, welches die Ausnehmung umgibt, weist somit eine konkave Kontur auf.

[0020] Fig. 4 zeigt eine aus dem Stand der Technik bekannte zylindrische Bohrung 16 durch eine Rotorscheibe 20.

[0021] Fig. 5 zeigt den Verlauf von Spannungen σ einer Rotorscheibe 20 aus dem Stand der Technik in einem Radius-Spannungs-Diagramm. Die in einer Kreis-Strich-Linienart dargestellte Kennlinie 22 zeigt den Verlauf der Tangentialspannungen im Abstand x von der Oberfläche der Bohrung 16 in Radialrichtung. Ebenso zeigt die in Volllinie dargestellte Kennlinie 24 die Mises'schen Vergleichsspannungen. Beide Spannungen nehmen mit steigendem Abstand x von der Oberfläche der zylindrischen Bohrung 16 der Rotorscheibe 20 ab. Nach dem Schleudern der Rotorscheibe 20 weist diese Druckeigenspannungen auf, deren Verlauf in gestrichelter Linienart durch die Kennlinie 26 dargestellt ist. Der Betrag der Druckeigenspannungen verringert sich mit zunehmendem Abstand x.

[0022] Fig. 6 zeigt die erfindungsgemäße Rotorscheibe 14 mit einer entlang der Axialrichtung vollständig konvex ausgebildeten Bohrung 15, deren Form auch als ballig bezeichnet wird.

[0023] Fig. 7 zeigt den Verlauf von Spannungen σ einer erfindungsgemäßen Rotorscheibe 14 in einem Radius-Spannungs-Diagramm. Die Tangentialspannungen 28 der erfindungsgemäßen Rotorscheibe 14 sind in einer Kreis-Strich-Linienart und die Mises'schen Vergleichsspannungen 30 in Volllinie dargestellt. Beide Spannungen nehmen mit zunehmendem Abstand x von der Oberfläche der balligen Bohrung 15 der Rotorscheibe 14 ab. Nach dem Schleudern der Rotorscheibe 14 weist diese eine in Volllinie dargestellte Druckeigenspannung 32 auf, deren Betrag sich mit zunehmendem Abstand x verringert.

[0024] Fig. 8 zeigt die Kennlinien 22, 24, 26, 28, 30, 32 der beiden Diagramme Fig. 5 und Fig. 7 im Vergleich.

[0025] Durch die konvexe Bohrung 14 sind die aus dem Stand der Technik ermittelten Tangentialspannungen 22 gemäß den Pfeilen 34 auf die Tangentialspannungen 28 vermindert worden. Die Mises'schen Vergleichsspannungen 24, 30 wurden durch den balligen Verlauf der Bohrung 15 dagegen gemäß der Pfeile 36 vergrößert, was nach dem Schleudern mit gleichgroßer Schleuderdrehzahl zumindest im radial innen liegenden Bereich der balligen Bohrung 15 eine betragsmäßig vergrößerte Druckeigenspannung gemäß der Pfeile 38 bewirkt.

[0026] Der um jede Bohrung liegende Bereich, insbesondere bei zentralen Bohrungen der nabennahe Bereich, ist beim Betrieb der Strömungsmaschine den vergleichsweise höchsten Beanspruchungen ausgesetzt, wodurch die Erhöhung der Druckspannungen und die Verminderung der Tangentialspannungen das Risswachstum an dieser Stelle verzögert und somit die Lebensdauer der Rotorscheibe, des Rotors und der Strömungsmaschine verlängert wird.


Ansprüche

1. Strömungsmaschine (2)
mit einem um eine Drehachse (3) drehbar gelagerten Rotor (5) ,
der zumindest eine Rotorscheibe (14) mit jeweils einer sich durch die Rotorscheibe (14) axial erstreckende Bohrung (15) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bohrung (15) in Axialrichtung zumindest teilweise ballig mit im mittleren Bereich größerem Durchmesser verläuft.
 
2. Strömungsmaschine (2) nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Strömungsmaschine (2) eine Turbine, ein Verdichter, eine Gasturbine (1) oder eine Dampfturbine ist.
 
3. Rotor (5) für eine Strömungsmaschine (2),
der zumindest eine Rotorscheibe (14) mit zumindest einer sich durch die Rotorscheibe (14) axial erstreckende Bohrung (15) aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bohrung (15) in Axialrichtung zumindest teilweise ballig mit im mittleren Bereich größerem Durchmesser verläuft.
 
4. Rotorscheibe (14) für den Rotor (5) einer Strömungsmaschine (2),
mit zumindest einer sich durch die Rotorscheibe (14) axial erstreckenden Bohrung (15),
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bohrung (15) in Axialrichtung zumindest teilweise ballig mit im mittleren Bereich größerem Durchmesser verläuft.
 
5. Rotorscheibe (14) nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Rotorscheibe (14) als Verdichterscheibe eines Verdichters oder als Turbinenscheibe einer Turbine ausgebildet ist.
 
6. Vorrichtung nach Anspruch 1, 3 oder 4,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Bohrung (15) zentral und/oder dezentral vorgesehen ist.
 
7. Vorrichtung nach Anspruch 1, 3, 4 oder 6,
dadurch gekennzeichnet, dass
die der maximale Innendurchmesser (17) der balligen Bohrung (15) in Axialrichtung gesehen mittig angeordnet ist.
 




Zeichnung
















Recherchenbericht