[0001] Die Erfindung betrifft ein Bedienplatzsystem gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs.
Bedienplatzsysteme in der Eisenbahnsignaltechnik müssen Sicherheitsanforderungen genügen,
die in der CENELEC-Norm in Form von Sicherheitsstufen SIL0 - signaltechnisch nicht
sicher - bis SIL4 - signaltechnisch hochgradig sicher - definiert sind. Besteht für
die Kommandoausgabe eine Sicherheitsanforderung nach SIL4 und für die Kommandoanzeige
keine Sicherheitsanforderung, d. h. SILO, werden bisher Bedienplatzsysteme eingesetzt,
die insgesamt dem Sicherheitslevel SIL4 entsprechen. Das bedeutet nach der Normvorgabe,
dass das Bedienplatzsystem zweikanalig auszuführen ist. Damit ist zwangsläufig ein
hoher Hardware- und Softwareaufwand verbunden.
[0002] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Bedienplatzsystem der gattungsgemäßen
Art anzugeben, das weniger aufwendig ist, insbesondere hinsichtlich Kommunikationsschaltungen,
Projektierung und Installation.
[0003] Erfindungsgemäß wird die Aufgabe mit den kennzeichnenden Merkmalen des Patentanspruchs
gelöst. Durch die Reduzierung auf nur einen Kanal ergibt sich ohne Sicherheitseinbuße
eine erhebliche Einsparung. Durch den Wegfall des zweiten Kanals entfallen Kommunikationsschaltungen
inklusive der zugehörigen Software. Projektierung und Installation werden bei verringertem
Platzbedarf vereinfacht. Zusätzlich erhöht sich die Verfügbarkeit des Bedienplatzsystems
um Faktor zwei. Statt mindestens zwei PCs wird nur noch ein PC zur Ausbildung des
einzigen Kanals eingesetzt. Dieser PC muss identisch sein mit einem von mehreren PCs
eines mehrkanaligen SIL4-Bedienplatzsystems sowohl hinsichtlich Hardware als auch
hinsichtlich Software. Auf diese Weise gilt die SIL4-Zertifizierung unter den unten
genannten Voraussetzungen auch für das Bedienplatzsystem gemäß der geforderten Sicherheit,
nämlich Kommandoausgabe gemäß SIL4 und Kommandoanzeige signaltechnisch nicht sicher.
Diese "gemischte" Sicherheitsanforderung ergibt sich aus der Überlegung, dass nicht
eine falsche Anzeige bei korrekter Kommandoausgabe gefährlich ist, sondern ein verfälschtes
Kommando, das trotzdem in der gewünschten Weise, d. h. als korrekt angezeigt wird.
Folglich kann es sinnvoll sein, ein Bedienplatzsystem zu konzipieren, das nur bezüglich
der Kommandoausgabe dem Sicherheitslevel SIL4 entspricht. Damit für diese Anforderung
ein einkanaliges System eingesetzt werden kann, muss der entsprechende PC für die
Kommandoausgabe SIL4-tauglich sein. Dazu müssen gemäß der Normvorgabe folgende vier
Voraussetzungen erfüllt sein:
- 1. Die tolerierbare Gefährdungsrate pro Stunden und pro Funktion für SIL4 gemäß CENELEC
EN 50129, Tabelle A-1 muss im Bereich von 10-9 und 10-8 liegen.
- 2. Die Software muss gemäß den Vorgaben von CENELEC EN 50128 entwickelt worden sein.
- 3. Die Projektierung, Projektierungsprüfung, Installation und Wartung müssen den Anforderungen
von SIL4 gerecht werden.
- 4. Die Nutzung des Bedienplatzes muss den Anforderungen nach SIL4 entsprechen.
[0004] Der Nachweis dieser Anforderungen wird nachfolgend am Beispiel des VICOS-Systems
näher erläutert. Es zeigen:
Figur 1 das Prinzip eines bekannten Bedienplatzsystems und
Figur 2 das beanspruchte Bedienplatzsystem.
[0005] Das bekannte Bedienplatzsystem, das die Anforderungen nach CENELEC SIL4 erfüllt,
ist bisher als zweikanaliges System mit zwei VICOS OC 111-Rechnern 1 und 2 ausgebildet.
Die beiden Rechner 1 und 2 dienen zur Ansteuerung und Überwachung eines Stellwerks
3, das ebenfalls der Sicherheitsstufe SIL4 entspricht.
[0006] Bei der in Figur 2 dargestellten beanspruchten Lösung ist nur noch ein VICOS OC 101-
Rechner 4 vorgesehen. Dieser Bedienplatz ist für signaltechnisch sichere Ausgabe nach
SIL4 und nicht signaltechnisch sicherer Anzeige ausgelegt. Bei der Verwendung des
VICOS OC 101-Rechners 4 ist bisher davon ausgegangen worden, dass nur Sicherheitsanforderungen
bis CENELEC SIL2 erfüllt werden können. Die nachfolgende Betrachtung bezüglich der
oben genannten vier Voraussetzungen für die SIL4-Eignung führen jedoch überraschenderweise
zu dem Ergebnis, dass die einkanalige Konfigurierung nach Figur 2 bezüglich der Kommandoausgabe
den Sicherheitsanforderungen nach SIL4 genügt.
1. Für den zweikanaligen Bedienplatz OC 111 existiert eine Gefährdungsanalyse, wobei
für die zwei Ausfälle alte Bedienfolge und Verfälschung von Bedienfolgen für die Kommandorichtung
eine Gefährdungsrate von 1,9 x 10-10 resultiert. Die Bedienplätze VICOS OC 111 und VICOS OC 101 unterscheiden sich darin,
dass bei VICOS OS 111 für die Kommandofreigabe-Verfahren zwei hardwaremäßig unabhängige
Rechner 1 und 2 und bei VICOS OC 101 nur ein Rechner 4 eingesetzt werden. Um die Gefährdungsrate,
die sich für die Kommandorichtung beim Bedienplatz VICOS OC 101 ergibt, zu berechnen,
muss zunächst betrachtet werden, welche Aufgabe der zweite Rechner 1 bzw. 2 im VICOS
OC 111-System übernimmt.
Regelbedienungen, also nicht freigabepflichtige Bedienungen, werden bei VICOS OC 111
auch nur einkanalig ausgeführt. Bei freigabepflichtigen Bedienungen liefert der Referenz-Rechner
1 bzw. 2 die Checksumme seiner Anzeige zum Vergleich mit der Checksumme des Bedien-Rechners
2 bzw. 1 an das Stellwerk 3. Dort können Fehler in der Anzeige aufgedeckt werden.
Im vorliegenden Fall soll die Anzeige nicht SIL4 entsprechen. Gefährlich ist nicht,
dass eine falsche Anzeige erscheint, gefährlich ist, dass das Kommando verfälscht
wird und dann trotzdem die gewünschte Anzeige erscheint. Wird ein Ausfall des Bedienplatzes
angenommen, infolge dessen immer Kommandos verfälscht würden, liegt die Wahrscheinlichkeit,
dass die gewünschte Anzeige erscheint, bei < 10-2. Da die Anzeige zwei voneinander unabhängige Verfahren, nämlich Elementausleuchtung
und Telegrammtext, umfasst, ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von < 10-4. Die Hardwarefehler, die zu einem Ausfall und damit letztlich zur Gefährdung führen
können, betreffen die PC-Komponenten, die an dieser Funktion beteiligt sind. Unter
Berücksichtigung dieser Komponenten, nämlich CPU, Hauptspeicher, Graphikkarte und
Monitor, und den anfangs betrachteten Ausfällen "alte Bedienfolge" und "Verfälschung
von Bedienfolgen" beträgt die Gesamtgefährdung 1,0 × 10-9. Dieser Wert ist ausrechend für SIL4.
2. Für den OC 101-Rechner 4 wird die gleiche Software wie für den OC 111-Rechner 1
bzw. 2 eingesetzt. Damit ist diese Anforderung nach SIL4 gegeben.
3. Sofern alle vorgeschriebenen Maßnahmen für den OC 101-Rechner 4 durchgeführt werden,
wird SIL4 erreicht.
4. Der Betrieb des Bedienplatzes OC 111 ist entsprechend SIL4 zugelassen. Es ist sicherzustellen,
dass alle Maßnahmen, die für die Kommandoausgabe beim Bedienplatz OC 111 vorgesehen
sind, auch beim Bedienplatz OC 101 projektiert werden.
[0007] Wenn die oben genannten Maßnahmen und Auflagen für den OC 101-Rechner 4 nachgewiesen
werden, kann der OC 101-Rechner 4 folglich bei SIL4-Anforderungen bezüglich der Kommandoausgabe
eingesetzt werden. Ein zweiter Kanal gemäß Figur 1 kann entfallen.
[0008] Die Erfindung beschränkt sich nicht auf das vorstehend genannte Ausführungsbeispiel.
Vielmehr ist eine Anzahl von Varianten denkbar, welche auch bei grundsätzlich anders
gearteter Ausführung von den Merkmalen der Erfindung Gebrauch machen.
1. Bedienplatzsystem mit signaltechnisch sicherer Kommandoausgabe gemäß Sicherheitslevel
CENELEC SIL4 und signaltechnisch nicht sicherer Kommandoanzeige für die Bedienung
und Überwachung eines SIL4-Stellwerks (3),
dadurch gekennzeichnet,
dass das Bedienplatzsystem einkanalig ausgebildet ist, wobei der Kanal mit einem Rechner
(4) eines mehrere identische Rechner (1,2) aufweisenden, mehrkanaligen SIL4-Bedienplatzsystems
sowohl hinsichtlich Hardware als auch hinsichtlich Software übereinstimmt.