(19)
(11) EP 1 713 148 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
18.10.2006  Patentblatt  2006/42

(21) Anmeldenummer: 05007934.2

(22) Anmeldetag:  12.04.2005
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
H01R 43/12(2006.01)
H01R 39/26(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IS IT LI LT LU MC NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA HR LV MK YU

(71) Anmelder: Schunk Kohlenstofftechnik GmbH
D-35452 Heuchelheim (DE)

(72) Erfinder:
  • Böttger, Christian, Dr.
    61279 Grävenwiesbach (DE)

(74) Vertreter: Sternagel, Fleischer, Godemeyer & Partner 
Braunsberger Feld 29
51429 Bergisch Gladbach
51429 Bergisch Gladbach (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung von Kohlebürsten und nach diesem Verfahren hergestellte Kohlebürsten


(57) Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Kohlebürsten, umfassend die Schritte: (a) Herstellung einer pulverförmigen Zusammensetzung, die ein Kohlenstoffpulver und ein pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel enthält, (b) Verarbeitung der pulverförmigen Zusammensetzung aus (a) bei einer Temperatur oberhalb der Schmelztemperatur des thermoplastischen Bindemittels, um eine Mischung zu erhalten, die das Kohlenstoffpulver und das aufgeschmolzene thermoplastische Bindemittel enthält, (c) gegebenenfalls Aufmahlen und Absieben der Mischung aus Schritt (b), (d) Pressen der Mischung aus Schritt (b) oder Schritt (c), falls durchgeführt, in eine gewünschte Form und (e) Thermische Behandlung bei einer Temperatur oberhalb des Schmelzpunkts des thermoplastischen Bindemittels, aber unterhalb dessen Zersetzungstemperatur. Die Erfindung betrifft auch nach diesem Verfahren hergestellte Kohlebürsten.


Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Herstellungsverfahren für Kohlebürsten sowie danach erhältliche Kohlebürsten.

[0002] Kohlebürsten werden üblicherweise hergestellt, indem ein pulverförmiges Material, im Wesentlichen auf Kohlenstoffgrundlage mit einem fein verteilten Bindemittel und für bestimmte Anwendungen unter Zusatz von Metallpulvern, in einer Form verpresst wird und danach das gepresste Material einer Wärmebehandlung zum Verkoken, Härten oder Verteilen des Bindemittels bzw. Sintern des Metallpulvers unterzogen wird. Die so erhaltene Kohlebürste wird dann gegebenenfalls einer mechanischen Endbearbeitung unterworfen.

[0003] Als Bindemittel wurden bislang z.B. Peche und Teere, synthetische wärmehärtbare Harze, wie etwa Phenolharze, oder Thermoplaste eingesetzt.

[0004] So beschreibt US-A-5,441,683 die Herstellung einer Bürste für einen Elektromotor unter Verwendung von sogenannten "Destillationsbindern" (d.h. Rückstände aus der Erdöl- oder Kohledestillation, wie etwa Peche und Teere) oder synthetischen Bindemitteln, vorzugsweise wärmehärtbaren Harzen, besonders bevorzugt Phenolharzen.

[0005] Auch in DE-A-103 24 855 wird die bevorzugte Verwendung eines wärmehärtbaren Harzes, z.B. eines Phenolharzes, oder von Pech als Bindemittel bei der Herstellung von Kohlebürsten offenbart.

[0006] In DE-A-101 56 320 wird ein synthetisches Pulverharz, insbesondere ein Duroplast, z.B. ein Epoxid- oder Phenolharz, als Bindemittel zur Herstellung eines harzgebundenen Graphitwerkstoffes eingesetzt. Vorzugsweise handelt es sich bei dem Bindemittel um ein in Lösungsmittel gelöstes Pulverharz oder ein lösungsmittelfreies Flüssigharz.

[0007] GB-A-641,937 betrifft die Herstellung von elektrischen Kontaktbürsten und beschreibt die Anwendung eines Bindemittels in einer Lösung aus einem flüchtigen Lösungsmittel, um das Bindemittel gut zu verteilen.

[0008] In DE-A-24 44 957 ist die Herstellung von Kohlekontaktkörpern durch Aufeinanderpressen von Pulvern aus Graphit und einem Metall in einem Gesenk und anschließende Wärmebehandlung offenbart. Das Pulver enthält 0,5 bis 50 Gewichtsteile eines Bindemittels aus der Gruppe der einbindig aromatischen Polymere, z.B. Polyarylensulfide, vorzugsweise Polyphenylensulfid in feingemahlener Form.

[0009] Auch in dem Verfahren zur Herstellung einer Kohlebürste, das Gegenstand von DE-A-199 00 23 ist, kommt ein thermoplastisches Bindemittel zum Einsatz. Als Beispiele werden Polyphenylensulfide, Polysulfone, Polyphenylsulfone, Polyetherketone, Polyehtylenterephthalate, Polyamide, Polyimide und davon abgeleitete Copolymere genannt.

[0010] DE-A-199 00 24 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung einer Kohlebürste aus einem pulverförmigen Werkstoff, das durch die Verwendung eines ungelösten pulverförmigen Bindemittels aus feinkörnigem Thermoplastpulver mit einer mittleren Körnung von 5 µm bis 50 µm und einer sehr engen Korngrößenverteilung gekennzeichnet ist.

[0011] Pechgebundene Werkstoffe für Kohlebürsten, die auch Kupfer-, Silber- oder andere Metallpulver enthalten und die mit eingepresster Kupferlitze hergestellt werden, haben wegen des immer gegebenen Schwefelgehalts der Peche den Nachteil der Sulfidbildung auf Metallpulvern und Litze. Ähnliche Probleme treten beim Einsatz von Polymeren auf, die Schwefel enthalten (z.B. Polyphenylensulfid), der unter den Bedingungen der Herstellung oder Anwendung zumindest teilweise frei gesetzt wird. Viele Bindemittel auf Pechbasis sind außerdem karzinogen.

[0012] Als direkter Nachteil aller Herstellungsverfahren für Kohlebürsten, die mit gelösten thermoplastischen oder duroplastischen Polymeren als Bindemittel arbeiten, ergibt sich notwendigerweise der Umgang mit einem flüchtigen Lösungsmittel, der zur Vermeidung von Gesundheitsproblemen und Umweltbelastungen mit hohem apparativen Aufwand verbunden ist und möglichst vermieden werden sollte. Zusätzlich führen lösliche Thermoplaste als Bindemittel zu Endprodukten, deren Beständigkeit gegenüber Lösungsmitteln und hohen Anwendungstemperaturen vergleichsweise gering ist.

[0013] Die Verwendung von duroplastischen Polymeren als Bindemittel führt besonders im Zusammenwirken mit Wärmebehandlungen, die zu seiner teilweisen oder vollständigen Verkokung führen, zu Endprodukten, die bei Anwendungen mit Beanspruchungen durch hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit keine ausreichende Dimensionsstabilität (Quellung), sowie eine erhebliche Widerstandsalterung (Widerstandserhöhung) aufweisen.

[0014] Nachteilig bei den oben genannten Verfahren, die einen pulverförmigen Thermoplast als Bindemittel verwenden, ist die schlechte Verpressbarkeit der Pulvermischungen. Außerdem treten Schwierigkeiten bei der Reproduzierbarkeit der Werkstoffeigenschaften der so hergestellten Kohlebürsten auf.

[0015] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es also, ein Verfahren zur Herstellung von Kohlebürsten bereitzustellen, dass die obigen Nachteile vermeidet. Insbesondere sollen bei guter Verpressbarkeit des kohlenstoffhaltigen Pulvers Kohlebürsten mit guter Reproduzierbarkeit der Werkstoffeigenschaften, hoher Dimensionsstabilität und Widerstandskonstanz verbunden mit langer Lebensdauer im Einsatz bei hohen Temperaturen und geräuscharmen Lauf erzeugt werden.

[0016] Gelöst wird die Aufgabe durch ein Verfahren zur Herstellung von Kohlebürsten, umfassend die Schritte

(a) Herstellung einer pulverförmigen Zusammensetzung, die ein Kohlenstoffpulver und ein pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel enthält,

(b) Verarbeitung der pulverförmigen Zusammensetzung aus (a) bei einer Temperatur oberhalb der Schmelztemperatur des thermoplastischen Bindemittels, um eine Mischung zu erhalten, die das Kohlenstoffpulver und das aufgeschmolzene thermoplastische Bindemittel enthält,

(c) gegebenenfalls Aufmahlen und Absieben der Mischung aus Schritt (b),

(d) Pressen der Mischung aus Schritt (b) oder Schritt (c), falls durchgeführt, in eine gewünschte Form und

(e) Thermische Behandlung bei einer Temperatur oberhalb des Schmelzpunkts des thermoplastischen Bindemittels, aber unterhalb dessen Zersetzungstemperatur.



[0017] Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist ferner eine Kohlebürste, die nach diesem Verfahren erhältlich ist.

[0018] In Schritt (a) des erfindungsgemäßen Verfahrens wird eine Zusammensetzung hergestellt, die ein Kohlenstoffpulver und ein pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel enthält. Gegebenfalls kann der Zusammensetzung bereits in Schritt (a) ein geeignetes Metallpulver zugegeben werden, das weiter unter detailliert beschrieben ist.

[0019] Als Kohlenstoffpulver sind beispielsweise Graphite (Natur- und Kunstgraphite), Kokse und Anthrazite, sowie aus diesen Rohstoffen hergestellte Zwischenprodukte und Mischungen geeignet. Vorzugsweise wird bei Kohlebürsten für automobile Anwendungen Naturgraphit eingesetzt. Das Kohlenstoffpulver sollte in bevorzugten Ausführungsformen eine mittlere Korngröße (D50-Median der Volumenverteilung (in Volumenprozent) mittels Lasergranulometrie) von 30 µm bis 50 µm, bevorzugter etwa 40 µm aufweisen. Die maximale Korngröße sollte vorzugsweise 150 µm nicht übersteigen. Der erforderliche Reinheitsgrad des Kohlenstoffpulvers (Asche) richtet sich im Wesentlichen nach anwendungstechnischen Erfordernissen und kann vom Fachmann leicht ermittelt werden.

[0020] Beispiele für geeignete thermoplastische Bindemittel, jeweils in Pulverform, sind: Polyamide; Polyimide; Polyetherketone; Polyetheretherketone (PEEK); Polysulfone, insbesondere Polyphenylensulfone (PPSU); Polyphenylensulfide (PPS); Polyethylenterephthalate sowie Copolymere und Mischungen dieser Polymere. Die Verwendung von speziellen Copolymeren, die mit der Zielstellung einer verbesserten Löslichkeit entwickelt wurden, ist weder erforderlich noch bevorzugt, da dies die Beständigkeit der Kohlebürsten gegenüber Lösungsmitteln und hohen Anwendungstemperaturen vermindern würde. Ein bevorzugtes thermoplastisches Bindemittel ist Polyamid, z.B. Polyamid-6, Polyamid-11 und Polyamid-12, sowie Copolymere und Mischungen dieser Polyamide.

[0021] Obwohl das erfindungsgemäße Verfahren auch mit schwefelhaltigen Thermoplasten, wie etwa PPS, als Bindemittel durchgeführt werden kann, werden vorzugsweise thermoplastische Bindemittel verwendet, die nicht PPS sind. Besonders bevorzugt werden schwefelfreie thermoplastische Bindemittel verwendet. Es wird vermutet, dass im Falle von metallhaltigen Kohlebürsten der Schwefel aus dem Bindemittel mit den Metallpartikeln bzw. eingepressten Kupferlitzen reagieren kann und somit die Werkstoffeigenschaften der Kohlebürsten verschlechtert.

[0022] In einer bevorzugten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung weist das pulverförmige thermoplastische Bindemittel eine mittlere Korngröße (D50-Median der Volumenverteilung (in Volumenprozent) mittels Lasergranulometrie) von 5 µm bis 70 µm, bevorzugter von 10 µm bis 50 µm und am meisten bevorzugt von 20 µm bis 30 µm auf.

[0023] Die Anteile des pulverförmigen thermoplastischen Bindemittels in der Zusammensetzung aus Schritt (a) betragen vorzugsweise 2 bis 20 Gew.-%, bevorzugter 3 bis 18 Gew.-%, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht von Kohlenstoffpulver und pulverförmigem thermoplastischen Bindemittel. Bei Kohlebürsten für die Anwendung in Automobilen (Bordnetz 12 V bis 42 V) oder Elektrogeräten und -werkzeugen im Akkubetrieb sind 3 bis 8 Gew.-% pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel besonders bevorzugt, wobei je nach spezieller Anwendung 3 bis 6 Gew.-% (Zielstellung des geräuscharmen Laufs der entsprechenden Elektromotoren, z.B. Klima- und Heizgebläse oder Stellermotoren) bzw. 6 bis 8 Gew.-% (Zielstellung der Stabilität bei hohen Anwendungstemperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit) pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel bevorzugt sind, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht von Kohlenstoffpulver und pulverförmigem thermoplastischen Bindemittel. Bei Kohlebürsten für die Anwendung in Elektrowerkzeugen und Haushaltsgeräten (Netzspannung 110 V/230 V) sind 8 bis 15 Gew.-% pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel besonders bevorzugt, am meisten bevorzugt sind hierfür 10 bis 12 Gew.-% pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht von Kohlenstoffpulver und pulverförmigem thermoplastischen Bindemittel.

[0024] In Schritt (a) des erfindungsgemäßen Verfahrens werden die einzelnen Komponenten, d.h. das Kohlenstoffpulver, das pulverförmige thermoplastische Bindemittel und gegebenenfalls Metallpulver, einfach trocken miteinander vermischt, um eine pulverförmige, vorzugsweise homogene Zusammensetzung herzustellen. Die Vermischung kann in einer geeigneten Mischvorrichtung erfolgen, wie etwa einem Pflugscharmischer oder einem Simplex-Mischer.

[0025] Die pulverförmige Zusammensetzung aus Schritt (a) wird dann in Schritt (b) bei einer Temperatur oberhalb des Schmelzpunkts des thermoplastischen Bindemittels verarbeitet. Man erhält als Ergebnis eine Mischung, die das Kohlenstoffpulver, gegebenenfalls Metallpulver, und das aufgeschmolzene thermoplastische Bindemittel enthält. Durch Verklebung der Pulverkörner untereinander durch das thermoplastische Bindemittel hat die Zusammensetzung in der Regel eine grob- bis feinkrümelige Konsistenz. Der Durchmesser der verklebten Körner liegt häufig im Bereich von 40 µm bis 2 mm. Ohne jedoch an diese Theorie gebunden zu sein wollen, wird angenommen, dass das thermoplastische Bindemittel die Teilchen des Kohlenstoffpulvers und gegebenenfalls des Metallpulvers benetzt und beschichtet.

[0026] Die Verarbeitungstemperatur in Schritt (b) liegt oberhalb des Schmelzpunktes des thermoplastischen Bindemittels und hängt von einer Reihe von Faktoren, wie etwa der Art, der Menge und der Korngrößenverteilung des Kohlenstoffpulvers, des thermoplastischen Bindemittels und gegebenenfalls des Metallpulvers, ab. Sie kann vom Fachmann ohne weiteres bestimmt werden und liegt vorzugsweise 10 K bis 40 K, bevorzugter 10 K bis 25 K und am meisten bevorzugt 15 K bis 20 K über dem Schmelzpunkt des thermoplastischen Bindemittels. Die maximale Verarbeitungstemperatur in Schritt (b) liegt natürlich unterhalb der Zersetzungstemperatur des Bindemittels und wird aus ökonomische Gründen so niedrig wie technisch möglich gewählt.

[0027] Die Verarbeitung der pulverförmigen Zusammensetzung aus Schritt (a) in Schritt (b) erfolgt in einer geeigneten Vorrichtung mit Misch- und Knetwirkung. Bevorzugt ist die Verarbeitung in einem Extruder, bevorzugter in einem Doppelschneckenextruder. Ein Doppelschneckenextruder arbeitet mit zwei parallel laufenden Metallschnecken, die in diverse Transport- und Knetbereiche unterteilt sind. Die Anordnung dieser Transport- und Knetbereiche, die Drehgeschwindigkeiten der Schnecken, sowie die exakte Temperaturverteilung in den Heizzonen des Extruders sind nicht erfindungswesentlich und können vom Fachmann ohne weiteres durch Vorversuche optimiert werden.

[0028] In einer bevorzugten Ausführungsform wird die aus Schritt (b) erhaltene Mischung entweder direkt aufgemahlen und abgesiebt (Schritt (c)) oder optional aus Gründen der besseren Verarbeitbarkeit erst vorgepresst, dann aufgemahlen und abgesiebt. Der Aufmahlvorgang kann in jeder geeigneten Mühle erfolgen; einsetzbar sind z.B. Hammermühlen, Schlagkreuzmühlen, Schlagscheibenmühlen, Stiftmühlen, Zahnscheibenmühlen, Walzenmühlen und Luftstrahlmühlen. Die aufgemahlene Mischung wird vorzugsweise bei 0,4 mm bis 0,8 mm, bevorzugter bei 0,5 mm abgesiebt, so dass ein Granulat erhalten wird. Das Aufmahlen und Absieben in Schritt (c) dient der Erzeugung einer optimalen Korngröße, ist aber für die Durchführung der vorliegenden Erfindung nicht unbedingt erforderlich. Bei der Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens mit einem Vorpressschritt vor Schritt (c) erfolgt dieser Vorpressschritt vorzugsweise auf einer Plattenpresse, vorzugsweise bei Drücken von 500 bis 1.500 bar.

[0029] Enthält die Mischung aus Schritt (b) noch kein Metallpulver und soll eine metallhaltige Kohlebürste hergestellt werden, so wird das Metallpulver vor Schritt (d), dem anschließenden Pressen, zugesetzt. Metallpulver werden üblicherweise zur Reduzierung von Werkstoffwiderstand und Übergangswiderstand zwischen Kohlebürste und Kommutator bei Rezepturen für Kohlebürsten zugefügt, die in Bereichen kleiner Spannungen, wie etwa in Bordnetzen von Automobilen oder Flurfördergeräten sowie Elektrogeräten und -werkzeugen im Akkubetrieb, arbeiten. Als Metallpulver können z.B. Pulver aus Kupfer, Kupferlegierungen, Silber oder Eisen eingesetzt werden, wobei Kupferpulver bevorzugt ist. Es können auch verschiedene Metallpulver in Mischung verwendet werden. Der Mengenanteil des Metallpulvers in der Mischung richtet sich nach der späteren Anwendung der daraus hergestellten Kohlebürste. Bevorzugte Mengenbereiche von Metallpulver in der Mischung bei folgenden Anwendungen der fertigen Kohlebürsten sind: Automobil-Bordnetz 12 V: 30 bis 60 Gew.-%, Automobil-Bordnetz 24 V: 15 bis 35 Gew.-%, Automobil-Bordnetz 42 V: 5 bis 25 Gew.-%, Festnetze 110 V/230 V: max. 15 Gew.-%.

[0030] Der Mischung aus Schritt (b) oder (c), falls durchgeführt, können vor dem endgültigen Pressen in Schritt (d), gegebenenfalls neben Metallpulver wie oben bereits erläutert, ein oder mehrere Hilfsstoffe zugesetzt werden. Alternativ können die Hilfsstoffe auch zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren, etwa während der Herstellung der pulverförmigen Zusammensetzung in Schritt (a) zugesetzt werden. Falls mehrere Hilfsstoffe zugesetzt werden, ist auch die getrennte Zugabe der einzelnen Hilfsstoffe zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Verfahren möglich.

[0031] Beispiele für Hilfsstoffe, die in dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Herstellung von Kohlebürsten eingesetzt werden können, sind Festschmiermittel, wie etwa MoS2 und WS2, und Putzmittel, wie etwa Silicate, Oxide und Carbide, insbesondere Siliciumcarbid.

[0032] Wird der pulverförmigen Zusammensetzung aus Schritt (b) oder (c), falls durchgeführt, vor dem endgültigen Pressen in Schritt (d) mindestens eine weitere Komponente zugesetzt (d.h. Metallpulver und/oder Hilfsstoff(e)), so werden alle Bestandteile vorzugsweise in einer geeigneten Mischvorrichtung vor Verpressen homogenisiert. Hierbei können gleichartige Mischvorrichtungen wie in Schritt (a) Anwendung finden.

[0033] Das Pressen in Schritt (d) erfolgt in einem geeigneten aus Matrize und Stempeln bestehenden Presswerkzeug, so dass der resultierende Körper die Form der gewünschten Kohlebürste aufweist Die Übertragung der Presskraft auf Stempel und/oder Matrize erfolgt über mechanische (z.B. Exzenter-) oder hydraulische Pressen. Die verwendeten Presswerkzeuge können dabei eine oder mehrere Kavitäten aufweisen (Einfach- bzw. Mehrfachgesenke). Metallfreie Kohlebürsten werden vorzugsweise bei Drücken von 1000 bar bis 2000 bar gepresst. Metallhaltige Kohlebürsten werden vorzugsweise bei Drücken von 2500 bar bis 4000 bar gepresst, wobei bei metallhaltigen Kohlebürsten häufig gleichzeitig eine Metalllitze (z.B. Kupferlitze) mit eingepresst wird.

[0034] Die so erhaltenen gepressten Kohlebürsten werden in Schritt (e) bei einer Temperatur oberhalb des Schmelzpunkts des thermoplastischen Bindemittels, aber unterhalb dessen Zersetzungstemperatur thermisch behandelt. Diese Behandlung führt zu einer noch gleichmäßigeren Verteilung des Bindemittels in Form dünner Polymerfilme zwischen den Kohlenstoff- und gegebenenfalls Metallkörnern, wodurch insbesondere die Festigkeitseigenschaften der Kohlebürsten verbessert werden. Bei metallhaltigen Kohlebürsten findet außerdem eine Versinterung der Metallkörner statt, was zu weiterer Erhöhung der Festigkeit, aber insbesondere zur Verringerung des spezifischen elektrischen Widerstands führt. Die thermische Behandlung geschieht vorzugsweise in kontinuierlich oder diskontinuierlich arbeitenden industriellen Öfen, z.B. Band- oder Retortenöfen. In bevorzugten Ausführungsformen erfolgt die thermische Behandlung in einer reduzierenden Atmosphäre, etwa in einem Gemisch aus Stickstoff und Wasserstoff.

[0035] Bei Bedarf können die thermisch behandelten Kohlebürsten mechanisch nachbearbeitet werden. Die Nachbearbeitung dient zur Einhaltung der geforderten Maßtoleranzen bzw. zur Förderung des Einlaufverhaltens und erfolgt vorzugsweise durch Schleifen, insbesondere in Pressrichtung bzw. an der Lauffläche.

[0036] Neben den Vorteilen des erfindungsgemäßen Verfahrens bzw. der erfindungsgemäßen Kohlebürsten, wie den Verzicht auf Peche und Lösungsmittel bei der Herstellung, gute Reproduzierbarkeit der Werkstoffeigenschaften, sowie hohe Dimensions- und Alterungsbeständigkeit des Widerstands auch unter den Bedingungen hoher Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit, zeichnen sich die erfindungsgemäßen Kohlebürsten insbesondere durch vergleichsweise geringe Härte, aber hohe Biegebruchfestigkeit und damit gute Dämpfungs- und Gleiteigenschaften aus, die im Einsatz erhöhte Standzeiten, höhere Drehzahlen, bessere Drehzahlstabilität und geräuscharmen Lauf bedingen.

[0037] Die erfindungsgemäßen Kohlebürsten finden aufgrund der genannten Vorteile breite Verwendung, etwa in der Automobilindustrie in Bordnetzen von 12 V bis 42 V (z.B. 12 V, 24 V und 42 V), für Elektrowerkzeuge im Akkubetrieb oder bei Netzspannungen (110 V/ 230 V), für Haushaltsmaschinen und Industriemotoren.

[0038] Die Erfindung wird nun anhand von Beispielen detaillierter veranschaulicht.

Eingesetzte Rohstoffe:



[0039] 
Graphit:
Naturgraphit FP 99,5 von Fa. Graphit Kropfmühl AG, Hauzenberg, Deutschland
Siebanalyse (Gew.-%): 97% < 90 µm, 89% < 63 µm, 74% < 40 µm; Aschegehalt < 0,5%
Polyamid:
Polyamidpulver Rilsan D30 von Atofina
Polyamid 11
Siebanalyse (Gew.-%): 95% < 35 µm, 50% < 25 µm, 5% < 15 µm; Schmelzpunkt 186°C
Cu-Pulver:
dendritisches Kupferpulver (d50 (Volumenverteilung) = 30 µm; Schüttgewicht < 1 g/cm3
Molybdändisulfid (Körnung < 20 µm)
Siliciumcarbid (Körnung < 15 µm)

Schritt 1: Herstellung der Graphit-Bindemittel-Grundmischungen (Granulate)



[0040] 

Beispiel A (zur Herstellung von Kohlebürsten für den Einsatz bei Temperaturen bis über 100°C und hoher Luftfeuchtigkeit):
94 Gew.-% Graphit und 6 Gew.-% Polyamid

Beispiel B (zur Herstellung von Kohlebürsten für den Einsatz bei Forderung nach geringen Laufgeräuschen):
97 Gew.-% Graphit und 3 Gew.-% Polyamid



[0041] Graphit und Polyamid werden gemäß Beispiel A oder B in einem Lödige-Mischer (Pflugscharmischer) trocken homogenisiert. Dieses homogenisierte Pulver wird kontinuierlich einem beheizbaren Doppelschneckenextruder zugeführt und mit 170 Umdrehungen pro Minute verarbeitet. Einstellung der Temperaturzonen in Förderrichtung: 170°C bis 220°C. Als Ergebnis des Misch- und Knetprozesses entsteht eine Mischung, die aus mit Polyamid beschichteten Graphitkörnern besteht und durch Verklebung untereinander eine grob- bis feinkrümelige Konsistenz (Korngröße: 40 µm bis 2 mm) erhalten hat.

[0042] Diese Mischung wird bei 1500 bar in Platten verpresst, auf einer Hammermühle aufgemahlen und bei 0,5 mm abgesiebt, so dass ein Granulat mit einer typischen Kornverteilung wie folgt entsteht: 10% > 400 µm, 60% > 125 µm, 90% > 63 µm

Schritt 2: Herstellung eines metallhaltigen Pulvers zum Pressen von Kohlebürsten



[0043] 46,0% in Schritt 1 hergestelltes Granulat nach Beispiel A oder B
50,0% Kupferpulver
1,5% Molybdändisulfid
0,3% Siliciumcarbid als Putzmittel

[0044] Die obigen Bestandteile werden in einen Lödige-Mischer (Pflugscharmischer) eingefüllt und 10-15 min homogenisiert.

Schritt 3: Herstellung der Kohlebürsten



[0045] Die in Schritt 2 hergestellten Pulver werden auf einer Tischpresse in Mehrfachgesenken mit Drücken von ca. 3500 bar bei gleichzeitigem Einpressen einer Kupferlitze verpresst. Die gepressten Kohlebürsten werden in einem Bandofen einer thermischen Behandlung bei Temperaturen von 330°C bei reduzierender Atmosphäre unter einem Stickstoff-Wasserstoff-Gemisch unterzogen.

TESTERGEBNISSE


Beispiel A: Kohlebürsten für den Einsatz bei Temperaturen bis über 100°C und hoher Luftfeuchtigkeit



[0046] Es wurden 4 erfindungsgemäß nach Schritt 1 bis 3, Beispiel A hergestellte Kohlebürsten (KB A1 - KB A4) und 4 Kohlebürsten des Standes der Technik (Kohlebüsten A 553 der Fa. Schunk Kohlenstoff-Technik GmbH, Phenolharz-Binder, verkokt) (KB V1 - KB V4) im Dauerlauf auf einem Motorlüfter nach VW-Norm (400 h bei 95°C und 50% relativer Luftfeuchte und 600 h bei 50°C und 95% relativer Luftfeuchte) getestet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.
Tabelle 1
  Beispiel A Vergleichsbeispiel
  KB A1 KB A2 KB A3 KB A4 KB V1 KB V2 KB V3 KB V4
Kohlebürstenverschleiß (µm/h) 2,11 2,13 2,41 1,94 5,84 6,52 8,29 9,23
Maßänderung in Pressrichtung (%) 0,59 0,58 0,62 0,52 2,65 2,55 2,55 2,34
Widerstandsalterung (%) 26 13 7 41 52 113 74 66
Kommutatorverschleiß (µm/h) 0,35 0,9
Drehzahlbereich (1/min) 2.900 - 3.200 2.800 - 3.000
Maximale Stromdichte (A/cm2) 30 15


[0047] Es ist aus den Ergebnissen in Tabelle 1 ersichtlich, dass die erfindungsgemäßen Kohlenbürsten eine geringeren Verschleiß, eine bessere Dimensionsstabilität und eine bessere Widerstandskonstanz als die des Standes der Technik zeigen.

Beispiel B: Kohlebürsten für den Einsatz bei Forderung nach geringen Laufgeräuschen



[0048] Es wurden jeweils zwei erfindungsgemäß nach Schritt 1 bis 3, Beispiel B hergestellte Kohlebürsten und Kohlebürsten des Standes der Technik (Kohlebürste A 473 der Fa. Schunk Kohlenstoff-Technik GmbH, Phenolharz-Binder, verkokt) in einen Klimalüftermotor eingebaut. Die Luftschallmessungen erfolgten mit einem "Pulse Analyser" von Fa. Brüel & Kjaer in einer Geräuschmesskabine, wobei das Mikrophon in 10 cm Abstand von der Bürstenhalteröffnung des Motorgehäuses angeordnet war. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt
Tabelle 2
  Beispiel B Vergleichsbeispiel
Luftschall (0 bis 20kHz) (dB(A)) 45,2 49,6


[0049] Es ist aus den Ergebnissen in Tabelle 2 ersichtlich, dass die erfindungsgemäße Kohlenbürste geringere Laufgeräusche zeigt als die des Standes der Technik.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von Kohlebürsten, umfassend die Schritte

(a) Herstellung einer pulverförmigen Zusammensetzung, die ein Kohlenstoffpulver und ein pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel enthält,

(b) Verarbeitung der pulverförmigen Zusammensetzung aus (a) bei einer Temperatur oberhalb der Schmelztemperatur des thermoplastischen Bindemittels, um eine Mischung zu erhalten, die das Kohlenstoffpulver und das aufgeschmolzene thermoplastische Bindemittel enthält,

(c) gegebenenfalls Aufmahlen und Absieben der Mischung aus Schritt (b),

(d) Pressen der Mischung aus Schritt (b) oder Schritt (c), falls durchgeführt, in eine gewünschte Form und

(e) Thermische Behandlung bei einer Temperatur oberhalb des Schmelzpunkts des thermoplastischen Bindemittels, aber unterhalb dessen Zersetzungstemperatur.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Kohlenstoffpulver Graphit ist.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das pulverförmige thermoplastische Bindemittel eine mittlere Korngröße von 5 µm bis 70 µm (D50-Median der Volumenverteilung) aufweist.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Zusammensetzung in Schritt (a) 80 bis 98 Gew.-% Graphit und 2 bis 20 Gew.-% pulverförmiges thermoplastisches Bindemittel enthält.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Mischung aus Schritt (b) vor Schritt (c) vorgepresst wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Mischung in Schritt (a) oder der Mischung aus Schritt (c) vor Pressen in Schritt (d) ein Metallpulver, das ein oder mehrere Metalle enthält, zugesetzt wird.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Verarbeitung der Zusammensetzung in Schritt (b) bei einer Temperatur erfolgt, die mindestens 10 K über dem Schmelzpunkt des thermoplastischen Bindemittels liegt.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Verarbeitung der Zusammensetzung in Schritt (b) in einem Extruder erfolgt.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet,
dass das thermoplastische Bindemittel ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Polyamiden, Polyimiden, Polyetherketonen, Polyetheretherketonen, Polysulfonen, insbesondere Polyphenylensulfonen, Polyethylenterephthalaten und Copolymeren und Mischungen dieser Polymere.
 
10. Verfahren nach Anspruch 9,
dadurch gekennzeichnet,
dass das thermoplastische Bindemittel ein Polyamid ist.
 
11. Kohlebürste,
dadurch gekennzeichnet,
dass sie nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 10 erhältlich ist.
 





Recherchenbericht










Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente