[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur exakten Ermittlung von Fahrzeiten von Schienenfahrzeugen.
[0002] Die Ermittlung der Fahrzeit ist Grundlage des Fahrplans des Schienenverkehrs. Hierbei
ist eine Genauigkeit erforderlich, bei der eine manuelle Berechnung wegen des erforderlichen
Arbeitsaufwandes praktisch nicht mehr möglich ist. Daher wurden eine Reihe von grafischen
Verfahren entwickelt, mit denen eine Fahrschaulinie konstruiert und anschließend zur
Fahrzeitermittlung auch grafisch integriert werden konnte. Zur Unterstützung der grafischen
Fahrzeitermittlung wurden verschiedene Geräte benutzt, sog. grafische Integratoren.
Das bekannteste ist das sogenannte Conzen-Ott-Gerät, ein mechanischer Analogrechner,
das bis zum Aufkommen der EDV benutzt wurde.
[0003] Aufgrund steigenden Verkehrsaufkommens und zur Optimierung von Verfahrensabläufen
werden heute Fahrzeitrechnungen nur noch mit Hilfe von EDV-Verfahren durchgeführt.
[0004] Die Ergebnisse der Fahrzeitenrechnungen werden in Fahrzeitentafeln zusammengestellt.
Dabei werden für jeden möglichen Verkehrshalt die Anfahr- und Bremszuschlagzeiten
extra ausgewiesen. Diese Zuschlagzeiten sind die Differenzen aus der Fahrzeit eines
durchfahrenden Zuges und der Fahrzeit eines haltenden Zuges (ohne Haltezeit). Dadurch
kann sich der Fahrplanbearbeiter aus diesen Angaben einen Fahrtverlauf mit einer beliebigen
Haltfolge zusammenstellen.
[0005] Verfahren des Standes der Technik zur Berechnung von Fahrzeiten von Schienenfahrzeugen
mit Hilfe von EDV-Verfahren sind sogenannte Δ-t-, Δ-s- oder Δ-v-Verfahren, die in
folgenden Artikeln beschrieben werden:
[0006] Bei einem Δ-t-Verfahren wird die Zeitachse in Intervalle der festen Länge Δt aufgeteilt.
Innerhalb eines solchen Intervalls wird von einer konstanten Beschleunigung ausgegangen.
Dabei werden die beiden folgenden Varianten unterschieden:
- Die sich ergebenden Differentialgleichungen werden in Differenzengleichungen umgewandelt.
- Innerhalb eines Δ-t-Intervalls wird der Verlauf der Fahrt durch eine Näherungsfunktion
bestimmt, die sich aus der konstanten Beschleunigung ergibt.
[0007] Eine Variante des ersten Verfahrens ist das Runge-Kutta-Verfahren, in dem zusätzlich
der Mittelpunkt eines jeden Intervalls betrachtet wird und verschiedene Vorschläge
zur Fortsetzung der Funktion gemittelt werden.
[0008] Δ-s- oder Δ-v-Verfahren sind entsprechend definiert, d.h. die Wege- bzw. Geschwindigkeitsachse
werden in Intervalle konstanter Länge aufgeteilt.
[0009] Aus
Dietrich Wende: "Fahrdynamik des Schienenverkehrs", Teubner-Verlag, Seite 51-53, ist weiterhin als Stand der Technik bekannt, dass der Abrollvorgang analytisch ausgeführt
werden kann, es werden jedoch ausschließlich die obigen Schrittverfahren behandelt.
Die eigentliche algorithmische Konsequenz, durch analytisches Vorgehen die Rechenzeit
erheblich zu reduzieren, ist nicht gezogen worden.
[0011] Es ist somit Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren bereitzustellen, mit dem Fahrzeiten
von Zügen exakt, d.h. ohne Vereinfachungen von Parametern und Verfahrensabläufen,
und schneller, d.h. ohne großen Zeitaufwand, ermittelt werden.
[0012] Diese Aufgabe wird in Verbindung mit dem Oberbegriff des Anspruches 1 erfindungsgemäß
durch die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale gelöst.
[0013] Ansprüche 2 bis 6 beinhalten vorteilhafte Ausführungsbeispiele der erfindungsgemäßen
Lösung aus Anspruch 1.
[0014] Besonderer Vorteil der neuen Fahrzeitrechnung ist, dass es durch die analytische
Auswertung der Differentialgleichungen nicht mehr notwendig ist, die Zeit-, Wege-
oder Geschwindigkeitsachse in Intervalle fester Länge zu unterteilen und für jedes
Intervall einen Rechenschritt aufzuwenden. Wo es nicht möglich ist, einen Parameter
analytisch zu bestimmen, wird das Newton-Verfahren angewendet. Letzteres konvergiert
unabhängig von der Achsenlänge stets in wenigen Schritten. Beide Umstände ermöglichen
es, die Laufzeit der Fahrzeitrechnung erheblich zu verkürzen, wobei die Rechengeschwindigkeit
wird etwa um den Faktor 70 erhöht wird. Weiterhin werden die bei den iterativen Verfahren
auftretenden Rundungsfehler eliminiert.
[0015] Die Erfindung beschreibt einen grundsätzlich neuen Weg bei der Ermittlung und Berechnung
der Fahrzeiten für Züge. Ein Teil dieser Berechnung ― nämlich die Beschleunigungsphase
― basiert auf der Lösung einer Differentialgleichung, die in allen bisherigen Verfahren
numerisch approximiert wird. Erfindungsgemäß wird gezeigt, dass diese Differentialgleichung
aber auch exakt dargestellt, d.h. mittels einer geschlossenen Formel ausgedrückt werden
kann. Dadurch erhöht sich die Genauigkeit der ermittelten Fahrzeiten; vor allem aber
kann die Berechnung wesentlich schneller erfolgen, da anstatt iterativer Approximationen
(Runge-Kutta u.ä.) nur noch relativ einfache Formeln ausgewertet werden müssen. Für
eine vollständige Fahrzeitrechnung reicht die Verarbeitung der rein physikalischen
Bewegungsgleichungen jedoch nicht aus. Vielmehr sind zahlreiche Vorschriften und Rahmenbedingungen
zu beachten. Auszugsweise seien an dieser Stelle genannt:
- Die Bremsphase eines Zuges wird maßgeblich von der verwendeten Leit- und Sicherungstechnik
(Linienzugbeeinflussung (LZB) oder konventionelle Fahrweise) bestimmt und hängt zusätzlich
von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, der Zugart und weiteren Parametern ab.
- Für die Höchstgeschwindigkeit eines Zuges gelten unterschiedliche Grenzen bei den
Loks, dem Wagenmaterial sowie der Strecke, wobei die maximal zulässige Streckengeschwindigkeit
sich ständig (z.B. bei Tunneln) ändern kann und deshalb abschnittsweise festgelegt
wird. Ferner muss ein Zug bei einer nachfolgenden niedrigeren Höchstgeschwindigkeit
noch rechtzeitig bremsen können. Eine Geschwindigkeitserhöhung wird dagegen im Allgemeinen
erst dann wirksam, wenn der Zug vollständig den vorherigen Bereich verlassen hat.
Weiter können z.B. auch die sogenannten maßgebenden Neigungen Einfluss auf die Höchstgeschwindigkeit
haben.
- Die Formeln für die Beschleunigung eines Zuges benötigen genaue Angaben über die Masse
des Zuges, die Beschleunigungskräfte der Loks, Trägheitswiderstände, usw. Für diverse
Parameter wird dabei detailliert zwischen Güter- und Personenzügen, zwischen Triebwagen
und lokbespannten Zügen usw. unterschieden. Ferner sind Angaben über die aktuellen
Neigung (also Steigung oder Gefälle) der Strecke erforderlich (auch diese ändern sich
ständig).
- Zum Abbauen von Verspätungen werden auf die eigentlichen Fahrzeiten Zuschläge erhoben.
Auch für diese gelten je nach Zugart, Streckenhöchstgeschwindigkeit usw. unterschiedliche
Werte.
1 Physikalische Grundlagen einer Zugfahrt
[0016] Zunächst werden kurz die Bewegungsgleichungen erläutert, die bei der Fahrt eines
Zuges eine wesentliche Rolle spielen. Einige Einflüsse wie z.B. Bogenwiderstände werden
hier nicht betrachtet; auch werden für bestimmte Kenngrößen wie z.B. die Bremsverzögerung
nur pauschale Werte angenommen. Alle für die Fahrzeitrechnung benötigten Parameter
und Formeln für die unterschiedlichen Züge werden jedoch später noch konkretisiert.
[0017] Für die Fahrzeitrechnung wird zunächst vereinfachend angenommen, dass der Zug nur
aus einem "Massepunkt" besteht, der die gesamte Zugmasse in sich vereinigt; der Zug
hat demnach die Länge Null. Grundsätzlich befindet er sich während einer Fahrt stets
in einer von drei Phasen: entweder er beschleunigt, behält seine momentane Geschwindigkeit
bei (Beharrungsfahrt), oder er bremst. Es wird von einer straffen Fahrweise ausgegangen,
d.h. der Zug
- beschleunigt so früh wie möglich,
- fährt so lange es geht mit der maximal zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
- und bremst so spät wie möglich.
[0018] Hierdurch wird insgesamt eine möglichst hohe Durchschnittsgeschwindigkeit erzielt.
Es ist jedoch zu beachten, dass der Zug z.B. bei zu großen Steigungen trotz maximaler
Beschleunigung auch langsamer werden kann. Dies wird jedoch dennoch als Beschleunigungsphase
bezeichnet, d.h. es wird festgelegt:
[0019] Beschleunigungsphase := Der Zug fährt unter Einsatz seiner maximalen Zugkraft.
[0020] Die einzelnen Phasen werden nun etwas genauer untersucht. Die Beharrungsfahrt ist
dadurch gekennzeichnet, dass die Zugkräfte gerade genau die Reibungs- und Streckenwiderstände
kompensieren, d.h. der Zug verkehrt mit konstanter Geschwindigkeit und legt dann in
t Sekunden bei einer Geschwindigkeit von v Metern pro Sekunde eine Strecke von s =
v · t Metern zurück. Sind je zwei Größen gegeben, so kann daraus die dritte berechnet
werden.
[0021] Auch beim Bremsen von einer Geschwindigkeit v auf eine Zielgeschwindigkeit w (w ≤
v) sind die Zusammenhänge einfach. Es wird hierbei davon ausgegangen, dass der Zugführer
das maximale Bremsvermögen des Zuges nicht ausnutzt, sondern stattdessen aus Komfortgründen
eine konstante Bremsverzögerung vzg anstrebt, die z.B. bei Nahverkehrszügen mit dem
Wert vzg = 0.7 m/s
2 veranschlagt wird. Somit werden t = (v - w)/vzg Sekunden für den Bremsvorgang benötigt,
und die dabei zurückgelegte Strecke s beträgt

[0022] Meter. Somit lässt sich der Bremseinsatzpunkt einfach bestimmen, und umgekehrt kann
wegen

festgelegt werden, dass s Meter vor dem Erreichen z.B. einer Langsamfahrstelle, wo
nur w m/s erlaubt sind, höchstens √(2s - vzg + w
2) m/s gefahren werden dürfen, damit der Zug noch rechtzeitig bremsen kann. Weiter
oben wurde dieser Aspekt bereits angerissen.
[0023] Die Beschleunigung eines Zuges ist komplizierter und hängt von seiner aktuellen Geschwindigkeit
ab. Zunächst einmal wird die Zugkraft der Lokomotive bzw. des Triebwagens (gemessen
in Kilonewton oder kurz kN) stückweise durch Zugkraftparabeln der Form F = k
0 + k
1 · V + k
2 · V
2 beschrieben, wobei V die Geschwindigkeit in km/h angibt und die Koeffzienten k
0, k
1 und k
2 aus einer Tabelle entnommen werden, die vom Loktyp und dem aktuellen Geschwindigkeitsbereich
abhängt.
[0024] Der Zugkraft wirken Laufwiderstände des Zuges (z.B. durch Reibungsverluste, Luftwiderstände
usw.) entgegen. Diese werden ganz ähnlich wie die Zugkräfte durch eine Gleichung der
Form

beschrieben (das Ergebnis ist in der Einheit Newton), wobei g = 9,81 m/s
2 die Erdbeschleunigung und m die Masse des Zuges in Tonnen bezeichnen. Die Konstanten
f
1, f
2 sowie f
3 sind ebenfalls wieder vom konkreten Zug abhängig. Wichtig ist auch der Streckenwiderstand,
der sich hemmend (Steigung) bzw. begünstigend (Gefälle) auf die Zugkraft auswirkt.
[0025] Bezeichnet F die verbleibende Zugkraft nach Abzug der Lauf- und Streckenwiderstände,
so kann nun prinzipiell mittels der grundlegenden Formel

die Beschleunigung acc berechnet werden (wegen der Angabe der Masse in Tonnen ist
der Faktor 1000 notwendig). Die Zugkraft F wird allerdings nicht nur für die Beschleunigung
der Zugmasse, sondern auch für die Rotation der bewegten inneren Bauteile (Getriebe
usw.) benötigt. Dieser Verlust wird durch einen sogenannten Massezuschlag berücksichtigt,
der pauschal als prozentualer Wert p für jeden Zugtyp vorgegeben ist.
[0026] Die obigen Formeln werden nun zusammengefasst, wobei der Faktor 1 m/s = 3,6 km/h
berücksichtigt werden muss, was bei den quadratisch von der Geschwindigkeit abhängigen
Termen einen Umrechnungsfaktor von 3,6
2 = 12,96 ausmacht. Ferner stellt die Beschleunigung gerade die mathematische Ableitung
der Geschwindigkeit dar. Es ergibt sich damit die folgende Bewegungsgleichung für
die Beschleunigung eines Zuges, der zum Zeitpunkt t mit der Geschwindigkeit v(t) m/s
unterwegs ist:

[0027] Die Konstanten a, b und c ergeben sich dabei gemäß den obigen Ausführungen wie folgt:

[0028] Die Parameter a, b und c ergeben sich aus den Infrastrukturdaten und den Zugdaten.
Dabei ändern sich jedoch nur die Werte der Parameter a, b und c, an der Bewegungsgleichung

selbst ändert sich nichts. Wenn es nun gelingt, eine geschlossene Formel für v(t)
zu finden, so kann man die Beschleunigung des Zuges stückweise (d.h. für die einzelnen
Phasen, bei denen die Werte a, b und c gleich bleiben) direkt ausrechnen. Diese Problematik
wird im folgenden behandelt.
2 Lösung der Differentialgleichung
2.1 Vorüberleaunqen zu den benötigten Formeln
[0029] Liegt zusätzlich zu der oben besprochenen Bewegungsbedingung

zum Zeitpunkt t = 0 eine bestimmte Einbruchsgeschwindigkeit v
0 vor (also v(0) = v
0) so ist die Formel für v(t) eindeutig bestimmt. Im folgenden wird diese Formel hergeleitet,
so dass für jeden beliebigen Zeitpunkt die Geschwindigkeit des Zuges und daraus die
zugehörige Beschleunigung ausgerechnet werden kann. Die Bewegung des Zuges ist damit
korrekt erfasst, bis sich mindestens eine der Konstanten a, b oder c ändert. Dies
geschieht in den folgenden Fällen:
- Der Zug erreicht eine bestimmte Geschwindigkeit, bei deren Überschreitung sich die
Zugkraftparabeln ändern. Demzufolge wird eine Formel für t(v) gesucht, die bei vorgegebener
Geschwindigkeit v angibt, wann diese erreicht wird. Man beachte nochmals, dass der
Zug trotz maximaler Zugkraft auch langsamer werden kann (z.B. wenn er sich auf einem
zu steilen Streckenabschnitt befindet). Deshalb muss auch überprüft werden, ob der
aktuell gültige Geschwindigkeitsbereich nach unten hin durchbrochen wird.
- Die Streckenneigung ändert sich ab einer bestimmten Position. Um diesen Fall bearbeiten
zu können, muss bekannt sein, wann der Zug den aktuellen Streckenabschnitt durchfahren
hat und in den nächsten mit den veränderten Bedingungen eintritt. Deshalb wird zusätzlich
eine Formel t(s) benötigt, die für eine gegebene Streckenlänge s die benötigte Durchfahrtszeit
ermittelt. Desweiteren ist auch die Umkehrfunktion s(t) (d.h. welche Streckenlänge
legt der Zug in einer bestimmten Zeit zurück) von Interesse.
- Der Zug erreicht die zulässige Höchstgeschwindigkeit vmax. Mit den bisherigen Formeln
kann man diesen Fall leicht behandeln. Man bestimmt zunächst mittels t(vmax) den Zeitpunkt,
bei dem die Höchstgeschwindigkeit erreicht wird (es kommt dabei nicht darauf an, ob
diese durch den Zug oder durch die Strecke bedingt ist), und berechnet anschließend
mittels der Formel s(t) die bis dahin zurückgelegte Strecke. Anschließend wird mit
konstanter Geschwindigkeit weitergefahren.
- Der Zug muss rechtzeitig bremsen, um eine niedrigere Höchstgeschwindigkeit im herannahenden
nächsten Streckenabschnitt einzuhalten. Sollte der Zug in Beharrungsfahrt unterwegs
sein, so ist auch dieser Fall kein Problem, weil mittels der oben im Abschnitt "Physikalische
Grundlagen einer Zugfahrt" hergeleiteten Formel der benötigte Bremsweg und daraus
alle resultierenden Größen berechnet werden können. Schwieriger wird es, wenn der
Zug bei laufender Beschleunigung direkt in den Bremsvorgang übergehen muss. Wie später
gezeigt wird, erfordert die Ermittlung der Position dieses Übergangs ein Nullstellenverfahren,
übrigens ebenso wie die Formel für t(s). Diese Verfahren konvergieren allerdings sehr
schnell, insbesondere werden nur zwei bis drei Iterationen benötigt.
[0030] Man bestimmt nun, welcher der Fälle zuerst eintritt, berechnet mittels der nachfolgend
bereitgestellten Formeln alle entsprechenden Größen und verarbeitet dann den nächsten
Abschnitt, bis schließlich die gesamte gewünschte Strecke durchlaufen ist. Für jeden
Abschnitt müssen so nur einige wenige Formeln ausgewertet werden, was dieses Verfahren
sehr effzient macht.
2.2 Ansatz zur Lösung der Differentialgleichung
[0031] Bei der im vorherigen Abschnitt besprochenen Bewegungsbedingung

handelt es sich um eine sog. separable gewöhnliche Differentialgleichung. Sie ist
zusammen mit der Anfangswertbedingung v(0) = v
0 eindeutig lösbar.
[0032] Es wird nun der allgemeine Fall gelöst. Es wird zunächst v
0(t) durch die Notation dv/dt ersetzt, so dass sich ergibt:

bzw.

[0033] Durch das Integrieren beider Seiten ergibt sich

bzw.

wobei C eine Konstante ist, die von der Einbruchsgeschwindigkeit v
0 := v(0) abhängt und später genauer bestimmt wird.
[0034] Wegen

hängt die weitere Vorgehensweise davon ab, ob die Diskriminate b
2 - 4ac größer, gleich, oder kleiner als Null ist.
2.3 Fall 1: b2 > 4ac
[0035] In diesem Fall wird D := √(b
2 - 4ac) gesetzt.
[0036] Wird nun zunächst 2av + b + D < 0 oder 2av + b - D > 0 angenommen, dann ergibt sich:

[0037] Löst man t(v) nach v auf, so ergibt sich die gesuchte Bewegungsgleichung

[0038] Wird vom anderen Fall 2av+b-D < 0 < 2av+b+D ausgegangen, so ergibt sich mit analogen
Überlegungen die folgenden Formeln (wieder mit k > 0):

[0039] Da sich bei diesen Formeln für negative k die Formeln aus dem ersten Falle ergeben,
kann man sich auf den zweiten Formelsatz beschränken und gleichzeitig die Einschränkung
für k aufheben. Nun wird noch eine Formel entwickelt, die die verstrichene Zeit t
in ein Verhältnis zur zwischenzeitlich zurückgelegten Strecke s setzt. Es gilt:

2.4 Fall 2: b2 = 4ac
[0040] Dieser Fall ist nur theoretischer Natur, da wegen der üblicherweise "krummen" Werte
für a, b und c stets b
2 ≠ 4ac gilt. Wegen

ist er aber auch einfach zu lösen und wird der Vollständigkeit halber hier ebenfalls
behandelt. Wird k := -C gesetzt ergibt sich durch Auflösen von

nach v die Formel

[0041] Asymptotisch nähert sich der Zug damit der Grenzgeschwindigkeit

[0042] Schließlich wird wie oben eine Formel für s(t) ermittelt. Es ergibt sich:

2.5 Fall 3: b2 < 4ac
[0043] In diesem Fall wird D := √(4ac - b
2) /2 gesetzt und das vor der Fallunterscheidung genannte Integral wie folgt aufgelöst:

[0044] Also ergibt sich

mit einer noch zu bestimmenden Konstante C, die wieder durch k := -C ersetzt wird.
Das Auflösen nach v ergibt
[0045] Schließlich wird noch die Formel für die zurückgelegte Strecke s in Abhängigkeit
von der Zeit t angegeben:

3 Behandlunq der nicht direkt auflösbaren Formeln
[0046] Bei den Gleichungen des letzten Abschnitts wurden in allen drei Fällen zwei noch
zu lösende Probleme ausgeklammert:
- Es wird eine Formel t(s) benötigt, die für eine gegebene Streckenlänge s die dafür
benötigte Zeit t bei gegebener Anfangsgeschwindigkeit v0 = v(0) und angenommener laufender Beschleunigung bestimmt.
- Wir müssen evtl. den Zeitpunkt t ermittelt, ab dem der Zug bei vorheriger Beschleunigung
anfangen muss zu bremsen, so dass er die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit auf
dem nachfolgenden Streckenabschnitt einhält.
[0047] Beide Fälle lassen sich auf das Problem zurückführen, für eine explizit beschriebene
differenzierbare Funktion eine Nullstelle zu bestimmen. Dies ist in genügend guter
Annäherung mit dem Newton-Verfahren möglich.
4 Berechnung von Traktionsenergien
[0048] Zusätzlich zu den Formeln zur Bestimmung von Fahrzeiten sind jedoch auch die für
die einzelnen Fahrten aufgewendeten Traktionsenergien von einem hohen Interesse, sowohl
aus umweltpolitischen als auch monetären Gründen. Es wird nun gezeigt, dass sich auch
für den Energieverbrauch geschlossene Formeln herleiten lassen.
[0049] Prinzipiell berechnet sich die aufgewendete Energie aus dem Produkt "Kraft (in Newton)
mal Weg (in Metern)". Während einer Beharrungsfahrt entspricht diese Kraft gerade
der Summe aller Laufwiderstände der Triebfahrzeuge und des Wagenmaterial sowie dem
Streckenwiderstand. Dies multipliziert mit der Weglänge ergibt das gewünschte Ergebnis.
[0050] Aufwändiger ist es, die Traktionsenergie für eine Beschleunigungsphase zu bestimmen,
da in diesem Fall die max. Zugkraft eingesetzt wird und diese sich ständig ändert.
Es muss also das Integral

gelöst werden. Da keine Formel für F(s) zur Verfügung steht, wird deshalb ersatzweise
über die Geschwindigkeit v integriert, da zu jeder Streckenlänge s die dann aktuelle
Geschwindigkeit v ermittelt werden kann und umgekehrt:

[0051] Für den Energieverbrauch zwischen dem Beginn der Beschleunigungsphase (mit Einbruchsgeschwindigkeit
v
0 und Eintrittszeit t(v
0) = 0) und seinem Ende (mit Austrittsgeschwindigkeit v und Austrittszeit t(v)) erhält
man:

[0052] Hierbei sind q
0, q
1 q
2 Koeffzienten der Zugkraftparabel, wobei die Geschwindigkeit v in Kilometern pro Stunde
und die Zugkraft in Kilonewton angegeben werden.
5 Erste Zusammenfassung
[0053]
- v(t) gibt die erreichte Geschwindigkeit (in m/s) nach t Sekunden Fahrzeit an. v(t)
kann durch eine geschlossene Formel angegeben werden, vorausgesetzt, dass v(t) sich
im Gültigkeitsbereich einer bestimmten Zugkraftparabel befindet.
- t(v) berechnet die Zeit, die der Zug zum Erreichen der Geschwindigkeit v benötigt.
t(v) kann innerhalb eines Gültigkeitsbereichs einer Zugkraftparabel durch eine geschlossene
Formel angegeben werden.
- s(t) gibt die zurückgelegte Strecke in Metern nach t Sekunden Fahrzeit an. s(t) kann
durch eine geschlossene Formel angegeben werden, vorausgesetzt, dass v(t) sich im
Gültigkeitsbereich einer bestimmten Zugkraftparabel befindet.
- t(s) ermittelt umgekehrt die benötigte Zeit zum Durchfahren eines Streckenabschnitts
von s Metern Länge. Zur Bestimmung von t(s) kommt ein iteratives Nullstellenverfahren
zum Einsatz.
- Schließlich wird noch ein Verfahren bereitgestellt, welches bei gegebener Streckenlänge
s den Zeitpunkt t bestimmt, ab dem ein Bremsvorgang eingeleitet werden muss, so dass
die auf dem nächsten Streckenabschnitt geltende Höchstgeschwindigkeit r eingehalten
wird. Folgt der Bremsvorgang unmittelbar auf den Beschleunigungsvorgang, so kommt
ein iteratives Nullstellenverfahren zum Einsatz. Folgt der Bremsvorgang einem Fahren
mit konstanter Geschwindigkeit, so der Zeitpunkt t durch eine geschlossene Formel
angegeben werden.
- Der Energieverbrauch einer Beschleunigungsphase kann durch eine geschlossene Formel
angegeben werden.
6 Berechnung von Fahrzeiten
[0054] Zunächst wird die zu durchfahrende Folge von Streckenabschnitten einer Vorverarbeitung
unterworfen, wobei zahlreiche Nebenbedingungen berücksichtigt werden. Dies betrifft
vor allen Dingen die Gültigkeit der Höchstgeschwindigkeiten, die aus folgenden Parametern
abgeleitet werden:
- Angabe, ob der Zug konventionell oder unter LZB fährt
- Höchstgeschwindigkeiten des Zuges bei konventioneller und LZB-Fahrt
- Höchstgeschwindigkeit, Länge, Bremsweg und maßgebende Neigung der einzelnen Streckenabschnitte
- Höchstgeschwindigkeit jeder beteiligten Lok
- Allgemeine Höchstgeschwindigkeit des Zuges
- Angabe darüber, ob ein Tunnel durchfahren wird
- Bremshundertstel und Bremsstellung (P, R+Mg, R+Mg, R/P, WB oder G) des Zuges
- Passende Bremstafeln, die aus der Bremsstellung, dem Bremsweg, der maßgebenden Neigung
und den Bremshundertsteln die zugehörige Höchstgeschwindigkeit ermitteln
- LZB-Bremskurven
- Länge des Zuges
[0055] Weiterhin werden die Einflussgrößen auf den Bremsvorgang, wobei zwischen LZB-Fahrt
und konventioneller Fahrt zu unterscheiden ist, die Einflussgrößen auf die Beschleunigung
und die Fahrzeitzuschläge berechnet, bevor die eigentliche Fahrzeitenrechnung ausgeführt
wird. Außerdem können die konstanten Anteile an den Parametern a, b und c der späteren
Differentialgleichungen (Gewicht des Zuges usw.) bereits vorab verarbeitet werden.
[0056] In einem Parameter v wird stets die aktuelle Geschwindigkeit gespeichert und dieser
Wert mit der vorgegebenen Einbruchsgeschwindigkeit v
0 initialisiert. Unter der Annahme, dass ein Streckenabschnitt der Länge P gegeben
ist, und dass r die gültige Höchstgeschwindigkeit auf dem nächsten Abschnitt bezeichnet,
wird die Austrittsgeschwindigkeit (diese ist später in v gespeichert) sowie die benötigte
Fahrzeit t wie folgt berechnet:
- Schritt 1:
- Initialisierung. Die Fahrzeit setzt sich aus der benötigten Durchfahrtszeit für verschiedene
Teilstücke des Streckenabschnitts zusammen, die in t aufsummiert werden. Deshalb wird
anfangs t := 0 gesetzt.
- Schritt 2:
- Berechnung der Parameter a, b und c der Differentialgleichung sowie der aktuellen
Beschleunigung acc := av2 + bv + c. Falls v genau auf der Grenze zwischen zwei Zugkraftbereichen liegt, werden
für beide Bereiche die jeweiligen Parameter sowie die zugehörigen Beschleunigungen
berechnet und eine Wahl zwischen beiden Möglichkeiten getroffen. Ist im höheren Geschwindigkeitsbereich
die Beschleunigung noch positiv, wird dieser ausgewählt. Ist nur die andere Beschleunigung
im unteren Bereich positiv, so wird der Zug nicht langsamer, aber auch nicht schneller,
setzt also seine Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit fort, was acc := 0 bedeutet.
Falls schließlich beide Beschleunigungen negativ sind, so kann der Zug seine aktuelle
Geschwindigkeit nicht halten, und es werden die berechneten Werte bzgl. des niedrigeren
Geschwindigkeitsbereichs benutzt.
- Schritt 3:
- Sicherheitsüberprüfungen. Falls der Zug mit der maximal zulässigen Zug- oder Streckengeschwindigkeit
unterwegs ist, wird acc = 0 gesetzt. Falls v = 0 und acc# 0 gilt, wird die Berechnung
beendet (der Zug steht).
- Schritt 4:
- Test auf Beharrungsfahrt. Falls acc = 0 gilt, wird t := t + P/v gesetzt, sofern die
zulässige Höchstgeschwindigkeit r des nächsten Streckenabschnitts nicht kleiner als
v ist. Ansonsten muss der Bremsvorgang berücksichtigt werden, was durch die Zuweisung

berücksichtigt wird. Anschließend ist die Berechnung beendet.
- Schritt 5:
- Fallunterscheidung. Es wird geprüft, ob b2 größer, gleich, oder kleiner als 4ac ist und bei den nachfolgenden Schritten die
entsprechenden Formeln für v(t), t(v), usw. verwendet.
- Schritt 6:
- Überwachung der Geschwindigkeit. Bezeichnet vmax die maximale Geschwindigkeit (eingeschränkt
u.a. durch den aktuellen Zugkraftbereich), für die die Konstanten a, b und c noch
gültig sind, und gilt acc > 0, wird getestet, ob die Gültigkeit der Formeln durch
das Erreichen der maximalen Geschwindigkeit begrenzt wird. Zu diesem Zweck wird geprüft,
ob die asymptotische Geschwindigkeit des Zuges vmax übersteigt. (Dies ist im dritten
Fall b2 < 4ac nicht erforderlich, da der Zug dann immer unendlich schnell wird und folglich
jede Geschwindigkeitsgrenze überbietet.) Falls dies zutrifft, so erreicht der Zug
die maximale Geschwindigkeit nach t(vmax) Sekunden. Zu diesem Zeitpunkt hat er bereits
s := s(t(vmax)) Meter Strecke zurückgelegt. Falls vmax größer als r ist, so muss der
Zug später noch bremsen, und deshalb wird s um den Bremsweg (v2max - r2)/(2acc) erhöht. Falls nun s ≤ P gilt, so steht fest, dass der Zug innerhalb des gegenwärtigen
Abschnitts auf vmax Meter pro Sekunde beschleunigt. Deshalb wird v := vmax, t := t+t(vmax)
sowie P := P-s(t(vmax)) gesetzt und erneut bei Schritt 2 begonnen. Ansonsten wird
auf die gleiche Art und Weise für die minimale Geschwindigkeit vmin geprüft, ob einerseits
acc < 0 gilt und ferner der Zug von seiner asymptotischen Geschwindigkeit her die
Grenze vmin unterbietet (im dritten Fall kann man diesen Test wieder überspringen).
Gegebenenfalls werden die obigen Tests mit vmin an Stelle von vmax durchgeführt.
- Schritt 7:
- Einsatz der Nullstellenverfahren. Wird dieser Schritt erreicht, wird der Zug ohne
Wechsel der Zugkraftparabel den Abschnitt durchfahren, wobei am Ende ggfs. noch auf
die nächste Höchstgeschwindigkeit r abgebremst werden muss.
7 Vorteile der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik
[0057] Ein Vergleich der Fahrzeitrechnung für die Betriebszentralen, kurz FZR-BZ, Version
1.4, des Standes der Technik und dem erfindungsgemäßen Verfahren zeigt:
- Von der Genauigkeit her weichen die Fahrzeiten und Zuggeschwindigkeiten, wenn überhaupt,
meist nur minimal (etwa um ein Promille) voneinander ab. Die größte beobachtete Zeitabweichung
betrug etwa sechs Promille.
- Grund für die Abweichungen sind die Beschleunigungsphasen, bei denen die bisherige
Fahrzeitrechnung auf eine Approximation zurückgreift. Die größten Ungenauigkeiten
ergeben sich beim Anfahren aus dem Stillstand heraus, hier treten Abweichungen von
20-30 % auf. Diese treten in dieser Größenordnung aber nur während der ersten Sekunden
auf (bis die Züge also etwas Fahrt aufgenommen hatten), so dass die resultierenden
Abweichungen von z.B. einer halben Sekunde für die Gesamtfahrzeit unwesentlich sind.
- Zumindest theoretisch scheint es aber denkbar, eine Zugfahrt zu konstruieren, bei
der sich die Approximationsfehler erheblich auswirken. Man denke z.B. an einen Stop-and-Go-Verkehr,
bei dem die Züge häufig wiederanfahren müssen, oder an einen "passend gewählten" Steigungsabschnitt,
bei dem es der Zug bei exakter Rechnung gerade noch schafft, über den Berg zu kommen,
bei einem eigentlich nur geringem Approximationsfehler aber vorher stehen bleibt.
- Der signifikante Unterschied zwischen beiden Fahrzeitrechnungen ist die Ausführungsgeschwindigkeit.
Die geschlossenen Formeln und eine effziente Algorithmik für die Vorverarbeitung ergeben
in der Praxis ein um etwa 70-mal schnelleres Verfahren. Dies bedeutet, dass sich alle
wenige 100 Meter die Neigung bzw. Höchstgeschwindigkeit ändert oder ein Messpunkt
auftaucht. Falls die Abschnitte mit konstanten Bedingungen kürzer werden, schrumpft
auch der Geschwindigkeitsvorteil zusammen, da selbst mit den geschlossenen Formeln
bei jeder Änderung der Rahmenbedingungen ein weiterer Rechenschritt notwendig wird.
Umgekehrt kann man sich auch den Extremfall vorstellen, dass z.B. ein Zug auf einer
langen Strecke mit konstanter Steigung beschleunigt, ohne die erlaubte Höchstgeschwindigkeit
zu erreichen. In diesem Fall endet die Beschleunigungsphase nicht, und die resultierende
Fahrzeit kann mit nur einem Schritt ermittelt werden (unabhängig davon, wie lang die
Strecke ist!). Die herkömmliche Approximation kann die Besonderheit dieser Situation
dagegen nicht ausnutzen. Der Geschwindigkeitsvorteil kann also theoretisch in beide
Richtungen hin variieren.
[0058] Beispielsweise kann auf einen 500 MHz Intel Pentium 111 Rechner als Richtwert pro
100 km Strecke eine Millisekunde Rechenzeit je für Vorverarbeitung und eigentliche
Fahrzeitrechnung veranschlagt werden.
9 Hyperbolische Beschleunigung
[0059] Wie oben dargestellt ergibt sich die Differentialgleichung v'(t) = av
2(t)+bv(t)+c aus der Tatsache, dass alle auf den Zug einwirkenden Kräfte quadratisch
von der momentanen Geschwindigkeit v abhängen. Dies gilt insbesondere für die Zugkraft,
die sich eigentlich jedoch hyperbolisch verhält, d.h. proportional zum Kehrwert der
Geschwindigkeit (abgesehen von niedrigen Geschwindigkeiten, wo die Haftreibungswerte
zwischen Rad und Schiene die maximale Zugkraft begrenzen). Deshalb wird einen hyperbolischer
Anteil bei der Zugkraft und damit insgesamt bei der Differentialgleichung angesetzt,
d.h. es wird eine Lösung der Gleichung

gesucht. Selbst in diesem Fall lassen sich geschlossene Formeln ermitteln.
[0060] Die Lösung der Differentialgleichung führt analog zu dem oben aufgezeigten Weg zu
dem Integral

[0061] Erfindungsgemäß werden zunächst die Nullstellen des im Nenner stehenden kubischen
Polynoms ermittelt und basierend auf diesen Lösungen die sich ergebenden Stammfunktionen
ermittelt.
[0062] Fall 1: Es existiert eine dreifache Nullstelle x
1. Dann gilt:

[0063] Fall 2: Es existiert eine einfache Nullstelle x
1 sowie eine doppelte Nullstelle x
2. Dann gilt:

[0064] Fall 3: Es existieren drei verschiedene Nullstellen x
1, x
2 und x
3. Dann gilt:

[0065] Fall 4: Es existiert nur eine einfache Nullstelle x
1; das verbleibende Restpolynom v
2 + pv + q lässt sich nicht (reell) faktorisieren. Dann gilt:

[0066] Diese Terme lassen sich jedoch nicht umkehren (bis auf den ersten Fall), d.h. es
kann i.A. keine geschlossene Formel für v(t) gefunden und auch keine Formel für s(t)
gebildet werden. Es kann jedoch eine geschlossene Formel für s(v) hergeleitet werden,
da gilt:

[0067] Für das verbleibende Integral können entsprechend den obigen Ausführungen in Abhängigkeit
der Nullstellen des Nennerpolynoms verschiedene Lösungen angeben werden.
8 Anwendungsbeispiele
8.1 Energiesparende Fahrweise
[0068] Der Berechnung von Fahrzeiten wird üblicherweise, wie oben erwähnt, eine straffe
Fahrweise zugrunde gelegt, d.h. die Züge beschleunigen so früh wie möglich, fahren
wenn möglich mit Höchstgeschwindigkeit und bremsen erst möglichst spät wieder ab.
Da die Fahrzeiten mit Regelzuschlägen versehen werden, kann man ― sofern keine Verspätungen
aufzuholen sind ― diese Zeitpuffer zur energiesparenden Fahrweise (ESF) nutzen, d.h.
man lässt den Zug gezielt ausrollen, spart so die Traktionsenergie ein, und ist dennoch
pünktlich am Ziel.
[0069] Sinnvoll scheint das Ausrollen also vor allem dann, wenn der Zug später die Geschwindigkeit
ohnehin reduziert oder sogar an einem Signal oder Bahnhof halten muss. Das von der
DB Systems entwickelte ESF-System für ICE-Züge nutzt neben diesen Situationen auch
Gefällstrecken als Ausrollabschnitte. Problematisch dabei ist jedoch, dass alle zugehörigen
Fahrplan- und Streckendaten schon vor der Zugfahrt in den Bordcomputer eingespielt
werden müssen. Dies ist unter anderem durch die bisher zu langsame Fahrzeitrechnung
bedingt.
[0070] Mit Hilfe der erfindungsgemäßen, sehr viel schnelleren Fahrzeitrechnung ist es möglich,
dieses Problem zu überwinden. Zudem ist von vorneherein nicht klar, warum z.B. nicht
auch auf Steigungsstrecken ausgerollt werden darf, solange nur die Kontrollrechnung
ergibt, dass der Schwung ausreichen wird. Hier erscheint uns eine noch bessere Energieeinsparung,
auch auf Nicht-ICE-Zügen, möglich zu sein. Gemessen an den enormen Energiemengen und
-kosten, die für den Bahnverkehr jedes Jahr aufgewendet werden, schlummert hier noch
ein beträchtliches Potenzial.
8.2 Energieoptimierte Fahrpläne
[0071] Mit den Ideen aus dem letzten Abschnitt liegt es nahe, Fahrpläne auch an der Energieeffzienz
der Zugfahrten zu messen und dahingehend zu optimieren. Heutzutage liegt den Berechnungen
normalerweise stets eine straffe Fahrweise zugrunde. Wie oben gesehen macht es aber
keinen Sinn, z.B. mit 160 km/h auf eine Langsamfahrstelle aufzufahren. Einem nur geringfügigen
Zeitverlust steht hier eine erhebliche Energieeinsparung gegenüber, so dass sich ein
entsprechender Fahrplan auch monetär auszahlt, vom geringeren Verschleiß an den Bremsen
usw. einmal ganz abgesehen.
8.3 Berechnung von Bauzuschläaen
[0072] Bauzuschläge stellen zeitliche Puffer dar, die bei erwarteten Behinderungen durch
Baustellenarbeiten (z.B. eingleisiger Betrieb) zusätzlich zu den Regelzuschlägen auf
die Fahrzeit aufgeschlagen werden. Die Höhe der Bauzuschläge orientiert sich jedoch
nur an dem erwarteten Zeitverlust von Fernverkehrszügen.
[0073] In einem ersten Schritt werden durch die Fahrzeitrechnung die Auswirkungen von Langsamfahrstellen
usw. auf einzelne Züge ermittelt und somit einen vorgegebenen Bauzuschlag bewertet.
Als nächster Schritt werden automatisch Bauzuschläge ermittelt, die in Abhängigkeit
des Zuges stehen und gegebenenfalls direkt bei der Veröffentlichung von Fahrplänen
berücksichtigt werden.
8.4 Echtzeit-Disposition
[0074] Züge "geschickt" ausrollen zu lassen ist nicht nur für energiesparende Fahrweisen
sinnvoll, sondern kann in bestimmten Fällen auch die Fahrzeit verkürzen. Läuft ein
Zug insbesondere auf ein (noch) Halt zeigendes Hauptsignal auf, so muss er bis zum
Stillstand abbremsen und danach aus dem Stand heraus wieder beschleunigen. Schneller
und auch energietechnisch wesentlich günstiger ist es jedoch, die Zeit bis zum Hochschalten
des Signals durch energiesparende Fahrweise auszufüllen, um dann das Signal mit einer
(hohen) Restgeschwindigkeit zu passieren. Die Wiederbeschleunigungsphase fällt entsprechend
kürzer aus.
[0075] Zur Berechnung des passenden Zeitpunkts, ab dem das Ausrollen zu erfolgen hat, werden
Daten aus der Leit- und Sicherungstechnik erhoben, die für die aktuelle Kenntnis der
Signalstellungen unerlässlich sind. Mit einem entsprechender Lesezugriff, bieten sich
entsprechende Möglichkeiten an, die Trassenlagen nicht nur vor, sondern sogar während
des Betriebs zu optimieren, gleichzeitig Fahrzeiten zu verkürzen und dabei noch Energie
und somit Geld zu sparen.
1. Verfahren zur Ermittlung einer benötigten Fahrzeit eines Zuges beim Zurücklegen einer
Strecke mit vorgegebener Neigung und zulässiger Höchstgeschwindigkeit,
dadurch gekennzeichnet, dass eine einer Beschleunigungsphase zugrundeliegende Differentialgleichung v'(t) = a
v
2(t) + b v(t) + c mit einer von einer Zeit t abhängigen Geschwindigkeit v(t) und Parametern
a, b, c durch geschlossene Formeln gelöst wird und diese geschlossenen Formeln neben
den allgemein bekannten Rechenvorschriften für Zugfahrten mit konstanter Geschwindigkeit
bzw. konstanter Bremsverzögerung benutzt werden, um wie folgt die Fahrzeit zu ermitteln:
- bei positiver Beschleunigung v'(t) > 0 wird geprüft, ob ausreichend Strecke zur
Erreichung der Höchstgeschwindigkeit zur Verfügung steht und wenn genügend Strecke
zur Verfügung steht, wird die Zeit und der Weg, die für die Beschleunigungsphase erforderlich
sind, durch geschlossene Formeln ausgedrückt und mit konstanter Höchstgeschwindigkeit
weitergefahren sowie werden andernfalls die geschlossenen Formeln für die Zeit und
den Weg, um auf eine bestimmte Geschwindigkeit zu kommen, dafür genutzt, um durch
ein numerisches Verfahren, insbesondere dem Newton-Verfahren, die Austrittsgeschwindigkeit
und -zeit aus dem Streckenabschnitt zu bestimmen,
- bei negativer Beschleunigung v'(t) < 0 wird geprüft, ob der Zug evtl. vorher zum
Stehen kommt, gegebenenfalls wird der Zeitpunkt des Stillstands und die dabei zurückgelegte
Strecke ermittelt, ansonsten wird die Austrittsgeschwindigkeit sowie die benötigte
Fahrzeit durch die geschlossenen Formeln ermittelt,
- bei Beharrungsfahrt v'(t) = 0 wird eine Einbruchsgeschwindigkeit v0 beibehalten,
- grundsätzlich wird eine evtl. vorgegebene Begrenzung einer Austrittsgeschwindigkeiten
durch einen rechtzeitig eingeleiteten Bremsvorgang berücksichtigt.
2. Verfahren zur Ermittlung einer benötigten Fahrzeit eines Zuges nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass zur Ermittlung einer benötigten Beschleunigungsenergie eines Zuges ein einem Energieverbrauch
des Zuges zugrundeliegende Produkt aus aufgewendeter Kraft von Antriebsaggregaten
und zurückgelegtem Weg als Integral

formuliert und gelöst wird, wobei a, b und c die Koeffizienten der Gesamtbeschleunigung,
d.h. die Traktionsbeschleunigung minus Widerstandsbeschleunigung sind, q
0, q
1 und q
2 die Koeffizienten der Traktionskraft sowie A und B die Koeffizienten des Restpolynoms
sind, das sich aus der Polynomdivision für (q
2v
2 + q
1v + q
0) v /(av
2 + b v + c) ergibt, und t(v) die Zeit ist, um von Null auf v zu beschleunigen.
3. Verfahren zur Ermittlung einer benötigten Fahrzeit eines Zuges nach einem oder mehreren
der Ansprüche 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, dass Strecken mit wechselnden Höchstgeschwindigkeiten und/oder wechselnden Neigungen in
einer Vorverarbeitung in Abschnitte mit konstanter Höchstgeschwindigkeiten und/oder
konstanter Neigungen unterteilt und jeweilige Fahrzeiten bzw. Traktionsenergien zu
einem Gesamtergebnis kumuliert werden, d.h. es werden für die einzelnen Abschnitte
nacheinander bei vorgegebenen Eintrittsgeschwindigkeiten die Austrittsgeschwindigkeiten,
die Fahrzeiten und die Traktionsenergien berechnet und die Fahrzeiten und die Traktionsenergien
addiert und eisenbahnbetriebliche Regelwerke und Besonderheiten berücksichtigt.
4. Verfahren zur Ermittlung einer benötigten Fahrzeit eines Zuges nach einem oder mehreren
der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass alle auf die Beschleunigung einwirkenden Zug- und Widerstandskräfte durch eine Vorverarbeitung
auf eine Differentialgleichung der Form v'(t) = a v2(t) + b v(t) + c abgebildet werden, die Zugkraft eines Triebfahrzeuges durch ein stückweise
quadratisches Polynom in Abhängigkeit der Geschwindigkeit v vorgegeben wird, die Gesamtwiderstandskraft
durch ein quadratisches Polynom vorgegeben wird und sich die Beschleunigung aus der
Differenz der Zugkraft und der Gesamtwiderstandskraft dividiert durch die Masse des
Zuges ermittelt wird und die Gesamtwiderstandskraft sich aus dem quadratisch von der
Geschwindigkeit abhängigen Luftwiderstand, dem Rollreibungswiderstand, der durch eine
lineare Funktion gegeben ist, und dem Neigungswiderstand, der konstant ist, ermittelt
wird.
5. Verfahren zur Ermittlung einer benötigten Fahrzeit eines Zuges nach einem der Ansprüche
1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass mehrere, in Abhängigkeit von dem Geschwindigkeitsbereich gültige, Differentialgleichungen
für die Beschleunigungsphase durch einen entsprechenden Katalog von geschlossenen
Formeln berücksichtigt werden, wobei während der Ermittlung der Beschleunigung der
jeweils gültige Formelsatz zur Anwendung kommt:
- für den Fall, dass b2 > 4ac, wird D = √(b2- 4ac) und k = 1 - 2D/(2av0 +b + D) gesetzt, so dass t(v)= (1/D) In | ((1 - 2D/(2av+b+D))/k)| , v(t) = (2D/(1
+ keDt) - b -D)/2a und s(t) = (In | (1+k) /(1 + keDt)| + (D-b)t/2)/a,
- für den Fall, dass b2 < 4ac wird D = √(4ac - b2) gesetzt, so dass t(v) = arctan(av/D + b/2D) + C mit einer Konstante, v(t)= (D tan(D(t+k)
- b/2)/a und s(t) = (In |cos(Dk)/cos(D(t+k)| bt/2)/a, und v(t) die Zeit zum Zeitpunkt
t und s(t) der zum Zeitpunkt t zurückgelegte Weg ist.
6. Verfahren zur Ermittlung einer benötigten Fahrzeit eines Zuges nach einem der Ansprüche
1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die durch vollständige oder teilweise Nichtberücksichtigung der Zugkräfte von einem
oder mehreren der an dem Zug beteiligten Triebfahrzeuge eine Fahrzeit zugrundegelegt
wird, die nicht eine technisch kürzeste erreichbare Fahrzeit darstellt und wenn mehrere
Triebfahrzeuge in einem Zug vorhanden sind, vorgegeben wird, welches Triebfahrzeug
aktiv ist und nur die Zugkräfte der aktiven Triebfahrzeuge addiert werden.