[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft eine Hörvorrichtung und ein Verfahren zur Reduktion
von Rückkopplungen zwischen einem Lautsprecher und mehreren Mikrofonen. Darüber hinaus
betrifft die vorliegende Erfindung insbesondere ein entsprechendes Hörgerät.
[0002] Grundsätzlich ist es erstrebenswert, folgende Eigenschaften eines im Ohr befindlichen
Teils eines Hörgeräts gemeinsam zu realisieren:
- Offene Versorgung
- Ausnutzung der natürlichen Richtwirkung der Pinna (Ohrmuschel), d. h. Mikrofonposition
im Gehörgang
- Rückkopplungsfreiheit bzw. geringe Rückkopplungsneigung des Systems.
[0003] Die drei oben genannten gewünschten Eigenschaften bzw. Anforderungen werden zur Zeit
- jede für sich - folgendermaßen erreicht:
- Die offene Versorgung wird bei einem Hinter-dem-Ohr-Hörgerät (HdO) mit einem offenen
Ohrpassstück erzielt.
- Die natürliche Richtwirkung der Pinna kann durch ein vollständig im Gehörgang befindliches
CIC-Gerät erreicht werden, wobei jedoch wegen Rückkopplungsproblemen nur schwer eine
Belüftung des Gehörgangs gewährleistet werden kann.
- Die Rückkopplungsfreiheit kann man durch Verwenden eines sogenannten Feedbackkompensators
mit dem Prinzip der gegenphasigen Auslöschung des Rückkopplungssignals erhalten. Wegen
der relativ hohen Variabilität und Komplexität des Rückkopplungspfads ist die Wirkung
zur Zeit auf ca. 10 dB bis maximal 15 dB Verstärkungsgewinn begrenzt. Um dies jedoch
zu erreichen, ist im Allgemeinen ein sorgfältiges Verschließen des Gehörgangs nötig.
[0004] Aus der Patentschrift
DE 103 32 119 B3 ist eine aktive Störgeräuschunterdrückung bei einem im Ohr tragbaren Hörhilfegerät
bekannt. Das Gerät weist einen zusätzlichen Hörer auf, der in einem Ventilationskanal
angeordnet ist. Dieser zusätzliche Hörer befindet sich in etwa in der Mitte des Ventilationskanals
und symmetrisch dazu befinden sich in dem Ventilationskanal zwei Mikrofone. Eines
der beiden Mikrofone und der Hörer dienen dazu, in den Gehörgang einfallenden Direktschall
zu vermeiden, und das weitere Mikrofon dient zusammen mit dem Hörer dazu, Rückkopplungen
zu vermeiden.
[0005] Weiterhin ist aus der Druckschrift
DE 693 27 992 T2 eine Rauschunterdrückungsanordnung mit fokussierter adaptiver Filterung für Hörprothesen
bekannt. Die Rückkopplungsunterdrückungsanordnung weist zwei Mikrofone sowie einen
Lautsprecher auf.
[0006] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, eine Hörvorrichtung mit
geringer Rückkopplungsneigung vorzuschlagen, wobei die Richtwirkung der Pinna ausgenutzt
und eine offene Versorgung gewährleistet werden soll.
[0007] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch eine Hörvorrichtung mit einem rohrförmigen
Ohrpassstück zum Einsetzen in einen Gehörgang, einem Lautsprecher, der in dem Ohrpassstück
angeordnet ist, einem ersten und mindestens einem zweiten Mikrofon und einer Signalverarbeitungseinheit,
wobei die mindestens zwei Mikrofone im eingesetzten Zustand der Hörvorrichtung in
dem Ohrpassstück akustisch symmetrisch zu dem Lautsprecher angeordnet sind, eine Mikrofon-Matching-Einheit,
mit der Unterschiede der Mikrofonsignale der mindestens zwei Mikrofone feststellbar
sind, an die Mikrofone angeschlossen ist, und mit der an die Mikrofon-Matching-Einheit
angeschlossene Signalverarbeitungseinheit nur diejenigen Anteile der Mikrofonsignale
verarbeitet an den Lautsprecher geleitet werden, die in den mindestens zwei Mikrofonen
zu einem gegebenen Zeitpunkt unterschiedlich aufgenommen werden.
[0008] Darüber hinaus wird erfindungsgemäß bereitgestellt ein Verfahren zur Reduktion von
Rückkopplungen in einer Hörvorrichtung, insbesondere in einem Hörgerät, durch Abstrahlen
eines Schalls in einem Gehörgang an einem ersten Ort, Aufnehmen eines Schalls mindestens
an einem zweiten und dritten Ort im Gehörgang, wobei die beiden Orte akustisch symmetrisch
zu dem ersten Ort in dem Gehörgang gelegen sind, und wobei der aufgenommene Schall
den abgestrahlten Schall und einen vom außen in den Gehörgang eindringenden Schall
beinhaltet, und Verstärken im Wesentlichen nur derjenigen Schallanteile des aufgenommenen
Schalls, die zu einem gegebenen Zeitpunkt am zweiten und dritten Ort unterschiedlich
sind.
[0009] In vorteilhafter Weise wird durch das Aufnehmen des Schalls an akustisch symmetrischen
Orten relativ zu dem Lautsprecher erreicht, dass die an den Mikrofonen eintreffenden
Schallsignale der gleichen Übertragungsfunktion unterworfen werden, so dass der vom
Lautsprecher stammende Schall von dem von außen kommenden Schall unterschieden werden
kann. Damit lassen sich die drei oben bereits genannten Eigenschaften gemeinsam erfüllen:
Offene Versorgung, Ausnutzung der natürlichen Richtwirkung der Pinna und geringe Rückkopplungsneigung.
[0010] Vorzugsweise ist die Hörvorrichtung als Hörgerät ausgestaltet. Dies bedeutet, dass
das rohrförmige Ohrpassstück beispielsweise Teil einer Otoplastik für ein HdO oder
Teil eines IdO (In-dem-Ohr-Hörgerät) ist.
[0011] Entsprechend einer besonderen Ausführungsform weist die Hörvorrichtung eine Verstärkungseinrichtung
auf, mit der ein Schall, der von außen in das Ohrpassstück eindringt, anders verstärkbar
ist, als ein Schall, der von dem Lautsprecher stammt. Dies bedeutet, dass in der Verstärkungseinrichtung
eine entsprechende Signalverarbeitungseinheit enthalten ist, die die einzelnen Schallquellen
separiert, so dass eine Rückkopplung soweit wie möglich verhindert wird.
[0012] Eine weiterentwickelte, erfindungsgemäße Hörvorrichtung weist ein drittes Mikrofon
auf, so dass Schall, der von einem Trommelfell reflektiert wird, eindeutig erkannt
werden kann. Dieses dritte Mikrofon ist also entsprechend in dem Gehörgang bzw. dem
Ohrpassstück platziert, so dass die Mikrofone eine Richtwirkung in Richtung der Gehörgangsachse
erhalten. Dadurch lässt sich errechnen, aus welcher Richtung der Schall kommt.
[0013] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- eine Prinzipskizze einer erfindungsgemäßen Hörvorrichtung mit zwei Mikrofonen;
- FIG 2
- ein Richtdiagramm mit den einfallenden Schallrichtungen für die Vorrichtung von FIG
1;
- FIG 3
- eine Prinzipskizze einer erfindungsgemäßen Hörvorrichtung mit drei Mikrofonen zur
Unterdrückung von Reflektionen; und
- FIG 4
- ein Richtdiagramm mit einfallenden Schallrichtungen zu der Vorrichtung von FIG 3.
[0014] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen
der vorliegenden Erfindung dar.
[0015] In einer ersten Ausführungsform gemäß FIG 1 besitzt die Hörvorrichtung ein rohrförmiges
Ohrpassstück OP. Diese Ohrpassstück OP besitzt an seinen Stirnseiten jeweils eine
Öffnung 01, 02. Im Inneren des Ohrpassstücks OP ist ein zylinderförmiger Hohlraum
ausgebildet, in dem sich mittig ein Lautsprecher LS befindet. Seine Hauptabstrahlrichtung
steht senkrecht zur Achse des Ohrpassstücks OP. Akustisch symmetrisch zu dem Lautsprecher
LS sind zwei Mikrofone M1 und M2 im Inneren des Ohrpassstücks OP angeordnet. Akustisch
symmetrisch bedeutet, dass der Schall von dem Lautsprecher LS zu dem Mikrofon M1 der
gleichen Übertragungsfunktion unterworfen ist, wie der Schall von dem Lautsprecher
LS zu dem Mikrofon M2. In FIG 1 sind Ausbreitungsrichtungen des Schalls von dem Lautsprecher
LS durch einfache Pfeile angedeutet.
[0016] In FIG 1 ist ferner eine geometrische Symmetrielinie GS eingezeichnet, die durch
den Lautsprecher LS definiert ist und zu der die Mikrofone M1 und M2 symmetrisch angeordnet
sind. Die akustische Symmetrie weicht jedoch von der geometrischen Symmetrie etwas
ab, da sich die Hörvorrichtung bzw. das Ohrpassstück OP in einem Gehörgang GG befindet,
der durch ein Trommelfell TF abgeschlossen ist. Dadurch ergibt sich an einem Ende
des Ohrpassstücks OP ein abgeschlossener Raum, während der Raum an dem anderen Ende
des Ohrpassstücks OP offen ist. Diese Asymmetrie erfordert eine geometrische Asymmetrie
der Orte der Mikrofone M1, M2 gegenüber dem Lautsprecher LS. Der Amplituden- und Phasengang
des Schalls vom Lautsprecher LS sind bei der akustisch symmetrischen Anordnung dann
bei beiden Mikrofonen M1 und M2 gleich. Der Einfachheit halber sind jedoch die Mikrofone
M1 und M2 in FIG 1 geometrisch symmetrisch eingezeichnet.
[0017] Die spezifische Anordnung der beiden Mikrofone M1, M2 und des Hörers bzw. des Lautsprechers
LS in dem rohrförmigen Ohrpassstück OP ermöglicht es, Signalverarbeitungsalgorithmen
einzusetzen, die das Auftreten von Rückkopplungen trotz - oder gerade wegen - der
räumlichen Nähe von Mikrofon und Lautsprecher vermeiden. Die Ursache liegt insbesondere
in der klaren Definiertheit des Rückkopplungspfads.
[0018] Das erfindungsgemäße Prinzip besteht also darin, in einem beidseitig offenen Ohrpassstück
mehrere Mikrofone symmetrisch anzuordnen. Wie aus der Richtmikrofontechnik bekannt
ist, ist es dann möglich, Schalle, die gleichzeitig an zwei Mikrofonen eintreffen,
von Schallen zu trennen, die eine gewisse Verzögerung zwischen ihrem Auftreffen auf
die Mikrofone aufweisen. Eine ähnliche Art der Verarbeitung wird nun auch hier auf
die von den Mikrofonen M1 und M2 gewonnenen Mikrofonsignale angewandt. Da sich innerhalb
der Röhre des Ohrpassstücks OP keine weiteren Schallquellen befinden, kann der Schall
aus dem Lautsprecher LS von von außen einfallendem Schall bzw. Nutzschall (vgl. Doppelpfeile
in FIG 1) unterschieden werden. Häufig kann der Schall aus dem Lautsprecher aus dem
Gesamtsignal, das verarbeitet und verstärkt wird, weitgehend entfernt werden.
[0019] FIG 2 zeigt die Richtcharakteristik RC der Mikrofonanordnung von FIG 1 für die Mitte
des Ohrpassstücks OP, in der sich der Lautsprecher LS befindet. Demnach ergibt sich
die höchste Dämpfung in der 90°- bzw. 270°-Richtung, in der sich der Lautsprecher
LS befindet bzw. aus der der Schall des Lautsprechers eintrifft. Der Nutzschall hingegen,
der aus der 0°-Richtung eintrifft, wird nahezu ungedämpft aufgenommen. Diese Richtcharakteristik
RC ist in FIG 1 in der Mitte des Ohrpassstücks auch angedeutet.
[0020] In FIG 1 ist auch die gesamte Signalverarbeitung, wie sie für ein Hörgerät typisch
ist, angedeutet. Demnach werden die Signale der Mikrofone M1 und M2 einem sogenannten
Mikrofon-Matching MM unterworfen, bei dem eine Anpassung von Amplituden- und Phasengang
der Signale erfolgt. Ein nachgeschalteter Signalverarbeitungsalgorithmus SA, der auch
das Signal des Mikrofons M1 zur Verarbeitung verwendet, erzeugt die gewünschte Richtwirkung.
Das resultierende Signal wird über einen Tiefpassfilter LP und einen Signalprozessor
SP dem Lautsprecher LS zugeführt.
[0021] Wenn der Nutzschall durch das Ohrpassstück OP hindurch zum Trommelfell gelangt, wird
er dort zum Teil reflektiert (vgl. FIG 3). Auch diese Reflektionen können zu störenden
Rückkopplungen führen. Daher ist bei einem weiterentwickelten Hörgerät gemäß FIG 3
in dem Ohrpassstück OP ein zusätzliches drittes Mikrofon M3 vorgesehen. Die übrige
Anordnung der Mikrofone M1 und M2 sowie des Lautsprechers LS entspricht im Wesentlichen
dem von FIG 1.
[0022] Die Mikrofon-Matching-Einheit MM passt die Amplituden- und Phasengänge der Mikrofonsignale
aneinander an bzw. stellt ihre Unterschiede fest. Durch den Signalverarbeitungsalgorithmus
SA können anschließend Signale, die eine Laufrichtung vom Trommelfell TF zur nach
außen gerichteten Öffnung 01 des Ohrpassstücks OP aufweisen, aus dem Nutzsignal entfernt
werden. Hierzu sind mindestens drei Mikrofoneingangssignale notwendig. Der Lautsprecher
LS wird dann mit dem reflexionsfreien Nutzsignal versorgt.
[0023] FIG 4 zeigt wiederum die Richtcharakteristik RC der Mikrofonanordnung der Hörvorrichtung
von FIG 3. Demnach ergeben sich nicht nur aus der Richtung des Lautsprechers LS, sondern
auch aus der Reflexionsrichtung hohe Dämpfungsgrade, während der Nutzschall praktisch
ungedämpft aufgenommen wird. Diese Richtcharakteristik ist auch in FIG 3 für die Mitte
des Ohrpassstücks OP angedeutet.
[0024] Wie bereits erwähnt, ist die in den FIG 1 und 3 vorgeschlagene Bauweise einer Hörvorrichtung
sowohl für ein Ohrpassstück als auch für ein komplettes Im-Ohr-Hörgerät realisierbar.
In jedem Fall ermöglicht diese Bauweise eine offene Versorgung, eine Ausnutzung der
natürlichen Pinna-Richtwirkung und eine geringe Rückkopplungsneigung.
1. Hörvorrichtung mit
- einem rohrförmigen Ohrpassstück (OP) zum Einsetzen in einen Gehörgang (GG),
- einem Lautsprecher (LS), der in dem Ohrpassstück (OP) angeordnet ist,
- einem ersten und mindestens einem zweiten Mikrofon (M1, M2, M3) und
- einer Signalverarbeitungseinheit (SA),
dadurch gekennzeichnet, dass
- die mindestens zwei Mikrofone (M1, M2, M3) im eingesetzten Zustand der Hörvorrichtung
in dem Ohrpassstück (OP) akustisch symmetrisch zu dem Lautsprecher (LS) angeordnet
sind,
- eine Mikrofon-Matching-Einheit (MM), mit der Unterschiede der Mikrofonsignale der
mindestens zwei Mikrofone feststellbar sind, an die Mikrofone angeschlossen ist und
- mit der an die Mikrofon-Matching-Einheit (MM) angeschlossene Signalverarbeitungseinheit
(SA) nur diejenigen Anteile der Mikrofonsignale verarbeitet an den Lautsprecher (LS)
geleitet werden, die in den mindestens zwei Mikrofonen zu einem gegebenen Zeitpunkt
unterschiedlich aufgenommen werden.
2. Hörvorrichtung nach Anspruch 1, die als Hörgerät ausgestaltet ist.
3. Hörvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, die eine Verstärkungseinrichtung aufweist,
mit der ein Schall, der von außen in das Ohrpassstück eindringt, anders verstärkbar
ist als ein Schall, der von dem Lautsprecher stammt.
4. Hörvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, die ein drittes Mikrofon (M3)
aufweist, so dass Schall, der von einem Trommelfell (TF) reflektiert wird, eindeutig
erkannt werden kann.
5. Verfahren zur Reduktion von Rückkopplungen in einer Hörvorrichtung durch
- Abstrahlen eines Schalls in einem Gehörgang (GG) an einem ersten Ort,
- Aufnehmen eines Schalls mindestens an einem zweiten und dritten Ort im Gehörgang,
wobei die beiden Orte akustisch symmetrisch zu dem ersten Ort in dem Gehörgang (GG)
gelegen sind, und wobei der aufgenommene Schall den abgestrahlten Schall und einen
vom außen in den Gehörgang (GG) eindringenden Schall beinhaltet und
- Verstärken im Wesentlichen nur derjenigen Schallanteile des aufgenommenen Schalls,
die zu einem gegebenen Zeitpunkt am zweiten und dritten Ort unterschiedlich sind.
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei Schall auch an einem vierten Ort im Gehörgang (GG)
aufgenommen und daraus ein von einem Trommelfell reflektierter Schall ermittelt wird.