[0001] Die Erfindung betrifft einen Aufrichtrollstuhl mit einem Fahrgestell, an dem zwei
Antriebsräder und mindestens ein lenkbares Rad befestigt sind, auf dem eine Aufrichteeinheit
mit einer Sitzfläche, einer Rückenlehne und mindestens einer Fußstütze schwenkbar
angeordnet ist, wobei beidseitig unterhalb der Sitzfläche eine obere Längsschiene
und eine untere Längsschiene angeordnet sind, die obere Längsschiene fest mit der
Sitzfläche verbunden ist und beide Längsschienen über vier Gelenke miteinander in
Verbindung stehen und mit ihren hinteren Enden mit der Rückenlehne verbunden sind.
[0002] Ein solcher Rollstuhl ist beispielsweise aus der
EP 0 815 822 B1 bekannt. Die über einen langen Zeitraum andauernde sitzende Körperhaltung eines Rollstuhlfahrers
führt zum physischen Abbau von Körperfunktionen, wie z. B. reduzierte Beweglichkeit
der unteren Gliedmaße, Verlangsamung der Darmaktivitäten und Verschlechterung der
Blutzirkulation. Durch das Sitzen besteht außerdem die Gefahr eines Dekubitus. Ein
Aufrichtrollstuhl hilft, diese Folgen zu reduzieren, da durch Veränderung der Körperhaltung,
bis hin zum Stehen, der Abbau der Körperfunktionen reduziert wird. Die schwenkbare
Sitzfläche wird mit Rücken- und Fußstütze auf ein Fahrgestell montiert. Die korrekte
Anpassung an die anatomischen Erfordernisse des Benutzers ist ein sehr wichtiges Kriterium
für den Komfort, den der Rollstuhl bietet. Dabei wird das Verhältnis von Sitztiefe
und Unterschenkel anhand der Körperabmessungen des Benutzers bestimmt. Entsprechend
der ermittelten Maße wird ein Aufrichtstuhl aus dem Standardprogramm eines Herstellers
ausgewählt und gefertigt.
[0003] Anwenderspezifisch hergestellte Aufrichtstühle führen bei kleinen und großen Personen
oft zu einem unbefriedigenden Komfort, da die standardisierten Größen der Aufrichtstühle
auf Personen mit durchschnittlichen Körperabmessungen zugeschnitten sind. Häufig wird
die mangelnde Anpassung vom Benutzer nur indirekt wahrgenommen. Scherbewegungen zwischen
Körper und Sitzfläche oder ein übermäßig starker Flächendruck der Kniepolster können
schon nach kurzer Benutzungszeit einen Dekubitus entstehen lassen.
[0004] Aufrichtrollstühle bieten dem Benutzer auch die Möglichkeit, sich sportlich zu betätigen.
So kann der Behinderte beispielsweise Golf spielen. In einem solchen Fall ist es besonders
wichtig, dass der Rollstuhl in der aufgerichteten Position eine hohe Standfestigkeit
bietet. So ist beispielsweise eine Anforderung, dass die Fußstütze in der aufgerichteten
Position auf dem Erdboden aufsteht bzw. sich auf ihm abstützt. Die Rückenlehne muss
parallel zur Sitzfläche stehen und dem Golfer muss ausreichend Bewegungsmöglichkeit
(Drehen des Oberkörpers) geboten werden, um zum Schlag schwingen zu können.
[0005] In einem solchen Fall werden vielfach auf dem Golfplatz Aufrichtrollstühle bereitgehalten
und von unterschiedlichen Nutzern benutzt. Auf Menschen mit durchschnittlicher Größe
zugeschnittene Aufrichtrollstühle können von einer Reihe behinderter Menschen nicht
oder nur unter großen Komforteinbußen benutzt werden.
[0006] Die
DE 199 12 830 A1 beschreibt einen Aufrichtrollstuhl mit einem Fahrgestell, das einen schwenkbaren
Aufbau trägt, an dem eine Sitzfläche, eine Fußstütze und eine Rückenlehne angebracht
ist. Der Aufbau wird durch zwei symmetrische seitliche Gelenksysteme gebildet und
erlaubt die stufenlose Verstellbarkeit der Rückenlehne.
[0007] Aus der
CA 2 458 092 A1 ist ein einstellbarer Aufrichtrollstuhl bekannt. Die Sitztiefe kann durch eine verstellbare
Rückenlehne verändert werden. Hierzu ist die Rückenlehne teleskopierbar mit dem Untergestell
des Sitzes verbunden. Die Teleskoprohre sind im praktischen Betrieb nicht sonderlich
funktionell. Um die Stabilität zu gewährleisten, sind geringe Toleranzen erforderlich.
Eine häufige Verstellung führt zu Verschleiß. Die beidseitig unter der Sitzfläche
angeordneten Teleskoprohre können zueinander verkanten. Die Rückenlehne ist dann schief
gegenüber der Sitzfläche und ein sicheres Aufrichten des Rollstuhles ist nicht möglich.
Teleskoprohre sind außerdem schmutzanfällig, was aber gerade bei sportlicher Aktivität
unvermeidbar ist.
[0008] Von dieser Problemlösung ausgehend soll der eingangs beschriebene Aufrichtrollstuhl
verbessert werden.
[0009] Zur Problemlösung zeichnet sich ein gattungsgemäßer Aufrichtrollstuhl dadurch aus,
dass die hinteren Enden der Längsschienen einen Schlitz aufweisen, in dem die Rückenlehne
längsverschiebbar aufgenommen ist.
[0010] Durch diese Ausgestaltung ist die Sitztiefe des Aufrichtrollstuhls einstellbar. Eine
Schlitzführung ist sehr robust und wenig schmutzanfällig.
[0011] Wenn die Rückenlehne über Kulissensteine in den Schlitzen spürbar und fixierbar ist,
können geringe Toleranzen eingehalten werden. Die Kulissensteine bieten auch die Möglichkeit
einer stufenlosen Einstellung der Sitztiefe. Verkantungen der Rückenlehne sind ausgeschlossen,
so dass die Schwenkbarkeit von Sitzfläche und Rückenlehne auch unter rauen Bedingungen
sichergestellt ist. Vorzugsweise ist jeder Kulissenstein an einer Platte angeordnet,
die über Gelenke mit der Rückenlehne verbunden ist. Diese Platten können über einen
Gelenkgriff miteinander verbunden sein, so dass zum Einstellen der Rückenlehne die
beiden Griffe seitlich der Sitzfläche umfasst und mit ihrer Hilfe die Rückenlehne
in den Schlitzen verschoben werden kann.
[0012] Vorteilhaft ist es, wenn die Längsschienen mit parallel zu den Schlitzen angeordneten
Ausnehmungen versehen sind, die in zu den Schlitzen parallelen Ebenen angeordnet sind,
in die je ein mit der Rückenlehne in Verbindung stehender Rastbolzen eingreifen kann.
Die Rastbolzen können an den Griffelementen angeordnet sein. Die Ausnehmungen bieten
in Verbindung mit den Rastbolzen den Vorteil, dass die Rückenlehne vorfixiert wird,
bevor die Kulissensteine in den Schlitzen verschraubt werden. Sie bieten außerdem
den Vorteil, dass die Rücken Rückenlehne auch dann gehalten wird, wenn sich die Verschraubung
der Kulissensteine lockert.
[0013] Die Ausnehmungen sind vorzugsweise zueinander regelmäßig beabstandet, wodurch eine
Rasterung für die Rückenlehne realisierbar ist. Anstelle von Ausnehmungen können auch
Bohrungen vorgesehen sein.
[0014] An den hinteren Enden können die Längsschienen über eine Lasche miteinander gelenkig
verbunden sein.
[0015] Mit Hilfe einer Zeichnung sollen Ausführungsbeispiele der Erfindung nachfolgend näher
beschrieben werden:
[0016] Es zeigt:
- Figur 1
- einen Aufrichtrollstuhl in Seitenansicht;
- Figur 2
- die Aufrichteeinheit;
- Figur 3
- eine Teildarstellung der Verstellkinematik;
- Figur 4
- eine Teildarstellung der Rückansicht nach Figur 3;
- Figur 5
- den Schnitt entlang der Linie V-V nach Figur 3;
- Figur 6
- die Aufrichteeinheit in Seitenansicht.
[0017] Der Rollstuhl besteht aus dem Fahrgestell 29 mit der darauf befestigten Aufrichteeinheit
33, den Antriebsrädern 30 und den beiden lenkbaren Vorderrädern 31. Die Aufrichteeinheit
33 weist eine Sitzfläche 3, eine Rückenlehne 7 und eine Fußstütze 32 auf. Über einen
Aktuator 28 kann die Aufrichteeinheit 33 geschwenkt werden. Die Sitzfläche 3 gelangt
dazu in eine vertikale Lage. Die Rückenlehne 7 behält ihre vertikale Lage bei und
steht dann parallel zur Sitzfläche 3. Gleichzeitig mit dem Abkippen der Sitzfläche
3 wird die Fußstütze 32 abgesenkt und stützt sich in der gestreckten Position der
Aufrichteeinheit 33 auf dem Boden ab.
[0018] Unterhalb der Sitzfläche 3 sind zwei Längsschienen 1, 2 angeordnet. Die obere Längsschiene
1 ist fest mit der Sitzfläche 3 verbunden und weist einen vorderen Gelenkpunkt 10
und einen hinteren Gelenkpunkt 11 auf. Die untere Längsschiene 2 weist einen vorderen
Gelenkpunkt 12 und einen hinteren Gelenkpunkt 13 auf. Über die Gelenkpunkte 10, 12;
11, 13 sind die obere Längsschiene 1 und die untere Längsschiene 2 gelenkig miteinander
verbunden, wobei ein Gelenke-Parallelogramm ausgebildet ist. D. h., der Abstand C
der vorderen Gelenkpunkte 10, 12 ist identisch zu dem Abstand D der hinteren Gelenkpunkte
11, 13 und der Abstand A der Gelenkpunkte 10, 11 der oberen Längsschiene ist identisch
zum Abstand B der Gelenkpunkte 12, 13 der unteren Längsschiene 2.
[0019] Die Längsschienen 1, 2 weisen im hinteren Bereich einen Längsschlitz 1 a, 2a auf,
der umfangsseitig geschlossen ist. In den Schlitzen 1 a, 2a laufen Kulissensteine
5a, 6a (vgl. Figur 5), die jeweils an einer Platte 5, 6 befestigt sind. Über eine
Spannplatte 5b, 6b können die Kulissensteine 5a, 6a in den Schlitzen 1a, 2a festgesetzt
werden, bzw. die Platten 5, 6 gegenüber den Längsschienen 1, 2 verspannt werden. An
den Platten 5, 6 ist über die Gelenke 14, 15 die Rückenlehne 7, die eine Querstrebe
7a aufweist, gelenkig befestigt. Am gegenüberliegenden Ende der Platten 5, 6 ist eine
aus drei Teilen bestehende Griffeinheit 16 befestigt. An der Griffeinheit 16, die
gelenkig an den Platten 5, 6 befestigt ist, sind ein oberer Bolzen 9 und ein unterer
Bolzen 9' angeordnet. Die Bolzen 9, 9' wirken mit Ausnehmungen 1b, 2b zusammen, die
an der Oberseite der Längsschiene 1 bzw. der Unterseite der Längsschiene 2 vorgesehen
sind und dienen zur Verrastung der Rückenlehne 7 in Längsrichtung. Der Winkel, in
dem die miteinander wirksamen Ausnehmungen 1b, 2b (vgl. Figur 4) liegen, entspricht
dem Winkel der Strecke zwischen den Gelenkpunkten 10, 12 und 11, 13.
[0020] Zum Verstellen der Rückenlehne 7 und Einstellen der Sitztiefe X werden die Spannplatten
5b, 6b, die über die Verschraubung 5', 6' mit den Platten 5, 6 verspannt sind, gelöst,
die beiden Griffeinheiten 16 auseinander gezogen, so dass die Rastbolzen 9, 9' außer
Eingriff mit den Ausnehmungen 1b, 2b gelangen und die Rückenlehne 7 dann um den gewünschten
Betrag vor oder zurückgeschoben wird. Die Rastbolzen werden in die entsprechenden
Ausnehmungen 1 b, 2b eingeführt und die Verschraubung 5', 6' wieder angezogen.
[0021] Wie Figur 6 zeigt, können anstelle von regelmäßig beabstandeten Ausnehmungen 1b,
2b auch unterhalb der Schlitze verlaufende Bohrungen 1 c, 2c vorgesehen sein, in die
die Rastbolzen 9, 9' einschnappen können. Die Rückenlehne 7 kann zweiteilig sein und
über zwei Klemmschellen 17 mit der Aufrichteeinheit 33 verbunden sein. Eine solche
Ausgestaltung hat den Vorteil, dass die Rückenlehne 7 leicht und schnell abgenommen
werden kann, wenn der Aufrichterollstuhl z. B. in einem Kraftfahrzeug transportiert
werden soll.
[0022] Es ist auch möglich, dass die Sitztiefe X durch eine stufenlose Verstellbarkeit mit
der Rückenlehne eingestellt werden kann.
[0023] Der untere, mit den Platten 5, 6 gelenkig verbundene Teil der Rückenlehne 7 kann
einstückig mit der Rückenlehne 7 ausgebildet oder als Dreieckslenker 18 gestaltet
sein. Durch eine Änderung der Abstände D der Gelenkpunkte 11, 13 und B der Gelenkpunkte
12, 13 kann der Winkel α der Rückenlehne 7 relativ zur Sitzfläche 3 eingestellt werden.
An ihren hinteren Enden sind die Längsschienen 1, 2 über die Lasche 4 gelenkig miteinander
verbunden.
Bezugszeichenliste:
[0024]
- 1
- Längsschiene
- 1 a
- Schlitz/Längsschlitz
- 1 b
- Ausnehmung
- 1 c
- Loch/Bohrung
- 2
- Längsschiene
- 2a
- Schlitz/Längsschlitz
- 2b
- Ausnehmung
- 2c
- Loch/Bohrung
- 3
- Sitzfläche
- 4
- Lasche
- 5
- Platte
- 5a
- Kulissenstein
- 5b
- Spannplatte
- 5'
- Verschraubung
- 6
- Platte
- 6a
- Kulissenstein
- 6b
- Spannplatte
- 6'
- Verschraubung
- 7
- Rückenlehne
- 7a
- Querstrebe
- 9
- Rastbolzen
- 9'
- Rastbolzen
- 10
- Gelenk/Gelenkpunkt
- 11
- Gelenk/Gelenkpunkt
- 12
- Gelenk/Gelenkpunkt
- 13
- Gelenk/Gelenkpunkt
- 14
- Gelenkpunkt
- 15
- Gelenkpunkt
- 16
- Griffeinheit
- 17
- Klemmschelle
- 18
- Lenker
- 28
- Aktuator
- 29
- Fahrgestell
- 30
- Antriebsrad
- 31
- gelenktes Rad
- 32
- Fußstütze
- 33
- Aufrichteeinheit
1. Aufrichtrollstuhl mit einem Fahrgestell (29), an dem zwei Antriebsräder (30) und mindestens
ein lenkbares Rad (31) befestigt sind, auf dem weiterhin eine Aufrichteeinheit (33)
mit einer Sitzfläche (3), einer Rückenlehne (7) und mindestens einer Fußstütze (32)
schwenkbar angeordnet ist, wobei beidseitig unterhalb der Sitzfläche (3) eine obere
Längsschiene (1) und eine untere Längsschiene (2) angeordnet sind, die obere Längsschiene
(1) fest mit der Sitzfläche (3) verbunden ist und beide Längsschienen (1, 2) über
vier Gelenkpunkte (10, 11, 12, 13) in Verbindung stehen und mit ihren hinteren Enden
mit einer Rückenlehne (7) verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass die hinteren Enden der Längsschienen (1, 2) einen Schlitz (1a, 2a) aufweisen, in
dem die Rückenlehne (7) mit ihren unteren Enden längsverschiebbar aufgenommen ist.
2. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Rückenlehne (7) über Kulissensteine (5a, 6a) in den Schlitzen (1 a, 2a) geführt
ist und gegenüber den Längsschienen (1, 2) fixierbar ist.
3. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Kulissenstein (5a, 6a) an einer Platte (5, 6) angeordnet ist, die über ein
Gelenk (14, 15) mit der Rückenlehne (7) verbunden ist.
4. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Längsschienen (1, 2) mit Ausnehmungen (1b, 2b) versehen sind, die in zu den Schlitzen
(1a, 2a) parallelen Ebenen angeordnet sind, in die je ein mit der Rückenlehne (7)
in Verbindung stehender Rastbolzen (9, 9') eingreifen kann.
5. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Rastbolzen (9) an einer mehrteiligen Griffeinheit (16) angeordnet sind.
6. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Teile der Griffeinheit (16) gelenkig miteinander verbunden sind.
7. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Ausnehmungen (1 b, 2b) zueinander regelmäßig beabstandet sind.
8. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Längsschienen (1, 2) an ihren hinteren Enden über eine Lasche (4) miteinander
gelenkig verbunden sind.
9. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Längsschienen (1, 2) mit Bohrungen (1 c, 2c) versehen sind, die in zu den Schlitzen
(1a, 2a) parallelen Ebenen angeordnet sind, in die je ein mit der Rückenlehne (7)
in Verbindung stehender Rastbolzen (9, 9') eingreifen kann.
10. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Bohrungen 1 c, 2c zueinander regelmäßig beabstandet sind.
11. Aufrichtrollstuhl nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Rückenlehne (7) stufenlos verstellbar ist.