(19)
(11) EP 1 779 947 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
02.05.2007  Patentblatt  2007/18

(21) Anmeldenummer: 06025501.5

(22) Anmeldetag:  23.02.2001
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B22F 3/16(2006.01)
B22F 5/10(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 03.03.2000 AT 3492000

(62) Anmeldenummer der früheren Anmeldung nach Art. 76 EPÜ:
01890047.2 / 1129803

(71) Anmelder: Böhler-Uddeholm Aktiengesellschaft
1030 Wien (AT)

(72) Erfinder:
  • Wilmes, Siegfried, Dipl.-Ing.
    40670 Meerbusch (DE)

(74) Vertreter: Wildhack, Helmut et al
Patentanwälte Dipl.-Ing. Dr. Helmut Wildhack Dipl.-Ing. Dr.Gerhard Jellinek Landstrasser Hauptstrasse 50
1030 Wien
1030 Wien (AT)

 
Bemerkungen:
Diese Anmeldung ist am 09 - 12 - 2006 als Teilanmeldung zu der unter INID-Kode 62 erwähnten Anmeldung eingereicht worden.
 


(54) Pulvermetallurgisch hergestelltes Material mit verbesserter Isotropie der mechanischen Eigenschaften


(57) Die Erfindung umfasst ein pulvermetallurgisch hergeselltes Material mit rechteckigem oder flachelliptischem Querschnitt, sogenanntes Breit-Flach-Material mit einer Breite, die mindestens das 3,1-fache der Dicke beträgt und einen Verformungsgrad von mindestens 2-fach aufweist, insbesondere Vormaterial für die Herstellung von Schneid- und Stanzwerkzeugen, wobei ein mit Gas hergestelltes, vorzugsweise mit Stickstoff verdüstes Pulver einer Legierung in einer Kapsel eingebracht, verdichtet und diese gegebenenfalls nach einem Evakuieren verschlossen wird, wonach ein Erwärmen und isostatisches Pressen HIP-en) der Pulverkapsel erfolgen und der derart hergestellte, heißisostatisch gepresste Rohling durch Schmieden und/oder Walzen verformt ist.
Ein erfindungsgemäßes Material ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zähigkeit des Werkstoffes, gemessen in jeglicher Richtung, insbesondere in Dickenrichtung des Querschnittes des Materials, größer ist als jene des Werkstoffes im heißisostatisch gepressten, unverformten Zustand.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung umfasst ein pulvermetallurgisch hergestelltes Material mit rechteckigem oder flachelliptischem Querschnitt, sogenanntes Breit-Flach-Material mit einer Breite, die mindestens das 3,1-fache der Dicke beträgt und einen Verformungsgrad von mindestens 2-fach aufweist, insbesondere Vormaterial für die Herstellung von Schneid- und Stanzwerkzeugen, wobei ein mit Gas hergestelltes, vorzugsweise mit Stickstoff verdüstes Pulver einer Legierung in eine Kapsel eingebracht, verdichtet und diese gegebenenfalls nach einem Evakuieren verschlossen wird, wonach ein Erwärmen und isostatisches Pressen (HIP-en) der Pulverkapsel erfolgen und der derart hergestellte heißisostatisch gepresste Rohling durch Schmieden und/oder Walzen verformt ist.

[0002] Bei der Erstarrung von Legierungen treten zumeist Entmischungen auf, deren Ausgleich oder Auflösung durch Diffusion bei ledeburitischen Stählen nicht möglich ist. Die Größe der aus der Schmelze ausgeschiedenen Phasen bzw. Körner hängt dabei von der Bildungs- bzw. Erstarrungszeit ab.

[0003] In herkömmlich mittels Blockgusses hergestellten ledeburitischen Werkzeugstählen beispielsweise können im Gusszustand grobe, primäre Karbide und ein Karbidnetzwerk vorliegen. Werden diese Gussstücke oder Blöcke einer Warmumformung unterworfen, so werden die mechanischen Materialeigenschaften zwar verbessert, jedoch hängt das Ausmaß der Verbesserung von der Beanspruchungsrichtung ab. Es ist dabei durchaus möglich, dass mittels Schlagbiegeproben quer zur Verformungsrichtung lediglich 25% bis 30% der Schlagbiegearbeitswerte im Vergleich mit jenen, gemessen in Verformungsrichtung, ermittelt werden. Diese Richtungsabhängigkeit der Werkstoffzähigkeit lässt sich mit einer, auch mikroskopisch nachweisbaren, ausgeprägten Karbidzeilenstruktur im herkömmlich hergestellten Material erklären.

[0004] Um weitgehend isotrope, mechanische Materialeigenschaften zu erreichen, wurden Verfahren zur pulvermetallurgischen Herstellung von Werkstücken entwickelt. Dabei erfolgt eine Zerteilung eines flüssigen Metallstromes, insbesondere durch Gasströmungen mit hoher Geschwindigkeit und Energie, zu Tröpfchen, wonach die Tröpfchen in kurzer Zeit erstarren. In den einzelnen Pulverkörnern, mit einem Durchmesser in der Regel von kleiner als 0,3 mm, sind die gebildeten Gefügephasen der äußerst kurzen Erstarrungszeit wegen homogen verteilt und äußerst fein. Das derart erstellte Pulver wird sodann in eine Kapsel eingebracht, diese verschlossen und anschließend hoher Temperatur und hohem allseitigen Druck ausgesetzt, wobei sich die Pulverkörner metallisch verbinden bzw. das Pulver verschweißt oder sintert. Dieser Vorgang wird Heiß-Isostatisches Pressen (HIP-en) genannt.

[0005] Ein derart pulvermetallurgisch hergestelltes Material (PM-Material) kann unverformt eingesetzt oder zur Anhebung der mechanischen Eigenschaften verformt werden.

[0006] Bei Teilen aus karbidreichen Werkzeugstählen erwartet man durch die PM-Herstellung eine feine homogene Mikrostruktur, was durch Gefügebilder, die nahezu vollkommen gleichmäßig verteilte Karbide einheitlicher, geringer Größe zeigen, bestätigt wird, und aufgrund dieser Struktur keine nennenswerte Richtungsabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften im verformten Material. Wohl wurde über Zähigkeitsunterschiede des Werkstoffes in Verformungsrichtung und quer dazu berichtet, diese Unterschiede betragen aber höchstens 8% bis 20% und wurden bisher im Wesentlichen auf den nicht völlig vermeidbaren Gehalt an nichtmetallischen Einschlüssen und eine sogenannte Faserstruktur zurückgeführt.

[0007] Pulvermetallurgisch, aus verformtem Breit-Flach-Material hergestellte Schneid- und Stanzwerkzeuge, wie Matrizen, Stempel und dgl. mit rechteckiger, flacher Querschnittsform zeigten im praktischen Einsatz teilweise nur eine geringe Lebensdauer; es traten völlig unerwartet Schadensfälle durch Werkzeugbrüche auf.

[0008] Umfangreiche Untersuchungen der mechanischen Eigenschaften, insbesondere der Hauptbeanspruchung entsprechend die der Schlagzähigkeit des Materials, erfolgten an sogenannten Breit-Flach-Stäben. Dabei wurden die Proben dem Stab in Längs-, Quer- und Dickenrichtung entnommen und die jeweils richtungsorientierten Proben mit um 90° zueinander versetzten, brucherzeugenden Schlägen geprüft. Die Bezeichnung und die Lage der Proben sind nachfolgender Tabelle und Fig. 1 zu entnehmen. Es bedeuten:

L-S Probe in Längsrichtung, Schlag auf die Flachseite in Dickenrichtung

L-T Probe in Längsrichtung, Schlag auf die Schmalseite in Breitenrichtung

T-L Probe in Breitenrichtung, Schlag auf die Stirnseite in Längsrichtung

T-S Probe in Breitenrichtung, Schlag auf die Flachseite in Dickenrichtung

S-L Probe in Dickenrichtung, Schlag auf die Stirnseite in Längsrichtung

S-T Probe in Dickenrichtung, Schlag auf die Schmalseite in Breitenrichtung



[0009] Untersuchungen an Breit-Flach-Material (380 x 55 mm) aus PM-Schnellarbeitsstahl (HS 6-5-3) brachten folgendes Ergebnis in % im Vergleich mit der Schlagarbeit bei L-S-Erprobung:

L-S 100%

L-T 100%

T-S 80%

T-L 80%

S-T 25%

S-L 25%



[0010] Die äußerst geringe Biegebruchzähigkeit von pulvermetallurgisch hergestelltem Breit-Flach-Material in Dickenrichtung war für die Fachwelt vollkommen unerwartet und unbekannt, erklärten aber die vorher erwähnten Werkzeugbrüche. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde ein sogenanntes Fasermodell entwickelt, dessen Wirksamkeit auf Bindungsfehlern und Entmischungen an der Grenzfläche der verdüsten und verformten Partikel beruht.

[0011] Dem entgegen steht jedoch eine absolute Gleichförmigkeit und Reinheit des Vormaterials aus dem Verdüsungs- und HIP-Prozess, welches eine Faserstruktur nicht erwarten und - bei der in der Regel dunkel geätzten Matrix zur Darstellung der Karbidanordnung und Karbidgröße - nicht erkennen lässt.

[0012] Bei weiteren mikroskopischen Erprobungen wurden Gefügebereiche mit unterschiedlicher Anätzung im Vergleich mit den übrigen Bereichen des Materials gefunden, die die Fasertheorie stützen. Ein Gefüge mit groben, dem Verformungsprozess angepassten Körnern war aber metallographisch nicht nachweisbar.

[0013] Es ist nun Aufgabe der Erfindung, einen pulvermetallurgisch hergestellten Gegenstand als Breit-Flach-Material zu schaffen, aus welchem Schneid- und Stanzwerkzeuge wie Stempel und dgl. mit hoher Werkzeugstandzeit herstellbar sind.

[0014] Die erfindungsgemäße Aufgabe, einen vorteilhafte Gebrauchseigenschaften aufweisenden Gegenstand der vorgenannten Art anzugeben, wird dadurch gelöst, dass die Zähigkeit des durch Schmieden und/oder Walzen aus dem PM-Rohling hergestellten Werkstoffes, gemessen in jeglicher Richtung, insbesondere in Dickenrichtung des Querschnittes des Materials, größer ist als jene des Werkstoffes im heißisostatisch gepressten, unverformten Zustand.

[0015] Hergestellt kann ein verformtes Material mit einer derart rechteckigen oder flachelliptischen Querschnittsform dadurch, dass bei der Umformung der Unterschied zwischen der Verformung in Richtung der Breite und der Verformung in Dickenrichtung des Querschnittes des Breit-Flach-Materials höchstens das 2-fache des niedrigeren Verformungswertes beträgt.

[0016] Weites kann das erfindungsgemäße Breit-Flach-Material auch dadurch geschaffen werden, wenn der heißisostatisch gepresste Rohling in Richtung der Längserstreckung einer Stauchumformung mit einem mindestens 2-fachen Stauchgrad unterworfen wird, wonach eine Reckumformung des gestauchten Rohlings erfolgt.

[0017] Ein weiterer Weg zum Erreichen des eingangs genannten Breit-Flach-Materials besteht darin, dass der heißisostatisch gepresste Rohling einer Diffusionsglühbehandlung mit einer höchsten Temperatur von 20°C unterhalb der Solidustemperatur der Legierung und einer Mindestglühdauer von 4 Stunden unterworfen wird, wonach dieser durch Reckumformung zu einem Breit-Flach-Material geschmiedet und/oder gewalzt wird.

[0018] Der Vorteil des erfindungsgemäßen PM-Materials ist insbesondere darin zu sehen, dass die Wirksamkeit der die Zähigkeitseigenschaften nachteilig beeinflussenden Bereiche im Werkstoff herabgesetzt sind. Das Entstehen dieser Bereiche ist wissenschaftlich noch nicht geklärt, auch warum diese Zonen im Werkstoff die mechanischen Eigenschaften nachteilig beeinflussen, kann mit Sicherheit noch nicht gedeutet werden, weil in diesen Bereichen oder Zonen, die in einer Schlifferprobung dunkler angeätzt werden, eine eher feinere, globulitische Karbidstruktur vorliegt.

[0019] Der anwendungstechnische Vorteil des derartig erstellten Materials ist dadurch begründet, dass daraus gefertigte Werkzeuge weniger kerbempfindlich sind und dadurch wesentlich höhere Spannungen und stoßartige Belastungen ertragen. So wurden beispielsweise aus der Stirnseite eines PM-Breit-Flach-Materials herkömmlicher Herstellung und einem erfindungsgemäßen Breit-Flach-Werkstoff Warmpressmatrizen gefertigt und im praktischen Einsatz erprobt. Die Sandzeit des Werkzeuges aus herkömmlichem Material war äußerst gering. Es erfolgte nach 33 stoßartigen Pressungen ein Abbrechen eines vorspringenden Profilteiles, wobei keinerlei sonstiger Verschleiß oder Abrieb festzustellen war. Die gleicher Art für das gleiche Produkt erstellte Matrize aus erfindungsgemäßen durch ähnliche Materialsverformungen in Breiten- und Dickenrichtung erstellten Breit-Flach-Material erbrachte über 3000 Pressungen, wonach das Werkzeug wegen abrasiven Verschleißes ausgeschieden wurde.

[0020] Im Folgenden soll die Erfindung anhand von Beispielen aus Materialerprobungen dargelegt werden.

[0021] Aus einer Schmelze mit einer Zusammensetzung in Gew.-% von
C = 1,3, Si = 0,63, Mn = 0,24, S = 0,013, P = 0,019, Cr = 3,83, O=4,87, W = 6,11, V = 3,03, Co = 0,40, Cu = 0,013, Sn = 0,011 wurde, nach dem Gaszerstäubungsverfahren mit Stickstoff, Pulver mit einer mittleren Korngröße von 0,09 mm gefertigt.

[0022] Vormaterial mit dem Format 550 mm2 und 800 x 220 mm wurde nach dem HIP-Verfahren hergestellt, worauf einerseits eine direkte Verformung eines Quadrat- und Rechteckmaterials zu einem Stabquerschnitt von 550 x 100 mm erfolgte. Ein weiteres, quadratisches Vormaterial wurde vor der Verformung bei einer Temperatur von 30°C unterhalb der im Heiztischmikroskop festgestellten Solidustemperatur der Legierung 43 Stunden geglüht. Schließlich erfolgte an einem heißisostatisch gepressten Rohling vor der Verformung auf das Querschnittsformat 550 x 100 mm ein Stauchen auf 48% der ursprünglichen Höhe. Zu Vergleichszwecken wurde ein heißisostatisch gepresstes, unverformtes Material bereitgestellt.

[0023] Aus allen derartig erstellen Breit-Flach-Materialien wurden Proben gemäß der in Fig. 1 gezeigten Lage entnommen und auf eine Härte von 55 bis 63 HRC vergütet. Es wurden, wie für harte Werkzeugstähle üblich, ungekerbte Schlagproben mit den Maßen 7 x 10 x 55 mm verwendet. Bei der Kennzeichnung gibt der erste Buchstabe die Probenlage im Material an. Der zweite Buchstabe zeigt die durch einen Pfeil gekennzeichnete Schlagrichtung. Die Erprobung der Kerbschlagarbeitswerte der Materialien erbrachte die in Fig. 2 bis Fig. 5 dargestellten Ergebnisse, wobei die Erprobungswerte K in Längsrichtung der Verformung jeweils mit 100% dargestellt sind.
Fig. 2
betrifft ein Breit-Flach-Material, hergestellt aus einem Block 550 mm ∅.
Fig. 3
betrifft Material A, hergestellt nach einem Verfahren, wonach ein HIP-Rohling mit einer derart rechteckigen oder flachelliptischen Querschnittsform erstellt und einer Umformung unterworfen wird, dass bei dieser der Unterschied zwischen der Verformung in Richtung der Breite und der Verformung in Dickenrichtung des Querschnittes des Breit-Flach-Materials höchstens das 2-fache des niedrigeren Verformungswertes beträgt.
Fig. 4
betrifft Material B, hergestellt nach einem Verfahren, wonach der heißisostatisch gepresste Rohling in Richtung der Längserstreckung einer Stauchumformung mit einem mindestens 2-fachen Stauchgrad unterworfen wird, wonach eine Reckumformung des gestauchten Rohlings unter Ausformung des Breit-Flach-Materials erfolgt.
Fig. 5
betrifft Material C, hergestellt nach einem Verfahren, wonach der heißisostatisch gepresst Rohling einer Diffusionsglühbehandlung mit einer höchsten Temperatur von 20°C unterhalb der Solidustemperatur der Legierung und eine Mindestglühdauer von 4 Stunden unterworfen wird, wonach dieser durch Reckumformung zu einem Breit-Flach-Material geschmiedet und/oder gewalzt wird.


[0024] Die Prüfwerte T-S und T-L sowie S-T und S-L liegen durchwegs im gleichen Streubereich, so dass in Fig. 2 bis Fig. 5 nur eine Größe bzw. ein Wert berücksichtigt ist.

[0025] In den Darstellungen bedeuten weiter: S-TU die Zähigkeit der gehipten, unverformten Probe in Dickenrichtung und S-TK die Zähigkeit eines konventionell hergestellten Breit-Flach-Materials in Dickenrichtung.


Ansprüche

1. Pulvermetallurgisch hergestelltes Material mit rechteckigem oder flachelliptischem Querschnitt, sogenanntes Breit-Flach-Material mit einer Breite, die mindestens das 3,1-fache der Dicke beträgt und einen Verformungsgrad von mindestens 2-fach aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Zähigkeit des Werkstoffes, ermittelt durch Schlagbiegeversuche, gemessen in jeglicher Richtung, insbesondere in Dickenrichtung des Querschnittes des Materials, größer ist als jene des Werkstoffes im heißisostatisch gepressten, unverformten Zustand.
 




Zeichnung













Recherchenbericht