[0001] Die Erfindung umfasst ein pulvermetallurgisch hergestelltes Material mit rechteckigem
oder flachelliptischem Querschnitt, sogenanntes Breit-Flach-Material mit einer Breite,
die mindestens das 3,1-fache der Dicke beträgt und einen Verformungsgrad von mindestens
2-fach aufweist, insbesondere Vormaterial für die Herstellung von Schneid- und Stanzwerkzeugen,
wobei ein mit Gas hergestelltes, vorzugsweise mit Stickstoff verdüstes Pulver einer
Legierung in eine Kapsel eingebracht, verdichtet und diese gegebenenfalls nach einem
Evakuieren verschlossen wird, wonach ein Erwärmen und isostatisches Pressen (HIP-en)
der Pulverkapsel erfolgen und der derart hergestellte heißisostatisch gepresste Rohling
durch Schmieden und/oder Walzen verformt ist.
[0002] Bei der Erstarrung von Legierungen treten zumeist Entmischungen auf, deren Ausgleich
oder Auflösung durch Diffusion bei ledeburitischen Stählen nicht möglich ist. Die
Größe der aus der Schmelze ausgeschiedenen Phasen bzw. Körner hängt dabei von der
Bildungs- bzw. Erstarrungszeit ab.
[0003] In herkömmlich mittels Blockgusses hergestellten ledeburitischen Werkzeugstählen
beispielsweise können im Gusszustand grobe, primäre Karbide und ein Karbidnetzwerk
vorliegen. Werden diese Gussstücke oder Blöcke einer Warmumformung unterworfen, so
werden die mechanischen Materialeigenschaften zwar verbessert, jedoch hängt das Ausmaß
der Verbesserung von der Beanspruchungsrichtung ab. Es ist dabei durchaus möglich,
dass mittels Schlagbiegeproben quer zur Verformungsrichtung lediglich 25% bis 30%
der Schlagbiegearbeitswerte im Vergleich mit jenen, gemessen in Verformungsrichtung,
ermittelt werden. Diese Richtungsabhängigkeit der Werkstoffzähigkeit lässt sich mit
einer, auch mikroskopisch nachweisbaren, ausgeprägten Karbidzeilenstruktur im herkömmlich
hergestellten Material erklären.
[0004] Um weitgehend isotrope, mechanische Materialeigenschaften zu erreichen, wurden Verfahren
zur pulvermetallurgischen Herstellung von Werkstücken entwickelt. Dabei erfolgt eine
Zerteilung eines flüssigen Metallstromes, insbesondere durch Gasströmungen mit hoher
Geschwindigkeit und Energie, zu Tröpfchen, wonach die Tröpfchen in kurzer Zeit erstarren.
In den einzelnen Pulverkörnern, mit einem Durchmesser in der Regel von kleiner als
0,3 mm, sind die gebildeten Gefügephasen der äußerst kurzen Erstarrungszeit wegen
homogen verteilt und äußerst fein. Das derart erstellte Pulver wird sodann in eine
Kapsel eingebracht, diese verschlossen und anschließend hoher Temperatur und hohem
allseitigen Druck ausgesetzt, wobei sich die Pulverkörner metallisch verbinden bzw.
das Pulver verschweißt oder sintert. Dieser Vorgang wird Heiß-Isostatisches Pressen
(HIP-en) genannt.
[0005] Ein derart pulvermetallurgisch hergestelltes Material (PM-Material) kann unverformt
eingesetzt oder zur Anhebung der mechanischen Eigenschaften verformt werden.
[0006] Bei Teilen aus karbidreichen Werkzeugstählen erwartet man durch die PM-Herstellung
eine feine homogene Mikrostruktur, was durch Gefügebilder, die nahezu vollkommen gleichmäßig
verteilte Karbide einheitlicher, geringer Größe zeigen, bestätigt wird, und aufgrund
dieser Struktur keine nennenswerte Richtungsabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften
im verformten Material. Wohl wurde über Zähigkeitsunterschiede des Werkstoffes in
Verformungsrichtung und quer dazu berichtet, diese Unterschiede betragen aber höchstens
8% bis 20% und wurden bisher im Wesentlichen auf den nicht völlig vermeidbaren Gehalt
an nichtmetallischen Einschlüssen und eine sogenannte Faserstruktur zurückgeführt.
[0007] Pulvermetallurgisch, aus verformtem Breit-Flach-Material hergestellte Schneid- und
Stanzwerkzeuge, wie Matrizen, Stempel und dgl. mit rechteckiger, flacher Querschnittsform
zeigten im praktischen Einsatz teilweise nur eine geringe Lebensdauer; es traten völlig
unerwartet Schadensfälle durch Werkzeugbrüche auf.
[0008] Umfangreiche Untersuchungen der mechanischen Eigenschaften, insbesondere der Hauptbeanspruchung
entsprechend die der Schlagzähigkeit des Materials, erfolgten an sogenannten Breit-Flach-Stäben.
Dabei wurden die Proben dem Stab in Längs-, Quer- und Dickenrichtung entnommen und
die jeweils richtungsorientierten Proben mit um 90° zueinander versetzten, brucherzeugenden
Schlägen geprüft. Die Bezeichnung und die Lage der Proben sind nachfolgender Tabelle
und Fig. 1 zu entnehmen. Es bedeuten:
L-S Probe in Längsrichtung, Schlag auf die Flachseite in Dickenrichtung
L-T Probe in Längsrichtung, Schlag auf die Schmalseite in Breitenrichtung
T-L Probe in Breitenrichtung, Schlag auf die Stirnseite in Längsrichtung
T-S Probe in Breitenrichtung, Schlag auf die Flachseite in Dickenrichtung
S-L Probe in Dickenrichtung, Schlag auf die Stirnseite in Längsrichtung
S-T Probe in Dickenrichtung, Schlag auf die Schmalseite in Breitenrichtung
[0009] Untersuchungen an Breit-Flach-Material (380 x 55 mm) aus PM-Schnellarbeitsstahl (HS
6-5-3) brachten folgendes Ergebnis in % im Vergleich mit der Schlagarbeit bei L-S-Erprobung:
L-S 100%
L-T 100%
T-S 80%
T-L 80%
S-T 25%
S-L 25%
[0010] Die äußerst geringe Biegebruchzähigkeit von pulvermetallurgisch hergestelltem Breit-Flach-Material
in Dickenrichtung war für die Fachwelt vollkommen unerwartet und unbekannt, erklärten
aber die vorher erwähnten Werkzeugbrüche. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde
ein sogenanntes Fasermodell entwickelt, dessen Wirksamkeit auf Bindungsfehlern und
Entmischungen an der Grenzfläche der verdüsten und verformten Partikel beruht.
[0011] Dem entgegen steht jedoch eine absolute Gleichförmigkeit und Reinheit des Vormaterials
aus dem Verdüsungs- und HIP-Prozess, welches eine Faserstruktur nicht erwarten und
- bei der in der Regel dunkel geätzten Matrix zur Darstellung der Karbidanordnung
und Karbidgröße - nicht erkennen lässt.
[0012] Bei weiteren mikroskopischen Erprobungen wurden Gefügebereiche mit unterschiedlicher
Anätzung im Vergleich mit den übrigen Bereichen des Materials gefunden, die die Fasertheorie
stützen. Ein Gefüge mit groben, dem Verformungsprozess angepassten Körnern war aber
metallographisch nicht nachweisbar.
[0013] Es ist nun Aufgabe der Erfindung, einen pulvermetallurgisch hergestellten Gegenstand
als Breit-Flach-Material zu schaffen, aus welchem Schneid- und Stanzwerkzeuge wie
Stempel und dgl. mit hoher Werkzeugstandzeit herstellbar sind.
[0014] Die erfindungsgemäße Aufgabe, einen vorteilhafte Gebrauchseigenschaften aufweisenden
Gegenstand der vorgenannten Art anzugeben, wird dadurch gelöst, dass die Zähigkeit
des durch Schmieden und/oder Walzen aus dem PM-Rohling hergestellten Werkstoffes,
gemessen in jeglicher Richtung, insbesondere in Dickenrichtung des Querschnittes des
Materials, größer ist als jene des Werkstoffes im heißisostatisch gepressten, unverformten
Zustand.
[0015] Hergestellt kann ein verformtes Material mit einer derart rechteckigen oder flachelliptischen
Querschnittsform dadurch, dass bei der Umformung der Unterschied zwischen der Verformung
in Richtung der Breite und der Verformung in Dickenrichtung des Querschnittes des
Breit-Flach-Materials höchstens das 2-fache des niedrigeren Verformungswertes beträgt.
[0016] Weites kann das erfindungsgemäße Breit-Flach-Material auch dadurch geschaffen werden,
wenn der heißisostatisch gepresste Rohling in Richtung der Längserstreckung einer
Stauchumformung mit einem mindestens 2-fachen Stauchgrad unterworfen wird, wonach
eine Reckumformung des gestauchten Rohlings erfolgt.
[0017] Ein weiterer Weg zum Erreichen des eingangs genannten Breit-Flach-Materials besteht
darin, dass der heißisostatisch gepresste Rohling einer Diffusionsglühbehandlung mit
einer höchsten Temperatur von 20°C unterhalb der Solidustemperatur der Legierung und
einer Mindestglühdauer von 4 Stunden unterworfen wird, wonach dieser durch Reckumformung
zu einem Breit-Flach-Material geschmiedet und/oder gewalzt wird.
[0018] Der Vorteil des erfindungsgemäßen PM-Materials ist insbesondere darin zu sehen, dass
die Wirksamkeit der die Zähigkeitseigenschaften nachteilig beeinflussenden Bereiche
im Werkstoff herabgesetzt sind. Das Entstehen dieser Bereiche ist wissenschaftlich
noch nicht geklärt, auch warum diese Zonen im Werkstoff die mechanischen Eigenschaften
nachteilig beeinflussen, kann mit Sicherheit noch nicht gedeutet werden, weil in diesen
Bereichen oder Zonen, die in einer Schlifferprobung dunkler angeätzt werden, eine
eher feinere, globulitische Karbidstruktur vorliegt.
[0019] Der anwendungstechnische Vorteil des derartig erstellten Materials ist dadurch begründet,
dass daraus gefertigte Werkzeuge weniger kerbempfindlich sind und dadurch wesentlich
höhere Spannungen und stoßartige Belastungen ertragen. So wurden beispielsweise aus
der Stirnseite eines PM-Breit-Flach-Materials herkömmlicher Herstellung und einem
erfindungsgemäßen Breit-Flach-Werkstoff Warmpressmatrizen gefertigt und im praktischen
Einsatz erprobt. Die Sandzeit des Werkzeuges aus herkömmlichem Material war äußerst
gering. Es erfolgte nach 33 stoßartigen Pressungen ein Abbrechen eines vorspringenden
Profilteiles, wobei keinerlei sonstiger Verschleiß oder Abrieb festzustellen war.
Die gleicher Art für das gleiche Produkt erstellte Matrize aus erfindungsgemäßen durch
ähnliche Materialsverformungen in Breiten- und Dickenrichtung erstellten Breit-Flach-Material
erbrachte über 3000 Pressungen, wonach das Werkzeug wegen abrasiven Verschleißes ausgeschieden
wurde.
[0020] Im Folgenden soll die Erfindung anhand von Beispielen aus Materialerprobungen dargelegt
werden.
[0021] Aus einer Schmelze mit einer Zusammensetzung in Gew.-% von
C = 1,3, Si = 0,63, Mn = 0,24, S = 0,013, P = 0,019, Cr = 3,83, O=4,87, W = 6,11,
V = 3,03, Co = 0,40, Cu = 0,013, Sn = 0,011 wurde, nach dem Gaszerstäubungsverfahren
mit Stickstoff, Pulver mit einer mittleren Korngröße von 0,09 mm gefertigt.
[0022] Vormaterial mit dem Format 550 mm
2 und 800 x 220 mm wurde nach dem HIP-Verfahren hergestellt, worauf einerseits eine
direkte Verformung eines Quadrat- und Rechteckmaterials zu einem Stabquerschnitt von
550 x 100 mm erfolgte. Ein weiteres, quadratisches Vormaterial wurde vor der Verformung
bei einer Temperatur von 30°C unterhalb der im Heiztischmikroskop festgestellten Solidustemperatur
der Legierung 43 Stunden geglüht. Schließlich erfolgte an einem heißisostatisch gepressten
Rohling vor der Verformung auf das Querschnittsformat 550 x 100 mm ein Stauchen auf
48% der ursprünglichen Höhe. Zu Vergleichszwecken wurde ein heißisostatisch gepresstes,
unverformtes Material bereitgestellt.
[0023] Aus allen derartig erstellen Breit-Flach-Materialien wurden Proben gemäß der in Fig.
1 gezeigten Lage entnommen und auf eine Härte von 55 bis 63 HRC vergütet. Es wurden,
wie für harte Werkzeugstähle üblich, ungekerbte Schlagproben mit den Maßen 7 x 10
x 55 mm verwendet. Bei der Kennzeichnung gibt der erste Buchstabe die Probenlage im
Material an. Der zweite Buchstabe zeigt die durch einen Pfeil gekennzeichnete Schlagrichtung.
Die Erprobung der Kerbschlagarbeitswerte der Materialien erbrachte die in Fig. 2 bis
Fig. 5 dargestellten Ergebnisse, wobei die Erprobungswerte K in Längsrichtung der
Verformung jeweils mit 100% dargestellt sind.
- Fig. 2
- betrifft ein Breit-Flach-Material, hergestellt aus einem Block 550 mm ∅.
- Fig. 3
- betrifft Material A, hergestellt nach einem Verfahren, wonach ein HIP-Rohling mit
einer derart rechteckigen oder flachelliptischen Querschnittsform erstellt und einer
Umformung unterworfen wird, dass bei dieser der Unterschied zwischen der Verformung
in Richtung der Breite und der Verformung in Dickenrichtung des Querschnittes des
Breit-Flach-Materials höchstens das 2-fache des niedrigeren Verformungswertes beträgt.
- Fig. 4
- betrifft Material B, hergestellt nach einem Verfahren, wonach der heißisostatisch
gepresste Rohling in Richtung der Längserstreckung einer Stauchumformung mit einem
mindestens 2-fachen Stauchgrad unterworfen wird, wonach eine Reckumformung des gestauchten
Rohlings unter Ausformung des Breit-Flach-Materials erfolgt.
- Fig. 5
- betrifft Material C, hergestellt nach einem Verfahren, wonach der heißisostatisch
gepresst Rohling einer Diffusionsglühbehandlung mit einer höchsten Temperatur von
20°C unterhalb der Solidustemperatur der Legierung und eine Mindestglühdauer von 4
Stunden unterworfen wird, wonach dieser durch Reckumformung zu einem Breit-Flach-Material
geschmiedet und/oder gewalzt wird.
[0024] Die Prüfwerte T-S und T-L sowie S-T und S-L liegen durchwegs im gleichen Streubereich,
so dass in Fig. 2 bis Fig. 5 nur eine Größe bzw. ein Wert berücksichtigt ist.
[0025] In den Darstellungen bedeuten weiter: S-T
U die Zähigkeit der gehipten, unverformten Probe in Dickenrichtung und S-T
K die Zähigkeit eines konventionell hergestellten Breit-Flach-Materials in Dickenrichtung.