[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Einstellen einer Hörhilfevorrichtung
durch Verstärken eines Anteils eines Eingangssignalspektrums bei einer bestimmten
Frequenz.
[0002] Dem Ansatz der Frequenzkompression, die sogenannte Frequenztransposition, die hohe
Frequenzen im tieferfrequenten Bereich abbildet, wird ein hohes Potential zugesprochen,
insbesondere für hochgradige Hörverluste oder aber die Erstversorgung bei Kindern.
Algorithmen dieser Art sind bereits in einigen am Markt befindlichen Hörgeräten implementiert.
[0003] Da jedoch das bekannte Klangbild durch die Frequenzkompression häufig stark verfälscht
wird, werden derartige therapeutische Ansätze mit Hörhilfen häufig abgelehnt oder
erfordern ein hohes Maß an Nachsorge durch den betreuten Audiologen oder Hörgeräteakustiker.
In diesem Fall wird der Grad der Frequenztransposition in den einzelnen Sitzungen
sukzessive erhöht, bis ein definierter Endwert erreicht ist.
[0004] In jeder Einzelsitzung muss der Audiologe beziehungsweise Hörgeräteakustiker die
im Rahmen der Hörgeräteversorgung verwendeten Algorithmen neu parametrisieren. Dies
stellt auch für den Patienten eine unkomfortable Prozedur dar.
[0005] Aus den Druckschriften
DE 195 42 961 C1,
DE 100 21 985 A1 und
EP 1 363 473 A2 sind jeweils Hörgeräte mit zeitlich gesteuerter Anpassung bekannt. Dabei werden insbesondere
die Parameter Gesamtlautstärke, Lautstärke in einzelnen Frequenzbereichen, Dynamik
der Verstärkung, Frequenzgang und Intensität der Störgeräuschbefreiung zeitlich geändert.
[0006] Weiterhin offenbart die Druckschrift
DE 42 17 629 A1 ein Hörgerät mit einem Mittel zur elektronischen Einstellung wenigstens eines Übertragungsparameters
in dem Signalweg. Um die Erkennbarkeit des jeweils gewählten Übertragungsparameters
zu verbessern, wird ein vorzugsweise akustisches Signal abgegeben, das für jeden elektronisch
eingestellten Übertragungsparameter charakteristisch ist. Als Übertragungsparameter
wird die Lautstärke erwähnt.
[0007] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, das Einstellen einer
Hörhilfevorrichtung, beziehungsweise die Hörgeräteanpassung für den Patienten komfortabler
zu gestalten.
[0008] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Einstellen einer
Hörhilfevorrichtung, durch Verstärken eines Anteils eines Eingangssignalspektrums
bei einer ersten Frequenz und automatisches Verschieben des Anteils des Eingangssignalsspektrum,
der verstärkt werden soll, von der ersten Frequenz zu einer zweiten Frequenz in Abhängigkeit
von der Zeit.
[0009] Darüber hinaus wird erfindungsgemäß bereitgestellt eine Hörhilfevorrichtung mit einer
Verstärkungseinrichtung zum Verstärken eines Anteils eines Eingangssignalspektrums
bei einer ersten Frequenz, und einer Zeitsteuereinrichtung zum Ansteuern der Verstärkungseinrichtung
derart, dass der Anteil des Eingangsspektrums, der verstärkt werden soll, automatisch
von der ersten Frequenz zu einer zweiten Frequenz in Abhängigkeit von der Zeit verschoben
wird.
[0010] Durch das erfindungsgemäße zeitlich-adaptive Nachregeln der Stärke der Frequenztransposition
ergeben sich zwei Vorteile. Einerseits kann eine hohe Spontanakzeptanz des Hörsystems
durch ein zwischen zwei Adaptionsschritten nahezu unverfälschtes Klangbild des Hörsystems
erreicht werden. Andererseits kann aber auch der Lern- und Akklimatisationsprozess
seitens des Hörgeschädigten an die neuen Frequenzmuster unterstützt werden.
[0011] Vorzugsweise wird zumindest ein Teil des Eingangssignalspektrums automatisch in Abhängigkeit
von der Zeit fortschreitend komprimiert. Damit ist es möglich, in kurzen Zeitabständen
komfortabel eine neue Frequenzkompression beispielsweise im Rahmen einer Hörgeräteanpassung
durchzuführen.
[0012] Bei der Verschiebung eines Anteils des Eingangssignalspektrums kann der Verstärkungswert
für diesen Anteil des Eingangssignalspektrums von der Frequenzverschiebung unberührt
bleiben. Dies bedeutet, dass die Verstärkung nach der Frequenzverschiebung die Gleiche
ist wie zuvor. Damit können Verstärkungsverhältnisse von Spektralanteilen auch nach
der Frequenzverschiebung beibehalten werden.
[0013] Das Verschieben kann darüber hinaus in mehreren Zeitschritten bis zu einem vorgegebenen
Endwert erfolgen. Dabei können die Zeitschritte und damit auch die Verschiebungsschritte
so klein gewählt werden, dass sie der Nutzer kaum wahrnimmt und somit eine quasi kontinuierliche
Verschiebung stattfindet.
[0014] Vorteilhafterweise erfolgt das Verschieben des Anteils des Eingangsignalspektrums
bandweise. Damit ist es nicht notwendig, dass zu einem Zeitpunkt das gesamte Spektrum
komprimiert wird, sondern es können vielmehr einzelne Bänder nacheinander verschoben
werden, so dass dies dem Nutzer weniger auffällt.
[0015] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- einen Verstärkungsverlauf für mehrere Frequenzbänder;
- FIG 2
- den Verstärkungsverlauf von FIG 1 nach einem ersten Kompressionsschritt und
- FIG 3
- den Verstärkungsverlauf von FIG 1 nach einem zweiten Kompressionsschritt
[0016] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen
der vorliegenden Erfindung dar.
[0017] In FIG 1 ist ein Verstärkungsverlauf für verschiedene Frequenzen f1 bis f6 dargestellt.
Jede dieser Frequenzen f1 bis f6 kann auch ein Frequenzband repräsentieren. Darüber
hinaus ist jeder dieser Frequenzen beziehungsweise jedem dieser Frequenzbänder ein
Verstärkungswert g1 bis g6 zugeordnet. Der Einfachheit halber nimmt hier die Verstärkung
mit der Frequenz linear zu.
[0018] Der Verstärkungsverlauf von FIG 1 wird zum Zeitpunkt TO in dem Hörsystem implementiert.
[0019] Da der Patient beispielsweise nur Schall unterhalb der Grenzfrequenz fg wahrnehmen
kann, wird er die hochfrequenten Anteile f4, f5 und f6 nicht hören können. Aus diesem
Grund wird eine Frequenzkompression durchgeführt, wodurch sämtliche Spektralanteile
unter die Hörgrenze fg geschoben werden.
[0020] Da der Patient vor dem Einsatz des Hörgeräts nur gewohnt ist, die Frequenzen f1 bis
f3 zu hören, ist es hinsichtlich der Akzeptanz günstig, ihm auch mit dem Hörgerät
zunächst nur diese Frequenzen gegebenenfalls verstärkt darzubieten. Diese Erstanpassung
findet beim Audiologen oder Hörgeräteakustiker zum Zeitpunkt TO statt. Erfindungsgemäß
soll nun eine zeitliche Adaption hinsichtlich einer Frequenztransposition beziehungsweise
Frequenzkompression durchgeführt werden. Ziel ist es, sämtliche Frequenzen beziehungsweise
Frequenzbänder f1 bis f6 in den Bereich unterhalb von fg abzubilden.
[0021] Die Kompression wird automatisch in mehreren Zeitschritten durchgeführt. Ein erster
Kompressionsschritt findet zum Zeitpunkt T1 statt. Der daraus resultierende Verstärkungsverlauf
ist in FIG 2 angedeutet. Demnach wird die Frequenz f1 auf die Frequenz f1', die Frequenz
f2 auf die Frequenz f2'und so weiter abgebildet. Die Frequenzen werden demnach entsprechend
einer wählbaren Vorschrift in den hörbaren Bereich geschoben. Der Verstärkungswert
g1 bis g6 wird für jede Frequenz beibehalten.
[0022] Ab dem Zeitpunkt T1 ist der Patient nun in der Lage, Töne und Geräusche wahrzunehmen,
die ursprünglich außerhalb seines Hörbereichs lagen. Beispielsweise bekommt er Schall,
der tatsächlich mit der Frequenz f4 vorliegt, nun mit der Frequenz f4' dargeboten,
die er hört, denn sie liegt unterhalb der Grenzfrequenz fg.
[0023] In einem zweiten Kompressionsschritt werden nun sämtliche Frequenzen f1 bis f6 in
den Bereich unterhalb der Grenzfrequenz fg abgebildet, so dass sich die Frequenzen
f1" bis f6" ergeben. Der Patient bekommt nun auch die hochfrequenten Schallanteile
bei f5 und f6 in seinem Hörbereich unter der Grenzfrequenz fg dargeboten. Damit kann
er sämtliche Schallanteile, wenn auch komprimiert, wahrnehmen.
[0024] Erfindungsgemäß findet somit eine zeitlich-adaptive Steuerung der Frequenztransposition,
deren Stärke mit der Tragedauer des Hörgeräts sukzessiv zunimmt, statt. Die zeitlich
langsame Adaption unterstützt das Training auf die veränderten akustischen Muster.
[0025] In dem in den FIG 1 bis 3 gewählten Beispiel findet ausschließlich eine Frequenztransposition
statt. Die Verstärkungswerte g1 bis g6 werden beibehalten. Unter Umständen kann es
jedoch auch günstig sein, gleichzeitig mit der Frequenztransposition eine zeitliche
Verstärkungsadaption durchzuführen. Dabei würden sich dann auch die einzelnen Verstärkungswerte
g1 bis g6 ändern.
[0026] Darüber hinaus kann es von Vorteil sein, die einzelnen Frequenzbänder untereinander
nicht linear zu verschieben. Hierbei könnte beispielsweise der Abstand zwischen den
Frequenzen f1" und f2" größer sein als der zwischen den Frequenzen f5" und f6". Dies
bedeutet, dass die höheren Frequenzabteile in dem hörbaren Bereich unterhalb der Grenzfrequenz
fg stärker gedrängt wären als die tieferen Frequenzen. Darüber hinaus ist auch jede
andere nicht lineare Verschiebung in den hörbaren Frequenzbereich denkbar.
[0027] Auch können die einzelnen Frequenzbänder zeitlich unabhängig voneinander in den gewünschten
Bereich verschoben werden. So kann es beispielsweise günstig sein, die Frequenzbänder
f1 bis f3 zunächst beizubehalten und nur das Frequenzband f5 in den hörbaren Bereich
zu verschieben. In einem weiteren Verschiebeschritt können dann die weiteren zunächst
nicht hörbaren Frequenzbänder in den hörbaren Bereich verschoben werden. Auch das
Verschieben der Frequenzbänder im hörbaren Bereich kann als separater Schritt durchgeführt
werden.
[0028] Durch die oben geschilderten Schritte können verschiedene Arten der Frequenztransposition
erreicht werden, die aber allesamt dazu führen, dass die Akzeptanz eines Hörsystems
erhöht wird und Akklimatisierungsprozesse unterstützt werden.
1. Verfahren zum Einstellen einer Hörhilfevorrichtung durch
- Verstärken eines Anteils eines Eingangssignalspektrums bei einer ersten Frequenz
(f2),
gekennzeichnet durch
- automatisches Verschieben des Anteils des Eingangssignalspektrums, der verstärkt
werden soll, von der ersten Frequenz (f2) zu einer zweiten Frequenz (f2') in Abhängigkeit
von der Zeit.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei zumindest ein Teil des Eingangssignalspektrums (f1
bis f6) automatisch in Abhängigkeit von der Zeit komprimiert wird (f1' bis f6').
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei ein Verstärkungswert (g1 - g6) für den Anteil
des Eingangssignalspektrums durch die Frequenzverschiebung unberührt bleibt.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verschieben in mehreren
Zeitschritten bis zu einem vorgegebenen Endwert erfolgt.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Verschieben des Anteils
des Eingangssignalsspektrums bandweise erfolgt.
6. Hörhilfevorrichtung mit
- einer Verstärkungseinrichtung zum Verstärken eines Anteils eines Eingangssignalspektrums
bei einer ersten Frequenz (f2),
gekennzeichnet durch
- eine Zeitsteuereinrichtung zum Ansteuern der Verstärkungseinrichtung derart, dass
der Anteil des Eingangsspektrums, der verstärkt werden soll, automatisch von der ersten
Frequenz (f2) zu einer zweiten Frequenz (f2') in Abhängigkeit von der Zeit verschoben
wird.
7. Hörhilfevorrichtung nach Anspruch 6, wobei zumindest ein Teil des Eingangssignalspektrums
(f1 bis f6) automatisch in Abhängigkeit von der Zeit komprimierbar (f1' bis f6') ist.
8. Hörhilfevorrichtung nach Anspruch 6 oder 7, wobei von der Verstärkungseinrichtung
ein Verstärkungswert (g1 - g6) für den Anteil des Eingangssignalspektrums durch die
Frequenzverschiebung unberührt bleibt.
9. Hörhilfevorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 8, wobei mit der Zeitsteuereinrichtung
ein Verschieben der Spektralanteile in mehreren Zeitschritten bis zu einem vorgegebenen
Endwert durchführbar ist.
10. Hörhilfevorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 9, wobei die Verstärkungseinrichtung
von der Zeitsteuereinrichtung so ansteuerbar ist, dass das Verschieben des Anteils
des Eingangssignalsspektrums bandweise erfolgt.