[0001] Die Erfindung betrifft ein großräumiges Fahrzeug zur Personenbeförderung, insbesondere
ein Multigelenk-Schienenfahrzeug, das jeweils durch ein oberes Gelenk und ein unteres
Gelenk gekoppelte Wagenkästen aufweist, von denen wenigstens zwei Wagenkästen jeweils
auf einem Drehgestell oder Fahrwerk abgestützt sind, wobei die Gelenke bei Kurvenfahrt
Drehbewegungen der Wagenkästen um die Hochachse zulassen.
[0002] In der
Zeitschrift Der Nahverkehr, Nr. 6/1996, Seiten 48 bis 53, ist ein modulares Multigelenk-Straßenbahnfahrzeug beschrieben. Bei dem in Abb. 2
dieser Literaturstelle gezeigten vierteiligen Fahrzeug ist ein brückenartig gestalteter
Wagenkasten (Mittelmodul) gelenkig mit zwei Wagenkästen verbunden, die jeweils auf
einem zweiachsigen Fahrwerk abgestützt sind (zweiachsige Fahrwerkmodule). Das Fahrzeug
hat weiter einen Wagenkasten, der auf einem einachsigen Fahrwerk ruht (einachsiges
Fahrwerkmodul). Die unteren Gelenke sind als sphärisch bewegliche Gelenke ausgebildet
und über Konsolen mit den Wagenkästen starr verbunden. Diese unteren Gelenke, die
als Baugruppe beispielsweise durch die
DE 101 39 970 A1 bekannt sind, lassen Drehbewegungen der Wagenkästen um die Hochachse (z-Achse) und
prinzipiell auch Nickbewegungen sowie Wankbewegungen zu. Die bei diesem Fahrzeug zwischen
dem Mittelmodul und den beiden zweiachsigen Fahrwerkmodulen angeordnete erste Ausführung
der oberen Gelenke lässt lediglich eine Drehbewegung um die Hochachse zu. Eine zwischen
dem Wagenkasten mit dem einachsigen Fahrwerkmodul und dem Mittelmodul angeordnete
zweite Ausführung des oberen Gelenks erlaubt dem Fahrzeug beim Durchfahren einer Mulde
bzw. Kuppe auch eine Nickbewegung um die Querachse. Bei dieser zweiten oberen Gelenkausführung
sind die Wagenkästen über einen Querlenker verbunden, der an einer jeweiligen Konsole
beider Wagenkästen befestigt ist.
[0003] Bei dem zuvor erläuterten modularen Fahrzeug und auch bei anderen Multigelenkfahrzeugen
- siehe dazu in der
Zeitschrift Railway Gazette 2003, Seiten 57 bis 64, beispielsweise Fig. 4 "NGTD Dresden", Fig. 6 "Citadis 402 Grenoble" und Fig. 7 "Cityrunner
Genf" - werden also Gelenke eingesetzt, die entweder nur ein Drehen der Wagenkästen
um die Hochachse oder ein Drehen und Nicken der Wagenkästen um die Hochachse bzw.
um die Querachse zulassen. Insbesondere bei engen und gegebenenfalls auch überhöhten
Gleiskurven (Radius unter etwa 50 m) kommt es zu einer Torsion der Wagenkästen, wobei
die Torsionskräfte durch die oberen Gelenke übertragen werden, mit der Folge hoher
Beanspruchungen der Aufbaustruktur der Wagenkästen. Wenngleich die Wagenkästen im
Hinblick auf diese hohen Beanspruchungen dimensioniert sind, sind Überlastungen und
Beschädigungen der Aufbaustrukturen im langjährigen Fahrbetrieb nicht auszuschließen.
[0004] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein großräumiges Fahrzeug mit den
gattungsgemäßen Merkmalen auf möglichst einfache Weise so auszugestalten, dass die
Übertragung von Torsionskräften durch die oberen Gelenke wesentlich reduziert ist
und dadurch lokale Überlastungen und Beschädigungen der Aufbaustrukturen der Wagenkästen
vermieden sind.
[0005] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass auf beiden Seiten neben dem
unteren Gelenk jeweils ein wagenseitig angeschlossenes Kopplungselement für das Übertragen
von Torsionskräften angeordnet ist.
[0006] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
[0007] Die mit dem Gegenstand nach der Erfindung erzielbaren Vorteile bestehen insbesondere
darin, dass auftretende Torsionskräfte in weitaus geringerem Umfang durch die oberen
Gelenke in die Aufbaustrukturen der Wagenkästen geleitet werden, sondern größtenteils
über die Kopplungselemente unmittelbar in die stabilen Untergestellstrukturen der
Wagenkästen. Die Aufbaustrukturen sind dadurch wesentlich entlastet mit der günstigen
Folge einer höheren Dauerfestigkeit.
[0008] Im Weiteren wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels näher beschrieben,
das in der Zeichnung prinzipartig dargestellt ist. Es zeigen
- Fig. 1
- die untere Gelenkpartie eines Schienenfahrzeuges in der Draufsicht,
- Fig. 2
- eine Seitenansicht im Bereich des in Blattebene der Fig. 1 unteren Kopplungselementes.
[0009] Die Wagenkästen 1, 2 sind vorzugsweise Bestandteile eines modular gestalteten Multigelenk-Schienenfahrzeuges,
das z. B. insgesamt drei, fünf oder sieben Wagenkästen aufweist. Der Wagenkasten 1
kann auf einem Drehgestell oder Fahrwerk abgestützt sein, während der Wagenkasten
2 brückenartig ausgebildet und durch den abgestützten Wagenkasten 1 und einen weiteren
abgestützten Wagenkasten getragen wird, der in Zeichnungsebene der Fig. 1 links neben
dem brückenartigen Wagenkasten 2 angeordnet ist. Es ist jedoch auch denkbar, sämtliche
Wagenkästen auf Drehgestellen oder Fahrwerken abzustützen.
[0010] Alle Wagenkästen dieses Multigelenk-Schienenfahrzeuges sind jeweils durch ein sphärisch
ausgeführtes unteres Gelenk 3 in Fahrzeuglängsmitte 6 und ein im Dachbereich befindliches
oberes Gelenk gekoppelt. Diese Gelenke lassen bei Kurvenfahrt Drehbewegungen der Wagenkästen
1, 2 um die Hochachse 5 zu. Bei einem mehr als dreiteiligen Schienenfahrzeug ist zumindest
ein oberes Gelenk derart ausgebildet, dass das Fahrzeug bei Mulden- oder Kuppenfahrt
auch Nickbewegungen um die Querachse ausführen kann.
[0011] Auf beiden Seiten neben dem unteren Gelenk 3 ist jeweils ein wagenseitig angeschlossenes
Kopplungselement 4 für das Übertragen von Torsionskräften angeordnet. Jedes Kopplungselement
4 weist einen Kontaktsteg 4a an dem einen Wagenkasten 1 und eine Aufnahme 4b an dem
anderen Wagenkasten 2 auf. Der Kontaktsteg 4a und die Aufnahme 4b sind mittels Anschraubplatten
4d am Untergestell des entsprechenden Wagenkastens 1 bzw. 2 befestigt.
[0012] Bei Geradeausfahrt und beim Befahren von Gleiskurven mit großem Radius stehen der
Kontaktsteg 4a und die Aufnahme 4b der Kopplungselemente 4 nicht in Wirkverbindung.
Der Kontaktsteg 4a und die Aufnahme 4b eines der beiden Kopplungselemente 4 befinden
sich nur bei für die Wagenkastenstrukturen kritischen Situationen, insbesondere beim
Befahren enger Gleiskurven mit einem Radius unter 50 m in Wirkverbindung. Dabei ist
je nach Verlauf der Gleiskurve das in Zeichnungsebene der Fig. 1 obere Kopplungselement
4 oder (wie gezeichnet) das untere Kopplungselement 4 wirksam.
[0013] Bei den nach dem Prinzip "Schwert und Tasche" ausgebildeten Kopplungselementen 4
taucht bei Kurvenfahrt zunächst der Kontaktsteg 4a (das Schwert) in die Aufnahme 4b
(die Tasche) ein, wobei zwischen dem Kontaktsteg 4a und der Aufnahme 4b vertikale
Spiele vorhanden sind, so dass anfänglich noch keine Kräfte übertragen werden. Bei
der Bemessung dieser vertikalen Spiele sind Nickbewegungen und Wankbewegungen der
Wagenkästen 1, 2 berücksichtigt. Bei noch kleineren Kurvenradien erfolgt ein weiteres
Eintauchen des Kontaktsteges 4a in die Aufnahme 4b, wobei die vertikalen Spiele aufgehoben
und mithin Torsionskräfte übertragen werden.
[0014] Innerhalb der Aufnahme 4b des Kopplungselementes 4 sind bevorzugt Gleitplatten 4c
für den Kontaktsteg 4a angeordnet, die zusätzlich mit Dämpfungselementen 4e, beispielsweise
in Form von Gummi-Metall-Körpern, kombiniert werden können. Die Gleitplatten 4c können
leicht schräg und/oder sphärisch angebunden sein. Wie aus Fig. 2 ersichtlich ist,
hat der Kontaktsteg 4a eine keilförmige oder auch konische Ausbildung, um ein leichteres
Eintauchen in die Aufnahme 4b sowie eine sichere Kraftübertragung zu gewährleisten.
[0015] Gemäß Fig. 1 sind die Kopplungselemente 4 relativ nahe am unteren Gelenk 3 platziert,
also als innere Abstützung ausgeführt. Im Falle einer vom unteren Gelenk 3 entfernter
liegenden äußeren Abstützung sind die aufzunehmenden Stützkräfte kleiner, wobei dann
allerdings größere vertikale Wege zu berücksichtigen sind.
1. Großräumiges Fahrzeug zur Personenbeförderung, insbesondere Multigelenk-Schienenfahrzeug,
das jeweils durch ein oberes Gelenk und ein unteres Gelenk (3) gekoppelte Wagenkästen
(1, 2) aufweist, von denen wenigstens zwei Wagenkästen jeweils auf einem Drehgestell
oder Fahrwerk abgestützt sind, wobei die Gelenke bei Kurvenfahrt Drehbewegungen der
Wagenkästen (1, 2) um die Hochachse (5) zulassen, dadurch gekennzeichnet, dass auf beiden Seiten neben dem unteren Gelenk (3) jeweils ein wagenseitig angeschlossenes
Kopplungselement (4) für das Übertragen von Torsionskräften angeordnet ist.
2. Großräumiges Fahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Kopplungselement (4) einen Kontaktsteg (4a) an dem einen Wagenkasten (1) und
eine Aufnahme (4b) an dem anderen Wagenkasten (2) aufweist.
3. Großräumiges Fahrzeug nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Kontaktsteg (4a) und die Aufnahme (4b) der Kopplungselemente (4) bei Geradeausfahrt
und beim Befahren von Gleiskurven mit großem Radius nicht in Wirkverbindung stehen.
4. Großräumiges Fahrzeug nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, dass der Kontaktsteg (4a) und die Aufnahme (4b) eines der beiden Kopplungselemente (4)
nur beim Befahren einer engen Gleiskurve in Wirkverbindung stehen.
5. Großräumiges Fahrzeug nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb der Aufnahme (4b) Gleitplatten (4c) für den Kontaktsteg (4a) angeordnet
sind.
IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE
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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente
In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur
- Zeitschrift Der Nahverkehr, 1996, 648-53 [0002]
- Zeitschrift Railway Gazette, 2003, 57-64 [0003]