(19)
(11) EP 1 930 686 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
11.06.2008  Patentblatt  2008/24

(21) Anmeldenummer: 07023111.3

(22) Anmeldetag:  29.11.2007
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
F42B 10/24(2006.01)
F42B 10/64(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MT NL PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA HR MK RS

(30) Priorität: 05.12.2006 DE 102006057229

(71) Anmelder: Diehl BGT Defence GmbH & Co.KG
88662 Überlingen (DE)

(72) Erfinder:
  • Bär, Klaus
    91207 Lauf (DE)
  • Kautzsch, Karl
    90596 Schwanstetten (DE)

(74) Vertreter: Diehl Patentabteilung 
c/o Diehl Stiftung & Co. KG Stephanstrasse 49
D-90478 Nürnberg
D-90478 Nürnberg (DE)

   


(54) Drallstabilisierte bahnkorrigierbare Artilleriemunition


(57) Der Generator (22) im Rollentkopplungs-Eingriffsbereich der Canard-Lenkeinheit (13) in den Munitionskörper (12) einer rollstabilisierten bahnkorrigierbaren Artilleriemunition (11) ist zum Vermeiden von Lastschwankungen zwischen einem Stellmotor (17) und einer Ersatzlast (28) umschaltbar. Um eine zusätzliche Wärmequelle im Innern der Lenkeinheit (13) zu vermeiden, ist die Ersatzlast (28) als elektrischer Widerstand auf, an oder in Canardflächen (30) hinter deren Anströmkanten (29) ausgelegt, vorzugsweise an nicht einstellbar montierten Entdrallcanards (21).




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine Artilleriemunition gemäß dem Oberbegriff des Hauptanspruches.

[0002] Eine derartige Einrichtung ist aus der DE 1 01 34 785 A1 bekannt. Diese an sich ungelenkte Artilleriemunition zeichnet sich dadurch aus, mit einem einzigen einachsigen Paar von Lenkcanards, also mit einem an sich nur zweidimensionalen Steuerungssystem, eine räumliche (also dreidimensionale) Bahnkorrektur durchführen und dadurch die an sich systemimmanenten Ablieferungsfehler in allen Richtungen zielorientiert entscheidend einengen zu können. Die gegenüber der Munitions-Längsachse elektromotorisch anstellbaren Canardflügel an der Lenkeinheit, der vom Munitionskörper rollentkoppelten verjüngten Frontpartie der Artilleriemunition, bewirken je nach ihrer sensorisch erfassten momentanen Lage im Raum eine Nick- oder Gierbewegung der Artilleriemunition. Vorzugsweise verfügen diese beiden Canardflügel für ihre Anstellung gegenüber der Munitions-Längsachse über eine gemeinsame, quer zur Munitions-Längsachse durch den Lenkeinheit hindurch sich erstreckende Canardwelle, die mittels eines einzigen Stellmotors verdrehbar ist.

[0003] Die elektrische Energie für den Betrieb dieses Stellmotors wird über die Relativgeschwindigkeit zwischen Munitionskörper und Lenkeinheit in einem Generator gewonnen, der den Stellmotor unmittelbar und/oder über einen Energiespeicher versorgt. Der Generatorbetrieb stellt einen mechanischen Widerstand gegen die Rollbewegung aufgrund des Masseträgheitsmomentes des Geschoßkörpers dar. Eine Beendigung des Betriebs des Stellmotors stellt gegenüber dem Lastfall eine Entlastung des Generators dar und beeinflusst dementsprechend das zwischen dem Stator und dem Rotor des Generators wirksame Reaktionsmoment, das seinerseits Rückwirkungen auf das momentane Rollverhalten der Artilleriemunition und somit ihrer Flugstabilität hat. Deshalb wird die momentan nicht vom Stellmotor benötigte Energie auf eine Ersatzlast umgeschaltet, um durch konstante Belastung des Generators solche Rückwirkungen auf das Rollverhalten möglichst zu vermeiden.

[0004] Da der erwähnte Energiespeicher wegen der extrem beengten Einbauverhältnisse nur klein ausgelegt werden kann, kommt als Ersatzlast praktisch nur das Umschalten vom Stellmotor auf einen Widerstand in Betracht. Die darin entstehende joulsche Wärme liefert einen wesentlichen zusätzlichen Beitrag zur Wärmeabstrahlung der anderen Funktionskomponenten wie des Generators und des Stellmotors aufgrund Induktions- und Lagererwärmung, wodurch die Wärmebilanz im Innern der gegenüber der Außenwelt hermetisch abgeschotteten Lenkeinheit schnell funktionskritisch werden kann.

[0005] In Erkenntnis dieser Gegebenheiten liegt vorliegender Erfindung die technische Problemstellung zugrunde, eine Artilleriemunition gattungsgemäßer Art derart auszulegen, dass die lastbedingte Wärmeabstrahlung nicht zu kritischer Erwärmung in der Lenkeinheit führt.

[0006] Diese Aufgabe ist erfindungsgemäß durch die wesentlichen im Hauptanspruch angegebenen Merkmale gelöst. Danach tritt die ersatzlastbedingte Erwärmung außerhalb der Lenkeinheit, nämlich in Canardflächen auf. Dadurch bedarf es keiner konstruktiven Maßnahmen im Innern der Lenkeinheit, um diese ersatzlastbedingten Wärmemengen zu kanalisieren und in möglichst funktionsunkritische Bereiche abzuleiten. Denn die Ersatzlast trägt nicht mehr zur Wärmebilanz im Innern der Lenkeinheit bei, weil sie erst außerhalb ihrer, an oder in den Flächen der Canardflügel erzeugt wird. Die dort auftretende Erwärmung ist an sich schon funktionsunkritisch, und sie wird obendrein durch die großflächige Luftanströmung rasch abgeführt.

[0007] Weil die Wärmeabstrahlung von der Ersatzlast nicht mehr kritisch ist, sind dadurch auch weitgehende Möglichkeiten zur Steuerung der Relativbewegung zwischen Munitionskörper und Lenkeinheit über umschaltbar gestaffelte Ersatzlasten eröffnet. Das ist von besonderem Interesse, wenn der Generatorbetrieb über variable Energieabgabe die Rollrate der Lenkeinheit beeinflusst oder über konstante Energieabgabe zur Rollstabilisierung eingesetzt wird. Umgekehrt kann der Generator auch vorübergehend aus dem Energiespeicher zur Rollwinkeleinstellung als Motor betrieben werden.

[0008] Um also erfindungsgemäß eine zusätzliche Wärmequelle im Innern der Lenkeinheit zu vermeiden, ist die Ersatzlast, auf die der Generator im Rollentkopplungs-Eingriffsbereich der Canard-Lenkeinheit einer rollstabilisierten bahnkorrigierbaren Artilleriemunition zum Vermeiden von Lastschwankungen bei Betriebsende des Stellmotors umschaltbar ist, als elektrischer Widerstand auf, an oder in Canardflächen hinter deren Anströmkanten ausgelegt, und das vorzugsweise bei nicht einstellbar montierten Entdrallcanards.

[0009] Zusätzliche Weiterbildungen und Alternativen zur erfindungsgemäßen Lösung ergeben sich aus den weiteren Ansprüchen und, auch unter Berücksichtigung von deren Vorteilen, aus nachstehender Beschreibung eines nicht ganz maßstabsgerecht auf das Funktionswesentliche vereinfacht skizzierten bevorzugten Realisierungsbeispiels zur Erfindung. Die einzige Figur der Zeichnung veranschaulicht im abgebrochen dargestellten Axial-Längsschnitt die Ausstattung der Lenkeinheit vor dem Munitionskörper.

[0010] Die drallstabilisiert zu verbringende Artilleriemunition 11 ist vor dem die Nutzlast aufnehmenden Munitionskörper 12, anstelle mit einem herkömmlichen Aufschlag-, Zeit- oder Annäherungszünder, mit einer Lenkeinheit 13 ausgestattet. Die ist hinter ihrem Radom 14 mit Sensoreinrichtungen 15 für die Flugbahnüberwachung und Zielannäherung bestückt, vor allem aber auch mit einem Stellsystem 16 für die Flugbahnsteuerung. Dafür wirkt ein Stellmotor 17 auf in diesem Beispielsfalle die einzige Stellwelle 18 eines einachsigen Canard-Stellsystemes 16, die sich quer zur Längsachse 19 der Artilleriemunition 11 durch die hohlkegelförmig konfigurierte Lenkeinheit 13 hindurch erstreckt. Mit ihren beiden Stirnenden ist die Stellwelle 18 drehfest an je einen Canard-Stellflügel angeschlossen, die einander diametral gegenüber von der Außenkontur der Lenkeinheit 13 radial - aber nicht überkalibrig - vorragen.

[0011] Die Lenkeinheit 13 ist über axial gegeneinander versetzte, vorzugsweise als Wälzlager ausgelegte, Lagerstellen 20 vom Munitionskörper 12, in den sie rückwärtig mit einem Rohrstutzen eingreift, rollentkoppelt. Je nach der momentanen Rollstellung dieses Eingriffsbereiches der Lenkeinheit 13, also auch ihrer im konischen Bereich davor gelegenen Stellwelle 18, in Bezug auf den Munitionskörper 12 führt eine Anstellung der Canard-Stellflügel gegenüber der Munitions-Längsachse 19 durch Verdrehen ihrer Stellwelle 18 zu einer Bahnänderung infolge Nick- und/oder Gierbewegung der Artilleriemunition 11. Um diesen Stellvorgang dynamisch zu beherrschen, ist quer zum Paar der Canard-Stellflügel ein Paar von Entdrallcanards 21 an der Lenkeinheit 13 befestigt. Die weisen einen konstruktiv fest vorgegebenen Anstellwinkel gegenüber der Munitions-Längsachse 19 auf, um den Drall der Lenkeinheit 13, möglichst bald nach dem Abschuss der Artilleriemunition 11 aus dem gezogenen Rohr, auf größenordnungsmäßig weniger als zehn Prozent des Stabilisierungsdralles des Munitionskörpers 12 zu reduzieren.

[0012] Dieser Drehzahlunterschied wird in einem elektrodynamischern Generator 22 zum Gewinnen elektrischer Energie insbesondere für den Betrieb des Stellmotors 17, aber auch etwa für die Sensoreinrichtungen 15, genutzt. Dafür ist der Munitionskörper 12 zwischen den Lagerstellen 20 längs eines zur Achse 19 konzentrischen Kreises mit zueinander distanzierten, abwechselnd gepolten Permanentmagneten 23 bestückt. Infolge der Relativdrehung zwischen Munitionskörper 12 und Lenkeinheit 13 durchfahren deren Induktionsspulen 24 ein magnetisches Wechselfeld und liefern so ohne das Erfordernis von Schleifringen eine hochfrequente Wechselspannung an eine Spannungsaufbereitungsschaltung 25 mit Gleichrichtung im Innern des den Generator 22 tragenden Rohrstutzens der Lenkeinheit 13. Daraus kann, etwa zum Sichern einer unterbrechungsfreien Stromversorgung z.B. für die Sensoreinrichtungen 15 bzw. für vorübergehrendes Umschalten auf Motorbetrieb des Generators 22, ein kleinbauender Energiespeicher 26 nachgeladen bzw. gepuffert werden; vor allem aber ist an die Spannungsaufbereitungsschaltung 25 das Stellsystem 16 mit seinem Canard-Stellmotor 17 angeschlossen.

[0013] Die mit Beendigung des Stellvorganges infolge Abschaltens des Stellmotors 17 auftretende Entlastung des Generators 22 und der an sich damit einhergehende Drehmomentensprung zwischen Lenkeinheit 13 und Munitionskörper 12 wird dadurch praktisch unterdrückt, dass eine Umschaltlogik 27 den Energiebedarf des Stellmotors 17 in eine entsprechend bemessene Ersatzlast 28 umlenkt. Die ist in oder an (also bei) den mechanisch an der Lenkeinheit 13 festgelegten Entdrallcanards 21 ausgebildet, etwa wie skizziert als gestreckter Leiter dicht hinter der Anströmkante 29 der Entdrallcanards 21 oder als im Wesentlichen flächiger Leiter auf oder in der Canardfläche 30. In letzterem Falle kann auch der jeweilige Canardflügel 21 im Wesentlichen oder insgesamt aus elektrisch leitendem Material (etwa aus entsprechend eingestelltem Kunststoff) bestehen, wobei etwa durch eine in der Zeichnung angedeutete isolierende Barriere 31 ein für ausreichend großen Widerstand dieser Ersatzlast 28 hinreichend langer Stromweg erzwungen wird.

[0014] Entscheidend ist, dass die in der Ersatzlast 28 entstehende Stromwärme nicht die Wärmebilanz im Innern der Lenkeinheit 13 zusätzlich belastet, und auch nicht eigens aus dem Innern der Lenkeinheit 13 abgeführt werden muss - sondern gleich außerhalb der Lenkeinheit 13 erzeugt und über die stark angeströmten Canardflächen 30 höchst wirksam entsorgt wird.

Bezugszeichenliste



[0015] 
11
Artilleriemunition
12
Munitionskörper
13
Lenkeinheit
14
Radom
15
Sensoreinrichtungen
16
Stellsystem
17
Stellmotor
18
Stellwelle
19
Längsachse
20
Lagerstellen
21
Entdrallcanards
22
Generator
23
Permanentmagnete
24
Induktionsspulen
25
Spannungsaufbereitungsschaltung
26
Energiespeicher
27
Umschaltlogik
28
Ersatzlast
29
Anströmkante
30
Canardfläche
31
Barriere



Ansprüche

1. Drallstabilisierte bahnkorrigierbare Artilleriemunition (11) mit einer von ihrem Munitionskörper (12) drehentkoppelten Canard-Lenkeinheit (13) und im Eingriffsbereich der Lenkeinheit (13) in den Munitionskörper (12) mit einem elektrischen Generator (22) zum Betrieb eines Canard-Stellsystemes (16),
dadurch gekennzeichnet,
dass der Generator (22) auf eine Ersatzlast (28) umschaltbar ist, die an oder in Canardflächen (30) ausgebildet ist.
 
2. Artilleriemunition nach dem vorangehenden Anspruch,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Ersatzlast (28) bei starr montierten Entdrallcanards (21) vorgesehen ist.
 
3. Artilleriemunition nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Ersatzlast (28) in der Canardfläche (30) ausgebildet ist.
 
4. Artilleriemunition nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Ersatzlast (28) längs der Anströmkante (29) ausgebildet ist.
 
5. Artilleriemunition nach einem der vorangehenden Ansprüche ohne den unmittelbar vorangehenden Anspruch,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Ersatzlast (28) längs konstruktiv vorgegebener Stromwege durch Canardflächen (30) gegeben ist.
 
6. Artilleriemunition nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass eine umschaltbar gestaffelte Ersatzlast (28) vorgesehen ist.
 
7. Artilleriemunition nach einem der vorangehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Generator (22) über eine Umschaltlogik (27) auf einen Energiespeicher (26) und auf den Canard-Stellmotor (17) bzw. die Ersatzlast (28) schaltbar ist.
 
8. Artilleriemunition nach dem vorangehenden Anspruch,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Umschaltlogik (27) über eine Spannungsaufbereitungsschaltung (25) an Induktionsspulen (24) angeschlossen ist, die im Eingriffsbereich der Lenkeinheit (13) in den Munitionskörper (12) zwischen axial gegeneinander versetzten Lagerstellen (20) durch eine Folge abwechselnder Polaritäten von Permanentmagneten (23) rotieren.
 




Zeichnung







Recherchenbericht










Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente