[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur binauralen Versorgung eines
menschlichen Gehörs mithilfe einer binauralen Hörvorrichtung. Darüber hinaus betrifft
die vorliegende Erfindung eine entsprechende Hörvorrichtung zur binauralen Versorgung.
Unter einer Hörvorrichtung wird hier insbesondere ein Hörgerät bzw. mehrere Hörgeräte
sowie ein Headset oder Kopfhörer verstanden.
[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen.
Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche
Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO) und In-dem-Ohr-Hörgeräte
(IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (CIC), bereitgestellt. Die
beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen.
Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare
oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten
Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.
[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler,
einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein
Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z.
B. eine Induktionsspule. Als Signaleingang kommt aber beispielsweise auch ein Audioschuh
in Betracht, so dass z. B. Signale von einer Stereoanlage empfangen werden können.
Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler, z. B. Miniaturlautsprecher,
oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer, realisiert. Der
Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert. Letztere
stellt in der Regel eine Raumklangabmischung für ein Freifeld her, wodurch das in
einem Raum natürlich entstehende Räumlichkeitsempfinden zerstört wird. Dieser prinzipielle
Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts dargestellt. In ein
Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere Mikrofone 2 zur
Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit 3,
die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale
und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen
Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall
wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang
fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Stromversorgung des
Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine
ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
[0004] Durch traditionelle Hörgerätesignalverarbeitung und die Akustik bei Hörgeräten wird
der natürliche Raumklang verändert bzw. die räumliche Wahrnehmung reduziert. Die Klangqualität
leidet hierunter. Auch die Störgeräuschempfindung ist hiervon betroffen. Das Gehirn
ist nämlich in der Lage, räumlich unterschiedlich wahrgenommene Quellen leichter zu
trennen.
[0005] Auf die Aspekte der räumlichen Wahrnehmung wird heute bei Hörgeräten kaum eingegangen.
Es ist lediglich bekannt, dass Richtmikrofone Einfluss auf die räumliche Übertragungsfunktion
nehmen und die Qualität des Signals hinsichtlich der natürlichen Wahrnehmung verschlechtern.
Somit kann durch eine Reduzierung der Wirkung eines Richtmikrofons die räumliche Wahrnehmung
verbessert werden, was aber gerade dem Einsatzzweck eines Richtmikrofons widerspricht.
[0006] Aus dem Artikel von Anemüller, Jörn: "Blinde Quellentrennung als Vorverarbeitung
zur robusten Spracherkennung", in DEGA 2000, Oldenburg ist beschrieben, wie "blinde
Quellentrennung" zu einer verbesserten Spracherkennung beitragen kann. Hierbei wird
ein Mischsignal von einer Nutz- und einer Störquelle mit mehreren Mikrofonen aufgenommen.
Durch geeignete Filterung lassen sich dann die Signale der einzelnen Quellen separieren.
[0007] Darüber hinaus ist aus der Druckschrift
DE 103 51 509 A1 ein Verfahren zur Adaption eines Hörgeräts unter Berücksichtigung der Kopfposition
bekannt. Ausgangspunkt ist, dass eine "blinde Quellentrennung" verwendet wird, um
die Signale räumlich verteilter Quellen zu trennen. Dies bedarf in einem Hörgerät
jedoch einer gewissen Adaptionszeit, die bei jeder Bewegung erneut abgewartet werden
müsste. Um dies zu vermeiden, wird eine Positions bestimmung sein richtung zur Bestimmung
der aktuellen Position des Kopfes des Hörgeräteträgers vorgesehen, so dass mithilfe
der Position des Kopfes in einer Verarbeitungseinheit die relative Änderung der Schallquellenpositionen
rasch berücksichtigt werden können.
[0008] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, ein Verfahren und eine
entsprechende Hörvorrichtung vorzuschlagen, mit denen eine verbesserte räumliche Wahrnehmung
möglich ist.
[0009] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zur binauralen Versorgung
eines menschlichen Gehörs mit Hilfe einer binauralen Hörvorrichtung durch Aufnehmen
eines Eingangssignals der Hörvorrichtung, Verarbeiten des Eingangssignals zu einem
Ausgangssignal, das zu einer räumlichen Wahrnehmung führt, und Steuern mindestens
einer Größe des auf dem Eingangssignal basierenden Ausgangssignals der Hörvorrichtung
derart, dass die räumliche Wahrnehmung verändert wird.
[0010] Darüber hinaus ist erfindungsgemäß vorgesehen eine Hörvorrichtung zur binauralen
Versorgung eines menschlichen Gehörs mit einer Aufnahmeeinrichtung zum Aufnehmen eines
Eingangssignals der Hörvorrichtung, einer Verarbeitungseinrichtung zum Erzeugen eines
Ausgangssignals, das zu einer räumlichen Wahrnehmung führt, auf der Basis des Eingangssignals
und einer Steuereinrichtung zum Steuern der Verarbeitungseinrichtung bezüglich mindestens
einer Größe des Ausgangssignals der Hörvorrichtung derart, dass die räumliche Wahrnehmung
verändert wird.
[0011] In vorteilhafter Weise ist es somit möglich, Teile einer "zerstörten Räumlichkeit"
wiederherzustellen bzw. nachzubilden. Durch gezielte Verwendung von virtueller, räumlicher
Abbildung kann das Gehirn unterstützt werden, verschiedene Quellen zu trennen, ohne
dass diese unterdrückt werden müssten. Vielmehr kann beispielsweise durch Einbringung
von Verarbeitungsblöcken in den Signalpfad der räumliche Eindruck wiederhergestellt
oder gewünschte räumliche Effekte erzielt werden.
[0012] Vorzugsweise wird das oder die Eingangssignale analysiert und/oder klassifiziert,
und das Steuern erfolgt entsprechend dem Klassifikationsergebnis. Dadurch kann die
räumliche Wahrnehmung in Abhängigkeit bestimmter Typen oder Arten von Eingangssignalen
beeinflusst werden.
[0013] Das Analysieren des oder der Eingangssignale kann auch ein Bestimmen der Halligkeit
des Eingangssignals umfassen. Das Steuern erfolgt dann entsprechend der Halligkeit.
Damit kann die Steuerung beispielsweise in Abhängigkeit der akustischen Situation
eines Raums erfolgen.
[0014] Weiterhin kann das Analysieren ein Separieren von Schallquellen umfassen, und das
Steuern entsprechend den separierten Schallquellen erfolgen. Speziell kann das Separieren
durch ein Richtmikrofon und/oder einen Blinde-Quellentrennung-Algorithmus erfolgen.
Hierdurch lässt sich die räumliche Wiedergabe in Abhängigkeit bestimmter Nutzschallquellen
oder Störschallquellen steuern.
[0015] Das Analysieren kann ferner eine Störgeräuschdetektion umfassen, und das Steuern
entsprechend dem Störgeräuschanteil erfolgen. Damit kann die räumliche Wiedergabe
unabhängig von konkreten Schallquellen pauschal in Abhängigkeit von Störgeräuschanteilen
beeinflusst werden.
[0016] Bei dem Analysieren kann außerdem ein Pegel des Eingangssignals ermittelt werden,
so dass sich das Steuern der räumlichen Wiedergabe in Abhängigkeit von dem ermittelten
Pegel durchführen lässt. Dadurch ist auf einfache Weise in Abhängigkeit der Lautstärke
eine gewünschte räumliche Wahrnehmung erzielbar.
[0017] Gemäß einer weiteren Ausführungsform kann durch die Hörvorrichtung mindestens ein
z. B. über einen Audioschuh extern eingespeistes Signal gegebenenfalls neben einem
Mikrofonsignal festgestellt werden, und das Steuern entsprechend den festgestellten
Signalen erfolgen. Damit lässt sich durch spezifische räumliche Wiedergabe beispielsweise
bei induktiv eingespeisten Signalen in großen Hörsälen oder Kirchen ein anderer räumlicher
Eindruck erzielen als bei üblichen Mikrofonsignalen.
[0018] Die die räumliche Wahrnehmung beeinflussenden Größen können eine Distanz einer Quelle
von der Hörvorrichtung, eine Raumrichtung einer Quelle bezüglich einer vorgegebenen
Null-Grad-Richtung der Hörvorrichtung, ein Quellenort und/oder eine Eigenschaft des
Raumhalls sein. Diese Parameter beeinflussen die räumliche Wiedergabe wesentlich.
[0019] Die vorliegende Erfindung ist anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- den prinzipiellen Aufbau eines Hörgeräts mit seinen wesentlichen Komponenten;
- FIG 2
- ein Blockschaltdiagramm eines erfindungsgemäßen Hörgeräts;
- FIG 3
- ein Prinzipschaltbild eines erfindungsgemäßen Hörgeräts mit FIR-Filter;
- FIG 4
- ein Schaltbild eines FIR-Filters (finite impulse response) und
- FIG 5
- Realisierungsformen des Verarbeitungsblocks für räumliche Wahrnehmung.
[0020] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen
der vorliegenden Erfindung dar.
[0021] Die vorliegende Erfindung basiert auf der Erkenntnis, dass es zahlreiche Eigenschaften
binaural präsentierter Audiosignale gibt, welche die räumliche Wahrnehmung beeinflussen.
Aus der Audiotechnik sind verschiedene Verfahren bekannt, die bei vorhandenem Stereosignal
diese Eigenschaften so beeinflussen, dass eine gewünschte Wahrnehmung erzielt wird.
Zielvariablen dabei sind unter anderem:
- die Distanz der Quelle (n) vom Hörer; sie beeinflusst unter anderem das Verhältnis
zwischen Direktschall und Reflexionen sowie die Ausprägung der ersten Wellenfront.
- die wahrgenommene Stereobreite; diese entspricht dem Raumwinkel, über den die Schallquellen
verteilt sind.
- die Lokalisation der Quelle (n); dies entspricht der genauen Ortsbestimmung einer
Quelle anhand von Winkel und Abstand.
- die Eigenschaften des Raumhalls; so lässt sich beispielsweise leiser Nachhall aus
dem Signal entfernen.
[0022] Für die Erfindung ist es jedoch nicht zwingend Voraussetzung, dass Stereosignale
vorliegen. Vielmehr kann die Erfindung auch auf Verfahren angewandt werden, welche
die kopfbezogene, räumliche Übertragungsfunktion nachbilden. Die Hörgeräte können
auch exakt die gleichen Signale (z. B. Monosignale) bekommen.
[0023] Ausgangspunkt der Verbesserung der räumlichen Wiedergabe ist, dass es durch die in
einem Hörgerät vorhandenen Algorithmen (z. B. Störgeräuschbefreiung) und die Mikrofonpositionen
dazu kommen kann, dass der natürlicherweise wahrgenommene Klang verfremdet wird. Weiterhin
können die Quellen sehr nahe am Kopf oder gar im Kopf wahrgenommen werden, was eine
Trennung der Quellen beim Hören schwierig macht. Speziell bei der Verwendung von Richtmikrofonen
kann eine Verbesserung der räumlichen Wiedergabe notwendig sein, denn ein Richtmikrofon
ermöglicht es zwar, Störsignale auszublenden, aber die Räumlichkeitsempfindung wird
dadurch in der Regel auch stark negativ beeinflusst.
[0024] Zur verbesserten räumlichen Wiedergabe ist erfindungsgemäß daher vorgesehen, einen
oder mehrere Signalverarbeitungsblöcke in den Signalpfad, gegebenenfalls auch in unterschiedlichen
Kanälen oder räumlichen Signalteilen, einzubeziehen, welche einen oder mehrere der
oben genannten Zielvariablen beeinflusst. Ziel ist es dabei entweder ein natürliches
Klangbild zu restaurieren oder bestimmte virtuelle Wahrnehmungen zu erzielen.
[0025] Ein Beispiel eines generellen Aufbaus eines Hörgeräts mit einem derartigen Signalverarbeitungsblock
zur Verbesserung der räumlichen Wahrnehmung ist in FIG 2 schematisch wiedergegeben.
Wie in dem Beispiel von FIG 1 sind eines oder mehrere Mikrofone 2 an eine Signalverarbeitungseinheit
3 angeschlossen. Letztere dient hier praktisch als Verarbeitungs- und Steuereinrichtung.
Als Analyseeinrichtung besitzt die Verarbeitungseinheit 3 einen Klassifikator 6, der
ein entsprechendes Klassifikationssignal als Ausgangssignal bereitstellt. Neben den
Mikrofoneingangssignalen kann die Signalverarbeitungseinheit 3 gegebenenfalls weitere
Eingänge besitzen. So kann beispielsweise ein Signal H2 von einem Hörgerät auf der
anderen Seite des Kopfes als Eingangssignal genutzt werden. Weiterhin lässt sich ein
Signal EQ von einer externen Quelle als Eingangssignal nutzen. So kann beispielsweise
ein Signal einer Stereoanlage über einen Audioschuh in das Hörgerät eingekoppelt werden.
Die Ausgabe von Signalen der Verarbeitungseinheit 3 erfolgt gegebenenfalls getrennt
nach Stör- und Nutzsignalen.
[0026] In dem Beispiel von FIG 2 ist der Signalverarbeitungseinheit 3 eine Richtmikrofonie-
bzw. BSS-Einheit 7 nachgeschaltet. Hierdurch werden unter Umständen eine gewünschte
Anzahl von Richtmikrofonen bzw. Richtmikrofoneinstellungen bereitgestellt. Optional
erfolgt hier eine Trennung der Signale durch so genannte "blinde Quellentrennung"
(Blind Source Separation; BSS). Die Richtmikrofonie- bzw. BSS-Einheit 7 kann auch
zwischen den Mikrofonen 2 und der Signalverarbeitungseinheit 3 angeordnet sein. Dann
werden die Mikrofonsignale bzw. die Signale der externen Quellen und Signale der anderen
Seite in die Richtmikrofonie eingespeist. Eine Richtmikrofon/BSS-Verarbeitung ist
für die vorliegende Erfindung jedoch nicht zwingend, so dass gegebenenfalls auf eine
entsprechende Verarbeitungseinheit verzichtet werden kann.
[0027] In dem Beispiel von FIG 2 ist der BSS-Einheit 7 ein Verarbeitungsblock 8 für die
räumliche Verarbeitung nachgeschaltet. Dieser Block kann neben einer FIR-Filterung
auch zahlreiche andere Funktionen besitzen, wie dies anhand von FIG 5 näher erläutert
werden wird. Ziel ist jeweils die Beeinflussung der interauralen Kreuzkorrelation,
eventuell der interauralen Zeitdifferenz für die Richtungswahrnehmung oder eine geeignete
Frequenzgangformung. Die Verarbeitung der Signale erfolgt in diesem Block 8 stets
so, dass zusammengehörige Signale der linken und rechten Seite in ihrem räumlichen
Eindruck verändert werden.
[0028] Die Ausgangssignale des Blocks 8 für die räumliche Verarbeitung werden in einer anschließenden
Mischeinheit 9 mit entsprechenden Gewichten gemischt. Gesteuert wird das Mischen wie
auch die räumliche Verarbeitung durch die Steuer- bzw. Signalverarbeitungseinheit
3 bzw. deren Klassifikator 6. Das Ausgangssignal der Mischeinheit 9 wird dem Lautsprecher
bzw. Hörer 4 zugeführt.
[0029] Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Verwendung einer Steuereinheit 3, wie
sie in dem Beispiel von FIG 2 vorgesehen ist, nicht zwingend ist. Die Parameter für
die Mischung und die räumliche Verarbeitung sind dann fest vorgegeben. Weiterhin kann
eine sehr einfache Realisierungsform auch darin bestehen, dass nur je ein Signal von
links und rechts verarbeitet wird und die Mischung entfällt.
[0030] So kann es beispielsweise günstig sein, in Abhängigkeit des Signaltyps eine Distanzerhöhung
vorzunehmen. Dies gelingt bei einem Hörgerät erfindungsgemäß beispielsweise durch
den in FIG 2 schematisch wiedergegebenen Aufbau. Das Hörgerät besitzt am Signaleingang
ein Mikrofon 10. Nachgeschaltet ist eine Signalverarbeitung 11, die einen Klassifikator
12 besitzt. Daneben dient die Signalverarbeitung 11 für die übliche Verstärkung. Das
Ausgangssignal der Signalverarbeitung 11 wird zu zwei Filtern oder Richtmikrofonen
13, 14 verzweigt. In dem einen Zweig ist weiterhin ein FIR-Filter 15 (finite impulse
response) mit konstantem Amplitudengang (Allpass) vorgesehen. Es sorgt für eine bestimmte
Phasenverschiebung des Signals. Die Signale beider Zweige werden in einem Mischer
16 gemischt und einem Lautsprecher 17 zugeführt. Der Klassifikator 12 beeinflusst
die Phasenverschiebung des FIR-Filters 15 und/oder das Mischungsverhältnis in dem
Mischer 16.
[0031] Das FIR-Filter 15 ist in FIG 4 konkret dargestellt. Ein digitales Eingangssignal
ES wird in fest vorgegebenen Zeitverzögerungsstufen (z
-1) mit unterschiedlichen Koeffizienten K1, K2, K3 und K4 multipliziert. Die Summe der
Einzelsignale führt zu einem Ausgangssignal AS. Je nach Wahl der Koeffizienten ergibt
sich eine entsprechende Phasen- bzw. Zeitverschiebung des Signals. Wenn die Verschiebung
des Signals am linken Ohr anders ist als am rechten, führt dies zu einer anderen Räumlichkeitswahrnehmung.
Dabei kann z. B. die Richtungs- und/oder Distanzwahrnehmung beeinflusst werden.
[0032] Im Folgenden wird anhand mehrerer Beispiele dargestellt, wie die räumliche Wiedergabe
in Abhängigkeit von bestimmten Parametern der Hörvorrichtung bzw. des Hörgeräts verbessert
werden kann. Dazu wird der entsprechende Parameter dargestellt und jeweils angegeben,
wie sich die räumliche Wiedergabe, durch Verändern einer der oben genannten Zielvariablen
verändern lässt:
- 1. Klassifikation des Eingangssignals
- a) Einstellung der Verfahren mittels eines Klassifikators
i) Distanzerhöhung in Abhängigkeit des Signaltyps (z. B. Musik oder Sprache); sie
lässt sich mithilfe des Aufbaus von FIG 2 erzielen, wie dies oben bereits geschildert
wurde.
ii) Stereobreitenerhöhung in Abhängigkeit des Signaltyps (z. B. Musik oder Sprache);
sie lässt sich bei binauraler Versorgung durch entsprechend unterschiedlichen Versatz
des linken und rechten Signals erreichen.
iii) Zumischen von Hall in Abhängigkeit der Klasse; das Mischen und Steuern mithilfe
des Klassifikators lässt sich ähnlich dem Prinzip von FIG 2 durchführen.
- b) Hallabängigkeit (Feststellung mit dem Klassifikator oder einer anderen geeigneten
Analyseeinheit)
i) Distanzerhöhung in Abhängigkeit der Verhalltheit des Signals (z. B. wenn das Signal
verhallt ist, soll die Distanzerweiterung geringer ausfallen);
ii) Stereobreitenerhöhung in Abhängigkeit der Verhalltheit des Signals (z. B. wenn
das Signal verhallt ist, soll die Stereoverbreitung geringer ausfallen);
iii) Zumischung von Hall in Abhängigkeit des im Signal detektierten Hallanteils
- c) Virtuelles auditorisches Display
i) Klassenabhängige Verschiebung eines Signals in eine Raumrichtung (z. B. Verschiebung
eines Störgeräuschs nach hinten);
ii) Beliebige Kombination des Verfahrens 1.c.i mit einem oder mehreren Verfahren von
1.a und/oder 1.b
- 2. Richtmikrofon oder separierte Signale
- a) Richtungsfilterung mittels eines Richtmikrofons und darauf folgende Veränderung
der Quellendistanz je nach Richtung statt einer reinen Unterdrückung (mehrere Richtcharakteristiken
müssten parallel gerechnet werden).
- b) Veränderung der Quellendistanz von Signalen, welche mithilfe eines Blinde-Quellentrennung-Algorithmus
(blind source separation: BSS) gewonnen wurden, unter Umständen in Abhängigkeit der
Quellenrichtung und/oder Distanz.
- c) Kombination der Verfahren von 2.a und/oder 2.b mit einem oder mehreren der Verfahren
aus 1.
- 3. Extern eingespeiste Signale
Neben dem bzw. den Mikrofonsignalen können auch andere Signale beispielsweise elektromagnetisch
in die Hörvorrichtung/das Hörgerät eingekoppelt werden. Eine unterschiedliche Behandlung
der Mikrofonsignale und der elektrisch eingespeisten Signale kann zu einer Verbesserung
der räumlichen Wiedergabe führen. So könnten beispielsweise die Mikrofonsignale weiter
entfernt oder nach hinten geblendet werden, wenn ein extern eingespeistes Signal (Telefon,
Stereoanlage, FM-Anlage, etc.) vorliegt.
- 4. Störanteil der Geräuschbefreiung
Statt den Störanteil zu unterdrücken, kann er in einer einstellbaren Distanz bzw.
Richtung dem Signal wieder zugemischt werden. Auch dies kann mit einer ähnlichen Schaltungsstruktur
erfolgen, wie sie in FIG 2 dargestellt ist.
- 5. Pegelabhängigkeit
Entsprechend einer weiteren zusätzlichen oder alternativen Option wird die Stärke
der Wirksamkeit der Verfahren in Abhängigkeit des Signalpegels eingestellt. Dies lässt
sich einfach durch einen entsprechenden Pegelmesser realisieren, der in der Regel
ohnehin vorhanden ist.
- 6. Benutzersteuerung
Entsprechend einer weiteren Option kann vorgesehen sein, dass der Benutzer die Wirksamkeit
der Algorithmen beispielsweise mithilfe einer Fernbedienung manuell steuert. Damit
wäre eine manuelle oder halbautomatische Steuerung möglich.
- 7. Binaurale Verfahren
Die Parameter der Verfahren werden nach einer Analyse der Signale für das rechte und
das linke Ohr eingestellt. Hierzu ist beispielsweise eine drahtlose Kopplung von Hörgeräten
notwendig.
[0033] Der Verarbeitungsblock 8 für die räumliche Verarbeitung (vergleiche FIG 2) kann entsprechend
dem Beispiel von FIG 5 auf unterschiedliche Weise realisiert werden. So kann dieser
Block eines oder mehrere der folgenden Elemente aufweisen:
- a) ein FIR-Filter 81 (finite impulse response) wie in dem Beispiel der FIG 3 und 4;
- b) ein IIR-Filter 82 (infinite impulse response), das rekursiv ausgebildet ist;
- c) eine Kreuzgliedstruktur 83, wodurch zwei Signale R, L durch kreuzweises Verknüpfen
mit den Gewichten G1, G2, G12 und G21 zu Ausgangssignalen Rout und Lout werden;
- d) ein zeitvariantes Filter 84, wodurch eine Zeitverschiebung des Signals erfolgt
und
- e) einen stochastischen Dekorrelator 85 zur Trennung von Störgeräuschen.
[0034] Die oben dargestellten erfindungsgemäßen Verfahren zur Verbesserung der räumlichen
Wahrnehmbarkeit bzw. die entsprechenden Hörvorrichtungen/Hörgeräte führen also beispielsweise
zu einer verbesserten Klangwahrnehmung. So kann beispielsweise Musik lebendiger klingen.
Insbesondere wird das Gehirn durch die bewusst gesteuerte unterschiedliche Lokalisation
der Quellen dahingehend unterstützt, die "konkurrierenden" Quellen besser trennen
zu können.
1. Verfahren zur binauralen Versorgung eines menschlichen Gehörs mit Hilfe einer binauralen
Hörvorrichtung durch
- Aufnehmen eines Eingangssignals der Hörvorrichtung,
- Verarbeiten des Eingangssignals zu einem Ausgangssignal, das zu einer räumlichen
Wahrnehmung führt, und
- Steuern mindestens einer Größe des auf dem Eingangssignal basierenden Ausgangssignals
der Hörvorrichtung derart, dass die räumliche Wahrnehmung verändert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei das Eingangssignal analysiert wird, und das Steuern
entsprechend dem Analyseergebnis erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 2, wobei das Analysieren ein Bestimmen der Verhalltheit des
Eingangssignals umfasst, und das Steuern entsprechend der Verhalltheit erfolgt.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, wobei das Analysieren ein Separieren von Schallquellen
umfasst, und das Steuern entsprechend den separierten Schallquellen erfolgt.
5. Verfahren nach Anspruch 4, wobei das Separieren durch ein Richtmikrofon (13, 14) und/oder
einen Blinde-Quellentrennung-Algorithmus erfolgt.
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 2 bis 5, wobei das Analysieren eine Störgeräuschdetektion
umfasst, und das Steuern entsprechend dem Störgeräuschanteil erfolgt.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 2 bis 5, wobei beim Analysieren eine Signalklasse
oder ein Pegel des Eingangssignals ermittelt wird, und das Steuern in Abhängigkeit
von der Klassifikation oder dem ermittelten Pegel erfolgt.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei durch die Hörvorrichtung
mindestens ein extern eingespeistes Signal neben einem Mikrofonsignal aufgenommen
wird, und das Steuern entsprechend dem aufgenommenen Signal erfolgt.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die die räumliche Wahrnehmung
beeinflussende Größe eine Distanz einer Quelle von der Hörvorrichtung, eine Raumrichtung
einer Quelle bezüglich einer vorgegebenen Null-Grad-Richtung der Hörvorrichtung, ein
Quellenort und/oder eine Eigenschaft des Raumhalls ist.
10. Hörvorrichtung zur binauralen Versorgung eines menschlichen Gehörs mit
- einer Aufnahmeeinrichtung (2) zum Aufnehmen eines Eingangssignals der Hörvorrichtung,
- einer Verarbeitungseinrichtung zum Erzeugen eines Ausgangssignals, das zu einer
räumlichen Wahrnehmung führt, auf der Basis des Eingangssignals und
- einer Steuereinrichtung (3) zum Steuern der Verarbeitungseinrichtung bezüglich mindestens
einer Größe des Ausgangssignals der Hörvorrichtung derart, dass die räumliche Wahrnehmung
verändert wird.
11. Hörvorrichtung nach Anspruch 10, wobei die Verarbeitungseinrichtung einen Klassifikator
(6) umfasst, dessen Klassifikationsergebnis der Steuereinrichtung (3) zum Steuern
zugeführt wird.
12. Hörvorrichtung nach Anspruch 10 oder 11, wobei die Verarbeitungseinrichtung zum Separieren
von Quellen ein Richtmikrofon und/oder eine Blinde-Quellentrennungseinheit (7) aufweist.
13. Hörvorrichtung nach einem der Ansprüche 10 bis 12, wobei die Hörvorrichtung mehrere
Eingangskanäle aufweist und die Steuereinrichtung (3) in Abhängigkeit von der Signalstärke
eines oder mehrerer der Eingangskanäle steuerbar ist.