(19)
(11) EP 1 995 021 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
26.11.2008  Patentblatt  2008/48

(21) Anmeldenummer: 08009463.4

(22) Anmeldetag:  23.05.2008
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B25B 23/14(2006.01)
B23P 19/06(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MT NL NO PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA MK RS

(30) Priorität: 24.05.2007 DE 102007024627

(71) Anmelder: Weber Schraubautomaten GmbH
82515 Wolfratshausen (DE)

(72) Erfinder:
  • Schönig, Christian
    86981 Kinsau (DE)
  • Huber, Klaus
    82547 Eurasburg (DE)

(74) Vertreter: Mischung, Ralf 
Eder & Schieschke Patentanwälte Elisabethstraße 34/II
D-80796 München
D-80796 München (DE)

   


(54) Verfahren zur Detektion und Kontrolle der Kopfauflage bei Fügeverfahren, insbesondere Schraubverfahren, sowie Vorrichtung zur Durchführen des Verfahrens


(57) Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum optimierten Fügen von Befestigungsmitteln, wobei durch Bildung der Differenzenquotienten ΔL/Δt oder ΔL/Δϕ die absolute Lage des Befestigungsmittels oder eines daran angeordneten Kopfes relativ zur Aufnahme ermitteln lässt.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Fügen oder Lösen eines Befestigungsmittels nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.

[0002] Fügeverfahren, insbesondere Schraubverfahren, sind aus der Praxis hinlänglich bekannt. Bei den üblicherweise automatisierten Schraubvorgängen wird eine Schraube in eine dafür vorgesehene Ausnehmung einer Aufnahme eingeschraubt. Dies geschieht typischerweise mit einer entsprechenden Werkzeugvorrichtung.

[0003] Für derartige Vorrichtungen oder Verfahren ist es weiterhin bekannt, über Weg- bzw. Tiefensignale die Einschraubtiefe der Schraube zu erfassen und zu überwachen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Schraube nur bis zu einer bestimmten Einschraubtiefe mit einer vorgegebenen Drehzahl oder einem vorgegebenen Drehmoment eingeschraubt wird. Bekannt ist weiterhin die Erfassung des Drehmoments über geeignete Drehmomentsensoren oder den Motorstrom. Dadurch kann das Anzugsmoment einer Schraube abgeleitet oder ermittelt bzw. beschränkt werden. Auch die Erfassung des Drehwinkels beim Einschrauben einer Schraube an sich ist bekannt.

[0004] Von besonderer Bedeutung bei derartigen Einschraubverfahren ist die Kopfauflage. Darunter ist die Berührung eines Schraubenkopfes mit der die Schraube aufnehmenden Aufnahme zu verstehen. Erreicht der Schraubenkopf bei einem Schraubvorgang diese Auflageposition, so lässt sich die Schraube nur noch geringfügig weiter einschrauben, und das Drehmoment steigt schnell an. Beim Stand der Technik ist es daher erforderlich, die Einschraubtiefe der Schraube zu erfassen, um die Position des Schraubenkopfes relativ zur Aufnahme erfassen bzw. vorhersagen zu können. So kann beispielsweise eine Schraube mit einer erhöhten Drehzahl bis kurz vor die Kopfauflage eingeschraubt werden, um anschließend mit verminderter Drehzahl festgezogen zu werden. Die Drehzahlumschaltung dient dabei der Prozessoptimierung. Sie erfolgt aus Zeitgründen zum spätestmöglichen Zeitpunkt vor einem Anstieg des Drehmoments. Andererseits muss sichergestellt werden, dass die Drehzahlumschaltung noch so rechtzeitig erfolgt, dass nicht mit zu hoher Drehzahl über den Zeitpunkt der Kopfauflage hinaus verschraubt und möglicherweise ein unzulässig hohes Drehmoment aufgebracht wird. Aus diesem Grunde ist es im Stand der Technik erforderlich, die genaue Lage des Schraubenkopfes relativ zur Aufnahme zu kennen bzw. zu ermitteln.

[0005] Fertigungs- und applikationsbedingte Bauteiltoleranzen wirken sich dabei nachteilig auf die exakten Lagebestimmungen des Schraubenkopfes - und somit auf den Fügeprozess aus. Um alle Bauteiltoleranzen ausreichend zu berücksichtigen, ist es in der Praxis daher bisher nötig, die Drehzahlumschaltung deutlich vor Erreichen der Kopfauflage vorzunehmen, obwohl dies tatsächlich nur für die Bauteile mit den größten Fehlertoleranzen eigentlich erforderlich wäre. Da die Drehzahlumschaltung daher meist früher als tatsächlich erforderlich erfolgt, wird unnötig lange mit verringerter Drehzahl weiter verschraubt. Dadurch erhöht sich nachteiligerweise die Zykluszeit. Denkbar ist sogar, dass die Bauteiltoleranzen so groß sind, dass der komplette Schraubvorgang mit verminderter Drehzahl durchgeführt werden muss.

[0006] Als alternatives Mittel zur Detektion der Kopfauflage wird in der Praxis eine Drehmomentüberwachung vorgenommen, Bei ansteigendem Drehmoment wird dabei davon ausgegangen, dass die Schraube die Kopfauflage erreicht hat, wobei die Schraube bereits anzieht. Bei Verwendung des Momentes als Kriterium für die Drehzahlumschaltung müsste diese jedoch in einer nicht realisierbar kurzen Zeit geschehen, um bei der Verschraubung nicht über das Zielmoment hinaus zu verschrauben. Darüber hinaus erzeugen Schrauben in nicht vorgeschnittenen Gewinden (selbstformende oder selbstfurchende Schrauben) ein unregelmäßiges und mitunter hohes Drehmoment bereits vor Erreichen der Kopfauflage, so dass dieses Kriterium zur Drehzahlumschaltung nicht sinnvoll heranzuziehen ist.

[0007] Damit stellt sich die Aufgabe, ein Verfahren zur besseren Ermittlung der Kopfauflage einer Schraube anzubieten, welches die vorgenannten Nachteile überwindet. Aufgabe ist weiterhin die Bereitstellung einer Vorrichtung, mit der das Fügeverfahren unter optimierter Detektion der Kopfauflage durchführbar ist.

[0008] Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren nach Anspruch 1 und eine Vorrichtung nach Anspruch 8.

[0009] Die Erfindung geht dabei von der Erkenntnis aus, dass eine Füge- oder auch Lösebewegung eines Befestigungsmittels relativ zu einer das Befestigungsmittel aufnehmenden Aufnahme besonders sicher und genau kontrolliert und gesteuert werden kann, wenn dazu ein Differenzenquotient ΔL/Δt oder ΔL/Δϕ herangezogen wird. ΔL sei dabei eine Wegstrecke, welche das Befestigungsmittel relativ zur Aufnahme zurücklegt. Δt entspricht der dafür benötigten Zeiteinheit. Alternativ zu Δt beschreibt dabei Δϕ eine Drehwinkeleinheit, um die sich das Befestigungsmittel um seine Längsachse dreht, während es die Wegstrecke ΔL zurücklegt. Durch Verwendung dieses Differenzenquotienten lassen sich die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile vorteilhaft überwinden und optimale Fügebewegungen für jeden einzelnen Fügefall individuell sicherstellen. Insbesondere wird das Problem der Bauteiltoleranzen gelöst, da unterschiedliche Abmessungen (beispielsweise von Schrauben) mit Hilfe des Differenzenquotienten beim Fügevorgang individuell berücksichtigt werden können und nicht von vornherein einkalkuliert werden müssen.

[0010] Während beim Differenzenquotienten ΔL/Δt eine Geschwindigkeit und insbesondere eine Änderung der Vorschubgeschwindigkeit des Befestigungsmittels überwacht wird, erfasst der Differenzenquotient ΔL/Δϕ den Vorschub des Befestigungsmittels in Abhängigkeit von seiner Drehbewegung, insbesondere also eines Einschraubwinkels einer Schraube. Der Vorteil der Verwendung dieser Differenzenquotienten gegenüber dem Stand der Technik ergibt sich im Wesentlichen wie folgt:

ΔL/Δt
Ein im wesentlichen konstanter Wert ΔL/Δt bedeutet eine im Wesentlichen konstante Vorschubgeschwindigkeit, mit der ein Befestigungsmittel in eine dafür vorgesehene Aufnahme eingefügt bzw. aus dieser herausgeführt wird. Trifft das Befestigungsmittel dabei auf ein Hindernis, so verringert sich oder verschwindet die pro Zeiteinheit zurückgelegte Wegstrecke, so dass das Hindernis aus der Überwachung dieses Differenzenquotienten unmittelbar erkannt werden kann. Im Beispielsfall einer Schraube kann dann die Einschraubdrehzahl unmittelbar reduziert werden, um den weiteren Einschraubvorgang oder das Zielmoment genauer und sicherer mit einer geringeren Drehzahl anzusteuern. Dagegen liefern die aus dem Stand der Technik bekannten einfachen Tiefensignale keinen verlässlichen Wert darüber, ob bei einer bestimmten Einschraubtiefe tatsächlich auch Kopfauflage erreicht wird, da Einschraubtiefe und Kopfauflage - wie oben beschrieben - toleranzenbedingt nicht in einem exakten Verhältnis zueinander stehen. Während aus dem Stand der Technik also die Kopfauflage über die Auswertung des Tiefensignals lediglich "vermutet" wird, kann durch die erfinderische Verwendung des Differenzenquotienten ΔL/Δt (insbesondere bei vorzugsweise konstanter Vorschubgeschwindigkeit des Befestigungsmittels) die Kopfauflage sicher und toleranzenunabhängig erkannt werden.

ΔL/Δϕ
Dieser Differenzenquotient erfasst eine zurückgelegte Wegstrecke pro Drehwinkel des Befestigungsmittels, was ebenfalls einen typischen Anwendungsfall für eine Schraube darstellt. Ein konstanter Differenzenquotient ΔL/Δϕ bedeutet auch hier wieder eine konstante Vorschub- oder Rückhubgeschwindigkeit des Befestigungsmittels. Erreicht aber beispielsweise eine Schraube mit ihrem Kopf die Aufnahme (Kopfauflage), so legt die Schraube bei einer weiteren (gegebenenfalls minimalen) Drehbewegung keinen zusätzlichen Weg ΔL zurück, so dass der Quotient ΔL/Δϕ stark oder bis auf Null abfällt. Durch Überwachung des Differenzenquotienten ΔL/Δϕ kann im Gegensatz zum Stand der Technik die Kopfauflage ebenfalls sicher und toleranzenunabhängig erkannt werden, wobei dieser Quotient noch einen weiteren Vorteil bietet:

Da bei einem störungsfreien Einschraubvorgang der Wegabschnitt L in einem festen Verhältnis zum Drehwinkel Δϕ steht, kann vorteilhafterweise auch mit unterschiedlichen oder beliebig verlaufenden Drehzahlen während des Einschraubvorganges gearbeitet werden, ohne auf den Differenzenquotienten ΔL/Δϕ Einfluss zu nehmen. Erst bei Erreichen der Kopfauflage wird dieses Verhältnis gestört, so dass durch entsprechende Auswertung insbesondere eine Umschaltung der Einschraubdrehzahl vorgenommen werden kann. Bis zum Erreichen der Kopfauflage kann dagegen mit erhöhter Drehzahl eingeschraubt und damit der Prozess beschleunigt und optimiert werden.



[0011] Gegenüber dem Stand der Technik zeichnet sich die Verwendung des Differenzenquotienten ΔL/Δϕ auch dadurch aus, dass sie der Drehmomentüberwachung klar überlegen ist. Bekannt ist aus dem Stand der Technik, die Kopfauflage durch einen Anstieg des Einschraubdrehmoments zu detektieren (Drehmomentsensor oder Motorstrom). Tatsächlich tritt die Kopfauflage jedoch meist nicht zeitgleich mit dem Anstieg des Drehmoments auf, sondern bereits vorher. Der Grund liegt in einem gewissen Gewindespiel zwischen dem Innengewinde der Aufnahme und dem Außengewinde der Schraube. Beim Einschraubvorgang liegt die Schraube typischerweise auf den zum Schraubenkopf gewandten Flanken des Innengewindes auf und gleitet auf diesen entlang der Schraubbewegung in die Tiefe. Nach Erreichen der Kopfauflage dreht sich die Schraube zunächst um einen gewissen Winkelanteil weiter, bevor die vom Schraubenkopf fortweisenden Gewindeflanken des Innengewindes der Aufnahme durch das Schraubengewinde kontaktiert werden. Erst dann entsteht die eigentliche Verspannung zwischen Schraubenkopf und den Gewindeflanken mit dem daraus folgenden Anstieg des Drehmoments. Die Überwachung des Einschraubdrehmoments ermittelt also nicht die tatsächliche Kopfauflage, sondern erst den eintretenden Verspannungszustand, der der Kopfauflage zeitlich nachgeordnet eintritt. Beim Stand der Technik, der aus dem Anstieg des Drehmoments auf die Kopfauflage schließt, erfolgt die Reduzierung der Einschraubdrehzahl daher zwangsläufig bei ansteigendem Drehmoment und - je nach absoluter Drehzahl - möglicherweise zu spät, um nicht über das Zielmoment hinaus zu verschrauben. Die erfindungsgemäße Detektion der Kopfauflage mit Hilfe des Differenzenquotienten ΔL/Δϕ hingegen erlaubt die Umschaltung der Drehzahl noch bevor ein nennenswertes Anzugsmoment der Schraube überhaupt auftritt. Dies gewährleistet gleichbleibende und gute Fertigungsqualität gegenüber dem bisher bekannten Verfahren.

[0012] Der Differenzenquotient ΔL/Δϕ löst darüber hinaus noch ein weiteres Problem aus dem Stand der Technik, bei dem mit Hilfe der Drehmomentüberwachung auf die Kopfauflage geschlossen wird. In schwergängigen Gewinden oder bei selbstformenden oder selbstfurchenden Schrauben schwankt das Drehmoment mitunter erheblich und kann bei Übersteigen eines gesetzten Grenzwertes fehlerhafterweise die Kopfauflage signalisieren, obwohl diese nicht gegeben ist. Durch den erfindungsgemäßen Bezug der Wegstrecke ΔL zum Drehwinkel Δϕ und seiner Überwachung wird dieser Fehler sicher ausgeschlossen.

[0013] Eine einfachste Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens zum Fügen oder Lösen eines Befestigungsmittels, relativ zu einer zugehörigen Aufnahme, sieht dabei vor, dass das Befestigungsmittel entlang einer Längsachse über einen Weg in die Aufnahme eingebracht oder aus dieser herausgelöst wird. Dabei soll gegenüber dem Stand der Technik die Steuerung der Füge- bzw. Lösebewegung des Befestigungsmittels relativ zur Aufnahme unter Nutzung des Differenzenquotienten ΔL/Δt oder ΔL/Δϕ erfolgen. Wie bereits erwähnt, beschreibt Δt dabei die Zeiteinheit bzw. Δϕ die Drehwinkeleinheit des um seine Längsachse gedrehten Befestigungsmittels, während derer das Befestigungsmittel die Wegstrecke ΔL relativ zur Aufnahme zurücklegt.

[0014] Nach einer bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens ist das Befestigungsmittel dabei eine mit einem Gewinde versehene Schraube, welche zum Fügen in die Aufnahme eingeschraubt wird. Dies geschieht mit wenigstens einer - vorzugsweise konstanten - Drehzahl. Die Verwendung einer konstanten Drehzahl erlaubt vorteilhaft die wahlweise Verwendung des Differenzenquotienten ΔL/Δϕ oder auch ΔL/Δt, da letzterer bei konstanter Drehzahl bis zur Kopfauflage einen ebenfalls konstanten Wert ergibt. Für den Differenzenquotienten ΔL/Δϕ gilt diese Einschränkung auf Grund der zeitlichen Unabhängigkeit der Wegstrecke ΔL vom Drehwinkel Δϕ vorteilhafterweise ohnehin nicht.

[0015] Obwohl die Verwendung der vorgeschriebenen Differenzenquotienten generell für Fügeverfahren vorteilhaft genutzt werden können, besteht eine besonders vorteilhafte Ausführungsform darin, eine Schraube als Befestigungsmittel zu verwenden mit einem Kopf, dessen Ausdehnung senkrecht zur Längsachse der Schraube größer ist als der Außendurchmesser des Schraubengewindes. Dadurch ergibt sich beim Einschrauben zwingend eine Kopfauflage, deren Detektion mit Hilfe der vorgeschriebenen Verfahren besonders einfach und vorteilhaft möglich wird.

[0016] Zur Ermittlung der Auflage (Kopfauflage) des Schraubenkopfes auf einer Anlagefläche der Aufnahme bieten sich erfindungsgemäß die folgenden Verfahrensschritte an:
  1. a) Einschrauben der Schraube in die Aufnahme mit einer Einschraubdrehzahl,
  2. b) Wiederholte oder permanente Ermittlung des Differenzenquotienten ΔL/Δt oder ΔL/Δϕ, und
  3. c) Bestimmung der Kopfauflage durch Überwachung des Differenzenquotienten ΔL/Δt oder ΔL/Δϕ auf eine Wertänderung.


[0017] Gemäß Merkmal c) soll der Differenzenquotient auf eine Wertänderung hin überwacht werden, um daraus auf die Kopfauflage zu schließen. Die Ermittlung des Differenzenquotienten kann dabei zyklisch oder im Wesentlichen permanent erfolgen, so dass Änderungen des Differenzenquotienten auch im Millisekundenbereich sofort erkennbar werden. Selbstverständlich kann die Ermittlung des Differenzenquotienten durch geeignete Grenzwerte oder Toleranzen auf den jeweiligen Fügevorgang abgestimmt werden, was durch Vorgabe geeigneter Parameter, beispielsweise in einer Steuereinheit, realisiert werden kann.

[0018] In Fortführung des erfinderischen Verfahrensablaufes kann die Einschraubdrehzahl nach detektierter Kopfauflage erfindungsgemäß angepasst - und insbesondere reduziert - werden. Damit wird das Verfahren den Anforderungen gerecht, einen zeitlich optimierten Fügevorgang anzubieten, und jeweils mit optimaler Einschraubdrehzahl zu arbeiten. Insbesondere kann die Anpassung der Einschraubdrehzahl nach Erreichen der Kopfauflage so schnell (notfalls in Sekundenbruchteilen) erfolgen, dass das zuvor beschriebene Anzugsmoment beim Verspannen der Schraube erst auftritt, wenn die angepasste Drehzahl bereits eingestellt bzw. vorgegeben ist. Wie bereits beschrieben, wird dadurch sichergestellt, dass die Verschraubung nicht mit ungeeignet hoher Drehzahl erfolgt und beispielsweise das Zielmoment überschritten wird.

[0019] Neben der Überwachung auf Erreichen der Kopfauflage ist das erfindungsgemäße Verfahren auch zur Prozessüberwachung von Bedeutung. So kann bei Erreichen eines (weitgehend beliebigen) Verschraubungs-Abschaltkriteriums mit Hilfe des Verlaufs oder des aktuellen Wertes des Differenzenquotienten der Status des Verschraubungszustands bzw. -vorgangs ermittelt und überwacht werden.

[0020] Wenn beispielsweise eine Schraube mit einem bestimmten Zielmoment festgezogen werden soll, kann mit Hilfe des Differenzenquotienten überwacht werden, ob die Vorschubgeschwindigkeit der Schraube bei erreichen des Zielmoments (und damit bei Abschaltung) null war, also Kopfauflage tatsächlich vorlag. Nur dann ist bspw. eine gewünschte Vorspannung in der Schraube aufbringbar. Damit kann weitestgehend ausgeschlossen werden, dass eine schwergängige Schraube, die schon vor Kopfauflage ihr Zielmoment erreicht hat, als Gutverschraubung (IO) eingestuft wird. Ein solcher Fall tritt beispielsweise auf, wenn bei selbstfurchenden Schrauben der Durchmesser des vorgebohrten Loches zu klein ist oder verschmutzt ist, was aus fertigungstechnischen Gründen nicht ausgeschlossen werden kann.

[0021] Generell lässt sich mit Hilfe des Differenzenquotienten feststellen, ob eine Schraube bspw. pro Drehwinkel einen Vorschub macht, also weiter eingeschraubt wird, oder nicht, also steht bzw. feststeckt. Auch lässt sich damit erkennen (ggfls. auch in Verbindung mit einer Tiefenmessung), ob eine ermitteltes Moment aus der Kopfauflage oder aus anderen Gründen resultiert (bspw. schwergängige Schraube, sonstige Blockierung).

[0022] Eine erfindungsgemäße Vorrichtung, die insbesondere zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignet ist, soll dementsprechend aufweisen:
  1. a) Antriebsmittel zum Fügen oder Lösen des Befestigungsmittels in seiner Längsrichtung entlang eines Weges in die Aufnahme oder aus dieser heraus,
  2. b) eine Steuereinheit zur Steuerung der Antriebsmittel,
  3. c) Sensormittel zur Erfassung einer vom Befestigungsmittel relativ zur Aufnahme zurückgelegten Wegstrecke ΔL, und
  4. d) Sensormittel zur Erfassung der Zeit Δt, während derer das Befestigungsmittel die Wegstrecke ΔL zurücklegt und/oder Sensormittel zur Erfassung des Drehwinkels Δϕ, um welche sich das Befestigungsmittel während der zurücklegten Wegstrecke ΔL um seine Längsachse dreht.


[0023] Erfindungsgemäß ist die Steuereinheit dabei zur Bildung des Differenzenquotienten ΔL/Δt bzw. ΔL/Δϕ ausgebildet, wodurch die vorbeschriebenen Vorteile gegenüber dem Stand der Technik realisierbar sind.

[0024] Es versteht sich von selbst, dass der Fachmann geeignete Sensormittel zur Erfassung der einzelnen Werte (ΔL, Δt, Δϕ) bereitstellen wird, um den Differenzenquotienten zu bilden.

[0025] Weitere vorteilhafte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteransprüchen.

[0026] Nachfolgend soll die Erfindung anhand eines Figurenbeispiels näher erläutert werden.

[0027] Dabei zeigt:
Fig. 1
eine schematische Darstellung einzelner Messwerte über der Zeit, und
Fig.2
einen Anwendungsfall des Verfahrens für eine Schraube.


[0028] In Fig. 1 ist in schematischer Darstellung der Verlauf von typischen Größen eines Verschraubungsverfahrens über der Zeit zu erkennen. Die Zeitachse t umfasst dabei den Bereich der weitgehend störungsfreien Verschraubung einer Schraube in die zugehörige Aufnahme über den Moment der Kopfauflage (tK) hinaus, bis zum Moment des Drehmomentanstiegs auf Grund der Verspannung.

[0029] Im obersten Schaubild ist dabei der Drehmomentverlauf dargestellt. Zu erkennen ist ein um einen im Wesentlichen konstanten Wert leicht schwankendes Drehmoment. Die Schwankungen können beispielsweise aus Ungenauigkeiten im Gewinde oder Unrundheiten resultieren. Das Drehmoment behält diesen weitgehend konstanten Wert bei, bis der Schraubenkopf die Aufnahme erreicht (Kopfauflage tK). Bis zum Eintritt der tatsächlichen Verspannung behält das Drehmoment auch über den Zeitpunkt tK seinen vorherigen Wert und steigt erst mit Eintritt der eigentlichen Verspannung steil an.

[0030] Im darunterliegenden Schaubild ist der Drehwinkel φ dargestellt, der hier über die Zeit aufgetragen wurde und - bei konstanter Einschraubdrehzahl - einen idealisiert linearen Anstieg wiedergibt.

[0031] Die darunter dargestellte Einschraubtiefe L verläuft (wiederum bei als konstant angenommener Einschraubdrehzahl) linear ansteigend bis zum Moment der Kopfauflage tK. Ab dann legt die Schraube keinen weiteren Weg zurück, da die Kopfauflage dies blockiert.

[0032] Im untersten Schaubild schließlich ist der Differenzenquotient ΔL/Δϕ bzw. ΔL/Δt dargestellt. Der Verlauf ΔL/Δt ist unmittelbar aus dem darüber gezeigten Schaubild ersichtlich. Der Differenzenquotient bleibt solange konstant, wie die Einschraubtiefe in gleicher Weise zunimmt wie die Zeit. Ändert sich dieses Verhältnis ab tK, so verändert sich der Quotient ΔL/Δt im wesentlichen auf Null. In Zusammenschau der Diagramme für den Drehwinkel φ und die Einschraubtiefe L ergibt sich auch der Verlauf des Differenzenquotienten ΔL/Δϕ, der ebenfalls bis zum Zeitpunkt tK konstant bleibt und mit Erreichen dieser Kopfauflage abfällt.

[0033] Diese Veränderung des Differenzenquotienten ΔL/Δϕ oder ΔL/Δt kann erfindungsgemäß zur Detektion der Kopfauflage herangezogen werden und überwindet die vorbeschriebenen Nachteile aus dem Stand der Technik.

[0034] Fig. 2 zeigt in schematischer Darstellung eine mögliche Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens. Dabei soll eine Schraube S in eine Aufnahme A eingeschraubt werden, wobei die Schraube S an ihrem oberen Ende einen Kopf K aufweist. Die Schraube S soll um ihre Längsachse Z mit einem Drehwinkel φ eingeschraubt werden, wobei sie in Richtung Z einen Weg L zurücklegt. Durch Erfassung von Wegabschnitten L in Verbindung mit Drehwinkelabschnitten Δϕ oder Zeitabschnitten Δt lässt sich der Moment der Kopfauflage, also wenn der Kopf K auf der nach oben gewandten Auflagefläche der Aufnahme A aufsitzt, in erfinderischer Weise ermitteln und zur Optimierung eines solchen Fügeprozesses heranziehen.


Ansprüche

1. Verfahren zum Fügen oder Lösen eines Befestigungsmittels (S) relativ zu einer zugehörigen Aufnahme (A), wobei das Befestigungsmittel (S) entlang seiner Längsachse (Z) über einen Weg (L) in die Aufnahme (A) eingebracht oder aus dieser herausgelöst wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Steuerung der Füge- bzw. Lösebewegung des Befestigungsmittels (S) relativ zur Aufnahme (A) erfolgt unter Nutzung des Differenzenquotienten (ΔL/Δt) oder (ΔL/Δϕ), wobei
(Δt) die Zeiteinheit
bzw.
(Δϕ) die Drehwinkeleinheit des um seine Längsachse (Z) gedrehten Befestigungsmittels (S) darstellt,
während derer das Befestigungsmittel (S) die Wegstrecke (ΔL) relativ zur Aufnahme (A) zurückgelegt.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Befestigungsmittel eine mit einem Gewinde versehene Schraube (S) ist, welche zum Fügen in die Aufnahme (A) mit wenigstens einer vorzugsweise konstanten Drehzahl (n) eingeschraubt wird.
 
3. Verfahren nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die Schraube einen Kopf (K) aufweist, dessen Ausdehnung senkrecht zur Richtung (Z) größer ist als der Gewindeaußendurchmesser.
 
4. Verfahren nach dem vorhergehenden Anspruch zur Ermittlung der Auflage (Kopfauflage) des Schraubenkopfes (K) auf einer Anlagefläche der Aufnahme (A), gekennzeichnet durch folgende Verfahrensschritte:

a) Einschrauben der Schraube (S) in die Aufnahme mit einer Einschraubdrehzahl (n)

b) Wiederholte oder permanente Ermittlung des Differenzenquotienten (ΔL/Δt) oder (ΔL/Δϕ)

c) Bestimmung der Kopfauflage durch Überwachung des Differenzenquotienten (ΔL/Δt) oder (ΔL/Δϕ) auf eine Wertänderung.


 
5. Verfahren nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die Einschraubdrehzahl (n) im wesentlichen konstant ist und die Bestimmung der Kopfauflage erfolgt durch Überwachung des Differenzenquotienten (ΔL/Δt) auf eine Wertänderung.
 
6. Verfahren nach einem der beiden vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Einschraubdrehzahl (n) nach detektierter Kopfauflage angepasst, insbesondere reduziert, wird.
 
7. Verfahren nach einem der drei vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Verlauf und/oder der absolute Wert des Differenzenquotienten (ΔL/Δt) oder (ΔL/Δϕ) zur Auswertung des Verschraubungszustands verwendet wird, insbesondere durch Prüfung auf Erreichen der Kopfauflage bei Eintritt eines im Wesentlichen beliebigen Abschaltkriteriums.
 
8. Vorrichtung zum Fügen oder Lösen eines Befestigungsmittels (S) relativ zu einer zugehörigen Aufnahme (A), insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorigen Ansprüche, aufweisend

a) Antriebsmittel zum Fügen oder Lösen des Befestigungsmittels (S) in seiner Längsrichtung (Z) entlang eines Weges (L) in die Aufnahme (A) oder aus dieser heraus,

b) eine Steuereinheit zur Steuerung der Antriebsmittel,

c) Sensormittel zur Erfassung einer vom Befestigungsmittel (S) relativ zur Aufnahme (A) zurückgelegten Wegstrecke (ΔL),

d) Sensormittel zur Erfassung der Zeit (Δt), während derer das Befestigungsmittel (S) die Wegstrecke (ΔL) zurücklegt und/oder Sensormittel zur Erfassung des Drehwinkels (Δϕ), um welche sich das Befestigungsmittel (S) während der zurücklegten Wegstrecke (ΔL) um seine Längsachse (Z) dreht,
dadurch gekennzeichnet, dass

e) die Steuereinheit zur Bildung des Differenzenquotienten (ΔL/Δt) oder (ΔL/Δϕ) ausgebildet ist.


 
9. Vorrichtung nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinheit zur Ermittlung der Auflage (Kopfauflage) des Kopfes (K) eines als Schraube (S) ausgeführten Befestigungsmittels auf einer Anlagefläche der Aufnahme (A) durch Überwachung des Differenzenquotienten (ΔL/Δt) oder (ΔL/Δϕ) auf eine Wertänderung ausgebildet ist.
 




Zeichnung