[0001] Die Erfindung betrifft einen Dichtring, insbesondere einen Wellendichtring für einen
Turbolader.
[0002] Abhängig von der Position eines Dichtringes in einem Turbolader muss der Werkstoff
des Dichtringes, insbesondere eines Wellendichtringes, verschiedene Eigenschaften
aufweisen, um insbesondere eine Dichtfunktion über die gesamte Lebensdauer des Turboladers
garantieren zu können. Die Dichtfunktion wird dabei hauptsächlich von einer Verschleißbeständigkeit
beziehungsweise einer Kriechneigung der Dichtringe beeinflusst, so dass insbesondere
bei neuen und hochbelasteten Turboladern, beispielsweise für Ottomotoren, neben einer
hohen Verschleißbeständigkeit auch eine ausreichend hohe Kriechbeständigkeit gefordert
wird. Die bisher für derartige Dichtringe verwendeten Werkstoffe, insbesondere Werkzeugstähle,
sind von ihrer Kriechbeständigkeit nicht ausreichend, während austenitische Werkstoffe
oder Nickelbasislegierungen oftmals keine ausreichende Verschleißbeständigkeit aufweisen.
[0003] Die Erfindung beschäftigt sich mit dem Problem, für einen Dichtring eine verbesserte
Ausführungsform anzugeben, welche insbesondere die aus dem Stand der Technik bekannten
Nachteile überwindet.
[0004] Dieses Problem wird erfindungsgemäß durch den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs
1 gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
[0005] Die Erfindung beruht auf dem allgemeinen Gedanken, für einen Dichtring, insbesondere
für einen Wellendichtring eines Turboladers, ein Grundmaterial auf Eisenbasis oder
auf einer Nickelbasislegierung zu verwenden und den Dichtring zu borieren. Unter Borieren
versteht man ein thermochemisches Randschichthärteverfahren zur Erzeugung einer verschleißfesten
Oberfläche auf einem Werkstück, wobei beim Borieren das chemische Element Bor in die
Randzone eines Werkstoffes, hier in die Randzone des Dichtringes, bei einer Temperatur
zwischen 850 und 950 °C eingebracht wird. Hierbei bildet sich bis in eine Tiefe von
ca. 250 µm eine Boridschicht, welche eine überraschend gute Verankerung zum Grundmaterial
des Dichtringes bewirkt. Prinzipiell wird durch das Borieren einerseits eine hohe
Verschleißfestigkeit und andererseits eine hohe Kriechbeständigkeit des Materials
erreicht. Darüber hinaus ermöglicht das Borieren einen Einsatz der Dichtringe bei
hohen mechanischen und tribologischen Belastungen bei Temperaturen von bis zu 850
°C. Im Unterschied zu Verschleißschutzschichten, welche beispielsweise durch ein PVD-Verfahren
aufgebracht werden, wird durch das Borieren eine deutlich verbesserte Verankerung
der Verschleißschutzschicht mit dem Grundwerkstoff des Dichtringes bewirkt. Diese
überraschend gute Verbindung zwischen dem Grundmaterial und der Verschleißschutzschicht
(Boridschicht), verhindert insbesondere ein Abplatzen derselben bei der Montage der
Wellendichtringe auf der zugehörigen Welle, bei welcher die Wellendichtringe üblicherweise
aufgebogen werden müssen.
[0006] Im Vergleich zu ausschließlich gehärteten Wellendichtringen, welche üblicherweise
sehr spröde sind und dadurch zu einem Brechen beim Montieren neigen, kann mit dem
erfindungsgemäßen Borieren die Härte und damit die Sprödbruchneigung reduziert werden,
so dass deutlich weniger Ausschuss bei der Montage und damit eine deutlich verbesserte
Wirtschaftlichkeit zu erwarten sind. Selbstverständlich können/müssen auch die borierten
Wellendichtringe gehärtet sein, um die Relaxation in montiertem Zustand zu begrenzen.
Die Härte bei borierten Wellendichtringen kann aber beispielsweise kleiner als 60
HRC, vorzugsweise ca. 45 HRC betragen.
[0007] Eine derartig überraschend gute Verbindung zwischen der Verschleißschutzschicht und
dem Grundmaterial, ist mit anderen Randschichthärteverfahren, beispielsweise dem Nitrieren,
nicht zu erzielen. Beim Nitrieren kann es aufgrund der schlechteren Verzahnung/Verbindung
zwischen der Nitridschicht und dem Grundmaterial beim Aufbiegen der Wellendichtringe
zu entlang der Diffusionsgrenze zwischen der Nitridschicht und dem Grundmaterial verlaufenden
Rissen kommen, die ein Abplatzen der Nitridschicht und damit eine Zerstörung der Verschleißschutzschicht
bewirken. Selbstverständlich kann es auch beim Aufbiegen von borierten Wellendichtringen
zu einem Reißen der Boridschicht kommen. Durch die gute Verzahnung zwischen der Boridschicht
und dem Grundmaterial verlaufen die auftretenden Risse hierbei jedoch ohne Richtungsänderung
über die Diffusionsgrenze hinweg, so dass insbesondere keine entlang der Diffusionsgrenze
verlaufenden Risse auftreten, die ursächlich für das Abplatzen der Verschleißschutzschicht
sind. Die beim Aufbiegen entstandenen Risse können sich nach der Montage der Wellendichtringe
wieder schließen, ohne dass von diesen eine Gefahr für die Verschleißschutzschicht
ausgeht.
[0008] Mit den erfindungsgemäßen borierten Wellendichtringen, lassen sich somit mehrere
wesentliche Vorteile realisieren:
- verbesserte Verschleißbeständigkeit der Wellendichtringe und damit eine längere Lebensdauer,
- reduzierte Sprödbruchneigung und dadurch einen geringeren Ausschussanteil bei der
Montage,
- verbesserte Wirtschaftlichkeit.
[0009] Zweckmäßig ist das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise austenitisch.
Als Austenit werden γ-Mischkristalle des Eisens bezeichnet, wobei Austenit üblicherweise
eine kubischflächen-zentrierte Struktur aufweist. Das Gefüge an sich besitzt eine
geringe Härte, welche jedoch beispielsweise durch Kaltverformung gesteigert werden
kann.
[0010] Alternativ dazu ist denkbar, dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise
martensitisch ist. Martensit ist ein metastabiles Gefüge von Festkörpern, das die
diffusionslos und athermische durch eine kooperative Scherbewegung aus dem Ausgangsgefüge
entsteht. Beispielsweise kann der im Austenit gelöste Kohlenstoff durch eine sehr
rasche Abkühlung, beispielsweise beim Abschrecken, zwangsgelöst werden, wodurch ein
sehr hartes Gefüge entsteht. Die Abkühlgeschwindigkeit, bei welcher erste Anteile
von Martensit, neben Ferrit, Perlit und Bainit entstehen, heißt dabei untere kritische
Abkühlgeschwindigkeit. Generell wird Martensit bei Stählen verwendet, um einen Härteanstieg
zu erzielen. Je höher dabei der Kohlenstoffgehalt des Martensits ist, desto höher
ist auch dessen Härte.
[0011] Als weitere Alternative ist denkbar, dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest
teilweise bainitisch ist. Bainit bildet sich dabei bei Temperaturen, welche zwischen
den für die Perlit- bzw. Martensitbildung liegen. Anders als bei der Bildung von reinem
Martensit sind hier Umklappvorgänge im Kristallgitter und Diffusionsvorgänge gekoppelt,
wodurch verschiedene Umwandlungsmechanismen möglich werden.
[0012] Alle in der Beschreibung und in den nachfolgenden Ansprüchen dargestellten Merkmale
können dabei sowohl einzeln als auch in beliebiger Form miteinander kombiniert erfindungswesentlich
sein.
1. Dichtring, insbesondere ein Wellendichtring für einen Turbolader, der ein Grundmaterial
auf Eisenbasis oder auf einer Nickelbasislegierung aufweist und boriert ist.
2. Dichtring nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
- dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise austenitisch ist, oder
- dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise ferritisch ist, oder
- dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise perlitisch, bainitisch oder
martensitisch ist.
3. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten
Konzentration aufweist:
- C: 0,0 - 0,9 9 Gew.-%,
- Si 0,0 - 3,0 Gew.-%,
- Mn 0,0 - 19,0 Gew.-%,
- P, S, B 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Cr 3,0 - 27,0 Gew.-%,
- Mo 0,0 - 6,0 Gew.-%,
- Ni 0,0 - 37,0 Gew.-%,
- Al, Ti 0,0 - 6,0 Gew.-%,
- N 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Nb, V 0,0 - 2,5 Gew.-%,
- W, Cu 0,0 - 3,0 Gew.-%,
- Co 0,0 - 17,0 Gew.-%,
- Fe 35,0 - 97,0 Gew.-,
- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente.
4. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten
Konzentration aufweist:
- C 0,0 - 0,2 Gew.-%,
- Si 0,0 - 2,0Gew.-%,
- Mn 0,0 - 2,0 Gew.-%,
- P, S, B 0,0 - 0,05 Gew.-%,
- Al 0,0 - 0,4 Gew.-%,
- Cr 13,0 - 17,0 Gew.-%,
- Mo 1,0 - 2,0 Gew.-%,
- Ni 23,5 - 27,5 Gew.-%,
- Ti 1,0 - 3,0 Gew.-%,
- V 0,0 - 1,0 Gew.-%,
- Fe 45,0 - 62,5 Gew.-%,
- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente.
5. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten
Konzentration aufweist:
- C 0,0 - 0,7 Gew.-%,
- Si 0,0 - 1,0 Gew.-%,
- Mn 5,0 - 10,0 Gew.-%,
- P, S 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Cr 14,0 - 23,0 Gew.-%,
- Mo 0,0 - 5,0 Gew.-%,
- Ni 0,0 - 15,0 Gew.-%,
- Ti 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- N 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Nb 0,0 - 1,3 Gew.-%,
- V 0,0 - 1,2 Gew.-%,
- W 0,0 - 1,0 Gew.-%,
- B 0,0 - 0,1 Gew.-%,
- Co 0,0 - 2,0 Gew.-%,
- Cu 0,0 - 2,0 Gew.-%,
- Fe 40,0 - 81,0 Gew.-%,
- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente.
6. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten
Konzentration aufweist:
- C 0,5 - 1,8 Gew.-%,
- Si 0,0 - 1,0 Gew.-%,
- Mn 0,0 - 1,5 Gew.-%,
- P, S 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Cr, Mo 2,0 - 7,0 Gew.-%,
- Ni, Co 0,0 - 15,0 Gew.-%,
- Ti 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Cu 0,0 - 2,0 Gew.-%,
- N 0,0 - 0,3 Gew.-%,
- Nb 0,0 - 1,5 Gew.-%,
- V 0,5 - 3,0 Gew.-%,
- W 2,0 - 9,0 Gew.-%,
- B 0,0 - 0,1 Gew.-%,
- Fe 40,0 - 93,5 Gew.-%,
- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente
7. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten
Konzentration aufweist:
- C 0,0 - 2,7 Gew.-%,
- Si 0,2 - 2,3 Gew.-%,
- Mn 0,0 - 1,5 Gew.-%,
- P, S 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Cr 22,0 - 37,0 Gew.-%,
- Mo, Cu 0,0 - 3,0 Gew.-%,
- Ni 0,0 - 6,0 Gew.-%,
- N, Ti 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- V, Nb 0,0 - 1,5 Gew.-%,
- W, Co, 0,0 - 2,0 Gew.-%,
- B 0,0 - 0,1 Gew.-%,
- Fe 40,0 - 77,9 Gew.-%,
- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente
8. Dichtring nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten
Konzentration aufweist:
- C 0,0 - 0,2 Gew.-%,
- Si 0,0 - 1,0 Gew.-%,
- Mn 0,0 - 1,0 Gew.-%,
- P, S, B 0, 0 - 0,5 Gew.-%,
- Cr 8,0 - 31,0 Gew.-%,
- Mo 0,0 - 15,0 Gew.-%,
- Fe 0,0 - 36,0 Gew.-%,
- Ti 0,0 - 5,0 Gew.-%,
- N, La 0,0 - 0,5 Gew.-%,
- Nb 0,0 - 5,5 Gew.-%,
- V, Cu 0,0 - 2,0 Gew.-%,
- Hf, Zr 0,0 - 2,0 Gew.-%,
- W 0,0 - 14,0 Gew.-%,
- Co 0,0 - 20,0 Gew.-%,
- Ni 40,0 - 92,0 Gew.-%,
- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente
9. Dichtring nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet,
dass eine Schichtdicke einer Borierschicht 1 bis 50µm beträgt.
10. Verfahren zum Herstellen eines Dichtrings nach einem der Ansprüche 1 bis 9,
dadurch gekennzeichnet,
- dass zum Borieren feste, flüssige, insbesondere pastenartige, oder gasförmige Borspender
verwendet werden, und/oder
- dass das Grundmaterial des Dichtrings gesintert oder gegossen wird.
11. Verfahren nach Anspruch 10,
dadurch gekennzeichnet,
- dass der Dichtring aus Stangenvollmaterial oder aus rohrförmigen Halbzeugen gedreht wird,
oder
- dass der Dichtring aus Draht gewickelt wird.