(19)
(11) EP 1 997 921 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.12.2008  Patentblatt  2008/49

(21) Anmeldenummer: 08156343.9

(22) Anmeldetag:  16.05.2008
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C22C 19/00(2006.01)
C22C 38/00(2006.01)
C22C 38/18(2006.01)
C22C 38/44(2006.01)
C22C 38/58(2006.01)
C22C 19/05(2006.01)
C22C 38/10(2006.01)
C22C 38/40(2006.01)
C22C 38/54(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MT NL NO PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA MK RS

(30) Priorität: 01.06.2007 DE 102007025758

(71) Anmelder: Mahle International GmbH
70376 Stuttgart (DE)

(72) Erfinder:
  • Bosch, Henry
    75365 Calw (DE)
  • Ruch, Roland
    79650 Schopfheim (DE)
  • Steinert, Lutz
    79650 Schopfheim (DE)
  • Wintrich, Klaus
    79650 Schopfheim (DE)

(74) Vertreter: Bongen, Renaud & Partner 
Rechtsanwälte Notare Patentanwälte Königstrasse 28
70173 Stuttgart
70173 Stuttgart (DE)

   


(54) Dichtring


(57) Die vorliegende Erfindung betrifft einen Dichtring, insbesondere einen Wellendichtring für einen Turbolader, der entweder ein Grundmaterial auf Eisenbasis oder ein Grundmaterial auf einer Nickelbasislegierung aufweist und zudem boriert ist.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft einen Dichtring, insbesondere einen Wellendichtring für einen Turbolader.

[0002] Abhängig von der Position eines Dichtringes in einem Turbolader muss der Werkstoff des Dichtringes, insbesondere eines Wellendichtringes, verschiedene Eigenschaften aufweisen, um insbesondere eine Dichtfunktion über die gesamte Lebensdauer des Turboladers garantieren zu können. Die Dichtfunktion wird dabei hauptsächlich von einer Verschleißbeständigkeit beziehungsweise einer Kriechneigung der Dichtringe beeinflusst, so dass insbesondere bei neuen und hochbelasteten Turboladern, beispielsweise für Ottomotoren, neben einer hohen Verschleißbeständigkeit auch eine ausreichend hohe Kriechbeständigkeit gefordert wird. Die bisher für derartige Dichtringe verwendeten Werkstoffe, insbesondere Werkzeugstähle, sind von ihrer Kriechbeständigkeit nicht ausreichend, während austenitische Werkstoffe oder Nickelbasislegierungen oftmals keine ausreichende Verschleißbeständigkeit aufweisen.

[0003] Die Erfindung beschäftigt sich mit dem Problem, für einen Dichtring eine verbesserte Ausführungsform anzugeben, welche insbesondere die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile überwindet.

[0004] Dieses Problem wird erfindungsgemäß durch den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gelöst. Vorteilhafte Ausführungsformen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.

[0005] Die Erfindung beruht auf dem allgemeinen Gedanken, für einen Dichtring, insbesondere für einen Wellendichtring eines Turboladers, ein Grundmaterial auf Eisenbasis oder auf einer Nickelbasislegierung zu verwenden und den Dichtring zu borieren. Unter Borieren versteht man ein thermochemisches Randschichthärteverfahren zur Erzeugung einer verschleißfesten Oberfläche auf einem Werkstück, wobei beim Borieren das chemische Element Bor in die Randzone eines Werkstoffes, hier in die Randzone des Dichtringes, bei einer Temperatur zwischen 850 und 950 °C eingebracht wird. Hierbei bildet sich bis in eine Tiefe von ca. 250 µm eine Boridschicht, welche eine überraschend gute Verankerung zum Grundmaterial des Dichtringes bewirkt. Prinzipiell wird durch das Borieren einerseits eine hohe Verschleißfestigkeit und andererseits eine hohe Kriechbeständigkeit des Materials erreicht. Darüber hinaus ermöglicht das Borieren einen Einsatz der Dichtringe bei hohen mechanischen und tribologischen Belastungen bei Temperaturen von bis zu 850 °C. Im Unterschied zu Verschleißschutzschichten, welche beispielsweise durch ein PVD-Verfahren aufgebracht werden, wird durch das Borieren eine deutlich verbesserte Verankerung der Verschleißschutzschicht mit dem Grundwerkstoff des Dichtringes bewirkt. Diese überraschend gute Verbindung zwischen dem Grundmaterial und der Verschleißschutzschicht (Boridschicht), verhindert insbesondere ein Abplatzen derselben bei der Montage der Wellendichtringe auf der zugehörigen Welle, bei welcher die Wellendichtringe üblicherweise aufgebogen werden müssen.

[0006] Im Vergleich zu ausschließlich gehärteten Wellendichtringen, welche üblicherweise sehr spröde sind und dadurch zu einem Brechen beim Montieren neigen, kann mit dem erfindungsgemäßen Borieren die Härte und damit die Sprödbruchneigung reduziert werden, so dass deutlich weniger Ausschuss bei der Montage und damit eine deutlich verbesserte Wirtschaftlichkeit zu erwarten sind. Selbstverständlich können/müssen auch die borierten Wellendichtringe gehärtet sein, um die Relaxation in montiertem Zustand zu begrenzen. Die Härte bei borierten Wellendichtringen kann aber beispielsweise kleiner als 60 HRC, vorzugsweise ca. 45 HRC betragen.

[0007] Eine derartig überraschend gute Verbindung zwischen der Verschleißschutzschicht und dem Grundmaterial, ist mit anderen Randschichthärteverfahren, beispielsweise dem Nitrieren, nicht zu erzielen. Beim Nitrieren kann es aufgrund der schlechteren Verzahnung/Verbindung zwischen der Nitridschicht und dem Grundmaterial beim Aufbiegen der Wellendichtringe zu entlang der Diffusionsgrenze zwischen der Nitridschicht und dem Grundmaterial verlaufenden Rissen kommen, die ein Abplatzen der Nitridschicht und damit eine Zerstörung der Verschleißschutzschicht bewirken. Selbstverständlich kann es auch beim Aufbiegen von borierten Wellendichtringen zu einem Reißen der Boridschicht kommen. Durch die gute Verzahnung zwischen der Boridschicht und dem Grundmaterial verlaufen die auftretenden Risse hierbei jedoch ohne Richtungsänderung über die Diffusionsgrenze hinweg, so dass insbesondere keine entlang der Diffusionsgrenze verlaufenden Risse auftreten, die ursächlich für das Abplatzen der Verschleißschutzschicht sind. Die beim Aufbiegen entstandenen Risse können sich nach der Montage der Wellendichtringe wieder schließen, ohne dass von diesen eine Gefahr für die Verschleißschutzschicht ausgeht.

[0008] Mit den erfindungsgemäßen borierten Wellendichtringen, lassen sich somit mehrere wesentliche Vorteile realisieren:
  • verbesserte Verschleißbeständigkeit der Wellendichtringe und damit eine längere Lebensdauer,
  • reduzierte Sprödbruchneigung und dadurch einen geringeren Ausschussanteil bei der Montage,
  • verbesserte Wirtschaftlichkeit.


[0009] Zweckmäßig ist das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise austenitisch. Als Austenit werden γ-Mischkristalle des Eisens bezeichnet, wobei Austenit üblicherweise eine kubischflächen-zentrierte Struktur aufweist. Das Gefüge an sich besitzt eine geringe Härte, welche jedoch beispielsweise durch Kaltverformung gesteigert werden kann.

[0010] Alternativ dazu ist denkbar, dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise martensitisch ist. Martensit ist ein metastabiles Gefüge von Festkörpern, das die diffusionslos und athermische durch eine kooperative Scherbewegung aus dem Ausgangsgefüge entsteht. Beispielsweise kann der im Austenit gelöste Kohlenstoff durch eine sehr rasche Abkühlung, beispielsweise beim Abschrecken, zwangsgelöst werden, wodurch ein sehr hartes Gefüge entsteht. Die Abkühlgeschwindigkeit, bei welcher erste Anteile von Martensit, neben Ferrit, Perlit und Bainit entstehen, heißt dabei untere kritische Abkühlgeschwindigkeit. Generell wird Martensit bei Stählen verwendet, um einen Härteanstieg zu erzielen. Je höher dabei der Kohlenstoffgehalt des Martensits ist, desto höher ist auch dessen Härte.

[0011] Als weitere Alternative ist denkbar, dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise bainitisch ist. Bainit bildet sich dabei bei Temperaturen, welche zwischen den für die Perlit- bzw. Martensitbildung liegen. Anders als bei der Bildung von reinem Martensit sind hier Umklappvorgänge im Kristallgitter und Diffusionsvorgänge gekoppelt, wodurch verschiedene Umwandlungsmechanismen möglich werden.

[0012] Alle in der Beschreibung und in den nachfolgenden Ansprüchen dargestellten Merkmale können dabei sowohl einzeln als auch in beliebiger Form miteinander kombiniert erfindungswesentlich sein.


Ansprüche

1. Dichtring, insbesondere ein Wellendichtring für einen Turbolader, der ein Grundmaterial auf Eisenbasis oder auf einer Nickelbasislegierung aufweist und boriert ist.
 
2. Dichtring nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,

- dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise austenitisch ist, oder

- dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise ferritisch ist, oder

- dass das Grundmaterial auf Eisenbasis zumindest teilweise perlitisch, bainitisch oder martensitisch ist.


 
3. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten Konzentration aufweist:

- C:     0,0 - 0,9 9 Gew.-%,

- Si     0,0 - 3,0 Gew.-%,

- Mn     0,0 - 19,0 Gew.-%,

- P, S, B     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Cr     3,0 - 27,0 Gew.-%,

- Mo     0,0 - 6,0 Gew.-%,

- Ni     0,0 - 37,0 Gew.-%,

- Al, Ti     0,0 - 6,0 Gew.-%,

- N     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Nb, V 0,0 - 2,5 Gew.-%,

- W, Cu 0,0 - 3,0 Gew.-%,

- Co     0,0 - 17,0 Gew.-%,

- Fe     35,0 - 97,0 Gew.-,

- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente.


 
4. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten Konzentration aufweist:

- C     0,0 - 0,2 Gew.-%,

- Si     0,0 - 2,0Gew.-%,

- Mn 0,0 - 2,0 Gew.-%,

- P, S, B     0,0 - 0,05 Gew.-%,

- Al     0,0 - 0,4 Gew.-%,

- Cr     13,0 - 17,0 Gew.-%,

- Mo     1,0 - 2,0 Gew.-%,

- Ni     23,5 - 27,5 Gew.-%,

- Ti     1,0 - 3,0 Gew.-%,

- V     0,0 - 1,0 Gew.-%,

- Fe     45,0 - 62,5 Gew.-%,

- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente.


 
5. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten Konzentration aufweist:

- C     0,0 - 0,7 Gew.-%,

- Si     0,0 - 1,0 Gew.-%,

- Mn     5,0 - 10,0 Gew.-%,

- P, S     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Cr     14,0 - 23,0 Gew.-%,

- Mo     0,0 - 5,0 Gew.-%,

- Ni     0,0 - 15,0 Gew.-%,

- Ti     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- N     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Nb     0,0 - 1,3 Gew.-%,

- V     0,0 - 1,2 Gew.-%,

- W     0,0 - 1,0 Gew.-%,

- B     0,0 - 0,1 Gew.-%,

- Co     0,0 - 2,0 Gew.-%,

- Cu     0,0 - 2,0 Gew.-%,

- Fe     40,0 - 81,0 Gew.-%,

- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente.


 
6. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten Konzentration aufweist:

- C     0,5 - 1,8 Gew.-%,

- Si     0,0 - 1,0 Gew.-%,

- Mn     0,0 - 1,5 Gew.-%,

- P, S     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Cr, Mo     2,0 - 7,0 Gew.-%,

- Ni, Co     0,0 - 15,0 Gew.-%,

- Ti     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Cu     0,0 - 2,0 Gew.-%,

- N     0,0 - 0,3 Gew.-%,

- Nb     0,0 - 1,5 Gew.-%,

- V     0,5 - 3,0 Gew.-%,

- W     2,0 - 9,0 Gew.-%,

- B     0,0 - 0,1 Gew.-%,

- Fe     40,0 - 93,5 Gew.-%,

- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente


 
7. Dichtring nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten Konzentration aufweist:

- C     0,0 - 2,7 Gew.-%,

- Si     0,2 - 2,3 Gew.-%,

- Mn     0,0 - 1,5 Gew.-%,

- P, S     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Cr     22,0 - 37,0 Gew.-%,

- Mo, Cu     0,0 - 3,0 Gew.-%,

- Ni     0,0 - 6,0 Gew.-%,

- N, Ti     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- V, Nb     0,0 - 1,5 Gew.-%,

- W, Co,     0,0 - 2,0 Gew.-%,

- B     0,0 - 0,1 Gew.-%,

- Fe     40,0 - 77,9 Gew.-%,

- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente


 
8. Dichtring nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Grundmaterial zumindest eines der folgenden Elemente in der nachfolgend genannten Konzentration aufweist:

- C     0,0 - 0,2 Gew.-%,

- Si     0,0 - 1,0 Gew.-%,

- Mn     0,0 - 1,0 Gew.-%,

- P, S, B     0, 0 - 0,5 Gew.-%,

- Cr     8,0 - 31,0 Gew.-%,

- Mo     0,0 - 15,0 Gew.-%,

- Fe     0,0 - 36,0 Gew.-%,

- Ti     0,0 - 5,0 Gew.-%,

- N, La     0,0 - 0,5 Gew.-%,

- Nb     0,0 - 5,5 Gew.-%,

- V, Cu     0,0 - 2,0 Gew.-%,

- Hf, Zr     0,0 - 2,0 Gew.-%,

- W     0,0 - 14,0 Gew.-%,

- Co     0,0 - 20,0 Gew.-%,

- Ni     40,0 - 92,0 Gew.-%,

- sowie herstellungsbedingte Verunreinigungen anderer Elemente


 
9. Dichtring nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet,
dass eine Schichtdicke einer Borierschicht 1 bis 50µm beträgt.
 
10. Verfahren zum Herstellen eines Dichtrings nach einem der Ansprüche 1 bis 9,
dadurch gekennzeichnet,

- dass zum Borieren feste, flüssige, insbesondere pastenartige, oder gasförmige Borspender verwendet werden, und/oder

- dass das Grundmaterial des Dichtrings gesintert oder gegossen wird.


 
11. Verfahren nach Anspruch 10,
dadurch gekennzeichnet,

- dass der Dichtring aus Stangenvollmaterial oder aus rohrförmigen Halbzeugen gedreht wird, oder

- dass der Dichtring aus Draht gewickelt wird.