[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft eine Hörvorrichtung mit einem Signalverarbeitungskanal,
in den eine Geräuschreduktionseinrichtung integriert ist. Darüber hinaus betrifft
die vorliegende Erfindung auch ein Verfahren zum Reduzieren von Störgeräuschen bei
derartigen Hörvorrichtungen. Unter dem Begriff Hörvorrichtung wird hier ein am Ohr
tragbares Gerät, insbesondere ein Hörgerät, ein Headset, Kopfhörer und dergleichen
verstanden.
[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen.
Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche
Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO) und In-dem-Ohr-Hörgeräte
(IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt.
Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen.
Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare
oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten
Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.
[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler,
einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein
Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z.
B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler,
z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer,
realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert.
Dieser prinzipielle Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts
dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere
Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit
3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale
und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen
Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall
wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang
fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Stromversorgung des
Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine
ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
[0004] Geräuschreduktionsalgorithmen dienen dazu, störende Geräusche zu unterdrücken bzw.
in ihrem Pegel zu reduzieren. Speziell sehr leise Geräusche werden dann oft komplett
unter die Hörschwelle gesenkt. Dies führt zu einem unnatürlichen Höreindruck. Für
einen natürlichen Höreindruck ist es hingegen wünschenswert, wenn auch leise Geräusche
nicht vollständig verloren gehen, d. h. nicht unter die Hörschwelle gesenkt werden.
[0005] Zur Lösung dieses Problems besteht die Möglichkeit, die Geräuschreduktion bei leisen
Umgebungspegeln auszuschalten. Das manuelle Ausschalten der Geräuschreduktion wäre
sehr unkomfortabel. Beim automatischen Ausschalten besteht jedoch das Problem, die
Schwelle festzulegen, an der die Geräuschreduktion ausgeschaltet werden soll. Außerdem
kommt es bei Pegeln genau um diese Schwelle herum zu einem sehr unruhigen Klangbild.
[0006] Aus der
Druckschrift EP 1 307 072 A2 ist ein Verfahren zum Betrieb eines Hörgeräts bekannt, bei dem durch Ein- und Ausschaltvorgänge
hervorgerufene störende akustische Effekte vermieden werden sollen. Dabei ist speziell
auch das Ein- und Ausschalten von Algorithmen angesprochen, die die Reduktion von
Störsignalen betreffen.
[0007] Die Aufgabe der vorliegenden besteht somit darin, eine Hörvorrichtung vorzuschlagen,
bei der zwar eine Geräuschreduktion erfolgt, aber dennoch ein möglichst natürliches
Klangbild erhalten bleibt. Darüber hinaus soll ein entsprechendes Verfahren zum Reduzieren
von Störgeräuschen bei Hörvorrichtungen bereitgestellt werden.
[0008] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch eine Hörvorrichtung mit einem ersten
Signalverarbeitungskanal, in den eine Geräuschreduktionseinrichtung integriert ist,
umfassend einen zweiten Signalverarbeitungskanal, der den gleichen Eingang wie der
erste Signalverarbeitungskanal besitzt und in den keine Geräuschreduktionseinrichtung,
aber eine Pegelbegrenzungseinrichtung integriert ist, und eine Additionseinrichtung,
mit der die Ausgangssignale beider Signalverarbeitungskanäle zu einem Gesamtausgangssignal
addierbar sind.
[0009] Darüber hinaus wird erfindungsgemäß bereitgestellt ein Verfahren zum Reduzieren von
Störgeräuschen bei Hörvorrichtungen durch Verarbeiten eines Eingangssignals in einem
ersten Signalverarbeitungskanal einschließlich Geräuschreduktion, Verarbeiten des
Eingangssignals in einem zweiten Signalverarbeitungskanal ohne Geräuschreduktion aber
mit Pegelbegrenzung und Addieren der Ausgangssignale der beiden Signalverarbeitungskanäle
zu einem Gesamtausgangssignal.
[0010] Durch die zweikanalige Verarbeitung ist es in vorteilhafter Weise möglich, dass die
Geräuschreduktion passiv eingangspegelabhängig erfolgt. Auch sehr leise Geräusche
werden dann nicht unter die Hörschwelle gesenkt und gehen also nicht verloren.
[0011] Vorzugsweise sind die beiden Signalverarbeitungskanäle auf einem einzigen Chip realisiert.
Hierdurch lässt sich eine zuverlässige Signalverarbeitung ermöglichen, für deren Implementierung
nur wenig Bauraum notwendig ist.
[0012] Jeder der beiden Signalverarbeitungskanäle kann in mehrere Frequenzkanäle unterteilt
sein. Dadurch kann die Pegelbegrenzung und die Geräuschreduktion frequenzabhängig
gestaltet werden.
[0013] Entsprechend einer speziellen Ausführungsform weist die Pegelbegrenzungseinrichtung
im gesamten Wirkungsbereich eine steigende Kompressionskennlinie auf. Damit kann der
natürliche Höreindruck noch besser erhalten bleiben, denn lautere Geräusche werden
stets lauter dargeboten als leise Geräusche.
[0014] Die vorliegende Erfindung ist anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- den prinzipiellen Aufbau eines Hörgeräts mit seinen wesentlichen Komponenten gemäß
dem Stand der Technik und
- FIG 2
- ein Blockschaltbild der Signalverarbeitungseinheit einer erfindungsgemäßen Hörvorrichtung.
[0015] Das nachfolgend näher geschilderte Ausführungsbeispiel stellt eine bevorzugte Ausführungsform
der vorliegenden Erfindung dar.
[0016] FIG 2 zeigt symbolisch den Aufbau einer Signalverarbeitungseinheit einer erfindungsgemäßen
Hörvorrichtung. Das Signal einer Verarbeitungseinheit 10 wird in einem ersten Kanal
K1 einer Geräuschreduktionseinheit 11 zur Störgeräuschreduktion zugeführt. Parallel
hierzu wird das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 10 in einem zweiten
Kanal K2 einem Pegelbegrenzer 12 zugeführt. Dieser begrenzt die Ausgangspegel auf
ein vorgegebenes Maß. In dem Beispiel von FIG 2 ist der Pegelbegrenzer 12 zwar mit
einer Kennlinie versehen, mit der hohe Pegel auf einen festen Maximalpegel begrenzt
werden, aber es ist ebenso möglich, dass die Kennlinie nach dem Knick geringfügig
ansteigt, wodurch nicht eine harte Begrenzung, sondern eine gewisse Kompression realisiert
wird. Auch eine derartige Kompression soll hier unter dem Begriff "Pegelbegrenzung"
verstanden werden können.
[0017] Die Ausgangssignale der Kanäle K1 und K2 werden in einem Addierer 13 zu einem Gesamtausgangssignal
SG addiert.
[0018] Das Signal der Signalverarbeitungseinheit 10 wird also vor der Geräuschreduktion
in zwei Kanäle K1 und K2 aufgeteilt. In dem ersten Kanal K1 erfolgt auf herkömmliche
Weise eine Geräuschreduktion mit der Geräuschreduktionseinheit 11. Im zweiten Kanal
K2 erfolgt keine Geräuschreduktion. Hier wird das Signal lediglich in der Dynamik
auf einen definierten sehr niedrigen Ausgangspegel durch den Pegelbegrenzer 12 begrenzt
bzw. komprimiert. Anschließend werden das geräuschreduzierte Signal und das pegelbegrenzte
Signal wieder addiert. Dies bedeutet, dass in dem Ausgangssignal SG auf alle Fälle
ein Geräuschsignal mit zumindest verringertem Pegel enthalten ist. Leise Geräusche
bis zu dem Kennlinienknickpunkt des Pegelbegrenzers 12 werden sogar ungedämpft in
das Ausgangssignal SG übernommen.
[0019] Die in FIG 2 dargestellte Verarbeitung kann parallel in mehreren Frequenzkanälen
durchgeführt werden. Dadurch können je nach Wunsch des Nutzers hochfrequente und niederfrequente
Geräusche bzw. Geräuschanteile individuell gedämpft werden.
[0020] Entsprechend dem erfindungsgemäßen Gedanken wird also die Geräuschreduktion teilweise
mit einem pegelbegrenzten Kanal umgangen. Damit lässt sich eine passive eingangspegelabhängige
Geräuschreduktion realisieren, denn Geräusche mit sehr niedrigem Pegel werden kaum
reduziert, wohingegen Geräusche mit hohem Pegel entsprechend vermindert werden. Damit
ist es möglich, dass leise Signale trotz der Geräuschreduktion wieder gehört werden
können. Außerdem bedarf es keiner aktiven, pegelabhängigen Steuerung mit einer Entscheidungsschwelle,
da die Geräuschreduktion in den zwei Kanälen passiv erfolgt. Die Tatsache, dass keine
aktive Steuerung mit Entscheidungsschwelle notwendig ist, führt zu dem weiteren Vorteil
eines völlig ruhigen, natürlichen Klangbilds. Der Hörer erhält somit die Chance, sich
an leise Geräusche zu gewöhnen und sie, wie der Normalhörende auch, in der Wahrnehmung
auszublenden. Bei schwellwertgesteuerten Algorithmen tritt dieser Effekt nicht ein,
da die leisen Geräusche nicht ständig vorhanden sind.
[0021] Die Addition der Signale von zwei Kanälen führt, wie oben erwähnt, nicht zu Schaltproblemen
und damit zu einem natürlichen Klangbild. Bei lauten Signalen maskiert der erste Kanal
K1 mit der Geräuschreduktion den zweiten Kanal K2 ohne Geräuschreduktion. Bei leisen
Signalen ist der zweite Kanal K2 hörbar, der erste Kanal K1 hingegen nicht mehr.
[0022] Ein weiterer Vorteil dieser zweikanaligen Verarbeitung besteht darin, dass unter
Umständen eine stärkere Geräuschreduktion möglich ist, die in dem ersten Kanal auch
lautere Geräusche unter die Hörschwelle drückt, ohne in Kauf nehmen zu müssen, dass
dadurch leisere Details (in insgesamt leisen Passagen) verschwinden. In lauten Umgebungen
kommt die Geräuschreduktion dann aber voll zum Tragen und der zweite Kanal wird maskiert.
1. Hörvorrichtung mit
- einem ersten Signalverarbeitungskanal (K1), in den eine Geräuschreduktionseinrichtung
(11) integriert ist,
gekennzeichnet durch
- einen zweiten Signalverarbeitungskanal (K2), der den gleichen Eingang wie der erste
Signalverarbeitungskanal (K1) besitzt und in den keine Geräuschreduktionseinrichtung,
aber eine Pegelbegrenzungseinrichtung (12) integriert ist, und
- eine Additionseinrichtung (13), mit der die Ausgangssignale beider Signalverarbeitungskanäle
(K1, K2) zu einem Gesamtausgangssignal (SG) addierbar sind.
2. Hörvorrichtung nach Anspruch 1, wobei die beiden Signalverarbeitungskanäle (K1, K2)
auf einem einzigen Chip realisiert sind.
3. Hörvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, wobei jeder der beiden Signalverarbeitungskanäle
(K1, K2) in mehrere Frequenzkanäle unterteilt ist.
4. Hörvorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei die Pegelbegrenzungseinrichtung
(12) im gesamten Wirkungsbereich eine steigende Kompressionskennlinie aufweist.
5. Verfahren zum Reduzieren von Störgeräuschen bei Hörvorrichtungen durch
- Verarbeiten eines Eingangssignals in einem ersten Signalverarbeitungskanal (K1)
einschließlich Geräuschreduktion,
gekennzeichnet durch
- Verarbeiten des Eingangssignals in einem zweiten Signalverarbeitungskanal (K2) ohne
Geräuschreduktion aber mit Pegelbegrenzung und
- Addieren der Ausgangssignale der beiden Signalverarbeitungskanäle (K1, K2) zu einem
Gesamtausgangssignal (SG).
6. Verfahren nach Anspruch 5, wobei das Verarbeiten in den Signalverarbeitungskanälen
(K1, K2) jeweils unterteilt in mehreren Frequenzkanälen erfolgt.
7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, wobei die Pegelbegrenzung im gesamten Wirkungsbereich
durch eine steigende Kompressionskennlinie erfolgt.