(19)
(11) EP 2 109 329 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.10.2009  Patentblatt  2009/42

(21) Anmeldenummer: 09154878.4

(22) Anmeldetag:  11.03.2009
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
H04R 25/00(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO SE SI SK TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA RS

(30) Priorität: 07.04.2008 DE 102008017550

(71) Anmelder: Siemens Medical Instruments Pte. Ltd.
Singapore 139959 (SG)

(72) Erfinder:
  • Dreßler, Oliver
    90763, Fürth (DE)
  • Sörgel, Wolfgang
    91052, Erlangen (DE)

(74) Vertreter: Maier, Daniel Oliver 
Siemens Aktiengesellschaft Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Mehrstufiges Schätzverfahren zur Störgeräuschreduktion und Hörvorrichtung


(57) Die Störgeräuschreduktion bei Signalen, die zumindest zeitweise Sprache enthalten können, soll verbessert werden. Hierzu ist eine Hörvorrichtung und insbesondere ein Hörgerät mit einer ersten Schätzeinrichtung (NS1) zum Schätzen eines ersten Werts eines Eingangssignals (S) mit einem ersten Schätzalgorithmus und einer Störgeräuschreduktionseinrichtung (NR) zum Reduzieren eines Störgeräuschs in dem Eingangssignal vorgesehen. Eine zweite Schätzeinrichtung (NS2), die mit dem geschätzten ersten Wert parametriert ist, dient zum Schätzen eines zweiten Werts des Eingangssignals (S) mit einem zweiten Schätzalgorithmus. Die Störgeräuschreduktionseinrichtung (NR) erhält den geschätzten zweiten Wert von der zweiten Schätzeinrichtung (NS2) zum Reduzieren des Störgeräuschs. Durch das zweistufige Schätzverfahren kann eine adaptive Schätzung durchgeführt werden, die stets aktuell einem Eingangssignal angepasst ist.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Störgeräuschreduktion für Hörvorrichtungen durch Schätzen eines Werts eines Eingangssignals mit einem Schätzalgorithmus. Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung eine entsprechende Hörvorrichtung mit einer Schätzeinrichtung zum Schätzen eines Werts eines Eingangssignals mit einem Schätzalgorithmus und einer Störgeräuschreduktionseinrichtung zum Reduzieren eines Störgeräuschs in dem Eingangssignal. Unter dem Begriff "Hörvorrichtung" wird hier jedes im oder am Ohr tragbare, schallausgebende Gerät, insbesondere ein Hörgerät, ein Headset, Kopfhörer und dergleichen, verstanden.

[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen. Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.

[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler, einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z. B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler, z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer, realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert. Dieser prinzipielle Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit 3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.

[0004] Bei der Verarbeitung digitaler Sprachaufnahmen, z. B. digitalen Hörgeräten, ist es oft wünschenswert, störende Hintergrundgeräusche zu unterdrücken, ohne dabei das Nutzsignal (Sprache) zu beeinflussen. Hierfür sind Filterverfahren, welche das Kurzzeitspektrum des Signals beeinflussen, wie das Wiener-Filter, bekannt und geeignet. Allerdings setzen diese Verfahren eine genaue Schätzung der frequenzabhängigen Leistung des zu unterdrückenden Störgeräuschs aus einem Eingangssignal voraus. Ist diese Schätzung ungenau, wird entweder eine nicht zufriedenstellende Störgeräuschunterdrückung erreicht, das Wunschsignal wird angegriffen oder es entstehen zusätzliche künstlich erzeugte Störsignale, so genannte "musical tones". Methoden zur Störgeräuschschätzung, welche diese Probleme vollumfänglich und effizient lösen, stehen noch nicht zur Verfügung.

[0005] Bislang kann die Störgeräuschleistung prinzipiell durch zwei Ansätze geschätzt werden. Beide Methoden können entweder breitbandig oder bevorzugt in einer Frequenzbereichszerlegung mittels Filterbank oder Kurzzeit-Fourier-Transformation stattfinden:
  1. 1. Sprachaktivitätserkennung:

    Solange keine Sprachaktivität festgestellt wird, betrachtet man die komplette (zeitveränderliche) Eingangssignalleistung als Störgeräusch. Sofern Sprachaktivität detektiert wird, hält man die Störgeräuschschätzung auf dem letzten, vor dem Einsetzen der Sprachaktivität geschätzten, Wert konstant.

  2. 2. Störleistungsschätzung während einer Sprachaktivität (so genanntes "Minimum-Tracking-Verfahren"):

    Es ist bekannt, dass auch während einer Sprachaktivität die Sprachsignalleistung in einzelnen Frequenzbereichen immer wieder kurzfristig nahezu Null ist. Liegt nun eine Mischung aus Sprache und vergleichsweise langsam zeitveränderlichem Störgeräusch zugrunde, so entsprechen die Minima der zeitlich betrachteten spektralen Signalleistung der Störgeräuschleistung zu diesen Zeitpunkten. Zwischen den festgestellten Minima muss die Störsignalleistung liegen ("Minimum-Tracking"). Ein derartiges Minimum-Tracking kann beispielsweise mit Hilfe eines Glättungsfilters durchgeführt werden, der beispielsweise beschrieben ist in R. Martin, "Noise power spectral density estimation based on optimal smoothing and minimum statistics", IEEE Trans. Speech Audio Processing, Vol. 9, Nr. 5, Juli 2001, Seiten 504 - 512 oder S. Rangachari, P. Loizou, "A noise-estimation algorithm for highly non-stationary environments", Speech Communication, Vol. 48, Februar 2006, Seiten 220 - 231. Die Ermittlung der Störgeräuschleistung erfolgt typischerweise getrennt für verschiedene Frequenzbereiche im Eingangssignal. Hierzu wird das Eingangssignal zunächst mittels einer Filterbank oder einer Fourier-Transformation in einzelne Frequenzkomponenten aufgespalten. Diese Komponenten werden dann getrennt voneinander verarbeitet.



[0006] Bei der oben genannten Methode 1, stellt einerseits die zuverlässige Erkennung von Sprachaktivität ein Problem dar, und es ist andererseits nicht möglich, zeitlich veränderliche Störgeräusche während gleichzeitiger Sprachaktivität zu verfolgen.

[0007] Bei der obigen Methode 2 sind grundsätzliche Widersprüche in der Einstellung des Algorithmus zu lösen: Wenn Sprache vorliegt, sollte die Störgeräuschschätzung nur langsam angepasst werden, um nicht durch schnelle Adaption Sprachanteile als Störgeräusche zu klassifizieren und hierdurch die Sprachqualität anzugreifen. Liegt keine Sprache vor, so sollte die Störleistungsschätzung ohne Verzögerung der temporalen Feinstruktur des Eingangssignals folgen. Hieraus ergeben sich für die Einstellparameter des Verfahrens, wie z. B. Glättungszeitkonstanten, Fensterlänge für eine Minimumsuche oder Gewichtungsfaktoren widersprüchliche Anforderung, die bislang nur im Mittel optimal gelöst werden konnten.

[0008] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht somit darin, die Qualität einer Störgeräuschunterdrückung zu verbessern, so dass insbesondere Sprache weniger angegriffen wird und störende Artefakte besser vermieden werden.

[0009] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zur Störgeräuschreduktion für Hörvorrichtungen durch Schätzen eines ersten Werts eines Eingangssignals mit einem ersten Schätzalgorithmus, Parametrieren eines zweiten Schätzalgorithmus mit dem geschätzten ersten Wert, Schätzen eines zweiten Werts des Eingangssignals mit dem zweiten Schätzalgorithmus und Reduzieren eines Störgeräuschs in dem Eingangssignal anhand des geschätzten zweiten Werts. Dabei kann der erste Wert hier wie im Folgenden gleich dem zweiten Wert sein.

[0010] Darüber hinaus wird erfindungsgemäß bereitgestellt ein Hörgerät bzw. eine Hörvorrichtung mit einer ersten Schätzeinrichtung zum Schätzen eines ersten Werts eines Eingangssignals mit einem ersten Schätzalgorithmus und einer Störgeräuschreduktionseinrichtung zum Reduzieren eines Störgeräuschs in dem Eingangssignal sowie umfassend eine zweite Schätzeinrichtung, die mit dem geschätzten ersten Wert parametriert ist, zum Schätzen eines zweiten Werts des Eingangssignals mit einem zweiten Schätzalgorithmus, wobei die Störgeräuschreduktionseinrichtung den geschätzten zweiten Wert von der zweiten Schätzeinrichtung zum Reduzieren des Störgeräuschs erhält.

[0011] Die erfindungsgemäße zweistufige Schätzung führt zu einer deutlich verbesserten Schätzqualität, denn in der ersten Stufe kann eine einfache Schätzung durchgeführt werden, deren Resultat zur Parametrierung der zweiten Schätzeinrichtung bzw. des zweiten Schätzalgorithmus herangezogen wird. Der zweite Schätzalgorithmus lässt sich so an eine spezifische Störsituation anpassen, wodurch eine situationsspezifische Schätzung erreicht werden kann.

[0012] Der erste Schätzalgorithmus kann auf einem Minimum-Tracking-Verfahren beruhen. Damit kann auf einfache Weise ein Störleistungsniveau bei Sprachaktivität ermittelt werden.

[0013] Bei einer speziellen Ausführungsform kann durch den ersten Schätzalgorithmus eine zeitliche Veränderungsrate des Eingangssignals als erster oder weiterer Wert zur Parametrierung des zweiten Schätzalgorithmus geschätzt werden. Damit kann die Gesamtleistung und die Störleistung zuverlässig geschätzt werden.

[0014] Entsprechend einer weiteren Ausführungsform kann der erste Schätzalgorithmus und der zweite Schätzalgorithmus strukturell gleich sein. Dies reduziert den Implementierungsaufwand. Insbesondere ist es so möglich, dass die erste Schätzeinrichtung und die zweite Schätzeinrichtung durch eine einzige Schätzeinrichtung realisiert werden, die im Zeitmultiplex abwechselnd als erste und zweite Schätzeinrichtung betrieben wird.

[0015] Die beiden Schätzalgorithmen können aber auch unterschiedlich sein. So kann der erste Schätzalgorithmus eine rekursive Glättung beinhalten und der zweite Schätzalgorithmus nicht rekursiv sein. Auf diese Weise kann der Implementierungsaufwand an die gewünschte Schätzqualität angepasst werden.

[0016] Vorzugsweise ist der erste Wert, der mit dem ersten Schätzalgorithmus geschätzt wird, eine Signalleistung, eine Störleistung oder ein Signal-Stör-Verhältnis. Diese Größen können direkt zur Dämpfung entsprechender Störungen herangezogen werden.

[0017] Weiterhin kann durch den ersten Schätzalgorithmus für mehrere Frequenzbereiche selektiv jeweils ein erster Wert geschätzt und diese ersten Werte zusammengefasst werden, um den zweiten Schätzalgorithmus zu parametrieren. Damit ist es möglich, die Parametrierung des zweiten Schätzalgorithmus anhand der spektralen Verteilung des Eingangssignals zu beeinflussen.

[0018] Besonders zu bevorzugen ist das dynamische Parametrieren des zweiten Schätzalgorithmus mit einem ständig aktualisierten ersten Wert des ersten Schätzalgorithmus. Damit kann die Störgeräuschreduktion ständig angepasst an die aktuelle akustische Situation stets mit hoher Qualität erfolgen.

[0019] Weiterhin kann es bei dem beschriebenen Verfahren zur Störgeräuschreduktion günstig sein, das Eingangsignal in einzelne Frequenzkomponenten aufzuspalten und gegenüber dem nicht aufgespalteten Signal in zeitlich unterabgetasteter Form zu verarbeiten. Mit dieser Abwärtstastung kann der Rechnaufwand deutlich reduziert werden.

[0020] Die vorliegende Erfindung ist anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert, in denen zeigen:
FIG 1
den prinzipielle Aufbau eines Hörgeräts gemäß dem Stand der Technik und
FIG 2
ein Blockdiagramm einer Realisierungsform eines er- findungsgemäßen Verfahrens.


[0021] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung dar.

[0022] Die in FIG 2 dargestellte Signalverarbeitungseinrichtung eines Hörgeräts besitzt am Signaleingang eine Anlaysefilterbank AFB. Sie verfügt über einen breitbandigen Signaleingang BI und einen mehrkanaligen Ausgang CO. In den breitbandigen Eingang BI wird ein gestörtes Nutzsignal S eingespeist. Dieses Signal wird durch die Analysefilterbank AFB spektral zerlegt. Das Ausgangssignal der Analysefilterbank AFB wird an den Eingang I1 eines ersten Schätzers NS1, an einen Eingang 12 eines zweiten Schätzers NS2 und an einen Eingang 13 einer Störgeräuschreduktionseinrichtung NR geführt. Der erste Schätzer NS1 schätzt die Leistung des Störsignals und gibt sie als initiale Störleistung am Ausgang NP1 aus. Außerdem schätzt der Schätzer NS1 hier auch die Nutzsignalleistung und gibt sie am Ausgang SP1 aus.

[0023] Der zweite Schätzer NS2 nimmt neben dem Ausgangssignal der Analysefilterbank AFB die initiale Störsignalleistung an seinem Eingang NP2 und die initiale Nutzsignalleistung an seinem Eingang SP2 auf. Die initiale Störsignalleistung und die initiale Nutzsignalleistung werden dazu verwendet, um den adaptiven Schätzer NS2 zu parametrieren. Mit der aktuellen Parametereinstellung schätzt der zweite Schätzer eine finale Störsignalleistung, die er an seinem Ausgang FNP2 ausgibt und optional auch eine finale Nutzsignalleistung, die er an seinem Ausgang FSP2 ausgibt.

[0024] Die dem adaptiven zweiten Schätzer NS2 nachgeschaltete Störsignalreduktionseinrichtung, die beispielsweise als Wiener-Filter realisiert sein kann, nimmt die finale Störsignalleistung an ihrem Eingang FNP3 und die finale Nutzsignalleistung an ihrem Eingang FSP3 auf. Anhand dieser Größen zusammen mit dem Ausgangssignal der Analysefilterbank AFB berechnet der Störgeräuschreduktionsalgorithmus der Störgeräuschreduktionseinrichtung NR eine Dämpfung bzw. Reduktionsverstärkung, die am Ausgang RG ausgebeben wird.

[0025] Die bevorzugt mehrkanalige Reduktionsverstärkung der Störgeräuschreduktionseinrichtung NR wird zusammen mit dem mehrkanaligen Ausgangssignal der Analysefilterbank einem Multiplizierer M zugeführt, der kanalweise eine Multiplikation durchführt, so dass ein mehrkanaliges störgeräuschbefreites Signal entsteht, welches einer Synthesefilterbank SFB speziell deren mehrkanaligem Eingang CI zugeführt wird. Die Synthesefilterbank SFB synthetisiert die Signale der einzelnen Kanäle zu einem breitbandigen geräuschreduzierten Ausgangssignal SR. Dieses Signal steht am Ausgang BO zur Verfügung.

[0026] Die Störgeräuschbefreiung basiert also auf einer zweistufigen Schätzung der Störsignalleistung. Dabei erfolgt zunächst eine erste Schätzung der Gesamtleistung bzw. der Nutzsignalleistung und der Störleistung in dem ersten Schätzer NS1. Diese erste Schätzung kann beispielsweise mittels eines fest parametrierten Mimimum-Tracking-Verfahrens, wie es oben beschrieben wurde, erfolgen. Für die Schätzung kann auch beispielsweise die zeitliche Veränderungsrate des Eingangssignals als (gegebenenfalls zusätzliches) Kriterium verwendet werden. Diese Veränderungsrate ist in dem Aufsatz F. F. Quatieri, R.B. Dunn, "Speech enhancement based on auditory spectral change", Proc. IEEE Int. Conf. Acoustics, Speech, Signal Processing (ICASSP), Vol. I, 2002, Seiten 257 bis 260 unter dem Stichwort "spectral change" beschrieben.

[0027] Aufgrund dieser Schätzung des ersten Schätzers NS1, z. B. in Form eines Signal-Rauschverhältnisses (oder in einer bevorzugten Ausführung in Form eines Rausch-Signalverhältnisses bzw. der Signalleistung und/oder der Störleistung direkt, werden Betriebsparameter des zweiten, parallel zu dem ersten betriebenen Störschätzungsverfahrens in dem zweiten Schätzer NS2 adaptiert.

[0028] Das zweite Störschätzungsverfahren ist in einer bevorzugten Ausführung strukturell dem ersten gleich und unterscheidet sich nur durch die aufgrund der Ergebnisse des ersten Verfahrens adaptiv veränderte Parametrierung. In dem zweiten Schätzer kann beispielsweise eine Zeitkonstante eines Glätters so adaptiert werden, dass bei geringem geschätzten Signal-Rauschverhältnis eine schnellere Glättung erfolgt als bei hohem geschätztem Signal-Rauschverhältnis.

[0029] In dem zweiten Schätzer NS2 können weiterhin aufgrund der Schätzgrößen aus dem ersten Schätzer nicht nur ein Parameter, sondern auch mehrere Parameter verändert werden. Die Änderung der Parameter des zweiten Störleistungsschätzers NS2 kann direkt entsprechend der ersten Schätzung der Störleistung frequenzabhängig erfolgen. Alternativ kann die Änderung der Parameter des zweiten Störleistungsschätzers auch aufgrund einer Zusammenfassung der ursprünglich frequenzselektiv ermittelten ersten Störgeräuschschätzung erfolgen. Dabei können die Änderungsbereiche und Grenzwerte der Parameter des zweiten Störgeräuschschätzers NS2 frequenzabhängig festgelegt werden. Insbesondere ist es vorteilhaft, wenn die Änderungsbereiche und Grenzwerte der zweiten Störgeräuschschätzers NS2 abhängig von der ersten Schätzung dynamisch festgelegt werden.

[0030] Das zweite Störgeräuschschätzverfahren bzw. der zweite Störgeräuschschätzer kann sich auch strukturell vom ersten unterscheiden. So kann z. B. im ersten Verfahren eine rekursive Glättung (vergleiche R. Martin a.a.O.) zum Einsatz kommen, während im zweiten ein nicht rekursives Verfahren (vergleiche S. Rangachari, P. Loizou a.a.O.) adaptiert wird oder umgekehrt.

[0031] Die Aufspaltung des Eingangssignals in Frequenzkomponenten kann entweder mittels einer (auch nichtgleichförmigen) Filterbank oder mittels (Kurzzeit-)Fourier-Transformation erfolgen. Weiterhin kann das in einzelne Frequenzkomponenten aufgespaltete Signal gegenüber dem nicht aufgespalteten Signal in zeitlich unterabgetasteter Form verarbeitet werden.

[0032] Durch die erfindungsgemäße Kombination eines ersten fest parametrierten Störgeräuschschätzers mit einem zweiten, anhand von Schätzwerten des ersten Schätzers und gegebenenfalls weiterer Kriterien zeitveränderlich parametrierten Störgeräuschschätzers kann eine Störgeräuschschätzung realisiert werden, die nicht die nachteiligen Merkmale eines fest parametrierten Störgeräuschschätzers hat und nicht die explizite Schätzung von Sprachaktivität erfordert. Insbesondere muss nicht ein Kompromiss zwischen langsamer Adaption bei Vorliegen eines Sprachsignals und schneller Adaption, wenn keine Sprache vorliegt, gefunden werden. Vielmehr kann durch die Anpassung der Parameter insgesamt eine verbesserte Störgeräuschschätzung und damit eine verbesserte Störgeräuschreduktion erreicht werden, welche Sprache weniger angreift und gleichzeitig störende Artefakte wie z.B. "musical tones" signifikant verringert. Gleichzeitig lässt sich die vorgeschlagene Lösung effizient implementieren z.B. durch einen einzigen, im Zeitmultiplex betriebenen Störgeräuschschätzer, was den Einsatz in Geräten mit geringer Signalverarbeitungskapazität, wie z.B. Hörgeräten, ermöglicht.


Ansprüche

1. Verfahren zur Störgeräuschreduktion für Hörvorrichtungen durch

- Schätzen eines ersten Werts eines Eingangssignals (S) mit einem ersten Schätzalgorithmus, gekennzeichnet durch

- Parametrieren eines zweiten Schätzalgorithmus mit dem geschätzten ersten Wert,

- Schätzen eines zweiten Werts des Eingangssignals (S) mit dem zweiten Schätzalgorithmus und

- Reduzieren eines Störgeräuschs in dem Eingangssignal (S) anhand des geschätzten zweiten Werts.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei der erste Schätzalgorithmus auf einem Minimum-Tracking-Verfahren beruht.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei durch den ersten Schätzalgorithmus eine zeitliche Veränderungsrate des Eingangssignals (S) als erster oder weiterer Wert zur Parametrierung des zweiten Schätzalgorithmus geschätzt wird.
 
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der erste Schätzalgorithmus und der zweite Schätzalgorithmus strukturell gleich sind.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei der erste Schätzalgorithmus eine rekursive Glättung beinhaltet und der zweite Schätzalgorithmus nicht rekursiv ist.
 
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der erste Wert eine Signalleistung, eine Störleistung oder ein Signal-Stör-Verhältnis ist.
 
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei durch den ersten Schätzalgorithmus für mehrere Frequenzbereiche selektiv jeweils ein erster Wert geschätzt wird und diese ersten Werte zusammengefasst werden, um den zweiten Schätzalgorithmus zu parametrieren.
 
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Parametrieren des zweiten Schätzalgorithmus dynamisch mit einem ständig aktualisierten ersten Wert erfolgt.
 
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem das Eingangssignal in einzelne Frequenzkomponenten aufgespalten und gegenüber dem nicht aufgespalteten Signal in zeitlich unterabgetasteter Form verarbeitet wird.
 
10. Hörvorrichtung mit

- einer ersten Schätzeinrichtung (NS1) zum Schätzen eines ersten Werts eines Eingangssignals (S) mit einem ersten Schätzalgorithmus und

- einer Störgeräuschreduktionseinrichtung (NR) zum Reduzieren eines Störgeräuschs in dem Eingangssignal (S),
gekennzeichnet durch

- eine zweite Schätzeinrichtung (NS2), die mit dem geschätzten ersten Wert parametriert ist, zum Schätzen eines zweiten Werts des Eingangssignals (S) mit einem zweiten Schätzalgorithmus, wobei

- die Störgeräuschreduktionseinrichtung (NR) den geschätzten zweiten Wert von der zweiten Schätzeinrichtung (NS2) zum Reduzieren des Störgeräuschs erhält.


 
11. Hörvorrichtung nach Anspruch 10, wobei die ersten und zweite Schätzeinrichtung (NS1, NS2) durch eine einzige Schätzeinrichtung realisiert ist, die im Zeitmultiplex abwechselnd als erste und zweite Schätzeinrichtung betreibbar ist.
 




Zeichnung











Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur