Technisches Gebiet
[0001] Die vorliegende Erfindung beschreibt eine Formgedächtnislegierung, umfassend eine
Basislegierung aus Mangan, Silizum, Chrom und Nickel und einem Restmassenanteil Eisen.
Stand der Technik
[0002] In der Vergangenheit wurden meist auf Titan und Nickel basierende Formgedächtnislegierungen
technologisch und kommerziell eingesetzt. Die auf Titan und Nickel basierenden Formgedächtnislegierungen
haben betreffend Übergangstemperaturen und Formgedächtniseffekt interessante Eigenschaften,
wobei aber Kosten in der Grössenordnung von hundert US-Dollar pro Kilogramm eine Weiterverbreitung
der Anwendungsgebiete begrenzen.
[0003] Heute sind ausserdem auf Eisen, Mangan und Silizium basierende Formgedächtnislegierungen
mit zufriedenstellenden Formgedächtniseffekten interessant und werden in der Industrie
zunehmend eingesetzt.
[0004] Die Erinnerungsfähigkeit von Formgedächtnislegierungen ist die Folge der typischen
diffusionslosen Phasenumwandlungen in einem bekannten Temperatur- oder Spannungsbereich.
[0005] Auf Eisen basierende Formgedächtnislegierung zeigen einen Phasenübergang zur Martensitphase,
wenn die Formgedächtnislegierung von der Austenitphase deformiert wird und mechanisch
belastet wird. Dieser Phasenübergang ist reversibel. Der Phasenübergang von der Martensitphase
in die Austenitphase kann durch Erwärmung der Formgedächtnislegierung erreicht werden.
[0006] Mit den bekannten Zusammensetzungen von Formgedächtnislegierung konnten nur beinahe
zufriedenstellende Formgedächtniseffekte erreicht werden, wenn ein sogenanntes "thermomechanisches
Training" nach der Herstellung der Formgedächtnislegierung durchgeführt wurde. Das
thermomechanische Training wirkt günstig auf die Dicke und die Breite der Martensitplatten,
welche die Martensitphase bilden und den Formgedächtniseffekt bestimmen. Da aber eine
Mehrzahl von Zyklen von Deformationen des Gefüges der Martensitphase bei Raumtemperatur
und die Wiederumwandlung in die Austenitphase nötig sind, welche Zeit und Energie
kosten, haben sich die damaligen Formgedächtnislegierungen nicht in der industriellen
Anwendung durchsetzen können.
[0007] In der
EP1123983 werden auf Fe-Mn-Si basierende Formgedächtnislegierungen offenbart, welche ohne thermomechanisches
Training akzeptable Formgedächtniseffekte aufweisen. Durch geeignete Beimischung von
Massenanteilen von Chrom und Nickel zur Steigerung der Korrosionsbeständigkeit, konnten
verbesserte Formgedächtniseffekte durch die Anreicherung mit Niob und Kohlenstoff
und letztlich die Bildung von ausgefällten Niobcarbidpartikeh während des Herstellungsprozesses
erreicht werden. Die resultierenden Grössen der möglichen Formgedächtniseffekte reichen
aber für viele gewünschte Anwendungen noch nicht aus.
[0008] Gemäss "Characterization of Fe-Mn-Si-Cr shape memory alloys containing VN precipitates"
von Kubo et al aus "Material Science and Engineering A378 (2004) 343-348" konnten die mechanischen Eigenschaften, vor allem die Rückführungsdehnung (recovery
strain) der auf Eisen, Mangan, Silizium und Chrom basierenden Formgedächtnislegierungen
markant gesteigert werden. Der Basislegierung wurden Massenanteile von Vanadium und
Stickstoff zugegeben. Durch Wärmealterung fallen Vanadiumnitridpartikel aus, welche
günstige Auswirkungen auf die mechanischen Eigenschaften haben. Es werden keine Aussagen
über die genauen Mischungsverhältnisse der Elemente, den Bereich der erreichbaren
Austenitstarttemperaturen und Martensitstarttemperaturen, welche im weiteren Übergangstemperaturen
genannt werden und den Austenitübergangstemperaturbereich A
S-A
F gemacht, wodurch die kommerzielle Anwendbarkeit und die Erschliessung neuer Anwendungsgebiete
nicht eingeschätzt werden kann.
Bekannte auf Eisen basierende Formgedächtnislegierungen weisen Austenitstarttemperaturen
A
S von bestenfalls 80°C bis 90°C und Austentitfinaltemperaturen A
F von mindestens 160°C bis 170°C auf. Daraus resultiert ein etwa 80°C breiter Austenitübergangstemperaturbereich
A
S-A
F.
Darstellung der Erfindung
[0009] Die vorliegende Erfindung hat sich zur Aufgabe gestellt auf Eisen basierende Formgedächtnislegierungen
mit einem ausreichend hohen Formgedächtniseffekt zu schaffen, welche aufgrund ihrer
Phasenübergangseigenschaften Einsatz in bislang nicht erreichbaren Temperaturbereichen
finden, wobei auf ein thermomechanisches Training im Anschluss an die Herstellung
zur Erleichterung und Kostenreduzierung des Herstellungsverfahrens verzichtet werden
kann.
[0010] Eine weitere Aufgabe der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen ist es, Formgedächtnislegierungen
zu schaffen dessen Austenitstarttemperatur und Austenitfinaltemperatur deutlich unter
den entsprechenden Temperaturen von bekannten auf Eisen und Mangan basierenden Formgedächtnislegierungen
gemäss dem Stand der Technik liegen.
[0011] Ausserdem ist eine weitere Aufgabe Formgedächtnislegierungen zu schaffen, welche
jeweils Austenitübergangstemperaturbereiche A
S-A
F aufweisen, die deutlich unterhalb der bisherigen auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen
liegen, wodurch Einsatzgebiete beispielsweise im Bauingenieurwesen erweitert oder
neu erschlossen werden können.
[0012] Neben der Schaffung einer Formgedächtnislegierung mit den oben erwähnten Eigenschaften
werden in weiteren unabhängigen Ansprüchen Verwendungen und ein Herstellungsverfahren
beansprucht, mit welchem diese neuartige Formgedächtnislegierung kostengünstig und
einfach herstellbar sind.
Kurze Beschreibung der Zeichnungen
[0013] Einige Ausführungsbeispiel von erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen werden
nachstehend im Zusammenhang mit den anliegenden Figuren beschrieben.
- Figur 1
- zeigt schematisch eine Temperaturkurve in Form einer Hysteresekurve, wobei der Anteil
der Martensitphase ξ auf der Ordinate und die Temperatur auf der Abzisse dargestellt
ist.
- Figur 2
- zeigt Formrückführungsquotienten für drei erfindungsgemässe Formgedächtnislegierungen
(sma1, sma2 und sma3), welche bei unterschiedlichen Wärmealterungstemperaturen gealtert
wurden.
- Figur 3
- zeigt Formrückführungsquotienten für Proben der Formgedächtnislegierungen gemäss Figur
2, wobei die Verformung der Proben bei unterschiedlichen Temperaturen unterhalb von
Raumtemperatur stattfanden.
- Figur 4
- zeigt Messergebnisse von Formrückführspannungen, welche gegen die Temperatur aufgetragen
sind, wobei eine Formgedächtnislegierung gemäss Stand der Technik mit der erfindungsgemässen
Formgedächtnislegierung sma3 vergleichbar dargestellt sind.
- Figur 5
- zeigt Messkurven des elektrischen Widerstands gegen die absolute Temperatur für die
Beispiellegierungen sma1, sma2 und sma3.
Beschreibung
[0014] Formgedächtnislegierungen weisen Austenitphasen und Martensitphasen mit identischer
chemischer Zusammensetzung, aber unterschiedlichen Kristallstrukturen auf, deren Auftreten
von der augenblicklichen Temperatur der Formgedächtnislegierung abhängen. Während
eine Deformation der Formgedächtnislegierung bei tiefen Temperaturen, insbesondere
Raumtemperatur und darunter stattfindet, kann eine Formrückkehr durch das Aufheizen
der Formgedächtnislegierung auf Hochtemperaturen stattfinden. Eine etwa ideale Hystereskurve
des Anteils der Martensitphase und der Austenitphase in Abhängigkeit von der Temperatur
ist in Figur 1 dargestellt.
[0015] Die Austenitphase oder der Austenit, meist mit dem Formelzeichen γ bezeichnet, besitzt
eine kubisch-flächenzentrierte Gitterstruktur, welche bei hohen Temperaturen auftritt
und deswegen auch Hochtemperaturphase genannt wird. Ab einer Austenitstarttemperatur
A
S bis zu einer Austenitfinaltemperatur A
F erhöht sich der Anteil des Austenit. Die Austenitphase weist eine geringe Härte auf
und es sind einige Elemente wie Nickel (Ni), Kobalt (Co) und Mangan (Mn) bekannt,
welche die Bildung von Austenit unterstützen, sogenannte Austenitbildner. Der Bereich
zwischen A
S-A
F wird in dieser Anmeldung Austenitübergangstemperaturbereich genannt und dieser liegt
für die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen unterhalb der bisher bekannten
auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen. Auch die Breite des Austenitübergangstemperaturbereiches
A
S-A
F ist deutlich schmaler, als von Formgedächtnislegierungen des Stands der Technik bekannt.
[0016] Die Martensitphase oder der Martensit, hier mit dem Formelzeichen ε bezeichnet, bildet
im allgemeinen eine hexagonal dichteste Kugelpackung, tritt bei tiefen Temperaturen
auf und bildet eine metastabile Tieftemperaturphase. Der Martensit liegt ab einer
Martensitstarttemperatur M
S bis zu einer Martensitfinaltemperatur M
F vor.
[0017] Die Austenitstarttemperatur und die Martensitstarttemperatur werden im Allgemeinen
und hier auch als Übergangstemperaturen bezeichnet und stellen eine für viele Anwendungsgebiete
entscheidende und kennzeichnende physikalische Eigenschaft dar.
[0018] Die vorliegenden erfindungsgemässen auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen
weisen neben den Elementen einer Basislegierung bestehend aus (Massenanteile in Gewichtsprozent):
| 17% bis 20% |
Mangan |
| 4% bis 6% |
Silizium |
| 8% bis 10% |
Chrom |
| 4% bis 7% |
Nickel |
und einen hohen Massenanteil Eisen,
einen zusätzliche Partikelanteil in Gewichtsprozent bestehend aus:
| 0.2% bis 1.0% |
Kohlenstoff und/oder Stickstoff |
| 0.2% bis 1.0% |
Vanadium |
auf.
Üblicherweise besteht die Formgedächtnislegierung zu 50 Gewichtsprozent und mehr aus
Eisen.
[0019] Der Zusatz von Vanadium, Stickstoff und/oder Kohlenstoff bildet ein Präzipitat oder
einen Niederschlag aus Vanadiumnitrid und/oder Vanadiumcarbid, wobei stabile Ausscheidungen
aus Vanadiumnitrid und/oder Vanadiumcarbid, welche in Partikeln und Nanopartikeln
nach der Herstellung in der Formgedächtnislegierung verteilt verbleiben. Vanadiumnitrid
und/oder Vanadiumcarbid Nanopartikel führen dazu, dass die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen
gewünschte zufriedenstellende Formgedächtniseigenschaften aufweisen, ohne dass ein
thermomechanisches Training durchgeführt werden muss. Die Grösse der auftretenden
Nanopartikel liegt im Bereich von Nanometern (10
-9 m) und diese die Ausscheidungen, ein Präzipiat oder einen Niederschlag bildenden
Nanopartikel liegen fein verteilt in der Formgedächtnislegierung vor.
[0020] Messungen an den erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen haben gezeigt, dass
die, wie in Figur 1 gezeigt direkt benachbarten Werte von A
S und M
S bis etwa 50°C unterhalb der entsprechenden Werte von bekannten auf Eisen basierenden
Formgedächtnislegierungen gemäss des Stands der Technik liegen.
Beispiele
[0021] Im Folgenden werden beispielhaft drei bevorzugte Ausführungsformen der erfindungsgemässe
Formgedächtnislegierungen, umfassend jeweils eine Basislegierung bestehend aus Mangan,
Silizium, Chrom und Nickel und einem Massenanteil Eisen, beschrieben. Dabei weist
das Beispiel sma1 neben der Basislegierung einen Massenanteil Vanadiumcarbid auf,
während das Beispiel sma2 einen Massenanteil Vanadiumcarbid und Vanadiumnitrid Partikel
und die Formgedächtnislegierung gemäss Beispiel sma3 neben der Basislegierung einen
Massenanteil Vanadiumnitrid aufweist.
[0022] Figur 2 zeigt gemessene unterschiedliche Formrückführungen in Prozent in Abhängigkeit
der angewandten Wärmealterungstemperatur während einer jeweils zwei Stunden dauernden
Wärmealterung der oben erwähnten Beispiellegierungen sma1, sma2 und sma3. Es wurden
Wärmealterungstemperaturen im Bereich von 650°C bis 900°C verwendet, wobei die Menge
von Vanadiumcarbid- und/oder Vanadiumnitridpartikein, welche bei einer Wärmealterung
zwischen 750°C und 850°C ausgeschieden werden zu besonders vorteilhaften Ergebnissen
führen. Bei einer Wärmealterungstemperatur von 850°C resultieren Formgedächtnislegierungen
mit Quotienten der Formrückführung von mehr als 50%. Durch die Beimischung von Kohlenstoff
fallen Vanadiumcarbidpartikel aus, woraus ein Formrückführungsquotient von über 70%
resultiert. Durch Beimischung von Kohlenstoff und Stickstoff von 0.2% bis 1.0% Gewichtsprozent
der Formgedächtnislegierung fallen Partikel Vanadiumcarbid und -nitrid aus, welche
zu einem Formrückführungsquotienten von etwa 65% führen. Alle Proben der verschiedenen
Formgedächtnislegierungen wurden bei Raumtemperatur um 4% verformt, woran anschliessend
die Formrückführungsquotienten in einzelnen Messreihen ermittelt wurden.
[0023] Versuchsreihen haben gezeigt, dass der Formrückführungsquotient der verschiedenen
Formgedächtnislegierungen sma1, sma2 und sma3 gesteigert und ein beinahe perfekter
Formgedächtniseffekt erreichbar wird, wenn die Deformation der Proben um 4% bei Temperaturen
deutlich unterhalb der Raumtemperatur stattfinden. Es konnte ein vorteilhafter Temperaturbereich
von kleiner gleich -25°C (≤ 248K) in Versuchsreihen ausgewertet werden, in welchem
ein gesteigerter Formgedächtniseffekt erreicht wird. Wie in Figur 3 dargestellt, zeigten
alle Proben Formrückführungsquotienten grösser als 90%, wenn die Deformation vor der
Formrückführung bei Temperaturen von kleiner als -45°C stattfand. Auch hier zeigte
die Probe sma1, umfassend eine Ausscheidung, oder Präzipitat aus ausschliesslich Vanadiurncarbidpartikeln,
die höchsten Formrückführungsquotienten von grösser als 97%.
[0024] Die mit den erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen erreichbaren Formrückführungsspannungen
(Shape recovery stress) sind in Figur 4 auf der Ordinate gegen die Temperatur auf
der Abszisse aufgetragen. Dabei stellen die quadratisch geformten Messwerte Formrückführspannungen
einer Probe einer bekannten Niobcarbid umfassenden Fe-15Mn-9Si-9Cr-5Ni-1.5Nb-0.6C
Formgedächtnislegierung gemäss Stand der Technik zum Vergleich dar. Aus der typischen
hystereseartigen Kurve ist erkennbar, dass die Austenitfinaltemperatur A
F der erfindungsgemässen Probe unterhalb der Probe gemäss Stand der Technik liegt.
Die Messwerte zeigen, dass die Breite des Austenitübergangstemperaturbereiches A
S-A
F der neuen erfindungsgemässen Formgedächtnislegierung deutlich schmaler ist, als beim
Stand der Technik.
[0025] Experimentell wurden für die Beispiellegierung sma1 eine Martensitfinaltemperatur
von -120°C, eine Martensitstarttemperatur von -50°C, eine Austenitstarttemperatur
von 70°C und eine Austenitfinaltemperatur von 110°C gemessen. Daraus ergibt sich ein
Austenitübergangstemperaturbereich A
S-A
F von etwa 40°C, was in etwa halb so breit ist, wie der von auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen
des Stands der Technik.
[0026] Die erreichbaren Formrückführungsspannungen der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen
sind deutlich höher, als die entsprechenden Vergleichwerte von bekannten Formgedächtnislegierungen
gemäss Stand der Technik.
[0027] Um die Übergangstemperaturen der Beispiellegierungen sma1, sma2 und sma3 experimentell
zu bestimmen, wurde der elektrische Widerstand der Formgedächtnislegierungen in Abhängigkeit
von der Temperatur in Messreihen bestimmt. Die resultierenden Hysteresekurven sind
in Figur 5 dargestellt. Für das Beispiel sma1 sind eine Martensitfinaltemperatur M
F von etwa -120°C (etwa 150 K) und eine Martensitstarttemperatur M
S von etwa -50°C (etwa 220 K) ablesbar. Die Austenitstarttemperatur A
S liegt bei etwa +70°C (etwa 340 K) und die Austenitfinaltemperatur A
F bei etwa +110°C (etwa 380 K).
Herstellungsverfahren
[0028] Auf die Herstellung der auf Eisen und Mangan basierenden Formgedächtnislegierung
durch die Schmelze der Basismetalle in einem Wärmebehandlungsofen wird hier nicht
näher eingegangen, da dies dem Fachmann bekannt ist, bzw. aus dem Stand der Technik
entnehmbar ist.
[0029] Zur Herstellung der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen wird ein kombiniertes
Verfahren aus einem Lösungsglühen (solution treatment) und einer Wärmealterung (aging),
welche auch Altern genannt wird, auf eine feste Formgedächtnislegierung, umfassend
oben erwähnte Elemente in oben erwähnter Konzentration durchgeführt. Die Wärmebehandlungen
Lösungsglühen und Wärmealterung werden in einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemässen
Verfahrens in ein und demselben Wärmebehandlungsofen durchgeführt. Dabei wird die
Wärmealterung direkt im Anschluss an das Lösungsglühen durchgeführt. Die einzelnen
festen Bestandteile der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierung werden vor dem
Lösungsglühen und der Wärmealterung zu einer festen Formgedächtnislegierung gemäss
Stand der Technik verschmolzen.
[0030] Durch das Lösungsglühen werden präzipitierte Vanadiumcarbid und/oder Vanadiumnitrid
Partikel homogen in einer Matrix der festen Formgedächtnislegierung verteilt gelöst.
[0031] Versuche haben gezeigt, dass ein optimaler Herstellungsvorgang ein Lösungsglühen
bei 1050°C bis 1150°C über einen Zeitraum von fünf bis zehn Stunden und ein direkt
anschliessendes Altern bei 750°C bis 900°C für einen Zeitraum von ein bis zwei Stunden,
zu Formgedächtnislegierungen mit ausreichend guter Formrückführung und damit gutem
Formgedächtniseffekt führen.
[0032] Insbesondere führt ein Altern der Formgedächtnislegierung nach dem Lösungsglühen
bei mindestens annähernd 850°C zu vorteilhaften Ergebnissen.
[0033] Durch das Altern werden, je nach Wahl der zugeführten Legierungselemente des Partikelanteils,
Vanadiumcarbid und/oder Vanadiumnitrid Partikel ausgeschieden und bilden fein verteilte
Ausscheidungen im Gefüge der Formgedächtnislegierung.
[0034] Die durch die oben beschriebene Behandlung ausfallenden Vanadiumcarbidausscheidungen
und/oder Vanadiumnitridausscheidungen führen zu einer Änderung der physikalischen
Eigenschaften der Formgedächtnislegierung, wodurch bei gleichbleibender chemischer
Zusammensetzung die Formgedächtniseigenschaften optimiert werden.
[0035] Es ist zu erwähnen, dass keine Vordeformation zwischen dem Lösungsglühen und der
Wärmealterung notwendig ist und kein anschliessendes aufwendiges Training, umfassend
eine Vielzahl von thermomechanischen Behandlungszyklen durchzuführen ist.
[0036] Die beschriebene erfindungsgemässe Formgedächtnislegierung und in den oben genannten
Grenzen variierte Mischungsverhältnisse finden Einsatz im Bauingenieurwesen, im Maschinen-
und Fahrzeugbau, in der Luft- und Raumfahrtindustrie, sowie in Implantaten und Instrumenten
der Medizintechnik.
[0037] Die kostengünstige Herstellung der auf Eisen basierenden erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen
erweitert die Einsatzgebiete beispielsweise auf Betonstrukturen im Bauwesen. Die Materialkosten
für die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen liegen im Bereich von bekannten
rostfreien Edelstählen.
[0038] Neben erreichbaren tiefen Austenitstarttemperaturen A
S von etwa 70°C weisen die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen schmale Austenitübergangstemperaturbereiche
A
S-A
F von etwa 40°C Breite auf. Aufgrund der erreichbaren Formgedächtniseigenschaften sind
die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen in Betonstrukturen im Bauingenieurwesen
einsetzbar.
[0039] Aufgrund der im Vergleich zum Stand der Technik niedrigeren Austenitstarttemperatur
und der Austenitfinaltemperatur, werden vor allem im Bauingenieurwesen neue Anwendungen
wie z.B. vorgespannte Umschnürung von Stützen, innerlich vorgespannte zementgebundene
Werkstücke oder die Schaffung verbesserter Verankerungselemente beispielsweise Dübel
aus den neuartigen Formgedächtnislegierungen möglich. Aufgrund der gemäss dem Stand
der Technik nötigen stärkeren Erwärmungen der bekannten Formgedächtnislegierungen,
ist der Einsatz bisher schwierig bis teilweise unmöglich gewesen.
Bezugszeichenliste
[0040]
- ε
- Martensitphase
- AF
- Austenitfinaltemperatur
- AS
- Austenitstarttemperatur
- AS-AF
- Austenitübergangstemperaturbereiches
- MF
- Martensitfinaltemperatur
- MS
- Martensitstarttemperatur
- sma1
- Basislegierung + Vanadiumcarbid
- sma2
- Basislegierung + Vanadiumcarbid und Vanadiumnitrid
- sma3
- Basislegierung + Vanadiumnitrid
1. Formgedächtnislegierung, umfassend
eine Basislegierung aus Mangan, Silizum, Chrom und Nickel und einem Restmassenanteil
Eisen,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Formgedächtnislegierung zusätzlich zur Basislegierung
- einen Massenanteil von mindestens 0.2 Gewichtsprozent Vanadium und
- einen gezielt zugeführten Massenanteil von mindestens 0.2 Gewichtsprozent Kohlenstoff
und/oder Stickstoff
in Form von ausgefällten Vanadiumcarbidausscheidungen und/oder Vanadiumnitridausscheidungen
beinhaltet.
2. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der gezielt eingebrachte Massenanteil von Vanadium zwischen 0.2 und 1.0 Gewichtsprozent
der Formgedächtnislegierung liegt.
3. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der gezielt eingebrachte Massenanteil von Kohlenstoff und/oder Stickstoff zwischen
0.2 und 1.0 Gewichtsprozent der Formgedächtnislegierung liegt.
4. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass die Basislegierung neben dem Restmassenanteil Eisen
17 bis 20 Gewichtsprozent Mangan
4 bis 6 Gewichtsprozent Silizium
8 bis 10 Gewichtsprozent Chrom
und
4 bis 7 Gewichtsprozent Nickel beinhaltet.
5. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die ausgefällten Vanadiumcarbidausscheidungen und/oder Vanadiumnitridausscheidungen
in Form von Nanopartikein fein verteilt in der Formgedächtnislegierung vorliegen.
6. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen, insbesondere zur Umschnürung
von Stützen, zum Einsatz in innerlich vorgespannten zementgebundenen Werkstücken oder
zur Schaffung verbesserter Verankerungselemente, dadurch gekennzeichnet, dass die Formgedächtnislegierung
eine Basislegierung aus Mangan, Silizum, Chrom, Nickel und einem Massenanteil Eisen
umfasst,
einen Massenanteil Vanadium
und
einen Massenanteil von Kohlenstoff und/oder Stickstoff umfasst und
einen Austenitübergangstemperaturbereich AS-AF mit einer Breite kleiner als 80°C, insbesondere mindestens annähernd gleich 40°C
aufweist.
7. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Formgedächtnislegierung eine Austenitstarttemperatur (AS) kleiner als 80°C, insbesondere mindestens annähernd gleich 70°C aufweist.
8. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Formgedächtnislegierung eine Austenitfinaltemperatur (AF) kleiner als 150°C, insbesondere mindestens annähernd gleich 110°C aufweist.
9. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass eine Deformation der Formgedächtnislegierung vor der Formrückführung bei Temperaturen
kleiner gleich -25°C stattfindet.
10. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im
Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass eine Deformation der Formgedächtnislegierung vor der Formrückführung bei Temperaturen
kleiner als -45°C stattfindet, wodurch Formrückführungsquotienten grösser als 90%
erreichbar sind.
11. Verfahren zur Herstellung einer Formgedächtnislegierung nach
Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
in einem Wärmebehandlungsofen eine Basislegierung aus Mangan, Silizium, Chrom, Nickel
und einem Massenanteil Eisen eingeschmolzen wird, wonach
eine anschliessende Zugabe eines Massenanteils Vanadium erfolg, woraufhin
eine gezielte Zugabe eines Massenanteils Kohlenstoff erfolgt und diese feste Formgedächtnislegierung
durch
ein Lösungsglühen in einem Temperaturbereich von etwa 1050°C bis 1150°C in einem Zeitraum
von fünf bis zehn Stunden behandelt wird, woran, direkt an das Lösungsglühen eine
Wärmealterung für etwa ein bis zwei Stunden in einem Temperaturbereich von 650°C bis
900°C angeschlossen wird, wodurch Ausscheidungen aus Vanadiumcarbid in der Formgedächtnislegierung
entsteht.
12. Verfahren nach Anspruch 11 dadurch gekennzeichnet, dass vor der Wärmealterung zusätzlich ein Massenanteil Stickstoff gezielt in den Schmelzofen
eingelassen wird, wodurch Ausscheidungen, welche Vanadiumnitridpartikel umfasst, ausfällt.
13. Verfahren nach Anspruch 11 dadurch gekennzeichnet, dass eine Wärmealterung bei einer Wärmealterungstemperatur von 850°C in einem Zeitraum
von insgesamt zwei Stunden angewendet wird.
14. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsglühen und die anschliessende Wärmealterung in ein und demselben Wärmebehandlungsofen
kombiniert und direkt aneinander anschliessend durchführbar sind.