(19)
(11) EP 2 141 251 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
06.01.2010  Patentblatt  2010/01

(21) Anmeldenummer: 09162774.5

(22) Anmeldetag:  16.06.2009
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
C21D 6/00(2006.01)
C22C 38/00(2006.01)
C22C 38/46(2006.01)
C21D 6/02(2006.01)
C22C 38/02(2006.01)
C22C 38/58(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO SE SI SK TR

(30) Priorität: 25.06.2008 CH 9682008

(71) Anmelder: EMPA Dübendorf
8600 Dübendorf (CH)

(72) Erfinder:
  • Zhizhong, Dong
    Nankai District Tianjin 300072 (CN)
  • Klotz, Ulrich
    73527 Schwäbisch-Gmünd (DE)
  • Bergamini, Andrea
    8498 Gibswil-Ried (CH)

(74) Vertreter: Schneider Feldmann AG Patent- und Markenanwälte 
Beethovenstrasse 49 Postfach 2792
8022 Zürich
8022 Zürich (CH)

   


(54) Auf Eisen, Mangan und Silizium basierende Formgedächtnislegierungen


(57) Es wird eine neuartige Formgedächtnislegierung offenbart, welche aus einer Basislegierung, umfassend Massenanteile Mangan, Silizium, Chrom, Nickel und Eisen, welche mit Massenanteilen von Vanadium, Stickstoff und/oder Kohlenstoff versehen ist. Durch den beanspruchten Herstellungsprozess fallen Ausscheidungen aus Vanadiumcarbidpartikeln und/oder Vanadiumnitridpartikeln aus, wodurch ein hoher Formgedächtniseffekt möglich wird. Neben erreichbaren tiefen Austenitstarttemperaturen AS von etwa 70°C weisen die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen schmale Austenitübergangstemperaturbereiche AS-AF von etwa 40°C Breite auf. Aufgrund der erreichbaren Formgedächtniseigenschaften sind die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen in Betonstrukturen im Bauingenieurwesen einsetzbar.




Beschreibung

Technisches Gebiet



[0001] Die vorliegende Erfindung beschreibt eine Formgedächtnislegierung, umfassend eine Basislegierung aus Mangan, Silizum, Chrom und Nickel und einem Restmassenanteil Eisen.

Stand der Technik



[0002] In der Vergangenheit wurden meist auf Titan und Nickel basierende Formgedächtnislegierungen technologisch und kommerziell eingesetzt. Die auf Titan und Nickel basierenden Formgedächtnislegierungen haben betreffend Übergangstemperaturen und Formgedächtniseffekt interessante Eigenschaften, wobei aber Kosten in der Grössenordnung von hundert US-Dollar pro Kilogramm eine Weiterverbreitung der Anwendungsgebiete begrenzen.

[0003] Heute sind ausserdem auf Eisen, Mangan und Silizium basierende Formgedächtnislegierungen mit zufriedenstellenden Formgedächtniseffekten interessant und werden in der Industrie zunehmend eingesetzt.

[0004] Die Erinnerungsfähigkeit von Formgedächtnislegierungen ist die Folge der typischen diffusionslosen Phasenumwandlungen in einem bekannten Temperatur- oder Spannungsbereich.

[0005] Auf Eisen basierende Formgedächtnislegierung zeigen einen Phasenübergang zur Martensitphase, wenn die Formgedächtnislegierung von der Austenitphase deformiert wird und mechanisch belastet wird. Dieser Phasenübergang ist reversibel. Der Phasenübergang von der Martensitphase in die Austenitphase kann durch Erwärmung der Formgedächtnislegierung erreicht werden.

[0006] Mit den bekannten Zusammensetzungen von Formgedächtnislegierung konnten nur beinahe zufriedenstellende Formgedächtniseffekte erreicht werden, wenn ein sogenanntes "thermomechanisches Training" nach der Herstellung der Formgedächtnislegierung durchgeführt wurde. Das thermomechanische Training wirkt günstig auf die Dicke und die Breite der Martensitplatten, welche die Martensitphase bilden und den Formgedächtniseffekt bestimmen. Da aber eine Mehrzahl von Zyklen von Deformationen des Gefüges der Martensitphase bei Raumtemperatur und die Wiederumwandlung in die Austenitphase nötig sind, welche Zeit und Energie kosten, haben sich die damaligen Formgedächtnislegierungen nicht in der industriellen Anwendung durchsetzen können.

[0007] In der EP1123983 werden auf Fe-Mn-Si basierende Formgedächtnislegierungen offenbart, welche ohne thermomechanisches Training akzeptable Formgedächtniseffekte aufweisen. Durch geeignete Beimischung von Massenanteilen von Chrom und Nickel zur Steigerung der Korrosionsbeständigkeit, konnten verbesserte Formgedächtniseffekte durch die Anreicherung mit Niob und Kohlenstoff und letztlich die Bildung von ausgefällten Niobcarbidpartikeh während des Herstellungsprozesses erreicht werden. Die resultierenden Grössen der möglichen Formgedächtniseffekte reichen aber für viele gewünschte Anwendungen noch nicht aus.

[0008] Gemäss "Characterization of Fe-Mn-Si-Cr shape memory alloys containing VN precipitates" von Kubo et al aus "Material Science and Engineering A378 (2004) 343-348" konnten die mechanischen Eigenschaften, vor allem die Rückführungsdehnung (recovery strain) der auf Eisen, Mangan, Silizium und Chrom basierenden Formgedächtnislegierungen markant gesteigert werden. Der Basislegierung wurden Massenanteile von Vanadium und Stickstoff zugegeben. Durch Wärmealterung fallen Vanadiumnitridpartikel aus, welche günstige Auswirkungen auf die mechanischen Eigenschaften haben. Es werden keine Aussagen über die genauen Mischungsverhältnisse der Elemente, den Bereich der erreichbaren Austenitstarttemperaturen und Martensitstarttemperaturen, welche im weiteren Übergangstemperaturen genannt werden und den Austenitübergangstemperaturbereich AS-AF gemacht, wodurch die kommerzielle Anwendbarkeit und die Erschliessung neuer Anwendungsgebiete nicht eingeschätzt werden kann.
Bekannte auf Eisen basierende Formgedächtnislegierungen weisen Austenitstarttemperaturen AS von bestenfalls 80°C bis 90°C und Austentitfinaltemperaturen AF von mindestens 160°C bis 170°C auf. Daraus resultiert ein etwa 80°C breiter Austenitübergangstemperaturbereich AS-AF.

Darstellung der Erfindung



[0009] Die vorliegende Erfindung hat sich zur Aufgabe gestellt auf Eisen basierende Formgedächtnislegierungen mit einem ausreichend hohen Formgedächtniseffekt zu schaffen, welche aufgrund ihrer Phasenübergangseigenschaften Einsatz in bislang nicht erreichbaren Temperaturbereichen finden, wobei auf ein thermomechanisches Training im Anschluss an die Herstellung zur Erleichterung und Kostenreduzierung des Herstellungsverfahrens verzichtet werden kann.

[0010] Eine weitere Aufgabe der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen ist es, Formgedächtnislegierungen zu schaffen dessen Austenitstarttemperatur und Austenitfinaltemperatur deutlich unter den entsprechenden Temperaturen von bekannten auf Eisen und Mangan basierenden Formgedächtnislegierungen gemäss dem Stand der Technik liegen.

[0011] Ausserdem ist eine weitere Aufgabe Formgedächtnislegierungen zu schaffen, welche jeweils Austenitübergangstemperaturbereiche AS-AF aufweisen, die deutlich unterhalb der bisherigen auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen liegen, wodurch Einsatzgebiete beispielsweise im Bauingenieurwesen erweitert oder neu erschlossen werden können.

[0012] Neben der Schaffung einer Formgedächtnislegierung mit den oben erwähnten Eigenschaften werden in weiteren unabhängigen Ansprüchen Verwendungen und ein Herstellungsverfahren beansprucht, mit welchem diese neuartige Formgedächtnislegierung kostengünstig und einfach herstellbar sind.

Kurze Beschreibung der Zeichnungen



[0013] Einige Ausführungsbeispiel von erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen werden nachstehend im Zusammenhang mit den anliegenden Figuren beschrieben.
Figur 1
zeigt schematisch eine Temperaturkurve in Form einer Hysteresekurve, wobei der Anteil der Martensitphase ξ auf der Ordinate und die Temperatur auf der Abzisse dargestellt ist.
Figur 2
zeigt Formrückführungsquotienten für drei erfindungsgemässe Formgedächtnislegierungen (sma1, sma2 und sma3), welche bei unterschiedlichen Wärmealterungstemperaturen gealtert wurden.
Figur 3
zeigt Formrückführungsquotienten für Proben der Formgedächtnislegierungen gemäss Figur 2, wobei die Verformung der Proben bei unterschiedlichen Temperaturen unterhalb von Raumtemperatur stattfanden.
Figur 4
zeigt Messergebnisse von Formrückführspannungen, welche gegen die Temperatur aufgetragen sind, wobei eine Formgedächtnislegierung gemäss Stand der Technik mit der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierung sma3 vergleichbar dargestellt sind.
Figur 5
zeigt Messkurven des elektrischen Widerstands gegen die absolute Temperatur für die Beispiellegierungen sma1, sma2 und sma3.

Beschreibung



[0014] Formgedächtnislegierungen weisen Austenitphasen und Martensitphasen mit identischer chemischer Zusammensetzung, aber unterschiedlichen Kristallstrukturen auf, deren Auftreten von der augenblicklichen Temperatur der Formgedächtnislegierung abhängen. Während eine Deformation der Formgedächtnislegierung bei tiefen Temperaturen, insbesondere Raumtemperatur und darunter stattfindet, kann eine Formrückkehr durch das Aufheizen der Formgedächtnislegierung auf Hochtemperaturen stattfinden. Eine etwa ideale Hystereskurve des Anteils der Martensitphase und der Austenitphase in Abhängigkeit von der Temperatur ist in Figur 1 dargestellt.

[0015] Die Austenitphase oder der Austenit, meist mit dem Formelzeichen γ bezeichnet, besitzt eine kubisch-flächenzentrierte Gitterstruktur, welche bei hohen Temperaturen auftritt und deswegen auch Hochtemperaturphase genannt wird. Ab einer Austenitstarttemperatur AS bis zu einer Austenitfinaltemperatur AF erhöht sich der Anteil des Austenit. Die Austenitphase weist eine geringe Härte auf und es sind einige Elemente wie Nickel (Ni), Kobalt (Co) und Mangan (Mn) bekannt, welche die Bildung von Austenit unterstützen, sogenannte Austenitbildner. Der Bereich zwischen AS-AF wird in dieser Anmeldung Austenitübergangstemperaturbereich genannt und dieser liegt für die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen unterhalb der bisher bekannten auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen. Auch die Breite des Austenitübergangstemperaturbereiches AS-AF ist deutlich schmaler, als von Formgedächtnislegierungen des Stands der Technik bekannt.

[0016] Die Martensitphase oder der Martensit, hier mit dem Formelzeichen ε bezeichnet, bildet im allgemeinen eine hexagonal dichteste Kugelpackung, tritt bei tiefen Temperaturen auf und bildet eine metastabile Tieftemperaturphase. Der Martensit liegt ab einer Martensitstarttemperatur MS bis zu einer Martensitfinaltemperatur MF vor.

[0017] Die Austenitstarttemperatur und die Martensitstarttemperatur werden im Allgemeinen und hier auch als Übergangstemperaturen bezeichnet und stellen eine für viele Anwendungsgebiete entscheidende und kennzeichnende physikalische Eigenschaft dar.

[0018] Die vorliegenden erfindungsgemässen auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen weisen neben den Elementen einer Basislegierung bestehend aus (Massenanteile in Gewichtsprozent):
17% bis 20% Mangan
4% bis 6% Silizium
8% bis 10% Chrom
4% bis 7% Nickel
und einen hohen Massenanteil Eisen,
einen zusätzliche Partikelanteil in Gewichtsprozent bestehend aus:
0.2% bis 1.0% Kohlenstoff und/oder Stickstoff
0.2% bis 1.0% Vanadium
auf.
Üblicherweise besteht die Formgedächtnislegierung zu 50 Gewichtsprozent und mehr aus Eisen.

[0019] Der Zusatz von Vanadium, Stickstoff und/oder Kohlenstoff bildet ein Präzipitat oder einen Niederschlag aus Vanadiumnitrid und/oder Vanadiumcarbid, wobei stabile Ausscheidungen aus Vanadiumnitrid und/oder Vanadiumcarbid, welche in Partikeln und Nanopartikeln nach der Herstellung in der Formgedächtnislegierung verteilt verbleiben. Vanadiumnitrid und/oder Vanadiumcarbid Nanopartikel führen dazu, dass die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen gewünschte zufriedenstellende Formgedächtniseigenschaften aufweisen, ohne dass ein thermomechanisches Training durchgeführt werden muss. Die Grösse der auftretenden Nanopartikel liegt im Bereich von Nanometern (10-9 m) und diese die Ausscheidungen, ein Präzipiat oder einen Niederschlag bildenden Nanopartikel liegen fein verteilt in der Formgedächtnislegierung vor.

[0020] Messungen an den erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen haben gezeigt, dass die, wie in Figur 1 gezeigt direkt benachbarten Werte von AS und MS bis etwa 50°C unterhalb der entsprechenden Werte von bekannten auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen gemäss des Stands der Technik liegen.

Beispiele



[0021] Im Folgenden werden beispielhaft drei bevorzugte Ausführungsformen der erfindungsgemässe Formgedächtnislegierungen, umfassend jeweils eine Basislegierung bestehend aus Mangan, Silizium, Chrom und Nickel und einem Massenanteil Eisen, beschrieben. Dabei weist das Beispiel sma1 neben der Basislegierung einen Massenanteil Vanadiumcarbid auf, während das Beispiel sma2 einen Massenanteil Vanadiumcarbid und Vanadiumnitrid Partikel und die Formgedächtnislegierung gemäss Beispiel sma3 neben der Basislegierung einen Massenanteil Vanadiumnitrid aufweist.

[0022] Figur 2 zeigt gemessene unterschiedliche Formrückführungen in Prozent in Abhängigkeit der angewandten Wärmealterungstemperatur während einer jeweils zwei Stunden dauernden Wärmealterung der oben erwähnten Beispiellegierungen sma1, sma2 und sma3. Es wurden Wärmealterungstemperaturen im Bereich von 650°C bis 900°C verwendet, wobei die Menge von Vanadiumcarbid- und/oder Vanadiumnitridpartikein, welche bei einer Wärmealterung zwischen 750°C und 850°C ausgeschieden werden zu besonders vorteilhaften Ergebnissen führen. Bei einer Wärmealterungstemperatur von 850°C resultieren Formgedächtnislegierungen mit Quotienten der Formrückführung von mehr als 50%. Durch die Beimischung von Kohlenstoff fallen Vanadiumcarbidpartikel aus, woraus ein Formrückführungsquotient von über 70% resultiert. Durch Beimischung von Kohlenstoff und Stickstoff von 0.2% bis 1.0% Gewichtsprozent der Formgedächtnislegierung fallen Partikel Vanadiumcarbid und -nitrid aus, welche zu einem Formrückführungsquotienten von etwa 65% führen. Alle Proben der verschiedenen Formgedächtnislegierungen wurden bei Raumtemperatur um 4% verformt, woran anschliessend die Formrückführungsquotienten in einzelnen Messreihen ermittelt wurden.

[0023] Versuchsreihen haben gezeigt, dass der Formrückführungsquotient der verschiedenen Formgedächtnislegierungen sma1, sma2 und sma3 gesteigert und ein beinahe perfekter Formgedächtniseffekt erreichbar wird, wenn die Deformation der Proben um 4% bei Temperaturen deutlich unterhalb der Raumtemperatur stattfinden. Es konnte ein vorteilhafter Temperaturbereich von kleiner gleich -25°C (≤ 248K) in Versuchsreihen ausgewertet werden, in welchem ein gesteigerter Formgedächtniseffekt erreicht wird. Wie in Figur 3 dargestellt, zeigten alle Proben Formrückführungsquotienten grösser als 90%, wenn die Deformation vor der Formrückführung bei Temperaturen von kleiner als -45°C stattfand. Auch hier zeigte die Probe sma1, umfassend eine Ausscheidung, oder Präzipitat aus ausschliesslich Vanadiurncarbidpartikeln, die höchsten Formrückführungsquotienten von grösser als 97%.

[0024] Die mit den erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen erreichbaren Formrückführungsspannungen (Shape recovery stress) sind in Figur 4 auf der Ordinate gegen die Temperatur auf der Abszisse aufgetragen. Dabei stellen die quadratisch geformten Messwerte Formrückführspannungen einer Probe einer bekannten Niobcarbid umfassenden Fe-15Mn-9Si-9Cr-5Ni-1.5Nb-0.6C Formgedächtnislegierung gemäss Stand der Technik zum Vergleich dar. Aus der typischen hystereseartigen Kurve ist erkennbar, dass die Austenitfinaltemperatur AF der erfindungsgemässen Probe unterhalb der Probe gemäss Stand der Technik liegt. Die Messwerte zeigen, dass die Breite des Austenitübergangstemperaturbereiches AS-AF der neuen erfindungsgemässen Formgedächtnislegierung deutlich schmaler ist, als beim Stand der Technik.

[0025] Experimentell wurden für die Beispiellegierung sma1 eine Martensitfinaltemperatur von -120°C, eine Martensitstarttemperatur von -50°C, eine Austenitstarttemperatur von 70°C und eine Austenitfinaltemperatur von 110°C gemessen. Daraus ergibt sich ein Austenitübergangstemperaturbereich AS-AF von etwa 40°C, was in etwa halb so breit ist, wie der von auf Eisen basierenden Formgedächtnislegierungen des Stands der Technik.

[0026] Die erreichbaren Formrückführungsspannungen der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen sind deutlich höher, als die entsprechenden Vergleichwerte von bekannten Formgedächtnislegierungen gemäss Stand der Technik.

[0027] Um die Übergangstemperaturen der Beispiellegierungen sma1, sma2 und sma3 experimentell zu bestimmen, wurde der elektrische Widerstand der Formgedächtnislegierungen in Abhängigkeit von der Temperatur in Messreihen bestimmt. Die resultierenden Hysteresekurven sind in Figur 5 dargestellt. Für das Beispiel sma1 sind eine Martensitfinaltemperatur MF von etwa -120°C (etwa 150 K) und eine Martensitstarttemperatur MS von etwa -50°C (etwa 220 K) ablesbar. Die Austenitstarttemperatur AS liegt bei etwa +70°C (etwa 340 K) und die Austenitfinaltemperatur AF bei etwa +110°C (etwa 380 K).

Herstellungsverfahren



[0028] Auf die Herstellung der auf Eisen und Mangan basierenden Formgedächtnislegierung durch die Schmelze der Basismetalle in einem Wärmebehandlungsofen wird hier nicht näher eingegangen, da dies dem Fachmann bekannt ist, bzw. aus dem Stand der Technik entnehmbar ist.

[0029] Zur Herstellung der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen wird ein kombiniertes Verfahren aus einem Lösungsglühen (solution treatment) und einer Wärmealterung (aging), welche auch Altern genannt wird, auf eine feste Formgedächtnislegierung, umfassend oben erwähnte Elemente in oben erwähnter Konzentration durchgeführt. Die Wärmebehandlungen Lösungsglühen und Wärmealterung werden in einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemässen Verfahrens in ein und demselben Wärmebehandlungsofen durchgeführt. Dabei wird die Wärmealterung direkt im Anschluss an das Lösungsglühen durchgeführt. Die einzelnen festen Bestandteile der erfindungsgemässen Formgedächtnislegierung werden vor dem Lösungsglühen und der Wärmealterung zu einer festen Formgedächtnislegierung gemäss Stand der Technik verschmolzen.

[0030] Durch das Lösungsglühen werden präzipitierte Vanadiumcarbid und/oder Vanadiumnitrid Partikel homogen in einer Matrix der festen Formgedächtnislegierung verteilt gelöst.

[0031] Versuche haben gezeigt, dass ein optimaler Herstellungsvorgang ein Lösungsglühen bei 1050°C bis 1150°C über einen Zeitraum von fünf bis zehn Stunden und ein direkt anschliessendes Altern bei 750°C bis 900°C für einen Zeitraum von ein bis zwei Stunden, zu Formgedächtnislegierungen mit ausreichend guter Formrückführung und damit gutem Formgedächtniseffekt führen.

[0032] Insbesondere führt ein Altern der Formgedächtnislegierung nach dem Lösungsglühen bei mindestens annähernd 850°C zu vorteilhaften Ergebnissen.

[0033] Durch das Altern werden, je nach Wahl der zugeführten Legierungselemente des Partikelanteils, Vanadiumcarbid und/oder Vanadiumnitrid Partikel ausgeschieden und bilden fein verteilte Ausscheidungen im Gefüge der Formgedächtnislegierung.

[0034] Die durch die oben beschriebene Behandlung ausfallenden Vanadiumcarbidausscheidungen und/oder Vanadiumnitridausscheidungen führen zu einer Änderung der physikalischen Eigenschaften der Formgedächtnislegierung, wodurch bei gleichbleibender chemischer Zusammensetzung die Formgedächtniseigenschaften optimiert werden.

[0035] Es ist zu erwähnen, dass keine Vordeformation zwischen dem Lösungsglühen und der Wärmealterung notwendig ist und kein anschliessendes aufwendiges Training, umfassend eine Vielzahl von thermomechanischen Behandlungszyklen durchzuführen ist.

[0036] Die beschriebene erfindungsgemässe Formgedächtnislegierung und in den oben genannten Grenzen variierte Mischungsverhältnisse finden Einsatz im Bauingenieurwesen, im Maschinen- und Fahrzeugbau, in der Luft- und Raumfahrtindustrie, sowie in Implantaten und Instrumenten der Medizintechnik.

[0037] Die kostengünstige Herstellung der auf Eisen basierenden erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen erweitert die Einsatzgebiete beispielsweise auf Betonstrukturen im Bauwesen. Die Materialkosten für die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen liegen im Bereich von bekannten rostfreien Edelstählen.

[0038] Neben erreichbaren tiefen Austenitstarttemperaturen AS von etwa 70°C weisen die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen schmale Austenitübergangstemperaturbereiche AS-AF von etwa 40°C Breite auf. Aufgrund der erreichbaren Formgedächtniseigenschaften sind die erfindungsgemässen Formgedächtnislegierungen in Betonstrukturen im Bauingenieurwesen einsetzbar.

[0039] Aufgrund der im Vergleich zum Stand der Technik niedrigeren Austenitstarttemperatur und der Austenitfinaltemperatur, werden vor allem im Bauingenieurwesen neue Anwendungen wie z.B. vorgespannte Umschnürung von Stützen, innerlich vorgespannte zementgebundene Werkstücke oder die Schaffung verbesserter Verankerungselemente beispielsweise Dübel aus den neuartigen Formgedächtnislegierungen möglich. Aufgrund der gemäss dem Stand der Technik nötigen stärkeren Erwärmungen der bekannten Formgedächtnislegierungen, ist der Einsatz bisher schwierig bis teilweise unmöglich gewesen.

Bezugszeichenliste



[0040] 
ε
Martensitphase
AF
Austenitfinaltemperatur
AS
Austenitstarttemperatur
AS-AF
Austenitübergangstemperaturbereiches
MF
Martensitfinaltemperatur
MS
Martensitstarttemperatur
sma1
Basislegierung + Vanadiumcarbid
sma2
Basislegierung + Vanadiumcarbid und Vanadiumnitrid
sma3
Basislegierung + Vanadiumnitrid



Ansprüche

1. Formgedächtnislegierung, umfassend
eine Basislegierung aus Mangan, Silizum, Chrom und Nickel und einem Restmassenanteil Eisen,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Formgedächtnislegierung zusätzlich zur Basislegierung

- einen Massenanteil von mindestens 0.2 Gewichtsprozent Vanadium und

- einen gezielt zugeführten Massenanteil von mindestens 0.2 Gewichtsprozent Kohlenstoff und/oder Stickstoff
in Form von ausgefällten Vanadiumcarbidausscheidungen und/oder Vanadiumnitridausscheidungen beinhaltet.


 
2. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der gezielt eingebrachte Massenanteil von Vanadium zwischen 0.2 und 1.0 Gewichtsprozent der Formgedächtnislegierung liegt.
 
3. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der gezielt eingebrachte Massenanteil von Kohlenstoff und/oder Stickstoff zwischen 0.2 und 1.0 Gewichtsprozent der Formgedächtnislegierung liegt.
 
4. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Basislegierung neben dem Restmassenanteil Eisen

17 bis 20 Gewichtsprozent Mangan

4 bis 6 Gewichtsprozent Silizium

8 bis 10 Gewichtsprozent Chrom
und

4 bis 7 Gewichtsprozent Nickel beinhaltet.


 
5. Formgedächtnislegierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die ausgefällten Vanadiumcarbidausscheidungen und/oder Vanadiumnitridausscheidungen in Form von Nanopartikein fein verteilt in der Formgedächtnislegierung vorliegen.
 
6. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen, insbesondere zur Umschnürung von Stützen, zum Einsatz in innerlich vorgespannten zementgebundenen Werkstücken oder zur Schaffung verbesserter Verankerungselemente, dadurch gekennzeichnet, dass die Formgedächtnislegierung
eine Basislegierung aus Mangan, Silizum, Chrom, Nickel und einem Massenanteil Eisen umfasst,
einen Massenanteil Vanadium
und
einen Massenanteil von Kohlenstoff und/oder Stickstoff umfasst und
einen Austenitübergangstemperaturbereich AS-AF mit einer Breite kleiner als 80°C, insbesondere mindestens annähernd gleich 40°C aufweist.
 
7. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Formgedächtnislegierung eine Austenitstarttemperatur (AS) kleiner als 80°C, insbesondere mindestens annähernd gleich 70°C aufweist.
 
8. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Formgedächtnislegierung eine Austenitfinaltemperatur (AF) kleiner als 150°C, insbesondere mindestens annähernd gleich 110°C aufweist.
 
9. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass eine Deformation der Formgedächtnislegierung vor der Formrückführung bei Temperaturen kleiner gleich -25°C stattfindet.
 
10. Verwendung einer Formgedächtnislegierung im
Bauingenieurwesen nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass eine Deformation der Formgedächtnislegierung vor der Formrückführung bei Temperaturen kleiner als -45°C stattfindet, wodurch Formrückführungsquotienten grösser als 90% erreichbar sind.
 
11. Verfahren zur Herstellung einer Formgedächtnislegierung nach
Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass
in einem Wärmebehandlungsofen eine Basislegierung aus Mangan, Silizium, Chrom, Nickel und einem Massenanteil Eisen eingeschmolzen wird, wonach
eine anschliessende Zugabe eines Massenanteils Vanadium erfolg, woraufhin
eine gezielte Zugabe eines Massenanteils Kohlenstoff erfolgt und diese feste Formgedächtnislegierung durch
ein Lösungsglühen in einem Temperaturbereich von etwa 1050°C bis 1150°C in einem Zeitraum von fünf bis zehn Stunden behandelt wird, woran, direkt an das Lösungsglühen eine Wärmealterung für etwa ein bis zwei Stunden in einem Temperaturbereich von 650°C bis 900°C angeschlossen wird, wodurch Ausscheidungen aus Vanadiumcarbid in der Formgedächtnislegierung entsteht.
 
12. Verfahren nach Anspruch 11 dadurch gekennzeichnet, dass vor der Wärmealterung zusätzlich ein Massenanteil Stickstoff gezielt in den Schmelzofen eingelassen wird, wodurch Ausscheidungen, welche Vanadiumnitridpartikel umfasst, ausfällt.
 
13. Verfahren nach Anspruch 11 dadurch gekennzeichnet, dass eine Wärmealterung bei einer Wärmealterungstemperatur von 850°C in einem Zeitraum von insgesamt zwei Stunden angewendet wird.
 
14. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass das Lösungsglühen und die anschliessende Wärmealterung in ein und demselben Wärmebehandlungsofen kombiniert und direkt aneinander anschliessend durchführbar sind.
 




Zeichnung
















Recherchenbericht













Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde ausschließlich zur Information des Lesers aufgenommen und ist nicht Bestandteil des europäischen Patentdokumentes. Sie wurde mit größter Sorgfalt zusammengestellt; das EPA übernimmt jedoch keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.

In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente




In der Beschreibung aufgeführte Nicht-Patentliteratur