[0001] Die Erfindung betrifft ein Wirkmittel zur wahlweisen Herbeiführung einer Detonation
oder einer Deflagration unter Nebelbildung. Derartige Wirkmittel sind bisher nicht
bekannt. Unter einem Nebel im Sinne der Erfindung wird ein pyrotechnisch erzeugter
Nebel verstanden werden. Die Erfindung betrifft weiterhin ein Wirkmittel zur Herbeiführung
einer Deflagration unter Nebelbildung und die Verwendung einer Wirkmasse zur pyrotechnischen
Erzeugung eines Nebels.
[0002] Aus der
DE 28 19 850 B1 ist ein pyrotechnischer Nebelsatz auf Basis von rotem Phosphor und Guanidinnitrat
bekannt, mittels welchem ein ungiftiger Nebel erzeugt werden kann. Ein Nachteil dieses
pyrotechnischen Nebelsatzes ist die niedrige Abbrandgeschwindigkeit und die damit
verbundene schlechte Tarnleistung im visuellen Bereich. Aufgrund der geringen Exothermizität
der Zersetzung von Guanidinnitrat ist dieser Nebelsatz auch nicht für Tarnzwecke im
Infrarot-Bereich geeignet.
[0003] Aus der
EP 1 173 394 B9 ist eine pyrotechnische Wirkmasse zur Erzeugung eines im Infraroten stark emissiven
und im Visuellen undurchdringlichen Aerosols bekannt. In der Wirkmasse sind 55 bis
62 % roter Phosphor, 18 bis 23 % Alkalimetallnitrate, 10 bis 18 % Nebenbestandteile
aus Übergangsmetallen und Metalloiden und 5 bis 7 % Binder enthalten. Ein Nachteil
dieser Wirkmasse ist die inhärente Bildung von Metallphosphiden. Die Bildung von Magnesiumphosphid
führt zusammen mit vorhandener Luftfeuchtigkeit zur Bildung hochtoxischen Phosphans
(PH
3). Im Falle der Metalle Titan und Zirconium sowie der Metalloide Bor und Silicium
werden ferner die sehr stabilen Phosphide TiP, ZrP, BP und Si
2P bzw. Si
3P gebildet, in denen der Phosphor zwar stabil gebunden ist, aber für die Erzeugung
des Aerosols nicht mehr zur Verfügung steht. Durch den dadurch abgefangenen Phosphor
verringert sich die Ausbeute an Aerosol.
[0004] Aus der
DE 10 2006 030 678 A1 ist eine aus rotem Phosphor, einem Sprengstoff und einem Bindemittel bestehende Blast-Wirkladung
bekannt. Bei dem Sprengstoff kann es sich beispielsweise um Oktogen (= HMX) und bei
dem Bindemittel um hydroxylterminiertes Polybutadien (= HTPB) handeln. Derartige Blast-Wirkladungen
weisen eine hohe Detonationsgeschwindigkeit auf. Bei der Detonation wird ein hoher
Druckexponent erreicht und dadurch ein beschleunigter Ausbrand in geschlossenen Räumen
bewirkt. Weiterhin weist das entstehende Oxid eine hohe Flüchtigkeit auf und leistet
dadurch ein Beitrag zur Druck-Volumenarbeit.
[0005] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Wirkmittel anzugeben, welches zur
pyrotechnischen Erzeugung eines Nebels und möglichst auch zur Erzeugung einer Sprengwirkung
geeignet ist. Weiterhin soll eine Verwendung zur pyrotechnischen Erzeugung eines Nebels
angegeben werden.
[0006] Die Aufgabe wird durch die Merkmale der Patentansprüche 1, 2 und 4 gelöst. Zweckmäßige
Ausgestaltungen ergeben sich aus den Merkmalen der Patentansprüche 3 und 5 bis 14.
[0007] Erfindungsgemäß ist ein Wirkmittel zur wahlweisen Herbeiführung einer Deflagration
unter Nebelbildung oder einer Detonation vorgesehen, wobei das Wirkmittel eine roten
Phosphor, ein Nitramin und ein Bindemittel umfassende Wirkmasse aufweist und so ausgestattet
ist, dass es wahlweise mit einem thermischen Zünder oder einem detonierenden Zünder
zum Zünden der Wirkmasse bestückt werden kann. Unter einem thermischen Zünder wird
dabei ein Zünder verstanden, welcher eine thermische Zündung der Wirkmasse, d. h.
eine Zündung durch Erwärmung, bewirkt. Im Gegensatz dazu bewirkt ein detonierender
Zünder eine Zündung der Wirkmasse durch einen Initialimpuls.
[0008] Der vorliegenden Erfindung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass eine detonierende
Zündung mit dem detonierenden Zünder eine Detonation der Wirkmasse bewirkt, während
eine thermische Zündung mit dem thermischen Zünder eine Deflagration der Wirkmasse
unter Nebelbildung bewirkt.
[0009] Bei dem erfindungsgemäßen Wirkmittel brennt die Wirkmasse bei thermischer Zündung
rasch ab und erzeugt dabei einen sehr dichten und auch für Wärmebildgeräte im Wellenlängenbereich
von 8 bis 14 µm undurchdringlichen Nebel. Der gebildete Nebel kann damit zu Blend-
oder Tarnzwecken im visuellen und infraroten Spektralbereich und insbesondere zur
Tarnung gegenüber auf warme Ziele abzielenden Waffen dienen. Bei Zündung mit einem
detonierenden Zünder liefert das erfindungsgemäße Wirkmittel, insbesondere unter Einschluss,
einen sehr starken Impuls. Der Impuls kann stärker sein als beispielsweise der des
bekannten Impulssprengstoffs Hexal.
[0010] Die Wirkmasse des erfindungsgemäßen Wirkmittels ist mit moderatem Pressdruck ohne
Auslösung einer Detonation pressbar und somit gut zu verarbeiten. Ein großer Vorteil
des erfindungsgemäßen Wirkmittels besteht darin, dass es unmittelbar vor dessen Einsatz
je nach gewünschter Anwendung mit einem detonierenden Zünder oder einem thermischen
Zünder bestückt werden kann. Durch die Verwendung des erfindungsgemäßen Wirkmittels
vereinfacht sie die Logistik zur Bereitstellung von Mitteln zur Nebelerzeugung und
von Sprengmitteln, da ein und dasselbe Wirkmittel sowohl zur Nebelerzeugung als auch
zum Sprengen verwendet werden kann.
[0011] Die Erfindung betrifft weiterhin ein Wirkmittel zur Herbeiführung einer Deflagration
unter Nebelbildung, wobei das Wirkmittel eine roten Phosphor, ein Nitramin und ein
Bindemittel umfassende Wirkmasse und zum Zünden der Wirkmasse einen thermischen Zünder
aufweist. Bei diesem Wirkmittel erfolgt eine Deflagration der Wirkmasse unter Nebelbildung.
Besonders vorteilhaft ist es, wenn das Wirkmittel zusätzlich einen detonierenden Zünder
aufweist. Dadurch ist es möglich, ohne mechanische Manipulation und allein durch die
Wahl des zu aktivierenden Zünders über eine Detonation oder eine Deflagration der
Wirkmasse zu entscheiden. Da beide Zünder üblicherweise elektrisch aktiviert werden,
kann die Entscheidung über die Wahl des zu aktivierenden Zünders mittels einer elektronischen
Steuerung erfolgen.
[0012] Weiterhin betrifft die Erfindung die Verwendung einer roten Phosphor, ein Nitramin
und ein Bindemittel umfassenden Wirkmasse zur pyrotechnischen Erzeugung eines Nebels.
[0013] Bei einer bevorzugten Ausgestaltung enthält die Wirkmasse kein Metall und/oder keine
Metallverbindung. Dadurch werden die Bildung von Metallphosphiden und die damit verbundenen
oben genannte Nachteile bei der Nebelbildung zuverlässig vermieden.
[0014] Bei dem Nitramin kann es sich um Hexogen (RDX), Oktogen (HMX), Hexanitroisowurtzitan
(CL20) oder 4,10-Dinitro-2,6,8,12-tetraoxo-4,10-diazatetracyclo[5.5.0.0
5,9.0
3,11]dodecan (TEX) handeln. Das Bindemittel kann hydroxylterminiertes Polybutadien (HTPB),
Polyglycidylazid (GAP), Viton
®, insbesondere Viton
® A, oder HyTemp
® 4454 sein. Bei Viton handelt es sich um ein Fluorelastomer, welches von der Firma
DuPont Performance Elastomers S.A., 2, chemin du Pavillon, CH-1218 Le Grand-Saconnex,
Genf, Schweiz bezogen werden kann. Bei HyTemp 4454 handelt es sich um ein Polyacrylat,
welches von der Firma ZEON EUROPE GmbH, Niederkasseler Lohweg 177, 40547 Düsseldorf,
Deutschland bezogen werden kann. Ist das Bindemittel HTPB oder GAP, ist es vorteilhaft,
wenn der Anteil des Bindemittels an der Wirkmasse mindestens 12 % beträgt. Ist das
Bindemittel Viton oder HyTemp 4454, beträgt der Anteil des Bindemittels an der Wirkmasse
bevorzugt mindestens 4 %.
[0015] Vorzugsweise enthält die Wirkmasse zusätzlich einen Weichmacher, insbesondere Dioctyladipat
(DOA), Isodecylperlagonat (IDP) oder Dioctylphthalat (DOP). Durch den Weichmacher
verbessert sich die Verarbeitbarkeit der Wirkmasse. Darüber hinaus wird die Empfindlichkeit
der Wirkmasse gegenüber unbeabsichtigter Zündung durch eine Stoßwelle herabgesetzt,
d. h. die Wirkmasse wird phlegmatisiert. Die Wirkmasse kann dadurch abschussfest bis
zu einer Abschussbeschleunigung von 18000 g gemacht werden. Durch die herabgesetzte
Stoßwellenempfindlichkeit ist die Wirkmasse unkompliziert in der Handhabung und vielfältig
einsetzbar, beispielsweise in Pioniermunition oder in verbringbaren Gefechtsköpfen
aller Art. Unter Pioniermunition wird Munition verstanden, die nicht verschossen wird.
Beispielsweise kann es sich dabei um Minen, Handgranaten oder eine formbare Sprengladung,
d. h. einen sogenannten Plastiksprengstoff, handeln.
[0016] Bevorzugt enthält die Wirkmasse zusätzlich Graphit. Das Graphit erleichtert die Verarbeitbarkeit
der Wirkmasse indem bei der Verarbeitung auftretende Scherkräfte verringert werden.
Darüber hinaus vermindert das Graphit durch seine elektrische Leitfähigkeit eine elektrostatische
Aufladung der Wirkmasse bei der Verarbeitung und bei deren späterer Handhabung. Dadurch
wird die elektrostatische Empfindlichkeit der Wirkmasse herabgesetzt und deren Sicherheit
bei deren Verarbeitung und Handhabung erhöht. Ohne das Graphit kann es leicht zu einer
elektrostatischen Aufladung und bei einer dadurch bedingten elektrostatischen Entladung
zu einer Zündung der Wirkmasse kommen.
[0017] Die Wirkmasse enthält vorzugsweise 10 bis 81 Gewichtsprozent (Gew.-%), insbesondere
15 bis 70 Gew.-% des roten Phosphors. Die Wirkmasse kann 15 bis 86 Gew.-%, insbesondere
25 bis 80 Gew.-% des Nitramins enthalten.
[0018] Neben dem detonierenden Zünder kann ein mit diesem Zünder zusammenwirkender Booster
vorgesehen sein. Bei einem Booster handelt es sich um einen Sprengstoff, der durch
Aktivierung des Zünders zur Detonation gebracht wird und dabei einen starken Initialimpuls
erzeugt. Dadurch wird dann die Wirkmasse gezündet, so dass diese detoniert. Mittels
des Boosters kann beispielsweise eine Wirkmasse, die durch einen verhältnismäßig hohen
Anteil an Weichmacher stark phlegmatisiert ist, zuverlässiger gezündet und dadurch
zur Detonation gebracht werden.
[0019] Bei dem Booster kann es sich beispielsweise um PBXN-5 oder CH-6 handeln. PBXN-5 besteht
aus 95 Gew.-% HMX und 5 Gew.-% Viton A. CH-6 besteht aus 97,5 Gew.-% RDX, 1,5 Gew.-%
Calciumstearat, 0,5 Gew.-% Polyisobutylen und 0,5 Gew.-% Graphit. Sowohl PBXN-5 als
auch CH-6 können beispielsweise von der Firma EURENCO, 12, quai Henri IV, 75004 Paris,
Frankreich, bezogen werden.
[0020] Das erfindungsgemäße Wirkmittel kann als, insbesondere formbare, Sprengladung oder
als Munition, insbesondere als Raketenartilleriegeschoss oder als Granate, vorzugsweise
als Fahrzeugwurfgranate, Handgranate, Mörsergranate oder Artilleriegranate, ausgebildet
sein. Eine Fahrzeugwurfgranate ist eine Granate, die üblicherweise mittels einer elektrisch
betätigten Wurfmittelanlage geworfen wird.
[0021] Nachfolgend wird die Erfindung anhand nicht beschränkender Ausführungsbeispiele erläutert:
[0022] 55 Gew.-% HMX, 38 Gew.-% roter Phosphor, 1 Gew.-% Graphit, 4 Gew.-% Polyacrylat (HyTemp
® 4454) und 2 Gew.-% Dioctyladipat werden vermischt und zu 20 g Presslingen im Kaliber
24 mm verpresst. Diese Presslinge brennen nach thermischer Zündung mit einem Massendurchsatz
von 2 Gramm pro Sekunde und starker Nebelbildung ab. Ein derartiger Pressling liefert
unter detonierender Zündung und unter Einschluss einen um 35 % höheren Blast-Druck
als der bekannte Impulssprengstoff Hexal.
[0023] Mischungen aus RDX, 10 bis 80 Gew.-% rotem Phosphor, 1 % Graphit, 2 % Polyacrylatbinder
und 6 % Dioctyladipat sind schnell brennende Nebel bildende Gemische mit starker thermischer
Signatur im Wärmebildbereich.
[0024] Mischungen aus HMX, 10 bis 80 Gew.-% rotem Phosphor, 1 % Graphit, 2 % Polyacrylatbinder
und 6 % Dioctyladipat sind ebenfalls schnell brennende Nebel bildende Gemische mit
starker thermischer Signatur im Wärmebildbereich. Im Gegensatz zu den RDX enthaltenden
Mischungen sind die HMX enthaltenden Mischungen jedoch thermisch unempfindlicher.
Sie weisen einen höheren, etwa bei 282 °C liegenden, Zersetzungspunkt auf als die
RDX enthaltenden Mischungen.
1. Wirkmittel zur wahlweisen Herbeiführung einer Deflagration unter Nebelbildung oder
einer Detonation, wobei das Wirkmittel eine roten Phosphor, ein Nitramin und ein Bindemittel
umfassende Wirkmasse aufweist und so ausgestattet ist, dass es wahlweise mit einem
thermischen Zünder oder einem detonierenden Zünder zum Zünden der Wirkmasse bestückt
werden kann.
2. Wirkmittel zur Herbeiführung einer Deflagration unter Nebelbildung,
wobei das Wirkmittel eine roten Phosphor, ein Nitramin und ein Bindemittel umfassende
Wirkmasse und zum Zünden der Wirkmasse einen thermischen Zünder aufweist.
3. Wirkmittel nach Anspruch 2,
wobei das Wirkmittel zusätzlich einen detonierenden Zünder aufweist.
4. Verwendung einer roten Phosphor, ein Nitramin und ein Bindemittel umfassenden Wirkmasse
zur pyrotechnischen Erzeugung eines Nebels.
5. Wirkmittel oder Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die Wirkmasse kein Metall und/oder keine Metallverbindung enthält.
6. Wirkmittel oder Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei das Nitramin Hexogen (RDX), Oktogen (HMX), Hexanitroisowurtzitan (CL20) oder
4,10-Dinitro-2,6,8,12-tetraoxo-4,10-diazatetracyclo[5.5.0.05,9.03,11]dodecan (TEX) ist.
7. Wirkmittel oder Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei das Bindemittel hydroxylterminiertes Polybutadien (HTPB), Polyglycidylazid (GAP),
Viton, insbesondere Viton A, oder HyTemp 4454 ist.
8. Wirkmittel oder Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die Wirkmasse zusätzlich einen Weichmacher, insbesondere Dioctyladipat (DOA),
Isodecylperlagonat (IDP) oder Dioctylphthalat (DOP), enthält.
9. Wirkmittel oder Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die Wirkmasse zusätzlich Graphit enthält.
10. Wirkmittel oder Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die Wirkmasse 10 bis 81 Gew.-%, insbesondere 15 bis 70 Gew.-%, des roten Phosphors
enthält.
11. Wirkmittel oder Verwendung nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei die Wirkmasse 15 bis 86 Gew.-%, insbesondere 25 bis 80 Gew.-%, des Nitramins
enthält.
12. Wirkmittel nach einem der Ansprüche 1, 3 und 5 bis 11,
wobei neben dem detonierenden Zünder ein mit diesem Zünder zusammenwirkender Booster
vorgesehen ist.
13. Wirkmittel nach Anspruch 12, wobei der Booster PBXN-5 oder CH-6 umfasst.
14. Wirkmittel nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
wobei das Wirkmittel als, insbesondere formbare, Sprengladung oder als Munition, insbesondere
als Raketenartilleriegeschoss oder als Granate, vorzugsweise als Fahrzeugwurfgranate,
Handgranate, Mörsergranate oder Artilleriegranate, ausgebildet ist.