[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung einer optimalen Migration von
einem technischen Ausrüstungs-Anfangszustand zu einem technischen Ausrüstungs-Endzustand
eines von Fahrzeugen befahrenen Streckenkorridors, wobei ein technischer Ausrüstungszustand
die Menge aller technischen Ausrüstungssysteme des Streckenkorridors darstellt, und
der Ausrüstungs-Anfangszustand die an dem Streckenkorridor vorhandenen technischen
Ausrüstungssysteme und der technische Ausrüstungs-Endzustand zumindest die an dem
Streckenkorridor zu installierenden Ausrüstungssysteme darstellt.
[0002] Die Anforderungen an die Mobilität und Flexibilität im Personen- und Güterverkehr
nehmen stetig zu. Im Personenverkehr lässt sich das unter anderem darauf zurückführen,
dass sich ein immer weiter zunehmendes Umweltbewusstsein in der Gesellschaft etabliert
sowie die Tatsache, dass mit steigenden Energiekosten der Verkehr auf der Schiene
zu einer echten Alternative wird. Durch die zunehmende Anzahl von zu transportierenden
Gütern ist auch in den letzten Jahren im Güterverkehr der Trend zu beobachten, dass
der Markt mehr Gütertransporte auf die Schiene verlagern will. Insbesondere im Zusammenhang
mit dem grenzüberschreitenden Dienstleistungs- und Güterverkehr innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft ist es für die betreffenden Verkehrsunternehmen notwendig, dass ein länderüberschreitender
Schienenverkehr problemlos möglich ist.
[0003] Die Anforderungen an die so genannte Interoperabilität, d.h. der grenzüberschreitende
Personen- und Güterverkehr, sind sehr hoch. So muss unter anderem gewährleistet werden,
dass ein Schienenfahrzeug mit den entsprechenden Eisenbahnleit- und Sicherungstechniken
des jeweiligen Landes zusammenarbeitet bzw. zusammenwirkt, damit ein Befahren des
ausländischen Schienennetzes unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit möglich wird.
Dies führt heutzutage dazu, dass die entsprechenden Schienenfahrzeuge mit zweierlei
Ausrüstungssystemen versehen sein müssen, was zusätzliche Kosten verursacht. Ist das
Schienenfahrzeug nicht in der Lage, mit den Eisenbahnleit- und Sicherungssystemen
des ausländischen Schienennetzes zusammenwirken, so ist ein Verladen der zu transportierenden
Güter auf ein entsprechend damit ausgerüstetes Schienenfahrzeug notwendig, was ebenfalls
zu erhöhten Kosten bei dem Transport verursacht. Aufgrund diese Unflexibilität des
Systems Schiene im Hinblick auf die Interoperabilität werden auch heute noch viele
Güter auf der Straße transportiert, was eine umwelttechnische und ökonomische Belastung
darstellt.
[0004] Von dem Verband der Europäischen Eisenbahnindustrie (UNIFE) wurde das ERTMS (European
Rail Traffic Management System) entwickelt, das zukünftig das System für Management
und Steuerung des Eisenbahnverkehrs innerhalb der Europäischen Gemeinschaft darstellen
und somit ein transeuropäisches Schienennetz gewährleisten soll. Einer der Hauptkomponenten
des ERTMS ist das ETCS (European Train Control System), welches innerhalb des transeuropäischen
Schienennetzes die Funktion der Zugsicherung realisieren soll. Dazu ist es notwendig,
dass die unterschiedlichen Zugsicherungssysteme der einzelnen Länder auf das neue
ETCS umgerüstet werden, so dass ein problemloser länderübergreifender Schienenverkehr
möglich wird. Bei der europaweiten Einführung des ERTMS ergibt sich jedoch das Problem,
dass während der Umbaumaßnahmen bzw. Installation des ETCS die betreffenden Strecken
für die Zeit der Umbaumaßnahmen nicht stillgelegt werden können. Vielmehr ist es notwendig,
dass der Übergang von den unterschiedlichen Systemen zu einem einheitlichen System
während des laufenden Betriebs erfolgt, ohne dass der Eisenbahnverkehr dabei wesentlich
gestört wird.
[0005] In Wendel, Stefan: Korridor Rotterdam - Genua, Deine Bahn, 6/2008 wird beschrieben,
dass die Migration, d.h. die Ersetzung des alten Systems durch das europaweite neue
System, zunächst einmal an sogenannten Streckenkorridoren erfolgt, die wichtige Verkehrsstrecken
darstellen. Diese Streckenkorridore sind dabei länderübergreifend gewählt, so dass
ein Schienenfahrzeug nach heutigem Stand mit den jeweiligen Zugsicherungstechniken
der Länder ausgerüstet sein muss, durch das der Korridor führt.
[0006] Ziel ist es nun, einen solchen kompletten Streckenkorridor auf das neue einheitliche
System umzustellen, ohne dabei den laufenden Betrieb zu unterbrechen. In dem Artikel
wird dies anhand des Korridors, der von Rotterdam nach Genua führt, beschrieben. Dabei
wird insbesondere erklärt, dass sowohl für den Ausbau als auch für den Rückbau von
überflüssigen Infrastrukturen einer Migrationsstrategie vorliegen muss, die sowohl
aus technischen als auch aus wirtschaftlichen Aspekten optimal ist. Denn es macht
langfristig betrachtet keinen Sinn, Teile des Streckenkorridors auch weiterhin mit
dem Altsystem zu betreiben. Demnach kann die vollständige Migration des neuen europaweiten
Zugsicherungssystems nur schrittweise erfolgen.
[0007] Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren anzugeben, mit dem
eine optimale Migrationsstrategie für einen entsprechenden Streckenkorridor ermittelt
werden kann.
[0008] Die Aufgabe wird mit dem Verfahren der eingangs genannten Art erfindungsgemäß gelöst
durch die Schritte:
- Unterteilen des zu migrierenden Streckenkorridors in mindestens zwei Abschnitte,
- Zuweisen mindestens eines Fahrzeuges zu einem oder mehreren zusammenhängenden Abschnitten
des Streckenkorridors,
- Ermitteln eines Migrationsszenarios durch sequentielle Migration der Abschnitte zu
einem für den jeweiligen Abschnitt nächstmöglichen technischen Ausrüstungszustand,
bis die Migration vollständig abgeschlossen und der technische Ausrüstungs-Endzustand
des zu migrierenden Streckenkorridors erreicht ist, wobei nach der Migration eines
Abschnitts die technischen Ausrüstungssysteme des jeweiligen Abschnitts mit den technischen
Ausrüstungssystemen der den jeweiligen Abschnitt betreffenden Fahrzeuge zusammenwirken,
- Wiederholen des vorhergehenden Schrittes mit unterschiedlichen Reihenfolgen der sequentiellen
Migration der Abschnitte und Ermitteln einer Vielzahl von unterschiedlichen Migrationsszenarien,
und
- Ermitteln einer optimalen Migration aus der Vielzahl von ermittelten Migrationsszenarien.
[0009] Erfindungsgemäß wird der zu migrierende Streckenkorridor zunächst in mindestens zwei
Abschnitte unterteilt, wobei die Unterteilung des Streckenkorridors in Abschnitten,
vorteilhafterweise in Abhängigkeit von topologischen Begebenheiten wie Staats- und
Ländergrenzen, erfolgt. Nachdem die Unterteilung des Streckenkorridors in Abschnitte
durchgeführt wurde, werden die den Streckenkorridor befahrenen Schienenfahrzeuge betrachtet.
Dabei werden jedem Abschnitt die Fahrzeuge zugewiesen, die den betreffenden Abschnitt
ausschließlich befahren. Wird ein Fahrzeug mehreren Abschnitten zugewiesen, so bedeutet
dies, dass ein solches Fahrzeug mehrere Abschnitte befahren kann.
[0010] Als nächstes erfolgt die Ermittlung eines Migrationsszenarios. Dabei werden nacheinander
die einzelnen Abschnitte des Streckenkorridors und gegebenenfalls die zu dem jeweiligen
Abschnitte gehörenden Fahrzeuge migriert, so dass nach Abschluss aller notwendigen
Migrationsschritte der Streckenkorridor den gewünschten Ausrüstungs-Endzustand aufweist.
In dem oben geschilderten Fall bedeutet dies konkret, dass der gesamte Streckenkorridor
nunmehr mit einem Ausrüstungssystem versehen ist, der einen ungehinderten Schienenverkehr
ermöglicht. Unter einem solchen Migrationsschritt eines Abschnitts kann dabei zum
einen verstanden werden, dass ein technisches Ausrüstungssystem dem Abschnitt hinzugefügt
wird oder ein bestehendes technisches Ausrüstungssystem aus dem Abschnitt entfernt
wird. Bei jedem Migrationsschritt ist es jedoch erforderlich, dass nach Abschluss
des Migrationsschrittes die den Abschnitt betreffenden Fahrzeuge technisch noch in
der Lage sind, diesen zu befahren, d.h. dass die technischen Ausrüstungssysteme auf
den Fahrzeugen mit denen in dem entsprechenden Abschnitt vorhandenen zusammenwirken.
Dieses Erfordernis ergibt sich dabei daraus, dass während der gesamten Migration gewährleistet
sein muss, dass die Fahrzeuge weiterhin den entsprechenden Abschnitt ungehindert befahren
können.
[0011] Es sei beispielhaft erläutert, dass dies dazu führen kann, dass entweder in dem Abschnitt
oder an den den Abschnitt betreffenden Fahrzeugen unterschiedliche Ausrüstungssysteme
gleichzeitig vorhanden sein können. So ist denkbar, dass in einem ersten Abschnitt
ein neues Ausrüstungssystem hinzugefügt wird, wobei das bereits vorhandene Ausrüstungssystem
in diesem Abschnitt erst dann entfernt werden kann, wenn die Fahrzeuge, die den Abschnitt
befahren, das alte Ausrüstungssystem nicht mehr benötigen. Befährt ein solches Fahrzeug
mehrere Abschnitte, so kann dementsprechend das alte Ausrüstungssystem in einem Abschnitt
erst dann entfernt werden, wenn in allen anderen Abschnitten, die das Fahrzeug befährt,
das neue Ausrüstungssystem ebenfalls vorhanden ist. Wird demgemäß auch das alte Ausrüstungssystem
von dem Fahrzeug entfernt, so würde ein ungehinderter Verkehr nicht mehr möglich sein.
[0012] Die Reihenfolge, mit der die Abschnitte nacheinander migriert werden, ist dabei frei
wählbar. In einem nächsten Schritt wird nun die Ermittlung eines solchen oben genannten
Migrationsszenarios wiederholt, indem jeweils immer eine unterschiedliche Reihenfolge
der Migration der Abschnitte gewählt wird, so dass sich im Anschluss daran, eine Vielzahl
von Migrationsszenarien ergeben. Diese Migrationsszenarien unterscheiden sich dabei
in jedem Migrationsschritt in dem jeweiligen technischen Ausrüstungszustand.
[0013] Nach Ermittlung aller möglichen Migrationsszenarien wird nun aus der Vielzahl von
Migrationsszenarien das optimale Szenario ausgewählt, welches am ehesten geeignet
ist, die Migration des Streckenkorridors durchzuführen. Die Ermittlung kann dabei
auch vorteilhafterweise hinsichtlich von ökonomischen Aspekten oder zeitlichen Aspekten
erfolgen, sowie hinsichtlich des technischen Ausrüstungsgrades.
[0014] Vorteilhafterweise ist der zu migrierende Streckenkorridor eine Gleisstrecke und
die entsprechenden Fahrzeuge Schienenfahrzeuge, wobei die technischen Ausrüstungssysteme
ein Teil einer Eisenbahnleit- und Sicherungstechnik darstellen. Damit kann das Verfahren
dazu verwendet werden, die Migration eines Streckenkorridors, der durch mehrere Staaten
verläuft, zu dem angestrebten ERTMS zu simulieren und die optimale Migrationsstrategie
zu ermitteln.
[0015] Vorteilhafterweise kann die Reihenfolge der sequentiellen Migration der Abschnitte
durch Zuweisen entsprechender Prioritäten festgelegt werden, die sich z.B. aus wirtschaftlichen
oder technischen Gesichtspunkten ergeben. Dabei können mehreren Abschnitten auch gleiche
Prioritäten zugewiesen werden. Dadurch kann die Anzahl der möglichen Migrationsszenarien
verkleinert werden.
[0016] Besonders vorteilhaft ist es, wenn ein ermitteltes Migrationsszenario als gerichteter
Graph hinterlegt wird. Dabei repräsentiert jeder Knoten des gerichteten Graphen einen
technischen Ausrüstungszustand des Streckenkorridors, wobei jede Kante von einem Knoten
zu einem nächstfolgenden Knoten den Migrationsschritt eines Abschnitts darstellt.
Ein solches Migrationsszenario ist dann abgeschlossen, wenn der letzte Knoten (Endknoten)
den gewünschten technischen Ausrüstungs-Endzustand aufweist.
[0017] Ein solcher gerichteter Graph kann z.B. ein Petri-Netz sein.
[0018] Um die Komplexität weiter zu verringern, ist es vorteilhaft, wenn in einem solchen
Graphen oder Petri-Netz solche Endknoten ermittelt werden, bei denen mindestens ein
Abschnitt des Streckenkorridors noch ein technisches Ausrüstungssystem aufweist, welches
nicht dem zu installierenden technischen Ausrüstungssystem entspricht. D.h. mit anderen
Worten, es werden solche Zustände gesucht, bei denen der Rückbau des alten Systems
noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Wurde ein solcher Knoten ermittelt, so wird
dieser Migrationspfad aus dem Graphen entfernt, indem zunächst Endknoten aus dem Graphen
entfernt und dann rekursiv alle Knoten gelöscht werden, die ausschließlich zu diesem
Endknoten führen.
[0019] Damit wird der gesamte Graph derart bereinigt, dass nur noch sinnvolle Migrationsszenarien
übrig bleiben.
[0020] Des Weiteren ist es besonders vorteilhaft, wenn die Migration eines Abschnittes weiterhin
in Abhängigkeit bestimmter Randbedingungen, wie zum Beispiel die Bedingung, dass nur
eine fahrzeugseitige Doppelausrüstung vorliegen darf, erfolgt. Als solche Randbedingungen
sind aber auch denkbar, dass ausschließlich eine streckenseitige Doppelausrüstung
erfolgen darf oder sowohl eine fahrzeugseitige als auch eine streckenseitige Doppelausrüstung
vorliegen kann.
[0021] Die Erfindung wird anhand der beigefügten Zeichnungen beispielhaft erläutert. Es
zeigen:
- Figur 1 a, 1b
- - Schematische Darstellung eines Streckenkorridors mit drei Abschnitte und unterschiedlichen
Ausrüstungssystemen;
- Figur 2
- - Abbildung eines Teiles eines Petrinetzes.
[0022] Figur 1 a zeigt eine schematische Darstellung eines Streckenkorridors 1, der in drei
Abschnitte A1, A2 und A3 unterteilt ist. Wie der Abbildung zu entnehmen ist, ist in
dem Abschnitt A1 Zugsicherungssystem A installiert, was zum Beispiel das dänische
Zugsicherungssystem ZUB 123 sein kann. Im Gegensatz dazu sind in den beiden Abschnitten
A2 und A3 streckenseitig ein System B verbaut, was zum Beispiel das deutsche Zugsicherungssystem
INDUSI/LZB sein kann. Da dieses Zugsicherungssystem auch in Österreich Verwendung
findet, könnte der Streckenkorridor 1 von Dänemark nach Österreich reichen, so dass
Abschnitt A1 in Dänemark liegt, Abschnitt A2 in Deutschland und Abschnitt A3 in Österreich.
[0023] Des Weiteren ist Figur 1 a zu entnehmen, dass in Abschnitt A1 ausschließlich das
Fahrzeug F1 fährt, wobei das Fahrzeug F1 zugseitig mit dem System A ausgestattet ist,
so dass das zugseitige System A und das streckenseitige System A des Abschnittes A1
zusammen wirken und eine Zugsicherung in diesem Bereich durchgeführt werden kann.
Das zweite Fahrzeug F2 ist dabei ausgelegt, in den beiden Abschnitten A2 und A3 zu
fahren. Das Fahrzeug F2 ist dabei mit dem Zugsicherungssystem B fahrzeugseitig ausgerüstet,
so dass es mit dem streckenseitig installierten System B in Abschnitt A2 und A3 zum
Zwecke der Zugsicherung zusammenwirkt. Zurückkommend auf das obige Beispiel, bei dem
der Abschnitt A2 Deutschland und der Abschnitt A3 Österreich ist, ergibt sich die
Tatsache, dass das Fahrzeug F2 grenzüberschreitend verkehrt und so eine Interoperabilität
gewährleistet sein muss.
[0024] Ziel ist es nun, den gesamten Streckenkorridor 1 mit dem Zugsicherungssystem C auszustatten,
was zum Beispiel das europäische European Train Control System (ETCS) sein kann. Dazu
müssen sowohl streckenseitig als auch fahrzeugseitig entsprechende Umbaumaßnahmen
vorgenommen werden, so dass ein grenzüberschreitender Schienenverkehr möglich wird.
[0025] Die vollständige Migration auf das System C ist in Figur 1b gezeigt.
[0026] Nachfolgend wird die Ermittlung eines Migrationsszenarios mit der folgenden Erfindung
beschrieben. Um ein solches Migrationsszenario zu erstellen, werden die einzelnen
Abschnitte sowie die mit den Abschnitten verbundenen Fahrzeuge sequenziell, das heißt
nacheinander, migriert, bis das neue System C vollständig installiert ist. In einem
ersten Migrationsschritt wird Abschnitt A1 migriert, so dass neben das bereits vorhandene
System A zusätzlich das System C an der Strecke installiert wird. Das zu dem Abschnitt
A1 gehörende Fahrzeug F1 kann dabei weiterhin die Strecke befahren, obwohl es mit
dem System C noch nicht ausgerüstet ist, da System A weiterhin an der Strecke verbaut
und aktiv ist. Eine solche Migration des Abschnitts A1 ist jedoch unvollständig, da
der Rückbau des Systems A noch nicht erfolgt ist. Ein solcher Rückbau kann erst dann
erfolgen, wenn das Fahrzeug F1 mit dem System C fahrzeugseitig ausgerüstet wird. Ist
dies der Fall, so wird das System A im Abschnitt A1 überflüssig und kann aus dem entsprechenden
Abschnitt in einem zweiten Migrationsschritt entfernt werden, wobei es hier wichtig
ist zu beachten, dass es keine weiteren Fahrzeuge gibt, die im Abschnitt A1 auf das
System A angewiesen sind. Dies ist hier der Fall. Nach zwei Migrationsschritten wäre
somit der Abschnitt A1 vollständig auf das System C migriert, wie dies in Figur 1b
dargestellt ist.
[0027] In einem dritten Migrationsschritt wird nun der Abschnitt A2 auf das System C migriert,
wobei auch hier ein Rückbau des alten Systems noch nicht erfolgen kann, da das Fahrzeug
F2 nur mit dem System B ausgerüstet ist. Erst wenn das Fahrzeug F2 mit dem System
C ausgestattet ist, könnte zumindest ein streckenseitiger Rückbau des Systems B im
Abschnitt A2 erfolgen. Das auf dem Fahrzeug F2 installierte System B kann darüber
hinaus noch nicht von dem Schienenfahrzeug entfernt werden, da im Abschnitt A3 nur
das System B vorhanden ist. Insofern benötigt das Fahrzeug F2 das System B noch, um
den Abschnitt A3 befahren zu können. Wird in einem nächsten Migrationsschritt der
Abschnitt A3 migriert und das System C installiert, so kann auf dem Fahrzeug F2 nunmehr
das System B abgebaut und das neue System C ausschließlich installiert werden, da
in beiden Abschnitten, die von dem Fahrzeug F2 befahren werden, das entsprechende
System vorhanden ist.
[0028] An dieser Stelle könnte die Migration abgeschlossen sein, da in jedem der drei Abschnitte
nunmehr das System C installiert ist und die Fahrzeuge F1 und F2 fahrzeugseitig ebenfalls
dieses System C aufweisen. Jedoch wäre ein solches Migrationsszenario wenig sinnvoll,
da in den Abschnitten A2 und A3 weiterhin noch das System B parallel zu dem System
C installiert ist, obwohl es an sich nicht mehr benötigt wird. Ein solches Migrationsszenario
würde daher im Anschluss an die Ermittlung der Vielzahl von Migrationsszenarien aus
dem Pool von Migrationsszenarien gelöscht, da es als nicht sinnvoll angesehen wird.
[0029] Enthält das Migrationsszenario aus Figur 1a und Figur 1b jedoch auch in weiteren
Migrationsschritten den Rückbau des Systems B in Abschnitt A2 und A3, so ist die Migration
ebenfalls vollständig abgeschlossen, wobei dieses Migrationsszenario dann als sinnvoll
angesehen wird.
[0030] Als entsprechende Randbedingungen der Migration können zum Beispiel angesehen werden,
dass ausschließlich fahrzeugseitige oder streckenseitige Doppelausrüstungen vorgesehen
sein sollten. Durch eine entsprechende Priorisierung der Abschnitte kann darüber hinaus
auch erreicht werden, dass eine bestimmte Reihenfolge bei der Migration der Abschnitte
eingehalten werden soll.
[0031] Nach Abschluss einer Ermittlung eines solchen Migrationsszenarios werden mit unterschiedlichen
Reihenfolgen der Migration bzw. unterschiedlichen Strategien weitere Migrationsszenarien
erstellt. So ist es zum Beispiel denkbar, dass das erste Migrationsszenario ausschließlich
eine fahrzeugseitige Doppelausrüstung vorsieht, während das zweite Migrationsszenario
ausschließlich eine streckenseitige Doppelausrüstung vorsieht. In einem dritten Migrationsszenario
könnte dann sowohl eine streckenseitige als auch eine fahrzeugseitige Doppelausrüstung
vorgesehen sein, so dass sich letztlich drei unterschiedliche Migrationsszenarien
für jede gewählte Reihenfolge ergeben. Werden nun noch die Reihenfolgen der sequentiellen
Migration verändert, so ergibt sich eine Vielzahl von Migrationsszenarien, aus denen
zum Schluss die optimale Migration ermittelt werden kann. Dies kann zum Beispiel hinsichtlich
wirtschaftlicher oder technischer Aspekte geschehen.
[0032] Die Vielzahl von Migrationsszenarien können dabei vorteilhafterweise in einem Petri-Netz
dargestellt werden, wie dies auszugsweise in Figur 2 gezeigt ist. Der Anfangsknoten
N1 repräsentiert dabei den technischen Ausrüstungs-Anfangszustand des kompletten Streckenkorridors.
Ausgehend von dem Anfangsknoten N1 wird mittels einer Migration E1 eines Abschnittes
der technische Ausrüstungszustand des Streckenkorridors verändert, der dann durch
den Knoten N2 repräsentiert wird. Durch eine weitere Migration eines Abschnittes,
was in Figur 2 durch die Kante E2 dargestellt ist, wird der Endzustand N3 erreicht,
bei dem die Migration vollständig abgeschlossen ist. Ausgehend von N3 zum Wurzelknoten
N1 wäre dies ein vollständiges Migrationsszenario, was durch diese Art der Darstellung
repräsentiert wird.
[0033] Ein weiteres Migrationsszenario könnte sich dabei dadurch ergeben, dass im Knoten
N2, der einen bestimmten Ausrüstungszustand des Streckenkorridors repräsentiert, eine
Migration eines Abschnittes vorgenommen wird, die in Figur 2 mit E3 bezeichnet ist
und zu dem Ausrüstungszustand des Knotens N4 führt. Dies wäre dann ein zweites Migrationsszenario
M2, welches zumindest teilweise mit dem ersten Migrationsszenario M1 übereinstimmt.
[0034] So lassen sich letztendlich die verschiedenen Migrationsszenarien, die aus der schrittweisen
Migration der einzelnen Abschnitte entstanden sind, in einem solchen mathematisch
korrekten Modell abbilden. Ausgehend davon können nun solche Endzustände ermittelt
werden, bei denen zumindest ein Abschnitt noch mit einem alten System ausgerüstet
ist, obwohl dieses von keinem Fahrzeug benötigt wird. Wurde ein solcher Endknoten
gefunden, so handelt es sich hierbei um ein Migrationsszenario, welches für den vorliegenden
Fall wenig sinnvoll erscheint und aus der Vielzahl von Migrationsszenarien herausgelöscht
werden kann. In dem Petri-Netz in Figur 2 würde dies dadurch geschehen, dass der Endknoten
gelöscht würde und dann rekursiv jeder weitere Knoten gelöscht würde, der ausschließlich
zu diesem gelöschten Endknoten führt. Dadurch kann die Komplexität des Netzes deutlich
reduziert und somit auf die ausschließlich sinnvollen Migrationsszenarien beschränkt
werden.
[0035] Nachdem die Daten auf das relevante reduziert wurden, kann eine Kategorisierung der
Zustände des Petri-Netzes vorgenommen werden. Dabei kann die Unterteilung in folgende
Kategorien erfolgen:
"Keine Interoperabilität": Fahrzeuge, die nur das neue System besitzen, können sich
nicht auf den für sie vorgesehen Abschnitten bewegen.
"Interoperabilität": Fahrzeuge, die nur das neue System besitzen und für grenzüberschreitenden
Verkehr eingesetzt werden, können sich auf den für sie vorgesehenen Abschnitten bewegen,
wobei die Migration jedoch noch nicht abgeschlossen ist.
"Migration beendet, minimale Umrüstung": Nur Fahrzeuge, die auf das neue System angewiesen
sind, wurden umgerüstet; Interoperabilität ist hergestellt, die Migration ist abgeschlossen.
"Migration beendet, vollständige Umrüstung": Alle Fahrzeuge und alle Strecken sind
ausschließlich mit dem neuen System ausgerüstet, es ist kein altes System mehr vorhanden.
"Migration beendet": Die Migration ist beendet, es handelt es sich aber weder um eine
vollständige noch um eine minimale Umrüstung.
[0036] Die Unterteilung in Kategorien kann dabei für jeden Knoten erfolgen, so dass jeder
Knoten einer Kategorie angehört. Damit wird der Migrationsprozess nicht mehr als ein
undifferenzierter Vorgang angesehen, sondern es liegt eine Unterteilung in Phasen
vor. Das ganze Verfahren kann dabei vollständig automatisiert ablaufen, so dass von
Hand keinerlei Eingriffe notwendig werden.
1. Verfahren zur Ermittlung einer optimalen Migration von einem technischen Ausrüstungs-Anfangszustand
zu einem technischen Ausrüstungs-Endzustand eines von Fahrzeugen befahrenen Streckenkorridors,
wobei ein technischer Ausrüstungszustand die Menge aller technischen Ausrüstungssysteme
des Streckenkorridors darstellt, und der Ausrüstungs-Anfangszustand die an dem Streckenkorridor
vorhandenen technischen Ausrüstungssystem und der technische Ausrüstungs-Endzustand
zumindest die an dem Streckenkorridor zu installierenden Ausrüstungssysteme darstellt,
gekennzeichnet durch die Schritte:
- Unterteilen des zu migrierenden Streckenkorridors in mindestens zwei Abschnitte,
- Zuweisen mindestens eines Fahrzeuges zu einem oder mehreren zusammenhängenden Abschnitten
des Streckenkorridors,
- Ermitteln eines Migrationsszenarios durch sequentielle Migration der Abschnitte zu einem für den jeweiligen Abschnitt nächstmöglichen
technischen Ausrüstungszustand, bis die Migration vollständig abgeschlossen und der
technische Ausrüstungs-Endzustand des zu migrierenden Streckenkorridors erreicht ist,
wobei nach der Migration eines Abschnitts die technischen Ausrüstungssysteme des jeweiligen
Abschnitts mit den technischen Ausrüstungssystemen der den jeweiligen Abschnitt betreffenden
Fahrzeuge zusammenwirken,
- Wiederholen des vorhergehenden Schrittes mit unterschiedlichen Reihenfolgen der
sequentiellen Migration der Abschnitte und Ermitteln einer Vielzahl von unterschiedlichen
Migrationsszenarien, und
- Ermitteln einer optimalen Migration aus der Vielzahl von ermittelten Migrationsszenarien.
2. Verfahren nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch Migration eines Abschnittes zu einem für den jeweiligen Abschnitt nächstmöglichen
technischen Ausrüstungszustand derart, dass ein mögliches technisches Ausrüstungssystem
dem jeweiligen Abschnitt und/oder den Fahrzeugen, die dem jeweiligen Abschnitt zugewiesen
sind, hinzugefügt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, gekennzeichnet durch Migration eines Abschnittes zu einem für den jeweiligen Abschnitt nächstmöglichen
technischen Ausrüstungszustand derart, dass ein technisches Ausrüstungssystem dem
jeweiligen Abschnitt und/oder den Fahrzeugen, die dem jeweiligen Abschnitt zugewiesen
sind, entfernt wird.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass zu jedem Zeitpunkt der Migration eines Abschnittes der Streckenkorridor von den Fahrzeugen
befahrbar ist.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Streckenkorridor eine Gleisstrecke und die Fahrzeuge Schienenfahrzeuge sind und
ein technisches Ausrüstungssystem ein Teil einer Eisenbahnleit- und -sicherungstechnik
darstellt.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch Festlegen der Reihenfolge der sequentiellen Migration der Abschnitte mittels Zuweisen
von Prioritäten zu den einzelnen Abschnitten.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch Hinterlegen der Vielzahl von Migrationsszenarien als gerichteter Graph, wobei jeder
Knoten des Graphen einen technischen Ausrüstungszustand des Streckenkorridors und
jede Kante von einem Konten zu einem nächsten Knoten die Migration eines Abschnittes
darstellt.
8. Verfahren nach Anspruch 7, gekennzeichnet durch ein Petri-Netz als gerichteter Graph.
9. Verfahren nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Endknoten des Graphen als Endpunkt eines Migrationsszenarien einen technischen
Ausrüstungszustand des Streckenkorridors darstellt, bei dem jeder Abschnitt den technischen
Ausrüstungs-Endzustand aufweist.
10. Verfahren nach Anspruch 9, gekennzeichnet durch Ermitteln solcher Endknoten, bei denen mindestens ein Abschnitt des Streckenkorridors
neben den zu installierenden Ausrüstungssystemen noch weitere Ausrüstungssysteme aufweist,
die von keinem Fahrzeug benötigt werden, und Entfernen aller Migrationsszenarien,
die die ermittelten Endknoten aufweisen.
11. Verfahren nach Anspruch 10, gekennzeichnet durch Entfernen des Migrationpfades durch rekursives Entfernen der jeweiligen Knoten aus dem Graphen, beginnend mit dem Endknoten,
die ausschließlich zu dem zu löschenden Endknoten führen.
12. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch Migration eines Abschnittes in Abhängigkeit einer Randbedingung, insbesondere fahrzeugseitige
Doppelausrüstung, streckenseitige Doppelausrüstung oder fahrzeug- und streckenseitige
Doppelausrüstung.
13. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch Ermitteln der optimalen Migration aus der Vielzahl der Migrationsszenarien in Abhängigkeit
von ökonomischen Aspekten, insbesondere der Wirtschaftlichkeit der Migration, und/oder
zeitlichen Aspekten, insbesondere der Dauer der Migration.
14. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durch Unterteilen des Streckenkorridors in Abschnitte in Abhängigkeit von topologischen
Gegebenheiten, insbesondere in Abhängigkeit von Ländergrenzen.
15. Computerprogrammprodukt mit Programmcodemitteln zur Durchführung des Verfahrens nach
einem der vorhergehenden Ansprüche, wenn das Computerprogrammprodukt in einen Rechner
geladen und ausgeführt wird.