(19)
(11) EP 2 193 973 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
09.06.2010  Patentblatt  2010/23

(21) Anmeldenummer: 09173669.4

(22) Anmeldetag:  21.10.2009
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B61L 19/06(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA RS

(30) Priorität: 04.12.2008 EP 08021018

(71) Anmelder: Siemens Schweiz AG
8047 Zürich (CH)

(72) Erfinder:
  • Schön, Martin
    4632 Trimbach (CH)
  • Bachmann, Martin
    8455 Rüdlingen (CH)
  • Michels, Ulrich
    8303 Bassersdorf (CH)
  • Wiget, Daniel
    6415 Arth (CH)

(74) Vertreter: Fischer, Michael 
Siemens AG, Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Verfahren und Vorrichtung zur Prüfung von Zugbeeinflussungseinheiten mit Zustandsdaten von Streckensignalen bei Relaisstellwerken


(57) Erfindungsgemäss werden ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Prüfung von Zugbeeinflussungseinheiten mit Zustandsdaten von Streckensignalen bei Relaisstellwerken offenbart, umfassend:
a) einen Prüfsatz entsprechend der Prüfaufgabe einstellen (Grundstellung);
b) zugehörigen Relaissatz des betroffenen Streckensignals entfernen und den Prüfsatz einsetzen;
c) gemäss einem Prüfprotokoll einen erstmöglichen Fahrbegriff am Prüfsatz simulieren;
d) Prüfung der Übereinstimmung an der Zugbeeinflussungseinheit in der Aussenanlage bezüglich des den Fahrbegriff reflektierenden Telegramminhalts;
e) Prüfen der weiteren Fahrbegriffe der Signalfunktion des Standortes gemäss c) und d) bis alle sicherheitsrelevanten Fahrbegriffe geprüft worden sind;
f) Zurücktauschen des Prüfsatzes gegen den entsprechenden Relaissatz nach Beenden der Prüfung;
g) Prüfen, ob HALT-Rückmelder aktiv ist, das heisst, der zurückgetauschte Relaissatz in Grundstellung ist, und
h) Freigabe des Streckensignals für eine Wiederaufnahme dessen Nutzung im normalen Betriebsablauf.


Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum vollständigen Prüfung von Zugbeeinflussungseinheiten mit Zustandsdaten von Streckensignalen bei Relaisstellwerken.

[0002] Mit der Einführung einer neuen Zugbeeinflussungstechnologie, wie z.B. ETCS, ist es je nach zugehörigem Level des Verfahrens erforderlich, an den Lichtsignalen der Sicherungsanlage zur Anzeige der Fahrberechtigung für den voraus liegenden Abschnitt des im Streckennetzes den jeweils angezeigten Begriff abzugreifen und der Telegrammaufbereitung der neuen beizustellenden Zugbeeinflussungstechnologie zuzuführen.

[0003] Diese Fahrberechtigungssignale, es sind meist Rot / Orange / Grün - Signalsysteme mit 3 Aspekten, verfügen teilweise zusätzlich über eine Anzeige für von der Streckengeschwindigkeit nach unten abweichende einzuhaltende Geschwindigkeitslimiten für den nächsten Abschnitt.

[0004] Da heute die Netze der Bahnen sehr stark genutzt und bis an die Grenzen ausgelastet werden, ist die vollständige Prüfung der Sicherungsanlagen zu Abnahmezwecken im Streckennetz nach der Installation einer neuen Zugbeeinflussungstechnologie vor deren Nutzung ein schwieriges Unterfangen. Die auf den Sicherheitslevel der neu eingebrachten Funktion abgestimmte Prüfung muss nach Kriterien durchgeführt werden, welche den Richtlinien der Zulassungsbehörden entsprechen.

[0005] Das verlangt, dass alle Zustände an den für den Fahrzeugführer zu beachtenden funktionalen Elementen des Stellwerkes in der Aussenanlage einzustellen sind, in der Regel sind das Signale, deren korrekte und vollständige Übereinstimmung auf die neu installierte Zugbeeinflussungstechnologie zu prüfen und zu protokollieren ist.

[0006] Konkret heisst dies in der Regel, dass alle Signalbegriffe eines Signals einzustellen sind und die Richtigkeit der Ausgabe an der ETCS Balise mittels Telegrammempfang und Verifikation des gesendeten Inhalts zu prüfen ist.

[0007] Die Aufgabe der Prüfung ist bei Relaisstellwerken besonders schwierig, da diese als Zustandsautomaten ausgebildet sind und dadurch über keine Datenschnittstellen verfügen, über welche mittels Diagnoserechner einzelne funktionale Elemente ausserhalb des Fahrstrassen-Stellprozesses beeinflusst werden können.

[0008] Eine der generellen Schwierigkeiten besteht darin, dass mittels der Einstellung von Fahrstrassen teilweise nur mit grossem Aufwand oder gar nicht eine Einstellung von bestimmten Fahrbegriffen an einem spezifischen Signal möglich ist. Diese Situation besteht unter anderem bei der Rückfallebene der Signalisierung im Störungsfall, hier ist das Herbeiführen der jeweiligen Störungen erforderlich um die Auswirkungen anzustossen.

[0009] Weiter kommt hinzu, dass das gesamte zu prüfende Spektrum der Signaltypen die Hauptsignale, Vorsignale, Block- und Deckungssignale beinhaltet. Nachfolgend wird jedoch exemplarisch nur vom Signal gesprochen, bevorzugt ein Hauptsignal.

[0010] Um diese Fahrbegriffe prüfen zu können, müssen somit verschiedene Fahrwege eingestellt werden (zum Teil quer über die gesamte Gleisanlage eines Bahnhofs), was mit der heutigen Dichte des Zugverkehrs meist nicht mehr vertretbar durchführbar ist.

[0011] Die bisherige exemplarische Lösung wird anhand von Spurplan-Relaisstellwerken, wie der Typ DOMINO 67 der Anmelderin, welcher verbreitet in der Schweiz im Einsatz steht, beschrieben.

[0012] Die Betreiber von Relaisstellwerken lassen in der Regel Eingriffe für eine Funktionsbeeinflussung nicht zu, verbieten sie jedoch auch nicht generell. In der Folge werden nach einem bekannten Vorgehen zur Durchführung von Prüfungen im Relaisstellwerk in einer Systemeinheit, das heisst dem einem Signal zugehörigen Relaissatz, alle in die Funktion involvierten Sicherheitsrelais von Hand in die erforderliche Lage gebracht und mechanisch mittels eines Keils in der Anzugslage arretiert. Mit der zwangsweise eingenommenen Stellung der dem zu prüfenden Signals zugehörigen Sicherheitsrelais wird der gewünschte Signalbegriff erzwungen.

[0013] Verkeilungen sind mechanische Eingriffe an Sicherheitsrelais und dadurch kann unbeabsichtigt und unerkannt eine Beschädigung am Relais verursacht werden. Das kann gravierende sicherheitsrelevante Auswirkungen haben.

[0014] Ein zweites Vorgehen besteht im Stellen des höchsten Fahrbegriffs und in der Folge werden mittels Wegdrücken oder Abdrücken von angezogenen Relais alle tieferwertigen Fahrbegriffe gebildet.

[0015] Verkeilen und Abdücken sind Vorgehen ohne einheitliche technische Basis und bergen deshalb Gefahren. Solche Vorgehensweisen erfordern hohes Fachwissen sowie eine genaue Anleitung und eine strenge Protokollierung. Es besteht jedoch infolge der an sich unübersichtlichen Vorgehensweise die Schwierigkeit, die Regressionsfähigkeit der Tests zu gewährleisten.

[0016] Generell ist festzuhalten, durch die manuellen Eingriffe im Relaissatz können folgende Gefahren oder Behinderungen entstehen:
  • Manipulation am "falschen" Relais. Dieser Erstfehler kann mit einem zweiten unabhängigen Fehler zu einer Gefährdung führen (Mehrfehlerfall)
  • Mechanische Beschädigung durch das Verkeilen oder Abdrücken der Relais
  • Nach dem Beenden der Prüfung verkeiltes Relais nicht befreien
  • Bei Ausfahrsignal wird Block angeschaltet, was zu betriebshemmenden Zuständen kann und indirekt Risiken bewirken kann.


[0017] Es wird ein Verfahren und eine Vorrichtung vorgeschlagen, welches keine Eingriffe an den Sicherheitsrelais der Systemeinheiten, der Relaissätze erfordert.

[0018] Es sind zwei Funktionsbereiche im Spurplan-Relaisstellwerk von Bedeutung, welche auf eine neue Lösung für die Tests entscheidenden Einfluss haben.
  1. 1. Der Zentralverschluss mit seiner Relaissatzüberwachung, welcher das gesamte Stellwerk sicherheitstechnisch kontrolliert (sozusagen die Achillesferse der Sicherheit).
  2. 2. Die Spurplantechnik mit der Fähigkeit, dass die spezifischen Relais(steuer)sätze der Aussenanlageelemente diejenigen Eigenschaften besitzen, welche sie befähigen, bei der Fahrstrasseneinstellung die Gleisbelegung (Stellen und Auflösung) zu verwalten. Die Relais(steuer)sätze sind selbst Zustandsautomaten und somit deterministisch.


[0019] Es wird in der Grundsatzfunktion einheitlicher jedoch ein auf den Signaltyp optimierter Prüfsatz verwendet anstelle des Signal-Relaissatzes.
Dieser Prüfsatz verfügt über die Eigenschaften zum Ansteuern der Signale in der Aussenanlage.
Er verfügt jedoch nicht über Funktionen zum Einstellen einer Fahrstrasse, aber zum Einstellen des in Prüfung stehenden Hauptsignals (Ziel). Dadurch ist das Vordringen eines Zuges in den Bereich des jeweils zu prüfenden Signals aus signaltechnischer- wie auch aus der Forderung nach Prüfer-Personenschutz - nicht möglich. Gefahren durch einen herannahenden Zuges bestehen somit nicht mehr.

[0020] Die zu prüfenden Fahrbegriffe werden mittels des Prüfsatzes simuliert.Die Eingabe im Prüfsatz kann manuell erfolgen oder es ist ein Interface zu einem Prüfrechner möglich, über welchen die Prüfprozedur systematisiert werden kann.
Der Prüfsatz beschaltet jedoch die Ringleitung des Zentralverschlusses im Stellwerk, so dass die Funktion des Stellwerkes gesamthaft nicht beeinträchtigt ist.

[0021] Eine Fahrstrasse mit einem Ziel-Prüfling kann daher erst wieder eingestellt werden, wenn der Prüfsatz gegen den entsprechenden Relaissatz des Signals wieder zurück getauscht worden ist.

[0022] Das Vorgehen in Einzelschritten bei der Prüfung eines Signals mit deren zusätzlich installierten ETCS-Zugsicherungseinrichtungen ist vorzugsweise dargestellt.

[0023] Zugslagen in der Gleisanlage mit Fahrdienst feststellen und Prozedur Startzeitpunkt festlegen

1. (Relais)-Prüfsatz entsprechend der Aufgabe einstellen (Grundstellung)

2. Betreffenden Relaissatz des betreffenden Signals entfernen

3. Prüfsatz einsetzen

4. Gemäss Prüfprotokoll den erstmöglichen Fahrbegriff am Prüfsatz simulieren

5. Prüfung der Übereinstimmung in der Aussenanlage bezüglich Telegramminhalt

6. Die weiteren Fahrbegriffe der Signalfunktion des Standortes gemäss Punkt 3 und 4 prüfen

7. Nach Beenden der Prüfung den Prüfsatz gegen entsprechenden Relaissatz zurücktauschen

8. Prüfen, ob HALT-Rückmelder aktiv ist, das heisst, der Satz ist in Grundstellung

9. Signalfreigabe an Fahrdienstleiter für die Nutzung im Betriebsablauf



[0024] Der erfinderische Schritt liegt darin, dass ein neues Verfahren und eine Einrichtung festgelegt wird, welche die Nachteile der Verkeilmethode bezüglich Personensicherheit sowie Regression und insbesondere Fehleranfälligkeit durch manuelle handwerklich anspruchsvolle Handhabungen eliminiert.


Ansprüche

1. Verfahren zur Prüfung von Zugbeeinflussungseinheiten mit Zustandsdaten von Streckensignalen bei Relaisstellwerken, umfassend die Schritte:

a) einen Prüfsatz entsprechend der Prüfaufgabe einstellen (Grundstellung);

b) zugehörigen Relaissatz des betroffenen Streckensignals entfernen und den Prüfsatz einsetzen;

c) gemäss einem Prüfprotokoll einen erstmöglichen Fahrbegriff am Prüfsatz simulieren;

d) Prüfung der Übereinstimmung an der Zugbeeinflussungseinheit in der Aussenanlage bezüglich des den Fahrbegriff reflektierenden Telegramminhalts;

e) Prüfen der weiteren Fahrbegriffe der Signalfunktion des Standortes gemäss c) und d) bis alle sicherheitsrelevanten Fahrbegriffe geprüft worden sind;

f) Zurücktauschen des Prüfsatzes gegen den entsprechenden Relaissatz nach Beenden der Prüfung;

g) Prüfen, ob HALT-Rückmelder aktiv ist, das heisst, der zurückgetauschte Relaissatz in Grundstellung ist, und

h) Freigabe des Streckensignals für eine Wiederaufnahme dessen Nutzung im normalen Betriebsablauf.


 
2. Vorrichtung zur Prüfung von Zugbeeinflussungseinheiten mit Zustandsdaten von Streckensignalen bei Relaisstellwerken, umfassend:

a) einen Prüfsatz entsprechend einer Prüfaufgabe einstellen (Grundstellung);

b) zugehörigen Relaissatz des betroffenen Streckensignals entfernen und den Prüfsatz einsetzen;

c) gemäss einem Prüfprotokoll einen erstmöglichen Fahrbegriff am Prüfsatz simulieren;

d) Prüfung der Übereinstimmung an der Zugbeeinflussungseinheit in der Aussenanlage bezüglich des den Fahrbegriff reflektierenden Telegramminhalts;

e) Prüfen der weiteren Fahrbegriffe der Signalfunktion des Standortes gemäss c) und d) bis alle sicherheitsrelevanten Fahrbegriffe geprüft worden sind;

f) Zurücktauschen des Prüfsatzes gegen den entsprechenden Relaissatz nach Beenden der Prüfung;

g) Prüfen, ob HALT-Rückmelder aktiv ist, das heisst, der zurückgetauschte Relaissatz in Grundstellung ist, und

h) Freigabe des Streckensignals für eine Wiederaufnahme dessen Nutzung im normalen Betriebsablauf.