(19)
(11) EP 2 222 096 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
25.08.2010  Patentblatt  2010/34

(21) Anmeldenummer: 09180520.0

(22) Anmeldetag:  23.12.2009
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
H04R 25/00(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL BA RS

(30) Priorität: 09.01.2009 DE 102009004185

(71) Anmelder: Siemens Medical Instruments Pte. Ltd.
Singapore 139959 (SG)

(72) Erfinder:
  • Latzel, Matthias
    91330, Eggolsheim (DE)
  • Tiefenau, Andreas
    90443, Nürnberg (DE)

(74) Vertreter: Maier, Daniel Oliver 
Siemens Aktiengesellschaft Postfach 22 16 34
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Verfahren zur Signalverarbeitung einer Hörvorrichtung und entsprechende Hörvorrichtung


(57) Die Signalverarbeitung einer Hörvorrichtung und insbesondere eines Hörgeräts soll besser der Situation angepasst werden können. Hierzu wird ein Verfahren zum Verarbeiten eines Eingangssignals (e) gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus (11) zu einem ersten Zwischensignal (a11) und Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus (13) zu einem zweiten Zwischensignal (a13) parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus (11) vorgeschlagen. Das Eingangssignal wird mit einem Klassifikator (14) klassifiziert. Schließlich wird ein Ausgangssignal (a) mit einem konstanten Mischverhältnis sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal (am. a13) unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Klassifizierens gebildet. Damit können gleichzeitig die Vorteile mehrerer Algorithmen genutzt werden.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten eines Eingangssignals zu einem Ausgangsignal in einer Hörvorrichtung durch Verarbeiten des Eingangsignals gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal und Verarbeiten des Eingangssignals gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu einem zweiten Zwischensignal parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus. Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung eine entsprechende Hörvorrichtung mit einer ersten Verarbeitungseinrichtung und einer zweiten Verarbeitungseinrichtung. Unter dem Begriff "Hörvorrichtung" wird hier jedes am Kopf oder im bzw. am Ohr tragbare schallausgebende Gerät verstanden, insbesondere ein Hörgerät ein Headset, Kopfhörer und dergleichen.

[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen. Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch oder elektrisch.

[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler, einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z. B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler, z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer, realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert. Dieser prinzipielle Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit 3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.

[0004] Ein Hörgeräteträger verwendet im Allgemeinen seine Hörhilfe in unterschiedlichen akustischen Situationen, die unterschiedliche Anforderungen an die Signalverarbeitung im Hörgerät stellen. So führt z. B. beim Hören von Musik eine eher lineare Einstellung mit wenig Kompression und Regelung des Geräts zum Erfolg, während für das Verstehen von Sprache, insbesondere in störbehafteter Umgebung, eine eher nicht lineare Einstellung, also mit Kompression, möglichst mit schnellen Zeitkonstanten Vorteile liefert.

[0005] Aus der Druckschrift US 2007/0053535 A1 ist ein Verfahren zum Betreiben eines Hörgeräts bekannt. Ein Signal mindestens einer Signalquelle wird aufgezeichnet. Zumindest eines dieser aufgezeichneten Signale wird in eine von mehreren vordefinierten Schallklassen klassifiziert. Dabei werden Eigenschaften der Schallquelle berücksichtigt. Schließlich wird ein Hörprogramm entsprechend dem Klassifikationsresultat in dem Hörgerät ausgewählt.

[0006] Weiterhin offenbart die Druckschrift EP 1 829 028 A1 ein Verfahren zum adaptiven Anpassen eines Schallverarbeitungsparameters. Das Eingangssignal wird so verarbeitet, dass ein bestimmter dynamischer Bereich erzielt wird. Dabei wird ein gemessener Dynamikbereich an einen Solldynamikbereich angepasst, indem die Verstärkung entsprechend eingestellt wird.

[0007] Darüber hinaus zeigt die Druckschrift EP 1 307 072 A2 ein Hörgerät, bei dem durch Umschaltvorgänge hervorgerufene störende akustische Effekte vermieden werden sollen. Die Signalverarbeitung im Hörgerät führt dazu gleitend von einem ersten Betriebszustand in einen zweiten Betriebszustand über. Während des Umschaltvorgangs sind so beide Betriebszustände gleichzeitig im Hörgerät vorhanden. Der gleitende Übergang erfolgt durch eine parallele Signalverarbeitung in wenigstens zwei Signalpfaden des Hörgeräts, wobei ein Signal, das aus dem ersten Betriebszustand resultiert, und ein Signal, das aus dem zweiten Betriebszustand resultiert, in wechselnder Gewichtung addiert werden.

[0008] Ferner ist in der Druckschrift DE 10 2005 061 000 A1 eine Signalverarbeitung für Hörgeräte mit mehreren Kompressionsalgorithmen dargestellt. Zur situationsbedingten Verbesserung der Signalverarbeitung wird das Eingangssignal hinsichtlich der aktuellen Hörsituation klassifiziert. Abhängig von dem Klassifizierungsergebnis wird das Eingangssignal entsprechend einem ersten Kompressionsalgorithmus oder einem zweiten Kompressionsalgorithmus verstärkt. Dadurch können die jeweiligen Vorteile der verschiedenen Kompressionsalgorithmen in den einzelnen Hörsituationen ausgenutzt werden.

[0009] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, die Signalverarbeitung einer Hörvorrichtung besser einer Situation anpassen zu können.

[0010] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Verarbeiten eines Eingangssignals zu einem Ausgangssignal in einer Hörvorrichtung durch Verarbeiten des Eingangssignals gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal und Verarbeiten des Eingangssignals gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu einem zweiten Zwischensignal parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus, sowie Klassifizieren des Eingangssignals und Bilden des Ausgangssignals sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.

[0011] Darüber hinaus ist erfindungsgemäß vorgesehen eine Hörvorrichtung mit einer ersten Verarbeitungseinrichtung zum Verarbeiten eines Eingangssignals gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal, einer zweiten Verarbeitungseinrichtung zum Verarbeiten des Eingangssignals gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu einem zweiten Zwischensignal parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus, weiterhin umfassend eine Klassifikationseinrichtung zum Klassifizieren des Eingangssignals und eine dritte Verarbeitungseinrichtung zum Bilden eines Ausgangssignals sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.

[0012] In vorteilhafter Weise ist es somit möglich, unterschiedliche Signalverarbeitungsalgorithmen beliebig zu mischen, um einer speziellen Hörsituation besser gerecht werden zu können. Insbesondere lässt sich so ein Mischungsverhältnis der Ausgangssignale der Verarbeitungsalgorithmen durch das Klassifikationsergebnis steuern.

[0013] Vorzugsweise erfolgt bei dem ersten Verarbeitungsalgorithmus eine Regelung mit dem Pegel des Eingangssignals und bei dem zweiten Verarbeitungsalgorithmus eine Regelung mit dem Pegel des zweiten Zwischensignals. Bei der Nutzung des Pegels des Eingangssignals kann beispielsweise die Kompressionsrate, die Verstärkung oder eine Zeitkonstante geregelt werden. Bei der Nutzung des Pegels des zweiten Zwischensignals hingegen kann die frequenzabhängige Verstärkung geregelt werden.

[0014] Insbesondere kann der erste oder der zweite Verarbeitungsalgorithmus jeweils ein Kompressionsalgorithmus sein. Dabei kann es speziell von Vorteil sein, wenn der erste Verarbeitungsalgorithmus zumindest in einem vorgegebenen Zeitraum ein linearer Kompressionsalgorithmus (lange Zeitkonstante, z. B. 10 s) und der zweite Verarbeitungsalgorithmus ein nichtlinearer Kompressionsalgorithmus (wesentlich kürzere Zeitkonstante z. B. 10 ms) ist. Damit kann die Kompression sehr exakt an eine spezielle Situation angepasst werden.

[0015] Darüber hinaus kann der erste Verarbeitungsalgorithmus eine erste Zeitkonstante und der zweite Verarbeitungsalgorithmus eine der ersten Zeitkonstante im Typ entsprechende zweite Zeitkonstante aufweisen, wobei die erste Zeitkonstante von der zweiten Zeitkonstante verschieden ist. Dadurch können situationsbedingt verschiedene Zeitkonstanten in der Hörvorrichtung genutzt werden.

[0016] Weiterhin kann der erste Verarbeitungsalgorithmus auf einer breitbandigen und der zweite Verarbeitungsalgorithmus auf einer schmalbandigen Pegelmessung basieren. Somit können sowohl eine breitbandige Signalverarbeitung als auch eine schmalbandige Signalverarbeitung gleichzeitig in ein Ausgangssignal eingehen. Darüber hinaus kann der erste Verarbeitungsalgorithmus eingangsbezogen und der zweite ausgangsbezogen sein.

[0017] Die vorliegende Erfindung ist anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert, in denen zeigen:
FIG 1
eine Prinzipskizze zum Aufbau eines Hörgeräts gemäß dem Stand der Technik;
FIG 2
ein Eingangssignal einer ersten oder zweiten Verarbeitungseinrichtung;
FIG 3
ein Ausgangssignal einer ersten Verarbeitungseinrichtung;
FIG 4
ein Ausgangssignal einer zweiten Verarbeitungseinrichtung;
FIG 5
ein weiteres Eingangssignal einer anderen ersten oder zweiten Verarbeitungseinrichtung;
FIG 6
ein Ausgangssignal der anderen ersten Verarbeitungseinrichtung;
FIG 7
ein Ausgangssignal der anderen zweiten Verarbeitungseinrichtung;
FIG 8
eine Hörgeräteverstärkung mit Eingangspegelregelung;
FIG 9
eine Hörgeräteverstärkung mit Ausgangspegelregelung und
FIG 10
einen schematischen Aufbau einer Hörvorrichtung gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung.


[0018] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen der vorliegenden Erfindung dar. Dabei wird zunächst anhand der FIG 2 bis 9 detailliert an das erfindungsgemäße Prinzip herangeführt.

[0019] Bei einer mehrkanaligen Kompression kann beispielsweise durch das Vorhandensein von Signalanteilen unterschiedlicher Intensität in den Bändern der Kompression die Verstärkung der verschiedenen Signalanteile so unglücklich erfolgen, dass das Spektrum verschmiert und somit das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) verschlechtert wird. Dies lässt sich beispielsweise anhand der FIG 2 und 4 erkennen. FIG 2 zeigt in einem ersten Kanal k1 ein Nutzsignal n und in einem zweiten Kanal k2 ein Störsignal s. Auf der Ordinate ist die Intensität I aufgetragen. Das Nutzsignal n und das Störsignal s haben somit das eingezeichnete Signal-Rausch-Verhältnis SNR1. Bei nichtlinearer Verstärkung des Eingangssignals von FIG 2 kann nun das Ausgangssignal von FIG 4 entstehen. Das verstärkte Nutzsignal nv hat gegenüber dem verstärkten Störsignal sv nur noch das Signal-Rausch-Verhältnis SNR2. Dabei ist SNR2 kleiner SNR1 (zumindest ausgangsbezogen).

[0020] Erfolgt hingegen bei einer anderen Verarbeitungseinrichtung die Bestimmung der Intensität breitbandig, so führt dies gemäß FIG 3 zu den Signalen n'v und s'v. Durch diese lineare Verstärkung bleibt das SNR erhalten. D. h. es gilt SNR1 = SNR2 (ausgangsbezogen). Es ist somit zu erkennen, dass die unterschiedlichen Verarbeitungseinrichtungen (lineare bzw. nicht-lineare Verstärkung) bei einem gestörten Signal unterschiedliche Auswirkungen haben können.

[0021] Darüber hinaus existiert auch ein temporaler Effekt, der ebenfalls eine Verschlechterung des SNR zur Folge haben kann. Hierbei spielen eher die Zeitkonstanten eine Rolle. Beispielsweise kann gemäß FIG 5 nach einem Nutzsignal n (z. B. Sprachsignal) ein Störsignal s (z. B. Rauschen) mit einer geringeren Intensität auftreten. FIG 5 zeigt die jeweiligen Pegel L in Abhängigkeit der Zeit t. Das Signal-Rausch-Verhältnis beträgt SNR1. Wird nun entsprechend FIG 7 durch eine sehr schnelle Zeitkonstante zunächst der Nutzanteil zu einem verstärkten Nutzsignal nv verstärkt, danach aber das energisch niedrigere Rauschen mit einer höheren Verstärkung beaufschlagt, wodurch ein verstärktes Störsignal sv entsteht, so wird das Verhältnis SNR2 zwischen Nutz- und Störsignal verschlechtert. Dies bedeutet: SNR1 > SNR2. Dieser negative Effekt wird durch die Verwendung von schnellen Zeitkonstanten verstärkt.

[0022] Wird hingegen in einer anderen Verarbeitungseinrichtung gemäß FIG 6 eine langsamere Zeitkonstante verwendet, so dass sich nach der Verstärkung die Signale n'v und s'v ergeben, so kann das Signal-Rausch-Verhältnis SNR2 konstant gehalten werden, d. h. SNR1 = SNR2.

[0023] Es wäre also wünschenswert, wenn die Kompressionscharakteristik, die Zeitkonstanten, die verwendeten Pegelmesser (schmal- oder breitbandig, eingang- oder ausgangsbezogen) situationsbedingt automatisch durch das System ausgewählt werden würden, um somit dem Hörgeräteträger die beste Kompressionscharakteristik in der jeweiligen akustischen Situation automatisch zu gewährleisten.

[0024] Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, entweder die Kompression automatisch zu optimieren (ggf. zu Ungunsten des SNR) oder mit einer ausgangsseitigen Pegelsteuerung eine lineare Verstärkung gemäß einer AVC (Automatic Volume Control) zu regeln (das SNR bleibt in der Regel beibehalten). Die erste Alternative (automatische Optimierung der Kompressionsparameter) kann gemäß FIG 8 umgesetzt werden. Ein Mikrofon 10 liefert ein Eingangssignal, das von einem Verstärker 11 verstärkt wird. Der Pegel des Eingangssignals (Situation) wird zur Steuerung bzw. Regelung des Verstärkers 11 genutzt. Das Ausgangssignal des Verstärkers 11 wird an einen Hörer 12 weitergeleitet. Neben einer Verstärkung kann aber auch die Kompressionsrate oder eine Zeitkonstante mit Hilfe des Eingangssignals geregelt werden. Auf diese Weise könnte beispielsweise ein Hörprogramm situationsabhängig so umgestellt werden, dass die Kompressionsparameter (Verstärkung, Kompression) der jeweiligen Situation angepasst werden. Dabei würde in einer Vorstufe der Erfindung nur ein Umschalten zwischen unterschiedlichen Kompressionseinstellungen erfolgen, die zuvor während einer Feinanpassung zusammen mit dem Hörgeräteträger erstellt worden sind. Dieses System verändert jedoch nicht den Pegelmesser, der für die Einstellung der Verstärkung herangezogen wird, also nicht zwischen ein- und ausgangsbezogener Kompression hin- und hergeschaltet.

[0025] Andere Systeme mit eingangsseitiger Steuerung könnten eine situationsbedingte Auswahl der Zeitkonstanten ermöglichen.

[0026] Dabei ließen sich - insbesondere in Abhängigkeit vom (schmalbandigen) Pegel - die Zeitkonstanten im jeweiligen Kanal adaptiv bestimmen. Dies wirkt einer Verschlechterung des SNR in der Zeitdomäne entgegen, die spektrale Verschmierung bleibt jedoch ein Problem.

[0027] Beim Herangehen an das gesamte Problem kann auch die in FIG 9 dargestellte Alternative betrachtet werden. Dort wird ebenfalls das vom Mikrofon 10 gelieferte Eingangssignal einem Verstärker 11 zugeführt, dessen Ausgangssignal an den Hörer 12 geleitet wird. Allerdings erfolgt hier eine Rückkopplung des Ausgangssignals des Verstärkers 11 und somit insbesondere eine ausgangsseitige, langsame Pegelsteuerung. Das System wirkt dabei ähnlich einer AVC mit dem Unterschied, dass die resultierende frequenzspezifische Verstärkung aus einer aufwendigen Pegelstatistik in mehreren Bändern (z. B. 128) bestimmt wird. Dabei können nicht nur rein physikalische, sondern auch psychoakustische Faktoren berücksichtigt werden (vgl. die eingangs erwähnte EP 1 829 028 A1). Da das System zusätzlich sehr langsam regelt und somit im Rahmen der Zeitkonstanten(mehrere Sekunden) linear arbeitet, ermöglicht es einen angenehmen Klang und eine angenehme Lautheitswahrnehmung in unterschiedlichsten akustischen Umgebungen. Der Nachteil dieses Systems liegt darin, dass insbesondere in den Fällen, in denen der Hörgeschädigte nur noch für eine sehr enge Restdynamik (frequenzabhängige Differenz zwischen Unbehaglichkeitsschwelle UCL und Hörschwelle HS) verfügt (z. B. < 30 dB), das prozessierte Signal nicht komplett auf den Dynamikbereich abgebildet werden kann. Das hat zur Folge, dass das Sprachverstehen, insbesondere in akustischen Situationen mit Nebengeräuschen nur unzureichend verbessert werden kann.

[0028] Wie die oben aufgeführten Beispiele zeigen, hängt der Nutzen des jeweiligen Systems von der akustischen Situation ab. Es wird daher erfindungsgemäß das in FIG 10 skizzierte System bereitgestellt. Das Eingangssignal, d. h. das vom Mikrofon 10 erzeugte Signal e, wird in einem ersten Zweig einer ersten Verarbeitungseinrichtung 11, die mit dem Eingangssignal gesteuert wird, zugeführt. Es wird ein entsprechendes Ausgangssignal a11 zur Verfügung gestellt. In einem zweiten Zweig wird das Eingangssignal e vom Mikrofon 10 einer zweiten Verarbeitungseinrichtung 13 zugeführt, die hier über eine Ausgangspegelregelung verfügt. Dort wird ein Ausgangssignal a13 erzeugt. Das Eingangssignal e des Mikrofons 10 wird schließlich in einem dritten Zweig einem Klassifikator 14 zugeleitet. Das Klassifikationsergebnis 14 wird in einer Gewichtungseinheit 15 dazu verwendet, um für die Ausgangssignale a11 und a13 entsprechende Gewichte g11 und g13 zu erzeugen. In der Gewichtungseinheit 15 werden die beiden Ausgangssignale a11 und a13 mit den jeweiligen Gewichten g11 und g13 verknüpft, so dass sich am Ausgang der Gewichtungseinheit 15 ein gemischtes Ausgangssignal a ergibt, welches dem Hörer 12 zugeführt wird. In dem ersten Zweig lassen sich beispielsweise situationsabhängig die Kompressionsrate, die Verstärkung oder eine Zeitkonstante regeln. Demgegenüber kann in dem zweiten Zweig beispielsweise die frequenzabhängige Verstärkung geregelt werden. Es kann damit eine kontinuierliche Mischung von zwei parallel bereitgestellten Ausgangssignalen a11, a13 im laufenden Betrieb erreicht werden, wobei das Mischungsverhältnis von dem Klassifikationsergebnis abhängt.

[0029] Ist der der ersten Verarbeitungseinrichtung 11 zugrundeliegende Algorithmus eine AGCi (Automatic Gain Control input dependent) und der der zweiten Verarbeitungseinrichtung 13 zugrundeliegende Algorithmus eine AGCo (Automatic Gain Control output dependent) so kann sich in einer speziellen Situation die Verstärkung beispielsweise zu 70 % aus dem Wert der AGCo und zu 30 % aus dem Wert der AGCi berechnen lassen. Damit lässt sich beispielsweise eine harte Umschaltung zwischen einem der beiden Systeme vermeiden und eine kontinuierliche Mischung erreichen. In ähnlicher Weise können so auch Mischsignale aus quasi-linearen und nicht-linearen Kompressionssystemen, Verarbeitungseinrichtungen mit unterschiedlichen Zeitkonstanten und/oder Verarbeitungseinrichtungen mit Auswertung entweder eines breitbandigen oder mehrerer schmalbandiger Pegelmesser realisiert werden. Das Mischverhältnis wird jeweils durch das Klassifikationssystem bzw. den Klassifikator 14 bestimmt.

[0030] Durch die Kombination unterschiedlicher Systeme (erste Verarbeitungseinrichtung 11 und zweite Verarbeitungseinrichtung 13) kann einerseits das für das Sprachverstehen wichtige SNR in Situationen, in denen das Sprachverstehen eine Rolle spielt, optimiert werden. In Situationen hingegen, in denen ein angenehmes Lautheitsempfinden die entscheidende Rolle spielt, um z. B. in einer störbehafteten Umgebung die Höranstrengung zu optimieren, kann das System auf ein eher lineares System umschalten, das gleichzeitig die Grundverstärkung so einstellt, dass der Ausgang des Hörgeräts vom individuellen Hörgeräteträger als angenehm empfunden wird. Befindet sich der Hörgeräteträger in einer Situation, in der das Nutzsignal und Störgeräusch in unterschiedlichen Kanälen liegen, so kann das System automatisch auf die Auswertung des breitbandigen Pegelmessers ganz oder teilweise umstellen, damit keine unterschiedliche Verstärkung in den verschiedenen Kanälen wirkt und somit das SNR konstant gehalten werden kann.


Ansprüche

1. Verfahren zum Verarbeiten eines Eingangssignals zu einem Ausgangssignal in einer Hörvorrichtung durch

- Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal (a11) und

- Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu einem zweiten Zwischensignal (a13) parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus,
gekennzeichnet durch

- Klassifizieren des Eingangssignals (e) und

- Bilden des Ausgangssignals (a) sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal (a11, a13) mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei bei dem ersten Verarbeitungsalgorithmus eine Regelung mit dem Pegel des Eingangssignals (e) und bei dem zweiten Verarbeitungsalgorithmus eine Regelung mit dem Pegel des zweiten Zwischensignals (a13) erfolgt.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei der erste und der zweite Verarbeitungsalgorithmus jeweils ein Kompressionsalgorithmus ist.
 
4. Verfahren nach Anspruch 3, wobei der erste Verarbeitungsalgorithmus zumindest in einem vorgegebenen Zeitraum ein linearer Kompressionsalgorithmus und der zweite Verarbeitungsalgorithmus ein nicht linearer Kompressionsalgorithmus ist.
 
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der erste Verarbeitungsalgorithmus eine erste Zeitkonstante und der zweite Verarbeitungsalgorithmus eine der ersten Zeitkonstante im Typ entsprechende zweite Zeitkonstante aufweist, und wobei die erste Zeitkonstante von der zweiten Zeitkonstanten verschieden ist.
 
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der erste Verarbeitungsalgorithmus auf einer breitbandigen und der zweite Verarbeitungsalgorithmus auf einer schmalbandigen Pegelmessung basiert.
 
7. Hörvorrichtung mit

- einer ersten Verarbeitungseinrichtung (11) zum Verarbeiten eines Eingangssignals (e) gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal (a11),

- einer zweiten Verarbeitungseinrichtung (13) zum Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu einem zweiten Zwischensignal (a13) parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus,
gekennzeichnet durch

- eine Klassifikationseinrichtung (14) zum Klassifizieren des Eingangssignals (e) und

- eine dritte Verarbeitungseinrichtung (15) zum Bilden eines Ausgangssignals (a) sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal (a11, a13) mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.


 
8. Hörvorrichtung nach Anspruch 7, wobei bei der ersten Verarbeitungseinrichtung (11) der Pegel des Eingangssignals (e) und bei der zweiten Verarbeitungseinrichtung (13) der Pegel des zweiten Zwischensignals (a13) zur Regelung verwendet ist.
 
9. Hörvorrichtung nach Anspruch 7 oder 8, wobei der erste und der zweite Verarbeitungsalgorithmus jeweils ein Kompressionsalgorithmus ist.
 
10. Hörvorrichtung nach einem der Ansprüche 7 bis 9, wobei die erste Verarbeitungseinrichtung (11) einen Pegelmesser zur breitbandigen Pegelmessung und die zweite Verarbeitungseinrichtung (13) einen Pegelmesser zur schmalbandigen Pegelmessung aufweist.
 




Zeichnung




















Angeführte Verweise

IN DER BESCHREIBUNG AUFGEFÜHRTE DOKUMENTE



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In der Beschreibung aufgeführte Patentdokumente