[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten eines Eingangssignals
zu einem Ausgangsignal in einer Hörvorrichtung durch Verarbeiten des Eingangsignals
gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal und Verarbeiten
des Eingangssignals gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu einem zweiten
Zwischensignal parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus.
Darüber hinaus betrifft die vorliegende Erfindung eine entsprechende Hörvorrichtung
mit einer ersten Verarbeitungseinrichtung und einer zweiten Verarbeitungseinrichtung.
Unter dem Begriff "Hörvorrichtung" wird hier jedes am Kopf oder im bzw. am Ohr tragbare
schallausgebende Gerät verstanden, insbesondere ein Hörgerät ein Headset, Kopfhörer
und dergleichen.
[0002] Hörgeräte sind tragbare Hörvorrichtungen, die zur Versorgung von Schwerhörenden dienen.
Um den zahlreichen individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen, werden unterschiedliche
Bauformen von Hörgeräten wie Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte (HdO), Hörgerät mit externem
Hörer (RIC: receiver in the canal) und In-dem-Ohr-Hörgeräte (IdO), z.B. auch Concha-Hörgeräte
oder Kanal-Hörgeräte (ITE, CIC), bereitgestellt. Die beispielhaft aufgeführten Hörgeräte
werden am Außenohr oder im Gehörgang getragen. Darüber hinaus stehen auf dem Markt
aber auch Knochenleitungshörhilfen, implantierbare oder vibrotaktile Hörhilfen zur
Verfügung. Dabei erfolgt die Stimulation des geschädigten Gehörs entweder mechanisch
oder elektrisch.
[0003] Hörgeräte besitzen prinzipiell als wesentliche Komponenten einen Eingangswandler,
einen Verstärker und einen Ausgangswandler. Der Eingangswandler ist in der Regel ein
Schallempfänger, z. B. ein Mikrofon, und/oder ein elektromagnetischer Empfänger, z.
B. eine Induktionsspule. Der Ausgangswandler ist meist als elektroakustischer Wandler,
z. B. Miniaturlautsprecher, oder als elektromechanischer Wandler, z. B. Knochenleitungshörer,
realisiert. Der Verstärker ist üblicherweise in eine Signalverarbeitungseinheit integriert.
Dieser prinzipielle Aufbau ist in FIG 1 am Beispiel eines Hinter-dem-Ohr-Hörgeräts
dargestellt. In ein Hörgerätegehäuse 1 zum Tragen hinter dem Ohr sind ein oder mehrere
Mikrofone 2 zur Aufnahme des Schalls aus der Umgebung eingebaut. Eine Signalverarbeitungseinheit
3, die ebenfalls in das Hörgerätegehäuse 1 integriert ist, verarbeitet die Mikrofonsignale
und verstärkt sie. Das Ausgangssignal der Signalverarbeitungseinheit 3 wird an einen
Lautsprecher bzw. Hörer 4 übertragen, der ein akustisches Signal ausgibt. Der Schall
wird gegebenenfalls über einen Schallschlauch, der mit einer Otoplastik im Gehörgang
fixiert ist, zum Trommelfell des Geräteträgers übertragen. Die Energieversorgung des
Hörgeräts und insbesondere die der Signalverarbeitungseinheit 3 erfolgt durch eine
ebenfalls ins Hörgerätegehäuse 1 integrierte Batterie 5.
[0004] Ein Hörgeräteträger verwendet im Allgemeinen seine Hörhilfe in unterschiedlichen
akustischen Situationen, die unterschiedliche Anforderungen an die Signalverarbeitung
im Hörgerät stellen. So führt z. B. beim Hören von Musik eine eher lineare Einstellung
mit wenig Kompression und Regelung des Geräts zum Erfolg, während für das Verstehen
von Sprache, insbesondere in störbehafteter Umgebung, eine eher nicht lineare Einstellung,
also mit Kompression, möglichst mit schnellen Zeitkonstanten Vorteile liefert.
[0005] Aus der Druckschrift
US 2007/0053535 A1 ist ein Verfahren zum Betreiben eines Hörgeräts bekannt. Ein Signal mindestens einer
Signalquelle wird aufgezeichnet. Zumindest eines dieser aufgezeichneten Signale wird
in eine von mehreren vordefinierten Schallklassen klassifiziert. Dabei werden Eigenschaften
der Schallquelle berücksichtigt. Schließlich wird ein Hörprogramm entsprechend dem
Klassifikationsresultat in dem Hörgerät ausgewählt.
[0006] Weiterhin offenbart die Druckschrift
EP 1 829 028 A1 ein Verfahren zum adaptiven Anpassen eines Schallverarbeitungsparameters. Das Eingangssignal
wird so verarbeitet, dass ein bestimmter dynamischer Bereich erzielt wird. Dabei wird
ein gemessener Dynamikbereich an einen Solldynamikbereich angepasst, indem die Verstärkung
entsprechend eingestellt wird.
[0007] Darüber hinaus zeigt die Druckschrift
EP 1 307 072 A2 ein Hörgerät, bei dem durch Umschaltvorgänge hervorgerufene störende akustische Effekte
vermieden werden sollen. Die Signalverarbeitung im Hörgerät führt dazu gleitend von
einem ersten Betriebszustand in einen zweiten Betriebszustand über. Während des Umschaltvorgangs
sind so beide Betriebszustände gleichzeitig im Hörgerät vorhanden. Der gleitende Übergang
erfolgt durch eine parallele Signalverarbeitung in wenigstens zwei Signalpfaden des
Hörgeräts, wobei ein Signal, das aus dem ersten Betriebszustand resultiert, und ein
Signal, das aus dem zweiten Betriebszustand resultiert, in wechselnder Gewichtung
addiert werden.
[0008] Ferner ist in der Druckschrift
DE 10 2005 061 000 A1 eine Signalverarbeitung für Hörgeräte mit mehreren Kompressionsalgorithmen dargestellt.
Zur situationsbedingten Verbesserung der Signalverarbeitung wird das Eingangssignal
hinsichtlich der aktuellen Hörsituation klassifiziert. Abhängig von dem Klassifizierungsergebnis
wird das Eingangssignal entsprechend einem ersten Kompressionsalgorithmus oder einem
zweiten Kompressionsalgorithmus verstärkt. Dadurch können die jeweiligen Vorteile
der verschiedenen Kompressionsalgorithmen in den einzelnen Hörsituationen ausgenutzt
werden.
[0009] Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung besteht darin, die Signalverarbeitung einer
Hörvorrichtung besser einer Situation anpassen zu können.
[0010] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Verfahren zum Verarbeiten eines
Eingangssignals zu einem Ausgangssignal in einer Hörvorrichtung durch Verarbeiten
des Eingangssignals gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal
und Verarbeiten des Eingangssignals gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu
einem zweiten Zwischensignal parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals gemäß
dem ersten Verarbeitungsalgorithmus, sowie Klassifizieren des Eingangssignals und
Bilden des Ausgangssignals sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal
mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.
[0011] Darüber hinaus ist erfindungsgemäß vorgesehen eine Hörvorrichtung mit einer ersten
Verarbeitungseinrichtung zum Verarbeiten eines Eingangssignals gemäß einem ersten
Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal, einer zweiten Verarbeitungseinrichtung
zum Verarbeiten des Eingangssignals gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu
einem zweiten Zwischensignal parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals gemäß
dem ersten Verarbeitungsalgorithmus, weiterhin umfassend eine Klassifikationseinrichtung
zum Klassifizieren des Eingangssignals und eine dritte Verarbeitungseinrichtung zum
Bilden eines Ausgangssignals sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal
mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.
[0012] In vorteilhafter Weise ist es somit möglich, unterschiedliche Signalverarbeitungsalgorithmen
beliebig zu mischen, um einer speziellen Hörsituation besser gerecht werden zu können.
Insbesondere lässt sich so ein Mischungsverhältnis der Ausgangssignale der Verarbeitungsalgorithmen
durch das Klassifikationsergebnis steuern.
[0013] Vorzugsweise erfolgt bei dem ersten Verarbeitungsalgorithmus eine Regelung mit dem
Pegel des Eingangssignals und bei dem zweiten Verarbeitungsalgorithmus eine Regelung
mit dem Pegel des zweiten Zwischensignals. Bei der Nutzung des Pegels des Eingangssignals
kann beispielsweise die Kompressionsrate, die Verstärkung oder eine Zeitkonstante
geregelt werden. Bei der Nutzung des Pegels des zweiten Zwischensignals hingegen kann
die frequenzabhängige Verstärkung geregelt werden.
[0014] Insbesondere kann der erste oder der zweite Verarbeitungsalgorithmus jeweils ein
Kompressionsalgorithmus sein. Dabei kann es speziell von Vorteil sein, wenn der erste
Verarbeitungsalgorithmus zumindest in einem vorgegebenen Zeitraum ein linearer Kompressionsalgorithmus
(lange Zeitkonstante, z. B. 10 s) und der zweite Verarbeitungsalgorithmus ein nichtlinearer
Kompressionsalgorithmus (wesentlich kürzere Zeitkonstante z. B. 10 ms) ist. Damit
kann die Kompression sehr exakt an eine spezielle Situation angepasst werden.
[0015] Darüber hinaus kann der erste Verarbeitungsalgorithmus eine erste Zeitkonstante und
der zweite Verarbeitungsalgorithmus eine der ersten Zeitkonstante im Typ entsprechende
zweite Zeitkonstante aufweisen, wobei die erste Zeitkonstante von der zweiten Zeitkonstante
verschieden ist. Dadurch können situationsbedingt verschiedene Zeitkonstanten in der
Hörvorrichtung genutzt werden.
[0016] Weiterhin kann der erste Verarbeitungsalgorithmus auf einer breitbandigen und der
zweite Verarbeitungsalgorithmus auf einer schmalbandigen Pegelmessung basieren. Somit
können sowohl eine breitbandige Signalverarbeitung als auch eine schmalbandige Signalverarbeitung
gleichzeitig in ein Ausgangssignal eingehen. Darüber hinaus kann der erste Verarbeitungsalgorithmus
eingangsbezogen und der zweite ausgangsbezogen sein.
[0017] Die vorliegende Erfindung ist anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert,
in denen zeigen:
- FIG 1
- eine Prinzipskizze zum Aufbau eines Hörgeräts gemäß dem Stand der Technik;
- FIG 2
- ein Eingangssignal einer ersten oder zweiten Verarbeitungseinrichtung;
- FIG 3
- ein Ausgangssignal einer ersten Verarbeitungseinrichtung;
- FIG 4
- ein Ausgangssignal einer zweiten Verarbeitungseinrichtung;
- FIG 5
- ein weiteres Eingangssignal einer anderen ersten oder zweiten Verarbeitungseinrichtung;
- FIG 6
- ein Ausgangssignal der anderen ersten Verarbeitungseinrichtung;
- FIG 7
- ein Ausgangssignal der anderen zweiten Verarbeitungseinrichtung;
- FIG 8
- eine Hörgeräteverstärkung mit Eingangspegelregelung;
- FIG 9
- eine Hörgeräteverstärkung mit Ausgangspegelregelung und
- FIG 10
- einen schematischen Aufbau einer Hörvorrichtung gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden
Erfindung.
[0018] Die nachfolgend näher geschilderten Ausführungsbeispiele stellen bevorzugte Ausführungsformen
der vorliegenden Erfindung dar. Dabei wird zunächst anhand der FIG 2 bis 9 detailliert
an das erfindungsgemäße Prinzip herangeführt.
[0019] Bei einer mehrkanaligen Kompression kann beispielsweise durch das Vorhandensein von
Signalanteilen unterschiedlicher Intensität in den Bändern der Kompression die Verstärkung
der verschiedenen Signalanteile so unglücklich erfolgen, dass das Spektrum verschmiert
und somit das Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) verschlechtert wird. Dies lässt sich
beispielsweise anhand der FIG 2 und 4 erkennen. FIG 2 zeigt in einem ersten Kanal
k1 ein Nutzsignal n und in einem zweiten Kanal k2 ein Störsignal s. Auf der Ordinate
ist die Intensität I aufgetragen. Das Nutzsignal n und das Störsignal s haben somit
das eingezeichnete Signal-Rausch-Verhältnis SNR1. Bei nichtlinearer Verstärkung des
Eingangssignals von FIG 2 kann nun das Ausgangssignal von FIG 4 entstehen. Das verstärkte
Nutzsignal n
v hat gegenüber dem verstärkten Störsignal s
v nur noch das Signal-Rausch-Verhältnis SNR2. Dabei ist SNR2 kleiner SNR1 (zumindest
ausgangsbezogen).
[0020] Erfolgt hingegen bei einer anderen Verarbeitungseinrichtung die Bestimmung der Intensität
breitbandig, so führt dies gemäß FIG 3 zu den Signalen n'
v und s'
v. Durch diese lineare Verstärkung bleibt das SNR erhalten. D. h. es gilt SNR1 = SNR2
(ausgangsbezogen). Es ist somit zu erkennen, dass die unterschiedlichen Verarbeitungseinrichtungen
(lineare bzw. nicht-lineare Verstärkung) bei einem gestörten Signal unterschiedliche
Auswirkungen haben können.
[0021] Darüber hinaus existiert auch ein temporaler Effekt, der ebenfalls eine Verschlechterung
des SNR zur Folge haben kann. Hierbei spielen eher die Zeitkonstanten eine Rolle.
Beispielsweise kann gemäß FIG 5 nach einem Nutzsignal n (z. B. Sprachsignal) ein Störsignal
s (z. B. Rauschen) mit einer geringeren Intensität auftreten. FIG 5 zeigt die jeweiligen
Pegel L in Abhängigkeit der Zeit t. Das Signal-Rausch-Verhältnis beträgt SNR1. Wird
nun entsprechend FIG 7 durch eine sehr schnelle Zeitkonstante zunächst der Nutzanteil
zu einem verstärkten Nutzsignal n
v verstärkt, danach aber das energisch niedrigere Rauschen mit einer höheren Verstärkung
beaufschlagt, wodurch ein verstärktes Störsignal s
v entsteht, so wird das Verhältnis SNR2 zwischen Nutz- und Störsignal verschlechtert.
Dies bedeutet: SNR1 > SNR2. Dieser negative Effekt wird durch die Verwendung von schnellen
Zeitkonstanten verstärkt.
[0022] Wird hingegen in einer anderen Verarbeitungseinrichtung gemäß FIG 6 eine langsamere
Zeitkonstante verwendet, so dass sich nach der Verstärkung die Signale n'
v und s'
v ergeben, so kann das Signal-Rausch-Verhältnis SNR2 konstant gehalten werden, d. h.
SNR1 = SNR2.
[0023] Es wäre also wünschenswert, wenn die Kompressionscharakteristik, die Zeitkonstanten,
die verwendeten Pegelmesser (schmal- oder breitbandig, eingang- oder ausgangsbezogen)
situationsbedingt automatisch durch das System ausgewählt werden würden, um somit
dem Hörgeräteträger die beste Kompressionscharakteristik in der jeweiligen akustischen
Situation automatisch zu gewährleisten.
[0024] Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, entweder die Kompression automatisch zu optimieren
(ggf. zu Ungunsten des SNR) oder mit einer ausgangsseitigen Pegelsteuerung eine lineare
Verstärkung gemäß einer AVC (Automatic Volume Control) zu regeln (das SNR bleibt in
der Regel beibehalten). Die erste Alternative (automatische Optimierung der Kompressionsparameter)
kann gemäß FIG 8 umgesetzt werden. Ein Mikrofon 10 liefert ein Eingangssignal, das
von einem Verstärker 11 verstärkt wird. Der Pegel des Eingangssignals (Situation)
wird zur Steuerung bzw. Regelung des Verstärkers 11 genutzt. Das Ausgangssignal des
Verstärkers 11 wird an einen Hörer 12 weitergeleitet. Neben einer Verstärkung kann
aber auch die Kompressionsrate oder eine Zeitkonstante mit Hilfe des Eingangssignals
geregelt werden. Auf diese Weise könnte beispielsweise ein Hörprogramm situationsabhängig
so umgestellt werden, dass die Kompressionsparameter (Verstärkung, Kompression) der
jeweiligen Situation angepasst werden. Dabei würde in einer Vorstufe der Erfindung
nur ein Umschalten zwischen unterschiedlichen Kompressionseinstellungen erfolgen,
die zuvor während einer Feinanpassung zusammen mit dem Hörgeräteträger erstellt worden
sind. Dieses System verändert jedoch nicht den Pegelmesser, der für die Einstellung
der Verstärkung herangezogen wird, also nicht zwischen ein- und ausgangsbezogener
Kompression hin- und hergeschaltet.
[0025] Andere Systeme mit eingangsseitiger Steuerung könnten eine situationsbedingte Auswahl
der Zeitkonstanten ermöglichen.
[0026] Dabei ließen sich - insbesondere in Abhängigkeit vom (schmalbandigen) Pegel - die
Zeitkonstanten im jeweiligen Kanal adaptiv bestimmen. Dies wirkt einer Verschlechterung
des SNR in der Zeitdomäne entgegen, die spektrale Verschmierung bleibt jedoch ein
Problem.
[0027] Beim Herangehen an das gesamte Problem kann auch die in FIG 9 dargestellte Alternative
betrachtet werden. Dort wird ebenfalls das vom Mikrofon 10 gelieferte Eingangssignal
einem Verstärker 11 zugeführt, dessen Ausgangssignal an den Hörer 12 geleitet wird.
Allerdings erfolgt hier eine Rückkopplung des Ausgangssignals des Verstärkers 11 und
somit insbesondere eine ausgangsseitige, langsame Pegelsteuerung. Das System wirkt
dabei ähnlich einer AVC mit dem Unterschied, dass die resultierende frequenzspezifische
Verstärkung aus einer aufwendigen Pegelstatistik in mehreren Bändern (z. B. 128) bestimmt
wird. Dabei können nicht nur rein physikalische, sondern auch psychoakustische Faktoren
berücksichtigt werden (vgl. die eingangs erwähnte
EP 1 829 028 A1). Da das System zusätzlich sehr langsam regelt und somit im Rahmen der Zeitkonstanten(mehrere
Sekunden) linear arbeitet, ermöglicht es einen angenehmen Klang und eine angenehme
Lautheitswahrnehmung in unterschiedlichsten akustischen Umgebungen. Der Nachteil dieses
Systems liegt darin, dass insbesondere in den Fällen, in denen der Hörgeschädigte
nur noch für eine sehr enge Restdynamik (frequenzabhängige Differenz zwischen Unbehaglichkeitsschwelle
UCL und Hörschwelle HS) verfügt (z. B. < 30 dB), das prozessierte Signal nicht komplett
auf den Dynamikbereich abgebildet werden kann. Das hat zur Folge, dass das Sprachverstehen,
insbesondere in akustischen Situationen mit Nebengeräuschen nur unzureichend verbessert
werden kann.
[0028] Wie die oben aufgeführten Beispiele zeigen, hängt der Nutzen des jeweiligen Systems
von der akustischen Situation ab. Es wird daher erfindungsgemäß das in FIG 10 skizzierte
System bereitgestellt. Das Eingangssignal, d. h. das vom Mikrofon 10 erzeugte Signal
e, wird in einem ersten Zweig einer ersten Verarbeitungseinrichtung 11, die mit dem
Eingangssignal gesteuert wird, zugeführt. Es wird ein entsprechendes Ausgangssignal
a
11 zur Verfügung gestellt. In einem zweiten Zweig wird das Eingangssignal e vom Mikrofon
10 einer zweiten Verarbeitungseinrichtung 13 zugeführt, die hier über eine Ausgangspegelregelung
verfügt. Dort wird ein Ausgangssignal a
13 erzeugt. Das Eingangssignal e des Mikrofons 10 wird schließlich in einem dritten
Zweig einem Klassifikator 14 zugeleitet. Das Klassifikationsergebnis 14 wird in einer
Gewichtungseinheit 15 dazu verwendet, um für die Ausgangssignale a
11 und a
13 entsprechende Gewichte g
11 und g
13 zu erzeugen. In der Gewichtungseinheit 15 werden die beiden Ausgangssignale a
11 und a
13 mit den jeweiligen Gewichten g
11 und g
13 verknüpft, so dass sich am Ausgang der Gewichtungseinheit 15 ein gemischtes Ausgangssignal
a ergibt, welches dem Hörer 12 zugeführt wird. In dem ersten Zweig lassen sich beispielsweise
situationsabhängig die Kompressionsrate, die Verstärkung oder eine Zeitkonstante regeln.
Demgegenüber kann in dem zweiten Zweig beispielsweise die frequenzabhängige Verstärkung
geregelt werden. Es kann damit eine kontinuierliche Mischung von zwei parallel bereitgestellten
Ausgangssignalen a
11, a
13 im laufenden Betrieb erreicht werden, wobei das Mischungsverhältnis von dem Klassifikationsergebnis
abhängt.
[0029] Ist der der ersten Verarbeitungseinrichtung 11 zugrundeliegende Algorithmus eine
AGCi (Automatic Gain Control input dependent) und der der zweiten Verarbeitungseinrichtung
13 zugrundeliegende Algorithmus eine AGCo (Automatic Gain Control output dependent)
so kann sich in einer speziellen Situation die Verstärkung beispielsweise zu 70 %
aus dem Wert der AGCo und zu 30 % aus dem Wert der AGCi berechnen lassen. Damit lässt
sich beispielsweise eine harte Umschaltung zwischen einem der beiden Systeme vermeiden
und eine kontinuierliche Mischung erreichen. In ähnlicher Weise können so auch Mischsignale
aus quasi-linearen und nicht-linearen Kompressionssystemen, Verarbeitungseinrichtungen
mit unterschiedlichen Zeitkonstanten und/oder Verarbeitungseinrichtungen mit Auswertung
entweder eines breitbandigen oder mehrerer schmalbandiger Pegelmesser realisiert werden.
Das Mischverhältnis wird jeweils durch das Klassifikationssystem bzw. den Klassifikator
14 bestimmt.
[0030] Durch die Kombination unterschiedlicher Systeme (erste Verarbeitungseinrichtung 11
und zweite Verarbeitungseinrichtung 13) kann einerseits das für das Sprachverstehen
wichtige SNR in Situationen, in denen das Sprachverstehen eine Rolle spielt, optimiert
werden. In Situationen hingegen, in denen ein angenehmes Lautheitsempfinden die entscheidende
Rolle spielt, um z. B. in einer störbehafteten Umgebung die Höranstrengung zu optimieren,
kann das System auf ein eher lineares System umschalten, das gleichzeitig die Grundverstärkung
so einstellt, dass der Ausgang des Hörgeräts vom individuellen Hörgeräteträger als
angenehm empfunden wird. Befindet sich der Hörgeräteträger in einer Situation, in
der das Nutzsignal und Störgeräusch in unterschiedlichen Kanälen liegen, so kann das
System automatisch auf die Auswertung des breitbandigen Pegelmessers ganz oder teilweise
umstellen, damit keine unterschiedliche Verstärkung in den verschiedenen Kanälen wirkt
und somit das SNR konstant gehalten werden kann.
1. Verfahren zum Verarbeiten eines Eingangssignals zu einem Ausgangssignal in einer Hörvorrichtung
durch
- Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus
zu einem ersten Zwischensignal (a11) und
- Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus
zu einem zweiten Zwischensignal (a13) parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus,
gekennzeichnet durch
- Klassifizieren des Eingangssignals (e) und
- Bilden des Ausgangssignals (a) sowohl aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal
(a11, a13) mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei bei dem ersten Verarbeitungsalgorithmus eine Regelung
mit dem Pegel des Eingangssignals (e) und bei dem zweiten Verarbeitungsalgorithmus
eine Regelung mit dem Pegel des zweiten Zwischensignals (a13) erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei der erste und der zweite Verarbeitungsalgorithmus
jeweils ein Kompressionsalgorithmus ist.
4. Verfahren nach Anspruch 3, wobei der erste Verarbeitungsalgorithmus zumindest in einem
vorgegebenen Zeitraum ein linearer Kompressionsalgorithmus und der zweite Verarbeitungsalgorithmus
ein nicht linearer Kompressionsalgorithmus ist.
5. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der erste Verarbeitungsalgorithmus
eine erste Zeitkonstante und der zweite Verarbeitungsalgorithmus eine der ersten Zeitkonstante
im Typ entsprechende zweite Zeitkonstante aufweist, und wobei die erste Zeitkonstante
von der zweiten Zeitkonstanten verschieden ist.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei der erste Verarbeitungsalgorithmus
auf einer breitbandigen und der zweite Verarbeitungsalgorithmus auf einer schmalbandigen
Pegelmessung basiert.
7. Hörvorrichtung mit
- einer ersten Verarbeitungseinrichtung (11) zum Verarbeiten eines Eingangssignals
(e) gemäß einem ersten Verarbeitungsalgorithmus zu einem ersten Zwischensignal (a11),
- einer zweiten Verarbeitungseinrichtung (13) zum Verarbeiten des Eingangssignals
(e) gemäß einem zweiten Verarbeitungsalgorithmus zu einem zweiten Zwischensignal (a13) parallel zu dem Verarbeiten des Eingangssignals (e) gemäß dem ersten Verarbeitungsalgorithmus,
gekennzeichnet durch
- eine Klassifikationseinrichtung (14) zum Klassifizieren des Eingangssignals (e)
und
- eine dritte Verarbeitungseinrichtung (15) zum Bilden eines Ausgangssignals (a) sowohl
aus dem ersten als auch aus dem zweiten Zwischensignal (a11, a13) mit einem Mischverhältnis, das von dem Ergebnis des Klassifizierens abhängt.
8. Hörvorrichtung nach Anspruch 7, wobei bei der ersten Verarbeitungseinrichtung (11)
der Pegel des Eingangssignals (e) und bei der zweiten Verarbeitungseinrichtung (13)
der Pegel des zweiten Zwischensignals (a13) zur Regelung verwendet ist.
9. Hörvorrichtung nach Anspruch 7 oder 8, wobei der erste und der zweite Verarbeitungsalgorithmus
jeweils ein Kompressionsalgorithmus ist.
10. Hörvorrichtung nach einem der Ansprüche 7 bis 9, wobei die erste Verarbeitungseinrichtung
(11) einen Pegelmesser zur breitbandigen Pegelmessung und die zweite Verarbeitungseinrichtung
(13) einen Pegelmesser zur schmalbandigen Pegelmessung aufweist.