(19)
(11) EP 2 298 687 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.03.2011  Patentblatt  2011/12

(21) Anmeldenummer: 10009567.8

(22) Anmeldetag:  14.09.2010
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC): 
B66C 13/16(2006.01)
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AL AT BE BG CH CY CZ DE DK EE ES FI FR GB GR HR HU IE IS IT LI LT LU LV MC MK MT NL NO PL PT RO SE SI SK SM TR
Benannte Erstreckungsstaaten:
BA ME RS

(30) Priorität: 16.09.2009 DE 102009041662

(71) Anmelder: Liebherr-Werk Nenzing GmbH
6710 Nenzing (AT)

(72) Erfinder:
  • Schneider, Klaus, Dr.
    88145 Hergatz (DE)
  • Amann, Martin
    6820 Frastanz (AT)
  • Schneller, Mathias
    6700 Bludenz (AT)
  • Sawodny, Oliver, Prof., Dr.
    70186 Stuttgart (DE)
  • Küchler, Sebastian
    71034 Böblingen (DE)

(74) Vertreter: Laufhütte, Dieter et al
Lorenz-Seidler-Gossel Widenmayerstrasse 23
80538 München
80538 München (DE)

   


(54) System zum Erfassen der Lastmasse einer an einem Hubseil eines Kranes hängenden Last


(57) Die vorliegende Erfindung betrifft ein System zum Erfassen der Lastmasse einer an einem Hubseil (4) eines Kranes hängenden Last (3), welches eine Messanordnung (20) zur Messung der Seilkraft im Hubseil, und eine Berechnungseinheit (26) zur Bestimmung der Lastmasse auf Grundlage der Seilkraft umfasst, wobei die Berechnungseinheit eine Kompensationseinheit (21,22) aufweist, welche den Einfluß der indirekten Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft in einem Modell beschreibt und zumindest teilweise kompensiert.




Beschreibung


[0001] Die vorliegende Erfindung umfaßt ein System zum Erfassen der Lastmasse einer an einem Hubseil eines Kranes hängenden Last, mit einer Meßanordnung zur Messung der Seilkraft im Hubseil und einer Berechnungseinheit zur Bestimmung der Lastmasse auf Grundlage der Seilkraft.

[0002] Die exakte Bestimmung der Lastmasse einer von einem Kran angehobenen Last ist für eine Vielzahl von Anwendungen von großer Bedeutung: z. B. ist die Lastmasse für die Lastmomentbegrenzung des Kranes, das heißt für die Kippsicherung und für den Strukturschutz wichtig. Zudem ist die Lastmasse für die Datenerfassung hinsichtlich der Leistung des Kranes von großer Bedeutung. Insbesondere kann durch eine exakte Bestimmung der Lastmasse die gesamte umschlagende Nutzlast bestimmt werden. Weiterhin ist die Lastmasse auch als Parameter für andere Steuerungsaufgaben am Kran wie z.B. eine Lastpendeldämpfung von großer Wichtigkeit. Ein gängiges Verfahren zur Bestimmung der Lastmasse ist die Messung der Seilkraft im Hubseil. Die Seilkraft im Hubseil entspricht dabei zumindest in einem statischen Zustand im wesentlichen der Lastmasse.

[0003] Die Meßanordnung zur Messung der Seilkraft kann dabei entweder direkt am Lastaufnahmemittel angeordnet werden. Diese Anordnung am Lastaufnahmemittel hat den Vorteil, daß hier nur wenige Störeinflüsse vorliegen und so eine größere Genauigkeit erreicht werden kann. Nachteil dieser Lösung ist jedoch, daß eine Stromversorgung und eine entsprechende Signalleitung zum Lastaufnahmemittel notwendig wird.

[0004] Eine weitere Möglichkeit ist die Anordnung einer Meßanordnung in ein Verbindungsbereich zwischen der Kranstruktur und dem Hubseil, zum Beispiel an einer Umlenkrolle oder am Hubwerk. Dies hat den Vorteil, daß die Meßanordnung sehr robust ausgeführt werden kann und die Verkabelung relativ einfach ist. Nachteilig an dieser Anordnung der Meßanordnung ist jedoch die Tatsache, daß weitere Störeinflüsse eine exakte Bestimmung der Lastmasse aus der Seilkraft erschweren.

[0005] Dabei ist es bereits bekannt, Mittelwertfilter zur Ermittelung der Seilkraft einzusetzen. Zum einen hat dies jedoch den Nachteil, daß eine relativ hohe Verzögerung in der Signalausgabe in Kauf genommen werden muß. Zudem anderen kann eine Vielzahl von Störeinflüssen über einen Mittelwertfilter nicht eliminiert werden.

[0006] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein System zum Erfassen der Lastmasse einer am Hubseil eines Kranes hängenden Last zur Verfügung zu stellen, welche eine verbesserte Bestimmung der Lastmasse auf Grundlage der Seilkraft ermöglicht.

[0007] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß von einem Gerät gemäß Anspruch 1 gelöst. Das erfindungsgemäße System zum Erfassen der Lastmasse einer an einem Hubseil eines Kranes hängenden Last umfaßt dabei eine Meßanordnung zur Messung der Seilkraft im Hubseil und eine Berechnungseinheit zur Bestimmung der Lastmasse auf Grundlage der Seilkraft. Erfindungsgemäß weist die Berechnungseinheit dabei eine Kompensationseinheit auf, welche den Einfluß der indirekten Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft in einem Modell beschreibt und zumindest teilweise kompensiert.

[0008] Zum einen kann dabei vorgesehen sein, daß die Kompensationseinheit statische Einflüsse der indirekten Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft zumindest teilweise kompensiert. Hierzu werden erfindungsgemäß die statischen Einflüsse der indirekten Bestimmung modelliert und durch die Kompensationseinheit kompensiert. Hierdurch ergibt sich eine erheblich genauere Bestimmung der Lastmasse, welche über Mittelwertfilter überhaupt nicht möglich war, da diese statische Einflüsse überhaupt nicht eliminieren können.

[0009] Alternativ oder zusätzlich kann vorgesehen sein, daß die Kompensationseinheit auch dynamische Einflüsse der indirekten Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft zumindest teilweise kompensiert. Auch hierfür ist vorgesehen, daß die Kompensationseinheit die dynamischen Einflüsse modelliert und bei der Bestimmung der Lastmasse kompensiert.

[0010] Vorteilhafterweise ist erfindungsgemäß vorgesehen, daß die Kompensationseinheit auf einen physikalischen Modell des Hubvorgangs basiert, welches die statischen und/oder dynamischen Einflüsse der indirekten Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft modelliert. Durch dieses Modell kann die Kompensationseinheit diese statischen und/oder dynamischen Einflüsse zumindest teilweise kompensieren.

[0011] Vorteilhafterweise ist dabei vorgesehen, daß die Kompensationseinheit auf der Grundlage von Daten zur Position und/oder Bewegung des Kranes arbeitet.

[0012] Insbesondere gehen dabei vorteilhafterweise Daten zur Position und/oder Bewegung des Hubwerkes, und/oder Daten zur Position und/oder Bewegung des Auslegers und/oder des Turmes in die Kompensationseinheit ein.

[0013] Das erfindungsgemäße System kommt dabei insbesondere bei Auslegerdrehkränen zum Einsatz, bei welchen ein Ausleger um eine horizontale Wippachse auf-und abgewippt werden kann und über einen Turm oder Oberwagen um eine vertikale Drehachse gedreht werden kann.

[0014] Vorteilhafterweise ist dabei vorgesehen, daß die Meßanordnung in einem Verbindungselement zwischen einem Element der Kranstruktur und dem Hubseil angeordnet ist, insbesondere an einer Umlenkrolle oder am Hubwerk. Vorteilhafterweise ist dabei vorgesehen, daß die Kompensationseinheit statische und/oder dynamische Einflüsse der Anordnung der Meßanordnung zumindest teilweise kompensiert. Vorteilhafterweise modelliert die Kompensationseinheit dabei die Einflüsse der Anordnung der Meßanordnung auf die Seilkraft.

[0015] Vorteilhafterweise ist dabei vorgesehen, daß die Kompensationseinheit eine Seilmassenkompensation umfaßt, welche das Eigengewicht des Hubseiles berücksichtigt. Das Hubseil hat ein nicht zu vernachlässigendes Eigengewicht, welches durch die vorliegende Erfindung nicht mehr die Bestimmung der Lastmasse verfälscht. Vorteilhafterweise berücksichtigt die Kompensationseinheit dabei den Einfluß der Änderung der Seillänge beim Anheben und/oder Absenken der Last bei der Berechnung der Lastmasse. Durch die Änderung der Seillänge hat das Eigengewicht des Hubseiles je nach Hubphase einen unterschiedlichen Einfluß auf die Seilkraft. Das erfindungsgemäße System berücksichtigt dies.

[0016] Vorteilhafterweise wird das System dabei bei einem Hubwerk eingesetzt, welches eine Winde umfaßt, wobei der Drehwinkel und/oder die Drehgeschwindigkeit der Winde als Eingangsgröße in die Seilmassen - Kompensation eingeht. Auf Grundlage des Drehwinkels und/oder der Drehgeschwindigkeit kann die Seillänge und/oder Seilgeschwindigkeit bestimmt und so deren Einfluß auf die Seilkraft bei der Berechnung der Lastmasse berücksichtigt werden.

[0017] Alternativ kann die Seillänge und/oder die Seilgeschwindigkeit auch über eine Meßrolle erfaßt werden. Diese kann z.B. separat am Seil angeordnet oder als Umlenkrolle ausgebildet werden.

[0018] Weiterhin vorteilhafterweise ist vorgesehen, daß die Seilmassenkompensation das Eigengewicht des auf der Winde aufgewickelten Hubseils berücksichtigt. Dies ist insbesondere dann von Vorteil, wenn die Meßanordnung zur Messung der Seilkraft an der Hubwinde angeordnet ist, insbesondere an einer Momentstütze der Hubwinde, da sich dann das auf der Winde aufgewickelte Seil auf der Meßanordnung abstützt und so die Meßwerte beeinflußt.

[0019] Weiterhin vorteilhafterweise ist vorgesehen, daß die Seilmassenkompensation eine sich durch die Bewegung der Kranstruktur ändernde Länge und/oder Ausrichtung von Hubseilabschnitten berücksichtigt. Dies ist insbesondere bei solchen Kranen von Bedeutung, bei welchen sich die Hubverseilung bei einer Bewegung der Kranstruktur, insbesondere bei einer Bewegung des Auslegers, in ihrer Länge oder Ausrichtung ändert. Insbesondere ist dies der Fall, wenn das Seil nicht parallel zum Ausleger am Kran geführt ist, sondern wenn das Seil einen Winkel mit dem Ausleger einnimmt, welcher sich durch ein Auf- und Abwippen des Auslegers ändert. Je nach Position der Kranstruktur, insbesondere des Auslegers, ergeben sich so unterschiedliche Längen und/oder Ausrichtungen der Abschnitte des Hubseils, was wiederum den Einfluß des Eigengewichts des Hubseils auf das Ausgangssignal der Meßanordnung beeinflußt.

[0020] Weiterhin vorteilhafterweise ist vorgesehen, daß die Kompensationseinheit eine Umlenkrollenkompensation umfaßt, welche Reibungseffekte durch die Umlenkung des Hubseils um eine oder mehrer Umlenkrollen berücksichtigt. Vorteilhafterweise wird dabei insbesondere die zum Umlenken des Hubseils notwendige Biegearbeit als Reibungseffekt berücksichtigt. Alternativ oder zusätzlich kann auch die Rollreibung in den Umlenkrollen berücksichtig werden.

[0021] Vorteilhafterweise ist dabei vorgesehen, daß die Umlenkrollenkompensation die Drehrichtung und/oder Drehgeschwindigkeit der Umlenkrollen berücksichtigt. Insbesondere die Drehrichtung hat dabei einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Seilkraft.

[0022] Vorteilhafterweise berechnet die Umlenkrollenkompensation dabei die durch die Bewegung der Kranstruktur und die Bewegung des Hubwerks bedingte Drehrichtung und/oder Drehgeschwindigkeit der Umlenkrollen. Insbesondere bei mehrfachen Umlenkungen des Hubseils zwischen Turm und Ausleger können sich hier komplizierte Bewegungsmuster ergeben, welche sich entsprechend auf das Ausgangssignal der Meßanordnung auswirken.

[0023] Vorteilhafterweise bestimmt die Umlenkrollenkompensation dabei die Reibungseffekte in Abhängigkeit von der gemessenen Seilkraft. Die Seilkraft hat einen entscheidenden Einfluß auf die Reibungseffekte. Vorteilhafterweise werden dabei die Reibungseffekte auf Grundlage einer linearen Funktion der gemessenen Seil kraft bestimmt, da eine lineare Funktion eine relativ gute Approximation der physikalischen Situation darstellt.

[0024] Weiterhin vorteilhafterweise ist bei dem erfindungsgemäßen System vorgesehen, daß die Kompensationseinheit den Einfluß der Beschleunigung der Lastmasse und/oder des Hubwerkes auf die Seilkraft bei der Bestimmung der Lastmasse berücksichtigt. Die Beschleunigung der Lastmasse und/oder des Hubwerkes erzeugt dabei eine dynamische Komponente der Seilkraft, welche durch die erfindungsgemäße Kompensation zumindest teilweise kompensiert wird. Die Kompensationseinheit arbeitet dabei vorteilhafterweise auf Grundlage eines physikalischen Modells, welches den Einfluß der Beschleunigung der Lastmasse und/oder des Hubwerks auf die Seilkraft beschreibt.

[0025] Weiterhin vorteilhafterweise ist vorgesehen, daß die Berechnungseinheit die Schwingungsdynamik, welche aufgrund der Dehnbarkeit des Hubseils entsteht, bei der Bestimmung der Lastmasse berücksichtigt. Zusätzlich zu den Beschleunigungen, welche durch die über das Hubwerk induzierten Beschleunigungen hervorgerufen werden, weist das System aus Seil und Last zudem eine Schwingungsdynamik auf, welche aufgrund der Dehnbarkeit des Hubseils entsteht. Vorteilhafterweise kompensiert die Kompensationseinheit diese Schwingungsdynamik zumindest teilweise. Vorteilhafterweise beruht die Kompensationseinheit zur Kompensation der Schwingungsdynamik dabei auf einem physikalischen Modell.

[0026] Vorteilhafterweise umfaßt die Berechnungseinheit des erfindungsgemäßen Systems dabei einen Lastmassenbeobachter, welcher auf einem Feder-Masse-Modell des Seils und der Last beruht. Als Masse wird dabei vorteilhafterweise die Masse der eigentlichen Last sowie die Masse der Lastaufnahmemittels und der Anschlagmittel im Modell beschrieben. Als Feder geht dagegen das Seil zwischen der Winde und dem Lastaufnahmemittel in das Modell ein.

[0027] Vorteilhafterweise vergleicht der Lastmassenbeobachter dabei beständig die gemessene Seilkraft mit der anhand des Feder-Masse-Modells auf Grundlage der zuvor gemessenen Seilkraft vorhergesagten Seilkraft. Auf Grundlage dieses Vergleichs schätzt der Lastmassenbeobachter die Lastmasse der Last, welche in das Feder-Masse-Modell des Seils und der Last als Parameter eingeht. Hierdurch kann die Lastmasse mit hoher Genauigkeit und unter Kompensation von dynamischen Einflüssen bestimmt werden.

[0028] Vorteilhafterweise berücksichtigt der Lastmassenbeobachter dabei das Meßrauschen der Meßsignale. Vorteilhafterweise wird hierfür ein mittelwertfreies weißes Rauschen eingesetzt.

[0029] Vorteilhafterweise gehen als Meßsignale neben dem Ausgangssignal der Meßanordnung zur Bestimmung der Seilkraft noch Daten zur Länge des Seiles ein. Vorteilhafterweise wird dabei als Parameter des Lastmassenbeobachters eine bezüglich der zulässigen Maximallast normierte Seilkraft eingesetzt.

[0030] Die vorliegende Erfindung umfaßt weiterhin einen Kran mit einem System zur Erfassung der Lastmasse einer an einem Hubseil hängenden Last, wie es oben dargestellt wurde. Bei dem Kran handelt es sich dabei insbesondere um einen Auslegerkran, bei welchem der Ausleger um eine Horizontale Wippachse auf- und abgewippt werden kann. Weiterhin vorteilhafterweise kann der Kran um eine vertikale Drehachse gedreht werden kann. Insbesondere ist der Ausleger dabei an einem Turm angelenkt, welcher gegenüber einem Unterwagen um eine Vertikale Drehachse drehbar ist. Insbesondere kann es sich bei dem Kran dabei um einen Hafenmobilkran handeln. Das erfindungsgemäße System kann jedoch ebenfalls bei anderen Krantypen zum Einsatz kommen, z.B. bei Brückenkranen oder Turmdrehkranen.

[0031] Vorteilhafterweise kommt das System dabei bei einem Kran zum Einsatz, bei welchem die Meßanordnung zur Messung der Seilkraft in einem Verbindungselement zwischen einem Element der Kranstruktur und dem Hubseil angeordnet ist, insbesondere in einer Umlenkrolle oder an dem Hubwerk. Hierdurch ergibt sich eine sehr robuste Anordnung, welche durch das erfindungsgemäße System dennoch eine exakte Bestimmung der Lastmasse ermöglicht.

[0032] Durch das erfindungsgemäße System sind dabei eine Vielzahl von Anwendungen möglich, welche mit bekannten ungenauen Systemen nicht realisiert werden konnten. Zum Beispiel kann eine Schlaffseilerkennung eingerichtet werden, welche auf Grundlage des erfindungsgemäßen Systems erkennt, daß die Last abgesetzt wurde. Hieraufhin wird eine sofortige Abschaltung des Hubwerks eingeleitet, welche Seilschäden durch abgewickelte Seile verhindert. Gegebenenfalls können hierdurch mechanische Schlaffseilschalter entfallen. Zudem ist eine Erkennung sehr geringer Lasten, wie zum Beispiel leerer Container, nun ebenfalls möglich.

[0033] Weiterhin hat das erfindungsgemäße System gegenüber Mittelwertfiltern den großen Vorteil, daß die Lastmasse ohne größere Verzögerung bestimmt werden kann. Hierdurch ergibt sich ein höherer Umschlag, da weniger Stopps auftreten, wenn das Lastmassesignal für die Lastmomentbegrenzung eingesetzt wird. Zudem wird die Lebensdauer des Kranes erhöht, da die Lastmomentbegrenzung ohne größere Zeitverzögerung eingreifen kann.

[0034] Neben dem System und dem Kran umfaßt die vorliegende Erfindung weiterhin ein Verfahren zum Erfassen der Lastmasse einer am Hubseil hängenden Last, mit den Schritten: Messen der Seilkraft in Hubseil; Berechnung der Lastmasse auf Grundlage der Seilkraft; wobei der Einfluß der Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft in einem Modell beschrieben und zumindest teilweise kompensiert wird.

[0035] Insbesondere erfolgt die Kompensation dabei auf Grundlage eines Modells der statischen und/oder dynamischen Einflüsse dieser Bestimmung. Hierdurch können diese Einflüsse berechnet und von der Kompensationseinheit zumindest teilweise kompensiert werden.

[0036] Das erfindungsgemäße Verfahren erfolgt dabei vorteilhafterweise so, wie dies oben mit Bezug auf das System und den Kran dargestellt wurde. Insbesondere erfolgt das erfindungsgemäße Verfahren dabei mittels eines Systems, wie es oben dargestellt wurde.

[0037] Die vorliegende Erfindung wird nun anhand von Ausführungsbeispielen sowie Zeichnungen näher erläutert.

[0038] Dabei zeigen:
Fig. 1
ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Kranes,
Fig. 2
eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels eines erfin- dungsgemäßen Systems und Verfahrens,
Fig. 3a und 3b
die Anordnung einer Meßanordnung an der Hubwinde,
Fig. 4
die Anordnung einer Meßanordnung an der Hubwinde und die Seilfüh- rung des Hubseils über Umlenkrollen,
Fig. 5
eine Darstellung der bei der Umlenkrollen-Kompensation berücksichtig- ten Kräfte,
Fig. 6
eine Darstellung der bei der Seilmassen-Kompensation berücksichtigten Kräfte,
Fig. 7
eine Prinzipdarstellung des Masse-Feder-Modells, welches dem erfin- dungsgemäßen Seilmassenbeobachter zu Grunde liegt, und
Fig. 8
eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels eines erfin- dungsgemäßen Seilmassenbeobachters.


[0039] Figur 1 zeigt ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Kranes, bei welcher ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Systems zum Erfassen der Lastmasse der am Kranseil hängenden Last eingesetzt wird. Bei dem Kran handelt es sich im Ausführungsbeispiel um einen Hafenmobilkran. Der Kran weist dabei einen Unterwagen 1 mit einem Fahrgestell 9 auf. Hierdurch kann der Kran im Hafen verfahren werden. Am Hubort kann der Kran dann über Abstützeinheiten 10 abgestützt werden.

[0040] Auf dem Unterwagen 1 ist um eine vertikale Drehachse drehbar ein Turm 2 angeordnet. Am Turm 2 ist um eine horizontale Achse ein Ausleger 5 angelenkt. Der Ausleger 5 kann dabei über den Hydraulikzylinder 7 in der Wippebene nach oben und nach unten verschwenkt werden.

[0041] Der Kran weist dabei ein Hubseil 4 auf, welches um eine Umlenkrolle 11 an der Spitze des Auslegers geführt ist. Am Ende des Hubseils 4 ist ein Lastaufnahmemittel 12 angeordnet, mit welchem eine Last 3 aufgenommen werden kann. Das Lastaufnahmemittel 12 bzw. die Last 3 werden dabei durch Bewegen des Hubseils 4 angehoben bzw. abgesenkt. Die Veränderung der Position des Lastaufnahmemittels 12 bzw. der Last 3 in vertikaler Richtung erfolgt damit durch Verkleinern bzw. Vergrößern der Länge IS des Hubseils 4. Hierfür ist eine Winde 13 vorgesehen, welche das Hubseil bewegt. Die Winde 13 ist dabei am Oberwagen angeordnet. Weiterhin ist das Hubseil 4 zunächst von der Winde 13 über eine erste Umlenkrolle 6 an der Spitze des Turmes 2 zu einer Umlenkrolle 14 an der Spitze des Auslegers 5 und von dort zurück zum Turm 2 geführt, wo es über eine zweite Umlenkrolle 8 zu einer Umlenkrolle 11 an der Auslegerspitze geführt ist, von wo aus das Hubseil nach unten zur Last 3 verläuft.

[0042] Das Lastaufnahmemittel 12 bzw. die Last können weiterhin durch Drehen des Turmes 2 um den Winkel ϕD und durch Auf- und Abwippen des Auslegers 5 um den Winkel ϕA in der Horizontalen bewegt werden. Durch die Anordnung der Winde 13 am Oberwagen ergibt sich beim Auf- und Abwippen des Auslegers 5 zusätzlich zu der Bewegung der Last in radialer Richtung eine Hubbewegung der Last 3. Diese muss gegebenenfalls durch ein entsprechendes Ansteuern der Winde 13 ausgeglichen werden.

[0043] Figur 2 zeigt ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Systems zum Erfassen der Lastmasse einer an einem Hubseil eines Krans hängenden Last. Als Eingangsgröße des Systems dient dabei das Signal 20, welches von einer Meßanordnung zur Messung der Seilkraft im Hubseil erzeugt wird. Dieses wird der erfindungsgemäßen Berechnungseinheit 26 zur Bestimmung der Lastmasse zugeführt. Als Ausgangssignal 24 liefert die Berechnungseinheit 26 dabei die exakte Lastmasse. Die Berechnungseinheit weist dabei eine Kompensationseinheit auf, welche die Einflüsse der indirekten Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft zumindest teilweise kompensiert. Die Kompensationseinheit berechnet dabei die Einflüsse auf Grundlage von Daten zum Kranzustand, welcher von der Kranzustandseinheit 25 an die Berechnungseinheit 26 übertragen werden. Insbesondere werden dabei der Aufricht- bzw. Wippwinkel oder die Aufrecht- bzw. Wippwinkelgeschwindigkeit des Auslegers in der Berechnungseinheit genutzt. Weiterhin können die Seillänge und/oder die Seilgeschwindigkeit in die Berechnungseinheit eingehen, wobei diese insbesondere über die Position und/oder Geschwindigkeit der Hubwinde 13 ermittelt werden.

[0044] Die Kompensationseinheit beruht dabei auf einem physikalischen Modell des Hubsystems, durch welches die Einflüsse der einzelnen Komponenten des Hubsystems auf die Seilkraft und auf die Lastmasse berechnet werden können. Hierdurch kann die Kompensationseinheit diese Einflüsse berechnen und zumindest teilweise kompensieren.

[0045] Die Kompensationseinheit umfaßt dabei im Ausführungsbeispiel drei Komponenten, welche jedoch auch unabhängig voneinander eingesetzt werden könnten: Die Kompensationseinheit umfaßt dabei zunächst eine Umlenkrollenkompensation 21, welche die Reibung des Seils an den Umlenkrollen kompensiert. Weiterhin umfaßt die Kompensationseinheit eine Seilmassenkompensation, welche den Einfluß des Seilgewichts auf die Seilkraft und damit auf die Lastmasse kompensiert. Die Kompensationseinheit umfaßt weiterhin einen Lastmassenbeobachter 23, welcher dynamische Störungen des Signals aufgrund der Beschleunigung der Lastmasse bzw. des Hubwerks, und insbesondere solche, welche aufgrund der Eigendynamik des Systems aus Hubseil und Last entstehen, berücksichtigt.

[0046] Die einzelnen Komponenten des erfindungsgemäßen Systems werden nun im Einzelnen näher dargestellt:

In den Figuren 3a und 3b ist die Hubwinde des erfindungsgemäßen Krans dargestellt, an welcher eine Meßanordnung 34 zur Messung der Seilkraft angeordnet ist.

Die Hubwinde 30 ist dabei an zwei Rahmenelementen 31 und 35 um eine Drehachse 32 drehbar gelagert. An dem Rahmenelement 31 ist die Kraftmeßanordnung 34 als Momentenstütze angeordnet. Das Rahmenelement 31 ist dabei um die Achse 33 am Kran angelenkt. Auf der gegenüberliegenden Seite ist das Rahmenelement 31 über die Kraftmeßanordnung 34 am Kran angelenkt. Die Kraftmeßanordnung 34 ist dabei stabförmig ausgebildet und über eine Verbolzung 36 mit dem Rahmenelement 31 und über eine Verbolzung 37 mit dem Kran verbolzt. Als Kraftmeßanordnung 34 kommt dabei eine Tension Load Cell zum Einsatz (TLC), d.h. eine Kraftmeßlasche. Alternativ könnten als Kraftmeßanordnung z.B. auch ein Kraftmeßbolzen oder ein Druckmeßdose eingesetzt werden.



[0047] Durch die Anordnung der Kraftmeßanordnung 34 zwischen der Kranstruktur und der Winde wirkt die Seilkraft FS zunächst auf die Winde und über den Windenrahmen auf die Kraftmeßanordnung, in welcher durch die Seilkraft FS eine Kraft FTLC hervorgerufen wird.

[0048] Zur Berechnung der Seilkraft FS aus der durch die Kraftmeßanordnung 34 gemessenen Kraft FTLC muß die Geometrie der Anordnung der Kraftmeßanordnung 34 an der Winde berücksichtigt. Dabei ist auch die Masse der Winde selbst zu berücksichtigen, welche sich auf der Kraftmeßanordnung 34 abstützt und so der Seilkraft entgegenwirkt.

[0049] Zudem ist gegebenenfalls zu berücksichtigten, daß die Kraftmeßanordnung 34 wie in Figur 3b gezeigt nur an einem der zwei Rahmenelemente 31 und 35 angeordnet ist. Das Rahmenelement 35 ist dabei fest mit der Kranstruktur verbolzt. An diesem Rahmenelement 35 ist der Antrieb für die Hubwinde angeordnet.

[0050] Das Prinzip der Messung der Lastmasse anhand der Seilkraft bzw. anhand der Kraft, die von der Meßanordnung 34 gemessen wird, sowie die dabei auftretenden Kräfte sind dabei nochmals in Figur 4 zusammenfassend dargestellt.

[0051] Das Hubseil 4 läuft dabei von der Winde 30 über Umlenkrollen 6, 14 und 8 zur Umlenkrolle 11 an der Spitze des Auslegers, von wo aus das Hubseil 4 zur Last 3 geführt ist. Die Masse der Last 3 erzeugt dabei eine Kraft im Hubseil 4, welche das Hubseil in die Winde 30 einbringt. Die Winde 30 ist dabei an einem Windenrahmen angelenkt und beaufschlagt diesen mit einer entsprechenden Kraft. Hierdurch wird eine Kraft FTLC in die Kraftmeßanordnung 34, welche das Rahmenelement 31 des Windenrahmens mit der Kranstruktur verbindet, eingebracht. Durch die geometrischen Verhältnisse zwischen Hubseil, Hubwinde, Windenrahmen und Kraftmeßanordnung kann so aus der durch die Kraftmeßanordnung 34 gemessenen Kraft auf die Masse der Last geschlossen werden.

[0052] Durch die Anordnung der Meßanordnung in einem Verbindungselement zwischen Kranstruktur und Hubseil ergeben sich jedoch eine Reihe von Einflüssen, welche ohne eine Kompensation zu erheblichen Ungenauigkeiten bei der Bestimmung der Lastmasse führen würden. Die erfindungsgemäße Berechnungseinheit weist daher eine entsprechende Kompensationseinheit auf, welche diese Einflüsse kompensiert.

[0053] Dabei soll zunächst anhand von Figur 5 die erfindungsgemäße Umlenkrollenkompensation näher beschrieben werden, durch welche Reibungseffekte an den Umlenkrollen kompensiert werden. Das Hubseil 4 wird dabei an den Umlenkrollen 6, 14, 8 und 11 jeweils um einen bestimmten Winkel umgelenkt. Hierdurch ergeben sich eine Reihe von Reibungseinflüssen auf die Seilkraft. Dabei entsteht an jeder Umlenkrolle eine Reibungskraft, welche je nach Situation, insbesondere je nach Drehrichtung der Umlenkrolle die durch die Meßanordnung gemessene Kraft erhöht oder erniedrigt.

[0054] Dabei entsteht zunächst eine Rollreibung am Lager der Umlenkrolle, welche sich gemäß der Striebeck-Kurve bestimmt. Diese Rollreibung ist jedoch relativ gering und kann daher vernachlässigt werden. Den weitaus größeren Einfluß hat die Abwinkelung des Hubseils an den Umlenkrollen. Dabei unterliegt das Hubseil sowohl beim Einlaufen als auch beim Auslaufen von der Umlenkrolle einer Deformation, welche eine entsprechende Deformationsarbeit erfordert. Die Größe dieser aufgrund der Deformation des Hubseils entstehenden Reibung an den Umlenkrollen wird dabei im wesentlichen durch den Radius der Umlenkrollen sowie durch die Seilkraft bestimmt.

[0055] Messungen haben dabei ergeben, daß die Gesamtreibung an jeder Umlenkrolle im Wesentlichen linear zur Seilkraft verläuft. Die Winkelgeschwindigkeit der Umlenkrollen hat dagegen nur einen sehr geringen Einfluß auf die Reibung. Dabei ist jedoch zu beachten, daß sich die Reibung an jeder Umlenkrolle je nach Drehrichtung der Umlenkrolle entweder zur gemessenen Seilkraft addiert oder von dieser subtrahiert werden muß. Beim Anheben der Last wirkt dabei die Reibungskraft der Umlenkrollen der durch die Hubwinde erzeugten Hubkraft entgegen, so daß die gemessene Seilkraft sich um die Reibungskräfte erhöht. Beim Ablassen der Last durch das Hubwerk vermindert sich dagegen die gemessene Seilkraft um einen entsprechenden Betrag.

[0056] Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, daß das Hubseil zwischen der Turmspitze und der Auslegerspitze hin- und hergeführt ist, wobei die beiden Umlenkrollen 6 und 8 an der Turmspitze und die beiden Umlenkrollen 14 und 11 an der Auslegerspitze angeordnet sind. Daher ergibt sich auch beim Auf- und Abwippen des Auslegers ebenfalls eine Bewegung der Umlenkrollen 8, 11, und 14, während die Umlenkrolle 6 ohne eine Bewegung des Hubwerks nicht bewegt wird. Dementsprechend ergibt sich beim Auf- und Abwippen des Auslegers eine Reibungskraft, welche im Wesentlichen ¾ der Reibungskraft beim Anheben und Senken der Last über das Hubwerk entspricht.

[0057] Die erfindungsgemäße Kompensationseinheit kompensiert dabei die durch die Reibung an den Umlenkrollen entstehenden Einflüsse. Hierfür bestimmt die Kompensationseinheit jeweils die Drehrichtung der Umlenkrollen auf Grundlage der Position und/oder Bewegung des Hubwerks sowie des Auslegers. Dabei muß berücksichtigt werden, daß bei einer kombinierten Bewegung des Hubwerks und des Auslegers durchaus komplexe Bewegungsmuster der Umlenkrollen entstehen können, so daß nicht alle Umlenkrollen mit gleichem Vorzeichen in die Seilkraft eingehen. Die Umlenkrollenkompensation erfolgt daher vorteilhafterweise auf Grundlage der Windengeschwindigkeit und der Aufrichtgeschwindigkeit des Auslegers.

[0058] Die erfindungsgemäße Berechnungseinheit umfaßt weiterhin eine Seilmassenkompensation welche nun anhand von Figur 6 näher dargestellt wird. Wie bereits oben beschrieben, muß bei der Berechnung der Seilkraft aus dem Meßsignal der Meßanordnung 34 zunächst die Gewichtskraft FW 36 der Winde berücksichtigt werden, welche sich auf der Kraftmeßanordnung 34 abstützt. Auf der Winde ist jedoch zusätzlich das Hubseil zumindest teilweise aufgewickelt. Die Masse des Hubseils, welches auf der Hubwinde aufgewickelt ist, stützt sich damit ebenfalls auf der Kraftmeßanordnung 34 ab. Daher muß auch die Gewichtskraft FRW 37 des auf der Winde aufgewickelten Hubseils berücksichtig werden. Diese Gewichtskraft kann zum Beispiel aufgrund des Drehwinkels der Hubwinde bestimmt werden.

[0059] Weiterhin haben auch die Massen der einzelnen Seilabschnitte zwischen den Umlenkrollen einen Einfluß auf die Seilkraft und damit auf die Bestimmung de Lastmasse. Die Seilabschnitte 41 und 42 erhöhen dabei durch die Masse des Seiles die gemessene Seilkraft, während die Seilabschnitte 43, 44 und 45 die gemessene Seilkraft vermindern. In die Berechung dieses Einflusses muß jeweils die Länge sowie der Winkel der Seilabschnitte zur Horizontalen betrachtet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nur für den Seilabschnitt 45 eine konstante Länge und ein konstanter Winkel vorliegen. Der Abschnitt 41 wird dagegen durch Anheben und Absenken der Last in seiner Länge verändert. Die Abschnitte 42 - 44 werden wiederum durch Auf- und Abwippen des Auslegers sowohl in ihrer Länge, als auch in ihrer Ausrichtung verändert. Die Seilmassenkompensation erfolgt daher auf Grundlage der Position des Auslegers sowie der Hubwinde.

[0060] Die Umlenkrollenkompensation und die Seilmassenkompensation kompensieren damit im wesentlichen den Einfluß der Anordnung der Meßanordnung an der Hubwinde. Alternativ zur Anordnung der Meßanordnung an der Hubwinde ist ebenfalls denkbar, eine Meßanordnung in eine der Umlenkrollen zu integrieren, insbesondere in die Umlenkrolle 8 an der Auslegerspitze. Bei dieser Anordnung der Meßanordnung erfolgt die Kompensation wiederum den oben dargestellten Prinzipien, wobei jedoch die Reibungseffekte sowie die Einflüsse der Seilmasse auf die gemessene Kraft durch die andere Anordnung der Meßanordnung entsprechend angepaßt werden müssen.

[0061] Das erfindungsgemäße System berücksichtigt nicht nur die systematischen Einflüsse, welche die Anordnung der Meßanordnung an einem Verbindungselement zwischen Kranstruktur und Hubseil auf die Bestimmung der Lastmasse hat, sondern kompensiert auch dynamische Effekte, welche auf der Beschleunigung von Lastmasse und/oder Hubwerk und die Dehnbarkeit des Hubseiles zurückgehen.

[0062] Durch die Elastizität des Hubseils bildet das System aus Hubseil und Last dabei im wesentlichen ein Feder-Masse-Pendel, welches durch das Hubwerk angeregt wird. Hierdurch entstehen Schwingungen, welche dem statischen Anteil des Seilkraftsignals, welches der Lastmasse entspricht, überlagert sind. Der Lastmassenbeobachter beruht dabei auf einem physikalischen Modell des Feder-Masse-Systems aus Hubseil und Last. Das Modell ist dabei schematisch in Fig. 7 wiedergegeben. Durch Vergleich der sich aus diesem Modell ergebenden Seilkraft mit der gemessenen Seilkraft schätzt der Lastmassenbeobachter 23 die exakte Lastmasse, welche als Parameter in das physikalische Modell eingeht.

[0063] Ein Ausführungsbeispiel des erfindungsgemäßen Lastmassenbeobachters, welcher als erweiterter Kalman Filter (EKF) implementiert ist, soll nun im Folgenden näher dargestellt werden:

2 Modellierung Hubwerksstrang



[0064] Im Folgenden Abschnitt wird das dynamische Modell für den Hubwerksstrang hergeleitet. Abbildung 1 zeigt den kompletten Aufbau eines Hafenmobilkrans (LHM). Die Last mit der Masse ml wird mittels des Lastaufnahmemittels vom Kran angehoben und ist über das Seil mit der Gesamtlänge ls mit der Hubwinde verbunden. Das Seil wird vom Lastaufnahmemittel aus über je eine Umlenkrolle am Auslegerkopf und Turm umgelenkt. Hierbei ist zu beachten, dass das Seil nicht direkt vom Auslegerkopf zur Hubwinde umgelenkt wird, sondern dass es vom Auslegerkopf zum Turm, zurück zum Auslegerkopf und dann über den Turm zur Hubwinde umgelenkt wird (siehe Abbildung 1). Somit ergibt sich die gesamte Seillänge zu


wobei l1, l2 und l3 die Teillängen von der Hubwinde zum Turm, vom Turm zum Auslegerkopf und vom Auslegerkopf zum Lastaufnahmemittel sind. Der Hubwerksstrang bestehend aus Hubwinde, Seil und Lastmasse wird im Folgenden vereinfacht als Feder-Masse-Dämpfer System modelliert und ist in Abbildung 7 dargestellt.

[0065] Nach dem Newtonschen Bewegungsgesetz ergibt sich somit die Bewegungsgleichung für das Feder-Masse-Dämpfer System zu


mit der Erdbeschleunigung g, der Federkonstante c, der Dämpferkonstante d, der Lastposition z, der Lastgeschwindigkeit und der Lastbeschleunigung . Die Seilgeschwindigkeit is folgt aus der Windengeschwindigkeit ϕ̇w und dem Windenradius rw zu



[0066] Die Federsteifigkeit cs eines Seils der Länge ls kann mittels des Hooke'schen Gesetz zu


berechnet werden. Hierbei sind Es und As das Elastizitätsmodul und die Querschnittsfläche des Seils. Da am Hafenmobilkran ns parallele Seile die Last anheben (vgl. Abbildung 1) ergibt sich die Federsteifigkeit c des Hubwerksstrangs zu



[0067] Die Dämpferkonstante d des Hubwerksstrangs ist durch


gegeben, wobei D das Lehrsche Dämpfungsmaß des Seils darstellt.

[0068] Da die Hauptaufgabe des Lastmassenbeobachters die Schätzung der aktuellen Lastmasse ist, muss für die Lastmasse eine dynamische Gleichung hergeleitet werden. Innerhalb dieser Arbeit wird die Lastmasse ml als Random-Walk Prozess modelliert, d.h. ml wird durch ein additives, mittelwertfreies, weißes Rauschen gestört. Somit ergibt sich für die Lastmasse folgende dynamische Gleichung


wobei γl ein mittelwertfreies, weißes Rauschen darstellt.

3 Beobachterentwurf



[0069] In diesem Abschnitt wird ein auf das EKF |3| basierender Beobachter entworfen. Hierbei ist zu beachten, dass die Wertebereiche der einzelnen Größen sehr unterschiedlich sind. So liegt die Seillänge ls und die Lastposition z üblicherweise zwischen 100 m und 200 m, die Seilgeschwindigkeit is und die Lastgeschwindigkeit zwischen 0

und 2

und die Lastmasse zwischen 0 kg und 150 × 103kg. Außerdem besitzen die beiden Parameter Es und As auch sehr unterschiedliche Wertebereiche. Diese unterschiedlichen Wertebereiche können bei der Online-Schätzung des Beobachters zu numerischen Problemen führen. Zur Vermeidung dieser numerischen Probleme wird für den Beobachterentwurf ein neuer Parameter


eingeführt, wobei mmax die für den jeweiligen Krantyp maximal zulässige Hublast ist. Außerdem wird im Beobachter nicht direkt die Lastmasse ml verwendet, sondern die normierte Lastmasse



[0070] Über einen Inkrementalgeber werden am Kran die Windenposition ϕw gemessen und die Windengeschwindigkeit ϕ̇w berechnet. Ein Kraftmesssensor stellt die an der Winde gemessene Seilkraft Fw zur Verfügung, Aus der Windenposition und -geschwindigkeit kann mittels Gleichung (3) die Seillänge und -geschwindigkeit berechnet werden. Bei der gemessenen Seilkraft an der Winde Fw ist zu beachten, dass hier nicht nur die Kraft auf Grund der Lastmasse gemessen wird, sondern auch die Reibeinflüsse der Umlenkrollen und das Eigengewicht des Seils. Jedoch können diese Störeinflüsse durch einen Kompensationsalgorithmus beseitigt werden und die aktuelle Federkraft Fc (vgl. Gleichung (2)) kann aus der gemessenen Seilkraft an der Winde Fw berechnet werden.

[0071] Für einen Beobachterentwurf müssen zunächst die Eingangsgrößen u und die Ausgangsgrößen (oder Messgrößen) y des Systems definiert werden. Für das hier vorliegende Problem wird als einziger Systemeingang die Seilgeschwindigkeit is gewählt. Als Ausgangsgrößen werden die Seillänge ls und die normierte Federkraft

gewählt.

[0072] Mit dem Zustandsvektor x =

kann das dynamische Modell, bestehend aus Gleichungen (2), (4), (5), (6), (7) und (8) in den Zustandsraum transformiert werden.

[0073] Das resultierende System von Differentialgleichungen erster Ordnung lautet


wobei







[0074] Wie oben schon erwähnt, wird der Beobachter als EKF realisiert. Das EKF ist ein Beobachter für nichtlineare, zeitdiskrete Systeme, welches die Fehlerkovarianz des Schätzfehlers x̂k - xk


in jedem Zeitschritt minimiert |3|, wobei x̂k für den aktuell geschätzten Zustand steht. In Gleichung (13) und im Folgenden gilt [•]k = [•] (kΔt) mit der diskreten Abtastrate Δt. Da die Zustandsraumdarstellung (9) jedoch ein kontinuierliches System darstellt, wird das oben beschriebene System im Folgenden mit dem Euler-Vorwärts Verfahren |2| diskretisiert.

[0075] Für die Zustandsschätzung führt das EKF in jedem Zeitschritt einen Prädiktions- und einen Korrekturschritt aus. Innerhalb des Prädiktionsschritts wird der Zustand zum nächsten Zeitschritt basierend auf den Systemgleichungen (9) vorhergesagt



[0076] Neben den Systemzuständen wird innerhalb des Prädiktionsschritts auch die Fehlerkovarianzmatrix vorhergesagt


wobei Pk-1 die Fehlerkovarianzmatrix zum Zeitschritt (k - 1)Δt ist, Ak die Transitionsmatrix des linearisierten Systems um den aktuellen Zustand und Qk die zeitdiskrete Kovarianzmatrix des Systemrauschens. Ak wird näherungsweise durch die Taylor-Reihe der Matrixexponentialfunktion bis zum ersten Glied berechnet



[0077] Fig. 8 zeigt noch einmal das Ausführungsbeispiel des Lastmassenbeobachters in einem Blockschaltbild. Als Meßsignale geht dabei neben der an der Winde gemessenen Kraft Fw die Länge des Hubseils IS in den Lastmassenbeobachter ein. Die gemessene Kraft wird dabei wie oben näher dargestellt zunächst hinsichtlich des Seilgewichts und der Reibungseffekte kompensiert und mit der maximal zulässigen Lastmasse mmax normalisiert. Der Lastmassenbeobachter schätzt dann als x4 die normalisierte Lastmasse, welche dementsprechend durch Multiplikation mit mmax wieder in die Lastmasse ml umgerechnet wird. Daneben schätzt der Lastmassenbeobachter auch die Seillänge Is, die Position der Last z und die Lastgeschwindigkeit , welche ebenfalls zu Steuerungszwecken herangezogen werden können.

[0078] Die vorliegende Erfindung ermöglicht eine exakte Bestimmung der Lastmasse, bei welcher sowohl die Effekte der Anordnung der Meßanordnung zur Messung der Seilkraft über ein Verbindungselement zwischen der Kranstruktur und dem Hubseil wie zum Beispiel an einer Momentenstützte der Hubwinde oder eine Umlenkrolle, als auch dynamische Effekte, welche durch die Dehnbarkeit des Hubseils entstehen, berücksichtigt werden. Die Lastmasse kann dabei entweder für Steuerungsaufgaben oder zur Datenauswertung herangezogen werden. Insbesondere kann die Lastmasse für jeden Hub in einer Speichereinheit, z.B. einer Datenbank gespeichert und so ausgewertet werden.


Ansprüche

1. System zum Erfassen der Lastmasse einer an einem Hubseil eines Kranes hängenden Last, welches umfasst:

eine Meßanordnung zur Messung der Seilkraft im Hubseil, und

eine Berechnungseinheit zur Bestimmung der Lastmasse auf Grundlage der Seilkraft,

dadurch gekennzeichnet,

dass die Berechnungseinheit eine Kompensationseinheit aufweist, welche den Einfluß der indirekten Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft in einem Modell beschreibt und zumindest teilweise kompensiert.


 
2. System nach Anspruch 1, wobei die Kompensationseinheit auf der Grundlage von Daten zur Position und/oder Bewegung des Kranes arbeitet, insbesondere auf Grundlage von Daten zur Position und/oder Bewegung des Hubwerkes, und/oder Daten zur Position und/oder Bewegung des Auslegers und/oder des Turmes.
 
3. System nach Anspruch 1 oder 2 für einen Kran mit einem Hubwerk zum Anheben und Senken der an dem Hubseil des Kranes hängenden Last,
wobei das Hubseil von der Meßanordnung aus über mindestens eine Umlenkrolle des Kranes zur Last geführt ist und/oder wobei die Meßanordnung zur Messung der Seilkraft im Hubseil an einer Umlenkrolle oder am Hubwerk angeordnet ist,
wobei die Kompensationseinheit den Einfluß der Anordnung der Meßanordnung auf die sich ergebende Lastmasse zumindest teilweise kompensiert.
 
4. System nach Anspruch 3, wobei die Kompensationseinheit eine Seilmassen- Kompensation umfasst, welche das Eigengewicht des Hubseiles und insbesondere den Einfluss der Änderung der Seillänge beim Anheben und oder absenken der Last bei der Berechnung der Lastmasse berücksichtigt, wobei vorteilhafterweise das Hubwerk eine Winde umfasst und der Drehwinkel und/oder die Drehgeschwindigkeit der Winde als Eingangsgröße in die Seilmassen-Kompensation eingeht.
 
5. System nach Anspruch 4, wobei die Seilmassen-Kompensation das Eigengewicht des auf der Winde aufgewickelten Hubseiles berücksichtigt.
 
6. System nach einem der Ansprüche 3 bis 5, wobei die Seilmassen-Kompensation eine sich durch die Bewegung der Kranstruktur ändernde Länge und/oder Ausrichtung von Hubseilabschnitten berücksichtigt.
 
7. System nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei die Kompensationseinheit eine Umlenkrollen-Kompensation umfasst, welche Reibungseffekte durch die Umlenkung des Hubseils um eine oder mehrere Umlenkrollen berücksichtigt.
 
8. System nach Anspruch 7, wobei die Umlenkrollen-Kompensation die Drehrichtung und/oder Drehgeschwindigkeit der Umlenkrollen berücksichtigt, wobei die Umlenkrollen-Kompensation vorteilhafterweise die durch die Bewegung der Kranstruktur zusammen mit der Bewegung des Hubwerks bedingte Drehrichtung und/oder Drehgeschwindigkeit der Umlenkrollen berechnet.
 
9. System nach einem der Ansprüche 7 oder 8, wobei die Umlenkrollen-Kompensation die Reibungseffekte in Abhängigkeit von der gemessenen Seilkraft berechnet, insbesondere auf Grundlage einer linearen Funktion der gemessenen Seilkraft.
 
10. System nach einem der vorangegangenen Ansprüche, wobei die Kompensationseinheit den Einfluss der Beschleunigung der Lastmasse und/oder des Hubwerkes auf die Seilkraft bei der Bestimmung der Lastmasse berücksichtigt.
 
11. System nach Anspruch 10, wobei die Berechungseinheit die SchwingungsDynamik, welche auf Grund der Dehnbarkeit des Hubseiles entsteht, bei der Bestimmung der Lastmasse berücksichtigt.
 
12. System nach Anspruch 10 oder 11, wobei die Berechungseinheit einen Lastmassenbeobachter umfasst, welcher auf einem Feder-Masse Modell des Seils und der Last beruht.
 
13. Kran mit einem System zur Erfassung der Lastmasse einer an einem Hubseil hängenden Last gemäß einem der vorangegangenen Ansprüche.
 
14. Verfahren zum Erfassen der Lastmasse einer an einem Hubseil hängenden Last, mit den Schritten:

Messen der Seilkraft im Hubseil,

Berechnen der Lastmasse auf Grundlage der Seilkraft, wobei der Einfluß der Bestimmung der Lastmasse über die Seilkraft in einem Modell beschrieben und zumindest teilweise kompensiert wird.


 
15. Verfahren nach Anspruch 14, wobei die Bestimmung der Lastmasse mittels eines Systems nach einem der vorangegangenen Ansprüche erfolgt.
 




Zeichnung