Technisches Gebiet
[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Stahlprodukts gemäss dem
Oberbegriff des Anspruchs 1 sowie ein damit herstellbares warmumgeformtes Produkt.
Stand der Technik
[0002] Für massive Bauteile, die dynamisch oder schlagartig beansprucht werden, sind hohe
Anforderungen an die Duktilität des eingesetzten Stahls gestellt. Aus diesem Grund
werden die Endeigenschaften des Werkstoffs in der Regel über eine Wärmebehandlung
eingestellt. Die Vergütungsbehandlung zielt auf ein angelassenes martensitisches Stahlgefüge
und erlaubt die Einstellung eines hohen Zähigkeitsniveaus bei gleichzeitig noch guter
Festigkeit. Ein breit eingesetzter Vergütungsstahl ist der Werkstoff 42CrMo4. Dieser
Stahl erreicht bei einer Zugfestigkeit von ca. 1'000 MPa noch eine Charpy-Kerbschlagarbeit
(ISO-V bei Raumtemperatur) von 200 J.
[0003] Vergütungsstähle mit einem Mischgefüge aus Martensit und Bainit können ebenfalls
gute Eigenschaftskombinationen aufweisen. Die
WO 2007/017161 beschreibt einen solchen Stahl für dickwandige Nahtlos-Rohre (mit bis zu 30 mm Wandstärke).
Nach dem Abschrecken (Abkühlrate > 30 K/s) aus der Umformhitze entsteht ein dominant
martensitisches Gefüge mit bis zu 40 % Bainit. Das martensitische Gefüge weist unabhängig
von der ursprünglichen Austenitkorngrösse (Primärgefüge) eine gute Kerbschlagzähigkeit
auf, sobald die Martensit-Korngrösse <3 µm beträgt.
[0004] Eine weitere Absenkung der Abkühlrate (aus der Umformwärme) führt zu dominant bainitischen
Gefügen. Entsprechende Patentveröffentlichungen beziehen sich insbesondere auf Schmiedeteile
und Schienen. Das resultierende Bainit-Gefüge ist in der Regel sehr kerbempfindlich,
so dass die Charpy-Kerbschlagzähigkeit typischerweise an Proben mit U-Kerbe ermittelt
wird.
[0005] In
EP 0 845 544 wird ein solcher mikrolegierter bainitischer Stahl mit C ≤ 0.12 % beschrieben, der
bei Raumtemperatur eine Zugfestigkeit von über 1'000 MPa aufweist. Um die gewünschten
Eigenschaften zu erreichen, wird der Stahl nach der Walzung wieder austenitisiert
und anschliessend mit einer Abkühlrate > 17 K/s abgeschreckt. Diese Abkühlrate liegt
immer noch deutlich über denjenigen der an Luft abgekühlten Langprodukte in konventionellen
Walzwerken.
[0006] EP 0 775 756 beschreibt einen weiteren bainitisch-martensitischen Stahl für die Herstellung von
Schmiedeteilen. Nach dem Schmieden soll die Zugfestigkeit > 1'000 MPa betragen und
die Charpy-Kerbschlagzähigkeit ISO-U ist > 50 J/cm
2 (bzw. Kerbschlagarbeit ISO-U > 25 J). Die beschriebene Stahlzusammensetzung erfordert
jedoch zwingend eine beschleunigte Abkühlung aus der Umformhitze, damit diese Werte
erreichbar sind. Die Ausführungsbeispiele zeigen, dass die Abkühlrate > 14 K/s sein
soll. Diese technische Lehre lässt sich in konventionellen Schmiede- und Warmwalzprozessen
nicht anwenden. Ausserdem beschränkt sich die Umsetzung auf kleine Bauteile, bei denen
auch im Kern noch grosse Kühlraten erreicht werden können.
[0007] JP2007 284774 beschreibt einen ähnlichen bainitischen Stahl zur Herstellung von Walzdraht, der
sich durch gute Ermüdungseigenschaften und durch eine gute Kaltumformbarkeit auszeichnet.
Zur Erreichung des erfindungsgemässen Gefüges wird wiederum eine beschleunigte Abkühlung
aus der Umformhitze verlangt. Die Abkühlraten der Ausführungsbeispiele liegen zwischen
15 und 50 K/s. Die erreichbare Kerbschlagzähigkeit geht aus der Beschreibung nicht
hervor.
[0008] GB 2 297 094 beschreibt einen karbid-freien bainitischen Stahl, der aus der Umformhitze an Luft
abgekühlt hergestellt werden kann. Der Stahl ist für die Herstellung von Schienen
konzipiert und zeichnet sich durch eine gute Verschleissbeständigkeit und ein gutes
Ermüdungsverhalten aus. Die Kerbschlagzähigkeit des Werkstoffs stand bei dieser Entwicklung
nicht im Vordergrund. Die Charpy-Kerbschlagarbeit ISO-V bei Raumtemperatur liegt nur
bei 20 bis 40 J.
[0009] Der in
CN 1 477 226 beschriebene Stahl kann nach der Luftabkühlung folgende Mischgefüge enthalten: granularer
Bainit, unterer Bainit, Martensit, Restaustenit. Er erreicht eine Zugfestigkeit von
850 bis über 1'400 MPa. Damit eine gute Zähigkeit resultiert, muss der Stahl nach
der Warmumformung jedoch nochmals wärmebehandelt (angelassen) werden. Der vorhandene
Kohlenstoff wandert dann in die vorliegenden Austenitfilme, und bei einer Zugfestigkeit
von ca. 900 MPa lässt sich eine Charpy-Kerbschlagzähigkeit ISO-U von über 110 J/cm
2 (oder > 55 J) erreichen.
[0010] Obwohl die Eigenschaften der bainitisch-martensitischen Stähle bisher vielversprechend
sind, liegt bislang keine Beschreibung für die Herstellung massiver Bauteile (Durchmesser
bzw. Wandstärke > 10 mm) vor, mit der
- nach Luftabkühlung aus der Umformhitze bei Raumtemperatur Charpy-Kerbschlagzähigkeiten
an V-gekerbten Proben von > 100 J erreichbar sind
- für ein breites Spektrum an Bauteil-Abmessungen bzw. Walzabmessungen konstante Eigenschaften
erreicht werden können.
Darstellung der Erfindung
[0011] Aufgabe der Erfindung ist es, ein verbessertes warmumgeformtes Stahlprodukt sowie
ein Verfahren zu dessen Herstellung bereitzustellen, mit dem insbesondere die obigen
Nachteile vermieden werden.
[0012] Gelöst werden diese Aufgaben durch das im Anspruch 1 definierte Verfahren sowie durch
das im Anspruch 5 definierte warmumgeformte Stahlprodukt.
[0013] Die nachfolgenden Gehaltsangaben in Prozent (%) bzw. in Teilen pro Million ("parts
per million, ppm") beziehen sich - sofern nicht ausdrücklich anders angegeben - auf
Gewichtsanteile.
[0014] Beim erfindungsgemässen Verfahren zur Herstellung eines Stahlprodukts wird ein Stahl
mit einem Gewichtsanteil von:
0.03 bis 0.20 % Kohlenstoff (C),
2.00 % bis 4.00 % Mangan (Mn),
0.05 bis 2.00 % Chrom (Cr),
0.05 bis 1.00% Nickel (Ni),
bis zu 0.035% Phosphor (P),
bis zu 0.5% Molybdän (Mo),
bis zu 0.02% Stickstoff (N),
bis zu 0.04% Aluminium (Al),
bis zu 0.005% Bor (B),
bis zu 0.10% Titan (Ti),
bis zu 0.8% Silizium (Si),
der Rest Eisen sowie stahlübliche Beimengungen,
einer Warmumformung bei 900 bis 1300°C unterzogen und danach an Luft abkühlt, wobei
die mittlere Austenitkorngrösse nach dem letzten Warmumformungschritt kleiner ist
als 50 µm und wobei die Abkühlung aus der Umformhitze an ruhender oder bewegter Luft
so geschieht, dass der Temperaturbereich zwischen 800 und 500°C mit einer Kühlrate
von 0.1 bis 8.0 K/s durchlaufen wird.
[0015] Besonders bevorzugt wird die Abkühlung aus der Umformhitze so durchgeführt, dass
der Temperaturbereich zwischen 600 und 400°C mit einer Kühlrate von 0.1 bis 4.0 K/s
durchlaufen wird.
[0016] Die prozentualen Gewichtsanteile x(i) von Kohlenstoff, Mangan, Chrom, Nickel und
Molybdän erfüllen dabei die folgende Bedingung:

[0017] Hierdurch wird erreicht, dass nach Luftabkühlung aus einem Temperaturbereich von
900 bis 1'300°C folgende Gefügebestandteile vorliegen:
60 bis 95% unterer Bainit,
bis zu 10% granularer oder oberer Bainit,
bis zu 40% Martensit,
bis zu 20% Restaustenit, und
bis zu 2% Ferrit.
[0019] Bei dem erfindungsgemäss hergestellten Produkt sind die Legierungskomponenten so
gewählt, dass bei üblichen Abkühlraten aus der Walzhitze von 0.1 bis 8.0 K/s immer
ein bainitisch-martensitisches Gefüge mit Zugfestigkeitsniveau von 900 bis 1'400 MPa
resultiert, ohne dass kostspielige Legierungselemente und/oder spezielle Einrichtungen
zur beschleunigten Abkühlung aus der Walzhitze verwendet werden müssen. Die Charpy-ISO-V
Kerbschlagarbeit bei Raumtemperatur ist > 100 J.
[0020] Durch die untere Begrenzung des Kohlenstoffgehalts auf 0.03 Gew.-% wird in Kombination
mit Mangan, Chrom und Molybdän sichergestellt, dass keine Ferritanteile im Gefüge
vorliegen. Ferritanteile beeinträchtigen sowohl das Festigkeitsniveau wie auch die
Kerbschlagzähigkeit des Produkts.
[0021] Durch die obere Begrenzung des Kohlenstoffs auf 0.20 Gew.-% wird gewährleistet, dass
die Zugfestigkeit nicht über 1'400 MPa ansteigt. Höhere Festigkeitswerte verschlechtern
die Bearbeitbarkeit im nachgelagerten Ziehprozess oder Zerspanungsprozess. Höhere
Kohlenstoffgehalte fördern ausserdem die Bildung von Karbiden, was die Duktilität
nachteilig beeinflusst.
[0022] Die untere Begrenzung in Mangan auf 2.00 Gew.-% stellt sicher, dass eine Bainitstarttemperatur
unter 800 K ohne teure Legierungszusätze erreichbar ist. Diese tiefe Bainitstarttemperatur
gewährleistet ein feines Stahlgefüge, welches dominant aus unterem Bainit besteht.
Gemäss einer bevorzugten Ausführungsform wird ein Mangangehalt von mindestens 2.55
Gew.-% verwendet. Insbesondere bewährt es sich, einen Mangangehalt von mindestens
2.80 Gew.-%, beispielsweise ungefähr 3.0 Gew.-% zu verwenden.
[0023] Eine weitere Zugabe von Mangan senkt die Bainit-Starttemperatur nochmals ab. Das
Bainitgebiet engt sich ein und der resultierenden Bainitanteil nimmt zugunsten von
Restaustenit und Martensit ab. Bei Überschreitung der oberen Begrenzung in Mangan
liegt das gewünschte bainitische Gefüge nicht mehr vor. Das Gefüge wird dann dominant
martensitisch sein.
[0024] Molybdän unterdrückt die Korngrenzensegregation von versprödenden Elementen wie Phosphor.
Eine Zugabe von mindestens 0.15 Gew.-% Molybdän verbessert somit die Anlassbeständigkeit
des Stahls. Falls keine nachgelagerte Wärmebehandlung stattfindet, ist die Zugabe
von Molybdän nicht zwingend erforderlich.
[0025] Ein Molybdängehalt über 0.5 Gew.-% fördert die Bildung von kohlenstoffreichen Martensitinseln.
Diese führen zu einer markanten Verschlechterung der Zähigkeit des Stahls. Aus diesem
Grund soll der Molybdängehalt maximal 0.5 Gew.-% betragen. Vorteilhafterweise weist
das warmumgeformte Stahlprodukt einen Molybdängehalt von 0.15 bis 0.50 Gew.-% auf.
[0026] Chrom kann an Stelle von Mangan zulegiert werden, um die Bainitstarttemperatur einzustellen.
Die Verwendung von Chrom ist jedoch kostspieliger als die Verwendung von Mangan. Da
Mangan stark seigert, kann es für gewisse Anwendungen dennoch sinnvoll sein, einen
Teil des Mangans durch Chrom zu ersetzen. Da Chrom das Risiko für die Bildung von
chromreichen Nitriden und Karbiden erhöht, was zu einer Verschlechterung der Zähigkeit
führen kann, wird der Chromgehalt auf 2.0 Gew.% begrenzt.
[0027] Die Zugabe von Silizium ist nicht notwendig, um die gewünschten Eigenschaften zu
erreichen. Eine dosierte Zugabe von Silizium unterdrückt die Karbidbildung. Eine bevorzugte
Ausführung des erfindungsgemäss hergestellten Produkts enthält deshalb 0.40 bis 0.80
Gew.-% Silizium.
[0028] Nickel verbessert die Charpy-Kerbschlagzähigkeit bei tiefen Temperaturen. In der
Regel reichen die Eigenschaften auch ohne Nickelzugabe aus. Aus Kostengründen wird
der Nickelgehalt auf 1.0 Gew.-% begrenzt.
[0029] Die Zugabe von Aluminium ist für die erfindungsgemässe Herstellung des Produkts nicht
zwingend. Falls eine spätere Wärmebehandlung des Produkts, z.B. eine Einsatzhärtung
zur Einstellung einer verschleissfesten Oberfläche, notwendig ist, dann kann die Austenitkornstabilität
über eine Aluminiumzugabe gewährleistet werden. In diesem Fall sind Aluminiumgehalte
von 0.02 bis 0.04 Gew.% üblich.
[0030] Phosphor ist ein Stahlschädling. Es geht an die Austenitkorngrenzen und schwächt
das Gefüge. Aus diesem Grund wurde der Phosphorgehalt auf 0.035 Gew.-% begrenzt.
[0031] Da sich schon geringfügige Ferritanteile negativ auf die Kerbschlagzähigkeit auswirken
können, soll die Ferritbildung möglichst vermieden werden. Durch eine ausreichend
schnelle Abkühlung des warmumgeformten Produkts kann dies gewährleistet werden. Falls
die Abkühlrate nicht ausreicht, kann zusätzlich eine Zugabe von Bor vorgesehen werden.
Bor geht an die Austenitkorngrenzen und unterdrückt die Ferritbildung. In diesem Fall
ist einen Borgehalt 10 bis 50 ppm ausreichend.
[0032] Eine Zugabe von 0.03 bis 0.10 Gew.-% Titan stellt sicher, dass der im flüssigen Stahl
gelösten Stickstoff von bis zu 0.02 Gew.-% während der Erstarrung des Stahls in Form
von Titankarbonitriden ausgeschieden wird. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass
elementares Bor an die Austenitkorngrenzen gelangen kann und nicht in Form von Bornitriden
vorliegt. Falls kein Bor zulegiert wird, muss keine Titanzugabe vorgesehen werden.
[0033] Die chemische Zusammensetzung des Stahls ist so zu wählen, dass nach der Abkühlung
an Luft ein Gefüge entsteht, welches dominant aus unterem Bainit besteht. Dies wird
bevorzugt dadurch erreicht, dass die Bainit-Starttemperatur Bs niedrig genug eingestellt
wird. Aus diesem Grund soll die Bs-Temperatur nicht mehr als 800 K betragen. Die tiefe
Umwandlungstemperatur gewährleistet eine sehr feine Gefügestruktur, was für die Erreichung
der hohen Kerbschlagzähigkeit entscheidet ist.
[0034] Eine ausreichend feine Gefügestruktur ist erreicht, wenn die mittlere Korngrösse
des dominant bainitischen Sekundärgefüges kleiner ist als 5 µm. Die Korngrösse ist
dabei über den linearen Abstand zwischen Korngrenzen definiert. Die kristallografische
Orientierung an der Korngrenze soll sich um mehr als 15° ändern.
[0035] Eine zu tief gewählte Bs-Temperatur verlangsamt die Kinetik der Bainitbildung. Es
entsteht deutlich weniger Bainit und das Gefüge wird dominant martensitisch. Die Bs-Temperatur
soll deshalb über 700 K liegen. Damit sich möglichst viel Bainit einstellt, ist die
Bainitstarttemperatur bevorzugt zwischen 750 und 800 K zu wählen.
[0036] Der Austenit wird während der Gefügeumwandlung nicht vollständig in Bainit umgewandelt.
Damit die Eigenschaften des unteren Bainits dominieren, soll jedoch mindestens 60%
des Gefüges aus unterem Bainit bestehen.
[0037] Der Austenit, der sich während der Abkühlung aus der Warmumformung nicht in Bainit
umwandelt, ist entweder über einen ausreichenden Kohlenstoffgehalt stabilisiert oder
er wandelt sich bei tieferen Temperaturen in Martensit um. Bei einem mittleren Kohlenstoffgehalt
im Stahl von 0.05 Gew.-% wird im Gefüge voraussichtlich kein Restaustenit vorliegen
und der resultierende Martensitanteil kann bis zu 40% betragen.
[0038] Bei einem Kohlenstoffgehalt von 0.2 Gew.-% wird ein Teil des Austenits während der
Abkühlung aus der Warmumformung stabilisiert. Es können noch 20% Restaustenit im Endprodukt
vorliegen.
[0039] Da der Mangangehalt des Stahls über 2.0 Gew.-% beträgt, ist mit einer mikroskopisch
ungleichmässigen Manganverteilung im grosstechnisch hergestellten Produkt zu rechnen
(Seigerungszonen). Aus diesem Grund kann das Umwandlungsverhalten des Austenits während
der Abkühlung aus der Warmumformung lokal variieren. So können vereinzelte Körner
aus Ferrit, granularem Bainit oder oberem Bainit nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Solange deren Bestandteile gering sind, werden sie die guten Eigenschaften des Produkts
nicht beeinträchtigen. Deshalb sind bis zu 10 % granularer oder oberer Bainit und
bis zu 2 % Ferrit für das erfindungsgemäss hergestellte Produkt zulässig.
Kurze Beschreibung der Zeichnungen
[0040] Ausführungsbeispiele der Erfindung werden nachfolgend anhand der Zeichnungen näher
beschrieben, dabei zeigen:
- Fig. 1
- die Abhängigkeit der ISO-V-Kerbschlagarbeit von der Bainit-Starttemperatur;
- Fig. 2
- ein Gefügebild (Ätzmittel: LePera) für einen 18 mm Stabstahl aus Stahl 1;
- Fig. 3
- ein Gefügebild (Ätzmittel: LePera) für einen 18 mm Stabstahl aus Stahl 2;
- Fig. 4
- ein Gefügebild (Ätzmittel: LePera) für einen 18 mm Stabstahl aus Stahl 6;
- Fig. 5
- ein Gefügebild (Ätzmittel: LePera) für einen 18 mm Stabstahl aus Stahl 7;
- Fig. 6
- Gefügebilder bei 3000X Vergrösserung im hochauflösenden Rasterelektronenmikroskop:
oben Stahl 6 und unten Stahl 7, und
- Fig. 7
- das Ergebnis einer EBSD-Untersuchung am Beispiel von Stahl 7; die Sekundär-Korngrössen
wurden entlang den Linien d1, d2 und d3 ausgewertet; die mittlere Korngrösse beträgt
4.51 µm (± 1.09 µm).
Wege zur Ausführung der Erfindung
[0041] Die entscheidenden Zusammenhänge wurden bei Versuchen an Laborschmelzen entdeckt.
Es wurden Stahlblöcke von Ø 100 x 400 mm gefertigt und zu Ø 50 mm Rundknüppel ausgeschmiedet.
Zur Simulation einer Walzung in einem konventionellen Warmwalzwerk wurden die Knüppel
in 8 Stichen auf Ø 18 mm ausgewalzt:
[0042] Die Endwalztemperatur bei der letzten Warmumformung war 1'040 bis 1'060°C. Zur Simulation
der Abkühlung bei dünnen Drähten wurde zwischen 900 und 600°C eine beschleunigte Luftabkühlung
mit einer Kühlrate von ca. 5.5 K/s eingestellt. Während der Gefügeumwandlung unter
600°C wurden die Stäbe an ruhender Luft abgekühlt.
[0043] Die an neun Schmelzen ermittelten Charpy-Kerbschlagwerte bei Raumtemperatur sind
in Fig. 1 in Abhängigkeit von der Bainit-Starttemperatur Bs (ermittelt nach Steven
& Hayns) dargestellt. Es wurde entdeckt, dass die Schmelzen mit Bs < 800 K immer eine
gute Kerbschlagzähigkeit aufweisen.
[0044] In den Versuchsschmelzen wurden Kohlenstoff, Mangan, Molybdän verwendet, um die Bs-Temperatur
einzustellen. Es wurde kein Chrom und Nickel legiert. Die gemessenen Chrom- und Nickelgehalte
(als Begleitelemente bzw. Verunreinigungen im Stahl) lagen zwischen 0.05 und 0.09
Gew.-%.
[0045] Die drei erfindungsgemässen Stähle ("Stähle 7 bis 9") sind den sechs nicht-erfindungsgemässen
Stählen ("Stähle 1 bis 6") in den Tabellen 1 und 2 gegenübergestellt. Der wesentliche
Unterschied zwischen den erfindungsgemässen und den nicht-erfindungsgemässen Stählen
besteht in der Feinheit und in der Morphologie der Mikrostruktur. Diese wird über
die chemische Zusammensetzung des Stahls, gemäss Bs (in K) = 1103 - 270C - 90Mn -
70Cr - 37Ni - 83Mo < 800 K eingestellt. Ausgewählte Gefügebilder sind in Fig. 2 bis
5 dargestellt.
[0046] Stahl 1 besteht dominant aus einem grobkörnigen granularen Bainit (Fig. 2). Vereinzelt
wurden auch Ferritkörner gefunden. Die Zugfestigkeit Rm ist entsprechend niedrig.
Die ISO-V-Kerbschlagarbeit bei Raumtemperatur fällt unter 100 J.
[0047] Die Eigenschaften und die Mikrostruktur des nicht-erfindungsgemässen Stahls 2 sind
ähnlich zu Stahl 1. Die Bainit-Starttemperatur ist etwas niedriger und das Gefüge
ist entsprechend etwas feiner (Fig. 3). Das Gefüge besteht dominant aus einem karbid-freien
granularen Bainit. Die quantitative Gefügeanalyse (mittels Röntgendiffraktion für
Austenit und quantitative REM-Analyse für Ferrit, Bainit und M/A-Phasenanteile) ergab
folgende Gefügezusammensetzung: 80 % Bainit (dominant granular), 17 % Martensit und
3 % Restaustenit.
[0048] Bei weiterer Absenkung der Bainit-Starttemperatur ändert die Gefügestruktur von granularem
Bainit zu lattenförmigem unterem Bainit. Bereits im Schliffbild (LOM) des nicht-erfindungsgemässen
Stahls 6 ist die deutlich feinere Gefügestruktur zu erkennen (Fig. 5). Die Festigkeit
steigt im Vergleich zu den Stählen 1 und 2 markant an, aber die Kerbschlagzähigkeit
bleibt niedrig. Grund für die unbefriedigende Zähigkeit sind grobe Körner aus granularem,
oberem Bainit, die in einer Matrix aus feinem unteren Bainit eingelagert sind. Das
Gefüge besteht zu 87 % aus Bainit, 10 % aus Martensit und 3 % Restaustenit.
[0049] Aufgrund der vorliegenden Körner aus granularem Bainit ist die Gefügestruktur nicht
so fein, wie sie im LOM oder auch im Rasterelektronenmikroskop erscheint.
[0050] Um die Feinheit der Struktur sichtbar zu machen wurden EBSD-Untersuchungen ("Electron
Back Scattering Diffraction") durchgeführt. Mit dieser Methode werden die kristallografische
Orientierungen in der Mikrostruktur gemessen. Eine Korngrenze liegt vor, wenn sich
die kristallografische Orientierung um mehr als 15° ändert. Die mittlere lineare Ausdehnung
der Körner kann so bestimmt werden. Für Stahl 6 ist die mittlere Korngrösse 10.1 µm
(± 0.93 µm).
[0051] Fig. 7 zeigt das Gefüge des erfindungsgemässen Stahls 7 im Vergleich zum Stahl 6.
Das Gefüge ist bei Stahl 7 nochmals feiner geworden. Die quantitative Analyse gibt
folgende Gefügezusammensetzung: 70 bis 72 % unterer Bainit und 28 bis 30 % selbstangelassener
Martensit. Grobe Gefügebestandteile wie Ferrit oder granularer oberer Bainit fehlen.
Die mittels EBSD bestimmte mittlere Korngrösse ist entsprechend klein. Sie liegt bei
4.51 µm (± 1.09 µm) und ist somit nur halb so gross wie bei Stahl 6.
[0052] Die erfindungsgemässen Stähle repräsentieren eine Stahlzusammensetzung mit hoher
Festigkeit (ca. 1'000 MPa) und Zähigkeit (ISO-V bei Raumtemperatur ist 150 bis 200
J):
- Sie können mit konventioneller Walz- und Schmiedetechnologie hergestellt werden. Eine
Feinung des Primärgefüges durch Absenkung der Temperatur im letzten Umformschritt
unterhalb der Rekristallisations-Stopptemperatur ist nicht zwingend gefordert. Im
Ausführungsbeispiel liegt eine Austenitkorngrösse von ca. 30 µm vor.
- Die Eigenschaften werden bei tiefen Abkühlraten erreicht (hier an ruhender Luft),
so dass massive Bauteile daraus gefertigt werden können (im Beispiel 18 mm Walzstahl).
Die Abkühlrate entspricht der Herstellung von Stabstahl im Durchmesserbereich von
40 bis 50 mm.
- Die Eigenschaften werden direkt aus der Warmumformung erreicht. Eine nachgelagerte
Wärmebehandlung (z.B. ein Anlassen) ist nicht zwingend notwendig.
- Der Einsatz von teuren Legierungsmitteln (wie Mikrolegierungsmittel oder Nickel und
Molybdän) ist nicht zwingend notwendig.

1. Verfahren zur Herstellung eines Stahlprodukts, wobei man einen Stahl mit einem Gewichtsanteil
von
0.03 bis 0.20 % Kohlenstoff (C),
2.00 % bis 4.00 % Mangan (Mn),
0.05 bis 2.00 % Chrom (Cr),
0.05 bis 1.00% Nickel (Ni),
bis zu 0.035% Phosphor (P),
bis zu 0.5% Molybdän (Mo),
bis zu 0.02% Stickstoff (N),
bis zu 0.04% Aluminium (Al),
bis zu 0.005% Bor (B),
bis zu 0.10% Titan (Ti),
bis zu 0.8% Silizium (Si),
der Rest Eisen sowie stahlübliche Verunreinigungen,
einer Warmumformung bei 900 bis 1300°C unterzieht, und danach an Luft abkühlt, wobei
die mittlere Austenitkorngrösse nach dem letzten Warmumformungschritt kleiner ist
als 50 µm und wobei die Abkühlung aus der Umformhitze an ruhender oder bewegter Luft
so geschieht, dass der Temperaturbereich zwischen 800 und 500°C mit einer Kühlrate
von 0.1 bis 8.0 K/s durchlaufen wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
die prozentualen Gewichtsanteile x(i) von Kohlenstoff, Mangan, Chrom, Nickel und Molybdän
die folgende Bedingung erfüllen:

wobei ein Stahlprodukt mit folgenden Gefügebestandteilen gebildet wird:
60 bis 95% unterer Bainit,
bis zu 10% granularer oder oberer Bainit,
bis zu 40% Martensit,
bis zu 20% Restaustenit, und
bis zu 2% Ferrit.
2. Verfahren nach Anspruch 1, wobei der prozentuale Gewichtsanteil von Mangan mindestens
2.55% beträgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, wobei die Abkühlung aus der Umformhitze an ruhender
oder bewegter Luft so geschieht, dass der Temperaturbereich zwischen 600 und 400°C
mit einer Kühlrate von 0.1 bis 4.0 K/s durchlaufen wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, wobei die prozentualen Gewichtsanteile
x von Kohlenstoff, Mangan, Chrom, Nickel und Molybdän die Bedingung erfüllen:
5. Warmumgeformtes Stahlprodukt, herstellbar mit einem Verfahren nach einem der vorangehenden
Ansprüche, mit einem Gewichtsanteil von 0.03 bis 0.20 % Kohlenstoff (C),
2.00 % bis 4.00 % Mangan (Mn),
0.05 bis 2.00 % Chrom (Cr),
0.05 bis 1.00% Nickel (Ni),
bis zu 0.035% Phosphor (P),
bis zu 0.5% Molybdän (Mo),
bis zu 0.02% Stickstoff (N),
bis zu 0.04% Aluminium (Al),
bis zu 0.005% Bor (B),
bis zu 0.10% Titan (Ti),
bis zu 0.8% Silizium (Si),
der Rest Eisen sowie stahlübliche Verunreinigungen,
wobei die prozentualen Gewichtsanteile x von Kohlenstoff, Mangan, Chrom, Nickel und
Molybdän die folgende Bedingung erfüllen:

wobei das Stahlprodukt folgende Gefügebestandteile aufweist:
60 bis 95% unterer Bainit,
bis zu 10% granularer oder oberer Bainit,
bis zu 40% Martensit,
bis zu 20% Restaustenit, und
bis zu 2% Ferrit.
6. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach Anspruch 5, wobei die mittlere Korngrösse des dominant
bainitischen Sekundärgefüges kleiner ist als 5 µm.
7. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach Anspruch 5 oder 6, wobei die prozentualen Gewichtsanteile
x von Kohlenstoff, Mangan, Chrom, Nickel und Molybdän die Bedingung erfüllen:
8. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach einem der Ansprüche 5 bis 7, mit folgenden Gefügebestandteilen:
60 bis 95% unterer Bainit,
bis zu 10% granularer oder oberer Bainit,
bis zu 30% Martensit,
bis zu 5% Restaustenit, und
bis zu 2% Ferrit.
9. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach einem der Ansprüche 5 bis 8, wobei der Siliziumgehalt
0.40 bis 0.80 Gew.-% beträgt.
10. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach einem der Ansprüche 5 bis 9, wobei der Borgehalt
10 bis 50 ppm beträgt.
11. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach einem der Ansprüche 5 bis 10, wobei der Titangehalt
0.03 bis 0.10 Gew.-% beträgt.
12. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach einem der Ansprüche 5 bis 11, mit einer Mindest-Wandstärke
bzw. Mindest-Durchmesser von 10 mm.
13. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach einem der Ansprüche 5 bis 12, mit einer Charpy-Kerbschlagzähigkeit
ISO-V bei Raumtemperatur von über 100 J.
14. Warmumgeformtes Stahlprodukt nach einem der Ansprüche 5 bis 13, mit einer Zugfestigkeit
Rm bei Raumtemperatur von 800 bis 1400 MPa.
15. Verwendung eines warmumgeformten Produkts nach einem der Ansprüche 5 bis 14 für die
Verarbeitung in einer Presse zur Herstellung von Kaltfliesspress- oder Kaltstauchteilen.